Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 C 1/13
Gründe
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I.
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Die Beteiligten des Revisionsverfahrens streiten um die Genehmigungsfähigkeit von Windenergieanlagen.
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Den von der Klägerin gestellten Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung von fünf Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von 99 m und einem Rotordurchmesser von 70 m auf von ihr gepachteten Grundstücken der Gemarkung B. lehnte der Beklagte in Hinblick auf die am 1. Mai 2005 in Kraft getretene Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms mit der Begründung ab, die - raumbedeutsamen - Windenergieanlagen dürften nicht außerhalb von im Raumordnungsprogramm festgesetzten Vorrangstandorten bzw. Eignungsgebieten errichtet werden.
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Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, dass gegen die "Wegplanung" der von der Klägerin projektierten Standorte durch die Änderung des Raumordnungsprogramms keine Bedenken bestünden. Diese löse keine Entschädigungspflicht nach § 42 BauGB aus, weshalb entsprechende Entschädigungsansprüche auch nicht im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen gewesen seien. Auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts hat der Senat mit Beschluss vom 5. März 2013 - BVerwG 4 B 40.12 - die Entscheidung insofern aufgehoben und die Revision zugelassen.
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Mit dem am 21. Juni 2013 eingegangenen Schriftsatz seines Bevollmächtigten beantragte der Antragsteller die Beiladung, weil zwischen dem Eigentümer von Grundstücken, die durch die Änderung des Raumordnungsprogramms nicht mehr in einem Vorranggebiet für Windenergie liegen (das sind die Grundstücke, auf denen die Klägerin ihr Vorhaben verwirklichen möchte), der Beigeladenen des Revisionsverfahrens und dem Antragsteller vor dem Oberlandesgericht Celle ein Verfahren unter anderem über Entschädigungsansprüche aus § 42 BauGB anhängig sei. Dieses Verfahren ruhe derzeit. Die Beiladung sei notwendig, weil sich die Rechtskraft der im vorliegenden Revisionsverfahren ergehenden Entscheidung auf das Verfahren vor dem Oberlandesgericht erstrecke, denn es gehe hier wie dort um die Rechtmäßigkeit der Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms.
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Die Beteiligten erhielten Gelegenheit, sich zum Beiladungsantrag zu äußern.
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II.
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Der Beiladungsantrag ist unbegründet. Der Antragsteller kann nicht beigeladen werden. Eine Beiladung ist im Revisionsverfahren nur dann zulässig, wenn sie im Sinne von § 65 Abs. 2 VwGO notwendig ist (§ 142 Abs. 1 VwGO). Das ist nicht der Fall.
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Die Beiladung ist notwendig, wenn die vom Kläger begehrte Sachentscheidung nicht getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar Rechte des Beizuladenden gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (Urteil vom 19. Januar 1984 - BVerwG 3 C 88.82 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 49 S. 12; Beschluss vom 9. Januar 1999 - BVerwG 11 C 8.97 - NVwZ 1999, 296), oder anders gewendet, wenn die Entscheidung unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen Dritter gestalten soll, sie aber ohne deren Beteiligung am Verfahren nicht wirksam gestalten kann (Beschluss vom 12. August 1981 - BVerwG 7 B 195.80 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 60).
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1. Im Rahmen einer - wie hier gegebenen - Verpflichtungsklage liegen diese Voraussetzungen zunächst dann vor, wenn der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt, der gegen einen Dritten gerichtet sein und diesen belasten soll, ferner dann, wenn der erstrebte Verwaltungsakt zugleich den Kläger begünstigt und den Dritten belastet, wenn also die rechtsgestaltende Wirkung des erstrebten Verwaltungsakts einen Dritten unmittelbar in dessen Rechtsposition betrifft, weil er Adressat des angestrebten Verwaltungsakts sein soll (Beschluss vom 18. Juni 2013 - BVerwG 6 C 21.12 - juris Rn. 11). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
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2. Bei der Verpflichtungsklage ist die Beiladung eines Dritten ferner dann notwendig, wenn diese auf den Erlass eines mehrstufigen Verwaltungsakts gerichtet ist. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass er kraft Gesetzes nur mit Zustimmung oder im Einvernehmen eines anderen, insoweit selbständigen Rechtsträgers oder dessen Behörde erlassen werden darf. In diesem Falle ist die Zustimmung oder das Einvernehmen Bestandteil des streitigen Rechtsverhältnisses derart, dass es im Falle seiner Verweigerung durch das verwaltungsgerichtliche Urteil ersetzt wird (Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand August 2012, § 65 Rn. 23). Auch eine solche Fallgestaltung ist nicht gegeben. Der Antragsteller ist an dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht in der Weise beteiligt, dass ohne seine Zustimmung oder sein Einvernehmen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht erteilt werden dürfte.
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3. Eine notwendige Beiladung scheidet aus, wenn sich das Interesse des Beizuladenden an der Entscheidung allein daraus ergibt, dass sich eine in dem Verfahren inzident zu beurteilende Rechtsfrage auch in einem anderen Verfahren stellt, an dem der Beizuladende bereits beteiligt ist (Urteile vom 4. November 1976 - BVerwG 5 C 73.74 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 80 = juris Rn. 16 und vom 25. August 1966 - BVerwG 3 C 61.65 - BVerwGE 24, 343 <349, 350>, wonach eine vorgreifliche Rechtsfrage, deren Entscheidung inmitten steht, die Beiladung des davon betroffenen Dritten nicht notwendig macht). So liegt der Fall hier. Streitgegenständlich ist der vom Kläger behauptete Anspruch gegen den Beklagten auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung von fünf Windenergieanlagen. Insofern wird zu klären sein, ob im Falle der Aufhebung eines durch ein Regionales Raumordnungsprogramm festgesetzten Vorrangstandortes für Windenergie durch eine nachfolgende Änderung, für die der Antragsteller verantwortlich zeichnet, Entschädigungsansprüche nach §§ 39 ff. BauGB, insbesondere § 42 BauGB ausgelöst werden, die im Rahmen der vom Antragsteller zu treffenden Abwägungsentscheidung über die Änderung gegebenenfalls hätten berücksichtigt werden müssen, ob mithin die Änderung des Raumordnungsprogramms wirksam ist. In einer solchen Konstellation mag eine einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO denkbar sein (vgl. Urteil vom 11. Februar 1993 - BVerwG 4 C 25.91 - BVerwGE 92, 66 <69>; siehe aber auch Urteil vom 6. Juli 1971 - BVerwG 1 C 14.69 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 17 = juris Rn. 47, wonach die Beiladung des Normgebers zu einem Verfahren, in dem die Gültigkeit der Norm Vorfrage der gerichtlichen Entscheidung ist, grundsätzlich nicht statthaft ist). Eine solche kann in der Revisionsinstanz jedoch nicht mehr erfolgen (vgl. § 142 Abs. 1 VwGO).
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Referenzen
- VwGO § 137 1x
- VwGO § 121 1x
- VwGO § 65 4x
- VwGO § 142 2x
- § 42 BauGB 3x (nicht zugeordnet)
- §§ 39 ff. BauGB 1x (nicht zugeordnet)