Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 B 70/10

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 888,47 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

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1. Die Beklagte hatte die Erstattung von Aufwendungen für eine zahnärztliche Behandlung in Anwendung der Dentin-Adhäsiv-Technik insoweit abgelehnt, als bei der Bemessung der Gebühr der auf der Grundlage der Ziffern 215 bis 217 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) berechnete Gebührensatz mit einem höheren Steigerungsfaktor als 1,5 multipliziert worden war. Die Vorinstanzen haben sie verpflichtet, für die Aufwendungen in voller Höhe Beihilfe zu leisten. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es sei allgemein anerkannt, dass die Gebührenbemessung von Leistungen der dentin-adhäsiven oder multiadhäsiven Kompositrestauration analog der Ziffern 214 bis 217 des Gebührenverzeichnisses zur GOZ erfolge. Streitig sei nur der Steigerungsfaktor von 2,3. An der Rechtsauffassung, die Anwendung eines Steigerungsfaktors von 2,3 sei ohne nähere Begründung nicht angemessen, werde nicht festgehalten. Vielmehr sei auch hier der Steigerungsfaktor innerhalb der Regelspanne zwischen den Steigerungsfaktoren 1 und 2,3 nach billigem Ermessen zu bestimmen und nicht grundsätzlich gesondert zu begründen. Die Regelspanne der Steigerungssätze stelle auch bei einer analogen Anwendung der Ziffern 214 bis 217 des Gebührenverzeichnisses eine ausreichende Bandbreite für die sachgerechte Einordnung der Leistungen in Dentin-Adhäsiv-Technik zur Verfügung. Nur bei substantiierten Einwendungen gegen die Anwendung des Steigerungsfaktors von 2,3 im Einzelfall sei zu erläutern, dass dieser sachgerecht sei.

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2. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,

ob die Aufwendungen für die zahnärztliche Versorgung mit dentin-adhäsiven Kunststofffüllungen angemessen im Sinne von § 5 Abs. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (BhV) und damit beihilfefähig sind, wenn der Zahnarzt gemäß § 6 Abs. 2 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) analog den Ziffern 215 bis 217 abrechnet und dabei ohne nähere Begründung einen Steigerungsfaktor von 2,3 zugrundelegt,

rechtfertigt die Durchführung eines Revisionsverfahrens nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht, weil die Frage auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats zum Begriff der beihilferechtlichen Angemessenheit im Hinblick auf das ärztliche Gebührenrecht bereits geklärt ist.

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Nach beihilferechtlichen Grundsätzen sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Bei der Behandlung durch Ärzte beurteilt sich die Angemessenheit der Honorarforderung ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der maßgebenden ärztlichen Gebührenordnung. Für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des Beihilferechts Aufwendungen für ärztliche Leistungen angemessen sind, ist die Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend (Urteil vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 19.06 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 18 Rn. 18 m.w.N., vgl. auch Urteil vom 16. Dezember 2009 - BVerwG 2 C 79.08 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 20).

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In der Rechtsprechung der Zivilgerichte ist geklärt, nach welchen Grundsätzen zahnärztliche Behandlungen nach der Dentin-Adhäsiv-Methode abzurechnen sind: Der Bundesgerichtshof hat für die Prüfung der Gleichwertigkeit einer Leistung nach der Dentin-Adhäsiv-Technik mit einer Leistung des Gebührenverzeichnisses im Sinne von § 6 Abs. 2 GOZ entschieden, dass neben der Vergleichbarkeit der Art der ausgeführten Leistung, bei der das Ziel der Leistung oder der Ablauf der Behandlung im Vordergrund stehen, grundsätzlich gleichrangig auch Kosten- und Zeitaufwand zu berücksichtigen seien, da es bei der Analogberechnung darum gehe, den Zahnarzt für eine nicht in das Gebührenverzeichnis aufgenommene Leistung leistungsgerecht zu honorieren (BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 - III ZR 161/02 - juris Rn. 11 = NJW-RR 2003, 636)).

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Die Vergleichbarkeit einzelner Leistungen mit solchen des Gebührenverzeichnisses nach Art, Kosten- und Zeitaufwand ist hiernach im Wesentlichen eine zahnmedizinische Fachfrage und über die Einholung von fachwissenschaftlichen Gutachten zu klären (BGH, a.a.O. Rn. 8). Ein entsprechendes Gutachten ist in der Folge der zurückverweisenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs durch das Tatsachengericht eingeholt worden.

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Vor diesem Hintergrund haben die Zivilgerichte die von der Beklagten erläuternd formulierte Teilfrage,

welche Anforderungen an die von § 6 Abs. 2 GOZ vo-rausgesetzte Gleichwertigkeit der Leistung gestellt sind,

konkret für die Gleichwertigkeit von Leistungen der Dentin-Adhäsiv-Technik mit Leistungen nach dem Gebührenverzeichnis beantwortet. Im Übrigen ist diese zivilrechtliche Frage nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen.

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Gleiches gilt für die von der Beschwerde weiter formulierte Teilfrage,

wie § 6 Abs. 2 GOZ anzuwenden ist, wenn die nicht im Gebührenverzeichnis aufgenommene Leistung mit mehr als einer Leistung vergleichbar ist, die im Gebührenverzeichnis mit unterschiedlichen Gebühren ausgewiesen sind (hier: Ziffern 205, 207, 209, 211 und 218 - plastische Aufbaufüllungen - oder Ziffern 215 bis 217 - Einlagefüllungen -).

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Auch hierbei handelt es sich um eine zivilrechtliche Frage, deren Beantwortung den Zivilgerichten obliegt. Im Übrigen haben diese die Gleichwertigkeit zahnärztlicher Leistungen nach der Dentin-Adhäsiv-Methode mit Leistungen zur Einbringung von Einlagefüllungen (Inlays) bejaht und damit entschieden, dass die hier fraglichen Leistungen mit den Gebührenziffern 215 bis 217 gleichwertig sind (vgl. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 24. November 2004 - 2 - 16 S 173/99 - S. 10 - 12 der Entscheidungsgründe).

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Danach würde sich auch die Teilfrage,

welche Maßgaben sich daraus ergeben, dass die Gebühr in diesem Fall nur "entsprechend … berechnet" wird,

aufgrund ihrer zivilrechtlichen Natur in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Im Übrigen stellt § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ die Bestimmung des Steigerungsfaktors in das billige Ermessen des die Rechnung erstellenden Zahnarztes. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt nicht darin, dass ärztliche Leistungen von durchschnittlicher Schwierigkeit mit dem Schwellenwert eines 2,3-fachen Steigerungsfaktors abgerechnet werden (BGH, Urteil vom 8. November 2007 - III ZR 54/07 - BGHZ 174, 101 <107 f., 110> zum inhaltsgleichen § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ). Der eindeutige Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ sieht keine abweichenden Bestimmungen des Schwellenwertes für den Fall vor, dass die in die Berechnung eingeflossene Punktzahl nach einer dieser gleichwertigen Leistung im Sinne von § 6 Abs. 2 GOZ bestimmt worden ist. Für diesen Fall sieht die Norm auch keine Begründungspflicht vor, die § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ ausdrücklich erst bei der Überschreitung des Schwellenwertes eingreifen lässt.

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Ist hiernach eine Überschreitung des billigen Ermessens des Zahnarztes bei der Entscheidung für den Steigerungsfaktor 2,3 für Leistungen von durchschnittlicher Schwierigkeit nicht anzunehmen, so handelt es sich um eine vertretbare Auslegung des zahnärztlichen Gebührenrechtes, die damit auch zu einer Gebühr von im Sinne des Beihilferechtes angemessener Höhe führt. Eine dem ärztlichen Gebührenrecht entsprechende Berechnung wird nicht deshalb beihilferechtlich unangemessen, weil Verwaltungsvorschriften des beihilfepflichtigen Dienstherrn eine vom ärztlichen Gebührenrecht nach der Auslegung der Zivilgerichte abweichende Berechnungsmethode verlangen. Denn damit würde der Dienstherr seine Kompetenz zum Erlass norminterpretierender Verwaltungsvorschriften überschreiten. Im Hinblick auf die zivilgerichtliche Rechtsprechung ist die Auslegung des einschlägigen Gebührenrechts auch nicht mehr in dem Sinn zweifelhaft, dass erst ein Erlass des beihilfepflichtigen Dienstherrn für Klarheit sorgen müsste (vgl. auch Urteil vom 16. Dezember 2009 - BVerwG 2 C 79.08 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 20).

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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1, Abs. 3 GKG.

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