Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (2. Wehrdienstsenat) - 2 WD 5/11

Tatbestand

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Der im Februar 1960 geborene Soldat begann 1978 seinen Dienst bei der Nationalen Volksarmee, wurde 1991 - zunächst unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit - in die Bundeswehr übernommen und im Dezember 1992 zum Berufssoldaten ernannt. Zuletzt wurde er im Juni 1999 zum Hauptfeldwebel befördert. Seit Juli 2007 gehört er als Panzerfeldwebel der ... an.

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Der Soldat wurde zuletzt am 21. Januar 2011 mit dem Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung 3,55 beurteilt. In der Beurteilung heißt es unter anderem, der Soldat gehöre im Eignungs- und Leistungsvergleich unverändert zum unteren Leistungsdrittel der Kompanie. Der auf den ersten Blick gezeigten Stabilisierung seines Leistungsbildes stünden schwerwiegende Mängel im Verhalten als militärischer Führer gegenüber. In der Berufungshauptverhandlung hat der als Leumundszeuge vernommene Disziplinarvorgesetzte an dieser Leistungsbeurteilung festgehalten. Der Soldat erhielt im März 1994 wegen einer hervorragenden Einzeltat eine Förmliche Anerkennung; eine weitere erhielt er im Februar 2004.

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Dem Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 16. Dezember 2011 sind ein strenger Verweis vom 25. Mai 2000, ein strenger Verweis vom 27. März 2002 sowie eine am 24. Juli 2002 verhängte Disziplinarbuße zu entnehmen. Ferner weist er ein rechtskräftiges Urteil des Truppendienstgerichts Süd vom 23. Juli 2001 aus. Mit ihm wurde gegen den Soldaten wegen des Vorwurfs einer außerdienstlichen, strafrechtlich geahndeten Trunkenheitsfahrt (im Juli 1999) und des ebenfalls außerdienstlichen und strafrechtlich geahndeten Fahrens ohne Fahrerlaubnis (im Juli 2000) ein Beförderungsverbot verhängt. Darüber hinaus weist er ein rechtskräftiges Urteil des Truppendienstgerichts Süd vom 20. September 2005 aus, mit dem gegen den Soldaten erneut ein Beförderungsverbot für drei Jahre, verbunden mit einer Kürzung der monatlichen Dienstbezüge um ein Zwanzigstel für die Dauer von zwei Jahren, verhängt wurde. Dieser Disziplinarmaßnahme lagen zwei Unterschlagungen zulasten des Dienstherrn zugrunde.

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Wegen des Vorwurfs, im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit vom 24. August 2006 bis zum 25. November 2008 in 67 Fällen vorsätzlich ein Kraftfahrzeug ohne die erforderliche Fahrerlaubnis geführt zu haben, wurde der Soldat vom Amtsgericht ... am 22. Juli 2010 zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 70 € verurteilt. Nur dieses rechtskräftige Urteil weist die Zentralregisterauskunft vom 15. Dezember 2011 noch aus.

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Die Dienstbezüge des seit Juni 1979 verheirateten Soldaten, der Vater zweier volljähriger Kinder ist, belaufen sich auf etwa 2 320 €. Seine finanzielle Situation ist im Wesentlichen durch die Verpflichtung geprägt, den zur Begleichung der Geldstrafe aufgenommenen Kredit monatlich mit 250 € zu bedienen. Die Ehefrau des Soldaten erhält als Lehrerin Bezüge von monatlich etwa 1900 €. Sie ist zu 40 vom Hundert erwerbsbehindert und leidet an einer unheilbaren Sarkoidose. Zusammen mit seiner Ehefrau lebt der Soldat in einem von der Familie der Tochter erworbenen Haus, für das er 700,00 € Miete zahlt. Der Soldat war infolge der Übernahme von Beerdigungskosten anlässlich des Todes seines Bruders Ende 2003 mit ca. 2 000 € und des Todes seiner Schwiegertochter im März 2004 mit ca. 1 300 € finanziell belastet; zudem hatte er nach dem Tod der Schwiegertochter das Enkelkind für drei Jahre in seinen Haushalt aufgenommen.

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Der Soldat besitzt keine Fahrerlaubnis mehr, nachdem sie ihm 1999 wegen der - bereits erwähnten - fahrlässigen Trunkenheitsfahrt entzogen worden war und er nach Ablauf der Sperre kein Eignungsgutachten für eine erneute Erteilung vorgelegt hatte. Ihm war am 5. Juli 1999 der Dienstführerschein der Bundeswehr abgenommen und gleichzeitig der Befehl erteilt worden, keine Dienstfahrzeuge mehr zu führen.

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Im Rahmen des mit Verfügung des ...vom 25. Juni 2009 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahrens verhängte das Truppendienstgericht Süd mit Urteil vom 26. Oktober 2010 auf der Grundlage der Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft vom 25. Februar 2010 und der Nachtragsanschuldigungsschrift vom 31. März 2010 gegen den Soldaten ein Beförderungsverbot von 48 Monaten sowie für die Dauer von 60 Monaten eine Kürzung der Dienstbezüge um ein Siebentel. Der Soldat war im Disziplinarverfahren nicht durch einen Verteidiger vertreten. Das Truppendienstgericht hat ihm auch keinen bestellt. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hatte in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht seine Entfernung aus dem Dienst beantragt.

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Nachdem mit Beschluss des Truppendienstgerichts vom 26. Oktober 2010 der in der Anschuldigungsschrift unter Nr. 2 beschriebene Sachverhalt - an mehreren Tagen während der gesamten Dienstzeit nicht den befohlenen Dienst geleistet, sondern an seinem privaten Rechner Computerspiele gespielt und dabei den dienstlichen Monitor privat genutzt zu haben - ausgeklammert worden war, stellte das Truppendienstgericht bezüglich des Anschuldigungspunktes 1 in Übernahme der sachgleichen strafgerichtlichen Feststellungen des Amtsgerichts ...fest:

"Der Angeklagte ist Hauptfeldwebel der Bundeswehr, Dienststelle ... . Im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit fuhr er im Zeitraum vom 4. August 2006 bis 25. November 2008 gemäß diverser ihm erteilter Fahraufträge mit fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen, obwohl er die erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte. Dies wusste der Angeklagte. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fahrten: ..."

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Der Soldat habe vorsätzlich ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen, indem er wissentlich und willentlich gegen seine Treuepflicht (§ 7 SG),

"seine Gehorsamspflicht (§ 11 SG i.V.m. ZDv 42/3 Nr. 201 a.F. bzw. ZDv 43/1 Nr. 101 und ZDv 54/100 Nr. 1005 n.F. sowie ZDv 54/100 Anlage 14/1 Nr. 8 "Zehn Regeln zur IT-Sicherheit am Arbeitsplatz")"

und gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verstoßen habe. Zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme führte es im Wesentlichen aus:

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Das Fahren ohne Fahrerlaubnis stelle für sich allein schon die dienstliche Zuverlässigkeit eines Vorgesetzten ernsthaft in Frage. Dies gelte bereits bei rein außerdienstlichem Fehlverhalten. Dass die einzelnen Fahrten keinem privaten Zweck gedient hätten, sei allenfalls als Fehlen eines Erschwerungsgrundes anzusehen. Taterschwerend wirke sich neben dem unmittelbaren dienstlichen Bezug auch aus, dass der Soldat innerhalb von zweieinviertel Jahren insgesamt 67 Fahrten durchgeführt und hierbei über 6 000 km zurückgelegt habe. Ein hohes Maß an persönlicher Unbelehrbarkeit und Gleichgültigkeit dokumentiere sich darin, dass er das Urteil des Truppendienstgerichts vom 23. Juli 2001 ignoriert habe, wodurch sich regelmäßig das Maß der Schuld erhöhe. Den Besserungsabsichten könne kein entscheidendes Gewicht zukommen, weil der Soldat bereits mehrfach erklärt habe, sich um die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis zu bemühen. Ein Mitverschulden der Vorgesetzten liege indes vor. Kontrollmaßnahmen seien pflichtwidrig unterblieben. Die belastende Familiensituation des Soldaten sei ebenfalls mit in den Blick zu nehmen. Ungeachtet dessen, dass sie zur Tatzeit "keine entscheidende Rolle" gespielt habe, dränge sich der Verdacht auf, dass der Soldat sich zu schnell in einer Opferrolle wähne. Trotz dieser Einschränkungen sei eine gewisse charakterliche Stabilisierung wenigstens ansatzweise erkennbar. Dabei dürfe trotz des überwiegend negativen Beurteilungsbildes auch nicht übersehen werden, dass der Soldat zwei Förmliche Anerkennungen erhalten habe. Bei der Maßnahmeentscheidung sei zu beachten, dass keine Überlegungen angestellt worden seien, den Soldaten wegzuversetzen. Im Zuge der Verhältnismäßigkeitsprüfung müsse in Anlehnung an die - nunmehr geänderte - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einbezogen werden, dass sich eine Dienstgradherabsetzung dauerhaft auf das Ruhegehalt des Soldaten auswirken würde, weil für ihn wohl keine Möglichkeit mehr bestehe, den aberkannten Dienstgrad wieder zu erlangen. Hinzu komme, dass er bereits mit einer hohen Geldstrafe belegt worden sei, was nach der - ebenfalls geänderten - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Beachtung verlange. Allerdings sei es unumgänglich, "das ohnehin wirkungslose Beförderungsverbot" mit einer sich am gesetzlichen Höchstrahmen ausrichtenden Kürzung der Dienstbezüge zu verbinden.

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Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat gegen das ihr am 10. November 2010 zugestellte Urteil am 8. Dezember 2010 eine auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkte Berufung eingelegt und durch den Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts in der Berufungshauptverhandlung beantragt, den Soldaten in den Dienstgrad eines Feldwebels herabzusetzen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, das Truppendienstgericht habe die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens nicht zutreffend gewürdigt und unzulässig Milderungsgrunde angenommen oder sie zu stark gewichtet. Der Soldat selbst hat zum Abschluss der Berufungshauptverhandlung beantragt, die Sache angesichts der erörterten Verfahrensfehler an das Truppendienstgericht zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung (§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO) führt zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts Süd zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung, weil schwere Mängel des Verfahrens vorliegen (§ 121 Abs. 2 WDO).

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1. Ein schwerer Mangel des gerichtlichen Verfahrens liegt bereits darin, dass das Truppendienstgericht dem Soldaten, der im gerichtlichen Disziplinarverfahren einschließlich der Hauptverhandlung nicht durch einen Verteidiger vertreten war, entgegen § 90 Abs. 1 Satz 2 WDO keinen Pflichtverteidiger bestellt hat und dies für den Ausgang des Verfahrens erheblich sein kann (vgl. Urteil vom 7. November 2007 - BVerwG 2 WD 1.07 - BVerwGE 130, 12 <14> Rn. 16 = Buchholz 450.2 § 120 WDO 2002 Nr. 2 sowie Beschluss vom 21. Dezember 2011 - BVerwG 2 WD 26.10 - Rn. 18 m.w.N.).

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Nach § 90 Abs. 1 Satz 2 WDO bestellt der Vorsitzende der Truppendienstkammer dem Soldaten, der noch keinen Verteidiger gewählt hat, auf Antrag oder von Amts wegen einen Verteidiger, wenn die Mitwirkung eines solchen geboten erscheint. Ob die Mitwirkung eines Verteidigers geboten ist, beurteilt sich nach der Schwierigkeit der Rechts- und Sachlage (Urteil vom 7. November 2007 - a.a.O. - Rn. 17 m.w.N.). Von einer hinreichenden Schwierigkeit der Rechts- und Sachlage ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Verhängung der Höchstmaßnahme wahrscheinlich ist (Beschluss vom 21. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 20).

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2. Die Verhängung der Höchstmaßnahme stand im vorliegenden Verfahren nicht nur deshalb im Raum, weil der Vertreter der Wehrdisziplinaranwaltschaft am Schluss der erstinstanzlichen Hauptverhandlung die Entfernung des Soldaten aus dem Dienst ausdrücklich beantragt hat, sondern weil sie unabhängig davon schon nach dem Inhalt der Anschuldigungsschrift unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts objektiv in Betracht kam. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn die Höchstmaßnahme Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist, sondern auch wenn eine erhebliche disziplinarische Vorbelastung einen endgültigen objektiven Vertrauensverlust nahelegt. Im Rahmen der vom Senat geforderten zweistufigen Prüfung (Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 -), die dem angegriffenen Urteil nicht entnommen werden kann, stand hinsichtlich der konkret zu verhängenden Disziplinarmaßnahme als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Herabsetzung im Dienstgrad im Raum, bei der wegen erschwerender Einzelfallumstände nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sie in eine Entfernung aus dem Dienst umschlagen würde.

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a) Zum Komplex Fahren ohne Fahrerlaubnis hat der Senat entschieden, dass bei einer - lediglich - erstmaligen und - zudem - nur außerdienstlichen Straftat in Gestalt eines Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Dienstgradherabsetzung in aller Regel nicht geboten ist. Zwar stellt das Fahren ohne Fahrerlaubnis für sich allein die dienstliche Zuverlässigkeit eines Vorgesetzten in Frage, weil die Nichtbeachtung verkehrsrechtlicher Vorschriften, die zum Schutze der Allgemeinheit erlassen sind, zwangsläufig Rückschlüsse auf eine mangelnde charakterliche Qualifikation zulassen. Ein Vorgesetzter, der verpflichtet ist, in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel zu geben, zieht dadurch sein Verantwortungsbewusstsein und seine Autorität erheblich in Zweifel, auch wenn es sich um außerdienstliches Fehlverhalten handelt. Als angemessene gerichtliche Disziplinarmaßnahme kommt dafür eine Gehaltskürzung oder ein Beförderungsverbot in Betracht. Allerdings hat der Senat in seinem Urteil vom 11. März 1999 (BVerwG 2 WD 29.98 - Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 26) auch hervorgehoben, dass er bei einem Fahren ohne Fahrerlaubnis die Herabsetzung eines Unteroffiziers in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten als angemessene Disziplinarmaßnahme angesehen habe, weil dieser unmittelbar nach Entzug der Fahrerlaubnis wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss mehrfach, nämlich achtmal, und davon zweimal während des Dienstes unerlaubt gefahren sei (Urteil vom 25. September 2008 - BVerwG 2 WD 19.07 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 42). Daraus erschloss sich hinreichend deutlich, dass nach der Rechtsprechung des Senats ein Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einem Sprung hinsichtlich der Maßnahmeart regelmäßig jedenfalls dann führt, wenn es - wie vorliegend - in dienstlichem Zusammenhang steht, mit Dienstfahrzeugen erfolgt und nicht vereinzelt geschieht.

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b) Die Verhängung der Höchstmaßnahme mit in den Blick zu nehmen, drängte sich ungeachtet der vom Truppendienstgericht angenommenen Milderungsgründe im Sinne des § 38 Abs. 1 WDO angesichts der Einzelfallumstände, die dem Dienstvergehen eine überdurchschnittliche Schwere verleihen - wie namentlich Anzahl und Dauer der angeschuldigten Pflichtverletzungen sowie mehrfache, zum Teil einschlägige disziplinarische Vorbelastungen, davon zwei disziplinargerichtliche - auf. Sie ließen es naheliegend erscheinen, dass der Soldat durch sein erneutes Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn in seine persönliche Integrität und Zuverlässigkeit endgültig zerstört hatte (vgl. Urteil vom 4. März 2009 - BVerwG 2 WD 10.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 27).

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Dass der Dienstherr davon abgesehen hat, den Soldaten trotz des - erneuten - Dienstvergehens wegzuversetzen, ist nach der Rechtsprechung des Senats für die Feststellung des objektiven Vertrauensverlustes von allenfalls indizieller, nicht aber konstitutiver Bedeutung (Urteile vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 2 WD 43.09 - Rn. 48 und vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 -). Hinzu tritt, dass einer Herabsetzung im Dienstgrad das abzusehende Dienstzeitende des Soldaten und damit der Verlust der Chance, wieder den alten Dienstgrad zu erreichen, nicht von vornherein entgegenstanden. Der Senat hält unverändert an seiner Rechtsprechung fest, dass allein dies die Verhängung einer an sich gebotenen Disziplinarmaßnahme nicht unverhältnismäßig werden lässt. Er hat erst jüngst festgestellt, dass es der Zweck des Wehrdisziplinarrechts gebiete, die Disziplinarmaßnahme auszusprechen, die dem Gewicht des Dienstvergehens und dem dadurch eingetretenen Vertrauensschaden entspricht. Hat beides erhebliches Gewicht, ist der wirtschaftliche und berufliche Nachteil, der für den Soldaten etwa durch eine Degradierung eintritt, nicht unverhältnismäßig. Er liegt als gesetzlich vorgesehene und vom Soldaten daher vorhersehbare Rechtsfolge in dessen persönlichen Verantwortungsbereich. Ebenso entspricht es ständiger Senatsrechtsprechung, dass Art oder Höhe einer Kriminalstrafe für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung sind und sie es auch nicht gebieten, eine mildere Disziplinarmaßnahme zu verhängen (Urteil vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - m.w.N.).

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3. Die wegen der im Raum stehenden Verhängung der Höchstmaßnahme somit rechtswidrig unterbliebene Bestellung eines Pflichtverteidigers war für den Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens auch erheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass ein Verteidiger den juristisch nicht vorgebildeten Soldaten zu für die Schuldfeststellungen oder die Maßnahmebemessung relevantem Vortrag motiviert oder auf eine Berufung hingewirkt hätte. Anhaltspunkte dafür bestanden in mehrfacher Hinsicht. Zum einen hat das Truppendienstgericht einen Verstoß des Soldaten gegen die Gehorsamspflicht nach § 11 SG in Bezug auf die ZDv 42/3 Nr. 201 a.F. bzw. 43/1 Nr. 101 n.F. bejaht, obwohl ein Verteidiger im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage die Frage hätte aufwerfen können, ob diese Vorschriften einen für die Annahme eines Befehls (§ 2 Nr. 2 WStG) hinreichenden Bestimmtheitsgrad aufweisen (vgl. Urteil vom 26. September 2006 - 2 WD 2.06 - BVerwGE 127, 1 <25 f.>). Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass ein Verteidiger dem Soldaten auch deshalb angeraten hätte, (vollumfänglich) Berufung einzulegen, weil das Truppendienstgericht einen Gehorsamsverstoß bezogen auf die ZDv 54/100 ("Zehn Regeln zur IT-Sicherheit am Arbeitsplatz") festgestellt hat, obwohl es den darauf bezogenen Schuldvorwurf - Ziffer 2 der Anschuldigungsschrift - zuvor ausdrücklich ausgeklammert hatte. Zwar finden sich in den Ausführungen zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme keine Hinweise auf diesen Anschuldigungskomplex; dadurch ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass er für die Maßnahmebemessung des Truppendienstgerichts Bedeutung erlangt hat. Jedenfalls ist die Schuldfeststellung des Truppendienstgerichts bei der maßnahmebeschränkten Berufung für den Senat bindend und müsste trotz ihrer Fehlerhaftigkeit Grundlage der Bemessungsentscheidung des Senats sein, solange nicht ein Verteidiger durch eine unbeschränkte Berufung dem Senat eine vollumfängliche Überprüfung des Urteils ermöglicht.

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4. Der Mangel ist trotz der maßnahmebeschränkten Berufung wegen eines weiteren schweren Verfahrensfehlers auch beachtlich.

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Verfahrensmängel werden bei einer beschränkten Berufung regelmäßig gegenstandslos, soweit sie nicht das gesamte disziplinargerichtliche Verfahren oder den gerichtlichen Verfahrensabschnitt unzulässig machen (Urteil vom 4. Mai 1988 - BVerwG 2 WD 64.87 - S. 10 des Urteilsabdrucks). Beachtlich sind deshalb Aufklärungs- und Verfahrensmängel, wenn sie die Grundlage der vom Senat zu treffenden Entscheidung über die Maßnahmebemessung - die tatsächlichen und disziplinarrechtlichen Feststellungen zur Schuld des Soldaten - erschüttern (vgl. Urteil vom 19. August 2009 - BVerwG 2 WD 31.08 - Rn. 12, 17 - und Beschluss vom 24. März 2010 - BVerwG 2 WD 10.09 -). Eine solche Fallkonstellation liegt vor, weil der Senat wegen der nur beschränkt eingelegten Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft und der vom Soldaten möglicherweise gerade wegen der fehlenden Beratung eines Verteidigers unterlassenen Berufungseinlegung gehalten wäre, bei seiner folglich ausschließlich auf die Maßnahmebemessung beschränkten Prüfung auf die ZDv 54/100 bezogen einen - weiteren - Gehorsamverstoß zugrunde zu legen, obwohl das Truppendienstgericht diesen Tatkomplex mit ausführlicher Begründung ausgeklammert hat.

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Jedes Urteil in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren muss aus sich selbst, d.h. aus den Urteilsgründen heraus verständlich sein (§ 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 267 Abs. 1 StPO). Erfüllt es nach seinen Entscheidungsgründen diese Anforderungen nicht, liegt ein schwerwiegender Mangel des Verfahrens im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO bzw. § 121 Abs. 2 WDO vor. Denn Voraussetzung für die im Berufungsverfahren zu treffende Entscheidung über die gebotene und angemessene Disziplinarmaßnahme ist, dass die durch die Beschränkung der Berufung unangreifbar gewordenen tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, wie sie sich aus den Urteilsgründen ergeben, sowie die auf dieser Grundlage getroffenen Feststellungen zu den schuldhaften Pflichtverletzungen des Angeschuldigten nachvollziehbar, in sich schlüssig und widerspruchsfrei sind. Unklare, lückenhafte oder - wie vorliegend - widersprüchliche Feststellungen können keine ausreichende Grundlage für das festzusetzende Disziplinarmaß abgeben (vgl. Beschluss vom 24. März 2010 a.a.O.).

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5. Angesichts der schwerwiegenden Mängel macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts Süd zurückzuverweisen (vgl. Beschlüsse vom 21. Dezember 2011 - BVerwG 2 WD 26.10 - m.w.N. und vom 24. März 2010 a.a.O.). Für eine Zurückverweisung an ein anderes Truppendienstgericht besteht keine Veranlassung. Das Beschleunigungsgebot (§ 17 Abs. 1 WDO) steht dem nicht entgegen, weil die Zurückverweisung zur Sicherstellung des Anspruchs auf ein faires rechtsstaatliches Disziplinarverfahren (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208) unvermeidbar ist und der Soldat, dessen Interesse das Beschleunigungsgebot auch dient, in der Berufungshauptverhandlung eine Zurückverweisung ausdrücklich begehrt hat.

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