Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (8. Senat) - 8 B 15/12
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 21. November 2011 wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
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Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Gründe
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Die Klägerinnen begehren die Rückübertragung mehrerer Grundstücke, die ursprünglich im Eigentum der H. & Co. KG standen, an der die Mutter der Klägerinnen seit 1945 als Komplementärin beteiligt war. Das Vermögen der Gesellschaft und das Privatvermögen der Komplementärin wurden Ende 1945 gemäß Befehl Nr. 124 der SMAD vom 30. Oktober 1945 sequestriert. Im September 1946 wurden beide Sequestrierungen aufgehoben. Mit notariellem Vertrag vom 18. November 1946 übertrug die Gesellschaft die streitgegenständlichen Grundstücke zu einem Kaufpreis von 378 000 Mark an die Komplementärin, die am 6. November 1947 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen wurde. Im März 1948 wurde die H. KG erneut sequestriert und es wurde ein Treuhänder zur Verwaltung eingesetzt. Das Unternehmen wurde im weiteren Verlauf auf die für das Land Sachsen-Anhalt erstellten Listen der unter Sequester stehenden Betriebe (Liste A) gesetzt und enteignet. Die Grundstücke, die die Gesellschaft 1946/47 an die Mutter der Klägerinnen übereignet hatte, wurden 1949 auf Betreiben des Rechtsträgers des Unternehmens "nachenteignet". Den Antrag der Klägerinnen auf Rück-Übertragung dieser Grundstücke lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2010 ab, weil die Nachenteignung auf einer Anweisung des stellvertretenden Chefs der Finanzverwaltung der SMAD und somit auf besatzungshoheitlicher Grundlage beruhe. Die Klage blieb erfolglos.
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Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung nur dann zu, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die der - ggf. erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu rechnen ist und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führt. Daran fehlt es. Die von der Klägerin zu 1 aufgeworfenen Fragen betreffen durchweg die Voraussetzungen, unter denen angenommen werden kann, dass die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) das in Ziff. 5 des Befehls Nr. 64 vom 18. April 1948 allgemein verfügte Enteignungsverbot im Einzelfall wieder außer Kraft gesetzt habe mit der Wirkung, dass eine daraufhin von den deutschen Stellen verfügte Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgte. Die Fragen zielen jedoch ganz auf den Einzelfall; sie lassen nicht erkennen, inwiefern die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der allgemeinen Fortentwicklung bedürfte.
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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass ein von der sowjetischen Besatzungsmacht ausgesprochenes Enteignungsverbot nur durch eine nach außen erkennbare Willensäußerung oder ein sonstiges aktives Handeln der Besatzungsmacht wieder außer Kraft gesetzt werden kann (Urteile vom 13. Februar 1997 - BVerwG 7 C 50.95 - BVerwGE 104, 84 <89> = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 104 und vom 13. Dezember 2006 - BVerwG 8 C 25.05 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 34). Typischer Anwendungsfall kann eine schriftliche Anweisung der sowjetischen Besatzungsmacht sein (vgl. Beschluss vom 5. März 1998 - BVerwG 7 B 345.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 143; Urteile vom 25. Oktober 2001 - BVerwG 7 C 27.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 20 und vom 8. Oktober 2003 - BVerwG 8 C 28.02 - ZOV 2004, 38). Jedenfalls aber sind die Gesamtumstände des Einzelfalles zu würdigen (Urteil vom 13. Februar 1997 a.a.O. <90 f.>). Das Verwaltungsgericht hat diese Rechtsprechung zugrunde gelegt. Es hat in Würdigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalles angenommen, dass eine ausdrückliche sowjetische Weisung auf Enteignung des streitgegenständlichen Grundvermögens vorgelegen habe.
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Die Beschwerde zeigt einen weiteren Klärungsbedarf nicht auf. Das gilt auch hinsichtlich ihrer Frage, ob für die Annahme einer sowjetischen Enteignungsanweisung erhöhte Beweisanforderungen anzunehmen seien. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass insofern keine vom Üblichen abweichenden - verschärften oder ermäßigten - Anforderungen zu stellen sind (vgl. Urteile vom 24. September 2003 - BVerwG 8 C 27.02 -BVerwGE 119, 82 <86 f.> = Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 25 und vom 8. Oktober 2003 a.a.O.). Aus dem Urteil vom 7. März 2007 - BVerwG 8 C 28.05 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 36) lässt sich nichts Anderes herleiten; die dortige Wendung, dass eine Rückgabeanordnung der Besatzungsmacht nur "ausnahmsweise" den Charakter eines Enteignungsverbotes annehmen könne, war ebenfalls erkennbar den besonderen Umständen des Einzelfalles geschuldet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 und 4 GKG.
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- VermG § 1 Geltungsbereich 6x
- VwGO § 132 1x
- § 52 Abs. 3 und 4 GKG 1x (nicht zugeordnet)