Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (8. Senat) - 8 B 71/13

Gründe

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Der Kläger betreibt ein Pflegeheim, das zur Erbringung vollstationärer Pflegeleistungen zugelassen ist. Er wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem ihm untersagt wurde, neu einziehenden Heimbewohnern einmalig 50 € für die Kennzeichnung der Wäsche als Zusatzleistung zu berechnen, und aufgegeben wurde, in seinen formularmäßigen Heimverträgen künftig klarzustellen, dass die Wäschekennzeichnung als Regelleistung vom Heimentgelt umfasst sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen; der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

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Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Der - allein geltend gemachte - Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Entscheidung eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - ggf. erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu rechnen ist und dies zur Fortentwicklung der Rechtsprechung über den entschiedenen Einzelfall hinaus beiträgt. Diese Voraussetzungen sind bei keiner der vier vom Kläger bezeichneten Fragen erfüllt.

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1. Mit seiner ersten Frage möchte der Kläger sinngemäß geklärt wissen, ob die Befugnis des hessischen Landesgesetzgebers zur Regelung des Heimordnungsrechts auch die Ermächtigung der Heimordnungsbehörde zur Durchsetzung von Verpflichtungen des Heimträgers umfasst, die sich aus einem Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI ergeben. Diese Frage verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung; denn sie ist hinlänglich geklärt.

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Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die angefochtene Verfügung ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 16 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP) vom 7. März 2012 (GVBl S. 34) findet. Nach § 16 Abs. 2 HGBP hat die Heimaufsichtsbehörde die Einrichtungen daraufhin zu überprüfen, ob sie die Anforderungen an den Betrieb der Einrichtung nach diesem Gesetz erfüllen, wozu gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGBP auch gehört, dass der Betreiber der Einrichtung angemessene Entgelte verlangt. Werden bei einer Prüfung Mängel festgestellt und nicht innerhalb einer von der Heimaufsichtsbehörde gesetzten Frist abgestellt, so ist dies gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 HGBP durch schriftlichen Verwaltungsakt festzustellen; gemäß Satz 2 der Vorschrift ist die Beseitigung der Mängel anzuordnen, soweit dies zur Beseitigung einer eingetretenen oder zur Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls der Betreuungs- und Pflegebedürftigen, zur Sicherung der Einhaltung der dem Betreiber gegenüber den Betreuungs- und Pflegebedürftigen obliegenden Pflichten oder zur Vermeidung einer Unangemessenheit zwischen dem Entgelt und der Leistung erforderlich ist.

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Mit dieser Regelung hat der hessische Landesgesetzgeber, nachdem der Bundesgesetzgeber infolge der Änderung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG durch das Gesetz vom 28. August 2006 (BGBl I S. 2034) die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis für das Heimrecht verloren hat, die zuvor geltenden Bestimmungen der § 11 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 1 Satz 3, § 17 Abs. 1 des Heimgesetzes (HeimG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. November 2001 (BGBl I S. 2970) weitgehend wortgleich übernommen. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass § 17 Abs. 1 HeimG sämtliche gesetzlichen und vertraglichen Pflichten des Heimträgers nach dem Heimgesetz der aufsichtsrechtlichen Überwachung unterwirft (Urteil vom 2. Juni 2010 - BVerwG 8 C 24.09 - Buchholz 451.44 HeimG Nr. 11 Rn. 32) und dass dies auch die Pflichten des Heimträgers zur gesetzeskonformen Gestaltung der Heimverträge umfasst (a.a.O. Rn. 31). Der Heimträger ist aber bei der Gestaltung der Heimverträge mit den Leistungsempfängern der sozialen Pflegeversicherung gesetzlich vor allem zur Beachtung der Rahmenverträge nach § 75 SGB XI verpflichtet; er darf zwar neben den Pflegesätzen nach § 85 SGB XI und den Entgelten nach § 87 SGB XI über die im Versorgungsvertrag vereinbarten notwendigen Leistungen nach § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB XI hinaus Zuschläge für bestimmte Zusatzleistungen vereinbaren (§ 88 Abs. 1 Satz 1 SGB XI), muss dabei aber die Bestimmungen der Rahmenverträge über den Inhalt der notwendigen Leistungen und deren Abgrenzung von den Zusatzleistungen beachten (§ 88 Abs. 1 Satz 2 SGB XI).

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Dass sich die Heimaufsicht nicht auf die Pflicht der Heimträger zur Beachtung der spezifisch sozialrechtlichen Bestimmungen erstrecken dürfte, ist nicht ersichtlich. Das Bundesverwaltungsgericht ist in dem genannten Urteil vom 2. Juni 2010, das die Vereinbarkeit einer heimvertraglichen Regelung mit § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI betraf, davon ausgegangen, dass sich die Heimaufsicht auch hierauf erstreckt. Dass sich aus dem Elften Buch Sozialgesetzbuch Gegenteiliges ergeben sollte, zeigt auch der Kläger nicht auf. Es ist zwar richtig, dass das Elfte Buch Sozialgesetzbuch besondere Konfliktlösungsmechanismen bereitstellt, falls sich die vertragschließenden Teile nicht auf einen Rahmenvertrag einigen oder bestimmte Fragen in einem Rahmenvertrag nicht einvernehmlich regeln können (§ 75 Abs. 4, § 76 SGB XI), doch richtet sich dies an die vertragschließenden Teile der Rahmenverträge, also an die Landesverbände der Pflegekassen einerseits und die Vereinigungen der Einrichtungsträger andererseits (§ 75 Abs. 1 SGB XI), nicht aber an die einzelnen Heimträger. Über die staatliche Aufsicht über die einzelnen Heimträger trifft das Elfte Buch Sozialgesetzbuch keine Bestimmungen, und zwar auch nicht in Ansehung spezifisch sozialrechtlicher Anforderungen an die Heimträger. Im Gegenteil geht das Gesetz davon aus, dass die Heimaufsicht sich auch auf die Durchsetzung dieser spezifisch sozialrechtlichen Anforderungen erstreckt. Andernfalls wäre nicht verständlich, weshalb § 117 Abs. 1 SGB XI anordnet, dass die Landesverbände der Pflegekassen mit den nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörden bei der Überprüfung der Pflegeeinrichtungen eng zusammenarbeiten.

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2. Der Kläger möchte ferner geklärt wissen, ob der Landesgesetzgeber die Heimaufsichtsbehörde ermächtigen durfte, die Einhaltung der in dem Gesetz zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen (Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz - WBVG) vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2319) niedergelegten Regelungen zu überwachen, und damit eine Kontrollinstanz neben dem ordentlichen Rechtsweg schaffen durfte. Auch diese Frage verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung; sie ist ebenfalls hinlänglich geklärt.

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Richtig ist, dass der Heimträger auch nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz von solchen Heimbewohnern, die Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nehmen, nur ein Entgelt in der aufgrund der Bestimmungen des Siebten und Achten Kapitels des Elften Buchs Sozialgesetzbuch festgelegten Höhe - darunter auch § 88 Abs. 1 SGB XI - verlangen darf (§ 7 Abs. 2 Satz 2 WBVG) und dass abweichende Vereinbarungen in Heimverträgen unwirksam sind (§ 15 Abs. 1 WBVG). Ebenso ist richtig, dass der Heimbewohner sich in einem Rechtsstreit mit dem Heimträger vor den Zivilgerichten auf die Unwirksamkeit einer abweichenden Vereinbarung in seinem Heimvertrag berufen darf. Schließlich trifft zu, dass das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz insgesamt als Verbraucherschutzgesetz konzipiert ist. Aus all dem ergibt sich aber nicht, dass sich die staatliche Heimaufsicht nicht auf die Prüfung erstrecken dürfte, ob der Heimträger bei der Gestaltung seiner Heimverträge die gesetzlichen Vorgaben des Elften Buchs Sozialgesetzbuch einhält.

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Der Kläger übersieht, dass die staatliche Heimaufsicht nicht Teil der Privatrechtsordnung ist, sondern öffentliche Zwecke des gemeinen Wohls verfolgt. Schon das Heimgesetz hatte vorgeschrieben, dass die Entgelte des Heimträgers in Verträgen mit Leistungsempfängern der Pflegeversicherung den im Siebten und Achten Kapitel des Elften Buchs Sozialgesetzbuch oder den aufgrund dieser Kapitel getroffenen Regelungen entsprechen mussten (§ 5 Abs. 5 Satz 1 HeimG a.F.); entsprach das vereinbarte Entgelt dem nicht, so konnte der Leistungsempfänger der Pflegeversicherung dies schon nach dem Heimgesetz vor den Zivilgerichten geltend machen (§ 5 Abs. 5 Satz 2 HeimG a.F.). Auch zu dieser Rechtslage war das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der zuständige Gesetzgeber vorsehen kann, dass die Gesetzmäßigkeit der Heimverträge mit Leistungsempfängern der Pflegeversicherung zusätzlich der staatlichen Heimaufsicht unterliegt. Es hat darauf hingewiesen, dass eine einschränkende Auslegung einer solchen Ermächtigung sich nicht damit rechtfertigen lässt, die Heimbewohner könnten sich gegebenenfalls zivilrechtlich gegen eine Inanspruchnahme aus rechtswidrigen Vertragsklauseln verteidigen. Sinn und Zweck der zusätzlichen aufsichtsrechtlichen Überwachung ist es, die Position der Heimbewohner angesichts ihrer wirtschaftlichen Unterlegenheit und ihrer strukturellen Abhängigkeit vom Heimträger zu stärken. Die Durchsetzung der heimrechtlichen Pflichten soll daher nicht der Rechtsverfolgung oder -verteidigung durch die Bewohner überlassen werden, die häufig unter altersbedingten Einschränkungen leiden oder von Behinderungen betroffen sind (Urteil vom 2. Juni 2010 a.a.O. Rn. 32).

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Daran hat das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz nichts geändert. Das ergibt sich schon daraus, dass sich dieses Gesetz - das auf der Grundlage der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das bürgerliche Recht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) ergangen ist - auf privatrechtliche Vorschriften beschränkt und sich jeder Regelung zur hoheitlichen Heimaufsicht enthält. Anderes wäre auch nicht mehr zulässig gewesen, nachdem der Bundesgesetzgeber die zuvor bestehende konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die spezifisch öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des Heimrechts seit der Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG durch das Gesetz vom 28. August 2006 (a.a.O.) verloren hat. Angesichts dessen kann auch der Ansicht nicht gefolgt werden, eine Beschränkung der vorherigen Reichweite der Heimaufsicht ergebe sich - unausdrücklich - jedenfalls aus der verbraucherschutzrechtlichen Gesamtkonzeption des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (so aber offenbar VGH Mannheim, Urteil vom 9. Juli 2012 - 6 S 773/11 - GesR 2012, 738 = NVwZ-RR 2013, 151). Dies zu klären, bedarf es nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens.

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3. Die weiteren vom Kläger aufgeworfenen Fragen - ob die Heimaufsichtsbehörde rahmenvertragliche Regelungen auslegen darf und ob der hessische Landesrahmenvertrag die Wäschekennzeichnung als Regelleistung einordnet - können eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO schon deshalb nicht begründen, weil sie kein revisibles Recht betreffen.

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Ob die Heimaufsichtsbehörde rahmenvertragliche Regelungen auslegen darf, betrifft die Reichweite der Heimaufsicht nach § 16 Abs. 2, § 18 HGBP und damit allein hessisches Landesrecht. Die Frage ist auch durch das Elfte Buch Sozialgesetzbuch nicht vorgeprägt. Eine derartige Vorprägung ergibt sich nicht schon daraus, dass das Elfte Buch Sozialgesetzbuch für den Fall, dass sich die vertragschließenden Teile nicht auf einen Rahmenvertrag oder im Rahmen der Abgrenzung des Inhalts der notwendigen Leistungen von den Zusatzleistungen nicht auf die Zuordnung der Wäschekennzeichnung einigen können, ein besonderes Schiedsstellenverfahren vorsieht (§ 75 Abs. 4, § 76 SGB XI). Das gilt für den Fall der bewussten Nichteinigung und zudem ohnehin nur für die vertragschließenden Teile, also die Landesverbände der Pflegekassen und die Vereinigungen der Einrichtungsträger, lässt aber die Pflicht des einzelnen Einrichtungsträgers, einen Rahmenvertrag zu beachten, und die landesrechtliche Befugnis der Heimaufsichtsbehörde, die Einhaltung dieser Pflicht zu überwachen, unberührt. Sollte die Heimaufsichtsbehörde - oder im Streitfall das Verwaltungsgericht - dem Rahmenvertrag hierbei einen Inhalt beilegen, den die Vertragsparteien nicht beabsichtigt hatten, so ist diesen unbenommen, den Rahmenvertrag zu ändern oder klarzustellen.

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Die Auslegung des Rahmenvertrages selbst betrifft ebenfalls kein Bundesrecht. Dabei mag die Rechtsnatur eines solchen Rahmenvertrages dahinstehen. Der Horizont des Landesrechts wird jedenfalls nicht dadurch überschritten, dass nach dem Vortrag des Klägers zahlreiche Landesrahmenverträge hinsichtlich der hier in Rede stehenden Frage der Wäschekennzeichnung wortgleiche Regelungen enthalten. Landesrecht wird nicht dadurch zum revisiblen Bundesrecht, dass das Landesrecht mehrerer oder gar aller Länder übereinstimmt. Wäre es anders, so bedürfte es der Sondervorschrift des § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht.

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