Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 B 24/15

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die der Sache nach auf - vermeintliche - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Divergenz (§ 127 Nr. 1 BRRG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 und § 191 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2

1. Der 1968 geborene und verheiratete Beklagte steht als Postbetriebsassistent (Besoldungsgruppe A 5 BBesO) im Dienst der Klägerin. Er war zuletzt als Briefzusteller eingesetzt und ist disziplinar vorbelastet. 2010 kürzte das Disziplinargericht seine Dienstbezüge für die Dauer von acht Monaten um 1/25 wegen Ankündigung einer Erkrankung, privater Nutzung eines Dienstfahrzeugs und der Veräußerung von Unternehmensbekleidung.

3

Mit rechtskräftig gewordenem Strafurteil verurteilte das Landgericht den Beklagten 2012 wegen Verletzung des Postgeheimnisses in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Diebstahl und in einem Fall in Tateinheit mit Unterschlagung, zu einer Gesamtgeldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 30 €. Dem lagen folgende Sachverhalte zugrunde: Am 11. November 2009 öffnete der Beklagte einen an Frau C. gerichteten Einschreibebrief, bemerkte, dass dieser lediglich einen Reisepass enthielt, verschloss den Brief wieder provisorisch und warf ihn in den Briefkasten der Frau C. ein, ohne sich die Zustellung bescheinigen zu lassen. Am 6. Juli 2010 entwendete er aus dem Briefkasten der Familie B. ein Päckchen, das ein Buch enthielt. Am 8. Juli 2010 öffnete er ein an die Familie B. als Einschreiben adressiertes Päckchen, untersuchte es auf stehlenswerte Dinge, entnahm nichts und stellte das Päckchen noch am selben Tag zu. Am 14. Juli 2010 schließlich öffnete der zwischenzeitlich in Verdacht geratene Beklagte einen an die Familie B. adressierten Fangbrief und entwendete daraus einen Fünf- und einen Zehn-Euroschein, die mit sichtbaren Leuchtstoffmittel betupft waren. Diese Geldscheine fand die Polizei in der vom Beklagten getragenen Postweste.

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Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Verletzung des Postgeheimnisses stelle als solches bereits ein schweres Dienstvergehen dar. Grundsätzlich führe es zur Entfernung aus dem Dienst, wenn Sendungen in der Absicht geöffnet würden, sich an ihrem Inhalt zu bereichern. Erschwerend wirke, dass der Beklagte am 11. November 2009 einen geöffneten, aber nicht werthaltigen Brief pflichtwidrig nicht ordnungsgemäß zugestellt habe. Hinsichtlich der Geringwertigkeit der unterschlagenen fünfzehn Euro sei zu berücksichtigen, dass mit der Verletzung des Postgeheimnisses eine weitere begleitende Straftat vorliege. Die Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beklagten rechtfertige es nicht, von der Entfernung abzusehen.

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2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

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Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

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Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage, ob im beamtenrechtlichen Disziplinarrecht

"der anerkannte Milderungsgrund der Geringfügigkeit unabhängig von der Höhe des eingetretenen Schadens bereits dann stets ausscheidet, wenn weitere Begleittaten (hier: Verletzung des Briefgeheimnisses), die nicht als Eigentums- oder Vermögensdelikt zu qualifizieren sind, vorliegen".

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Die Frage vermag die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zu rechtfertigen, weil sie einerseits - soweit sie einen verallgemeinerungsfähigen Inhalt hat - in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist, ohne dass insoweit neuer Klärungsbedarf dargelegt wird, und sie andererseits die Bemessung der Disziplinarmaßnahme nach Maßgabe des § 13 BDG im konkreten Einzelfall betrifft, die einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.

9

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt der - gesetzlich nicht bestimmte, sondern lediglich in der gerichtlichen Praxis entwickelte - Milderungsgrund der Geringwertigkeit der gestohlenen oder unterschlagenen Sache voraus, dass der Beamte nicht durch sein sonstiges Verhalten oder die konkrete Tatausführung zusätzlich belastet wird (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - NVwZ 2016, 772 Rn. 27 m.w.N.). Die Verletzung des Postgeheimnisses begründet einen solchen zusätzlich belastenden Umstand. Denn sie stellt als solche bereits ein schweres Dienstvergehen dar, da von einem Postbeamten erwartet werden muss, dass er dieses grundrechtlich (Art. 10 Abs. 1 GG) und einfachrechtlich (§ 39 PostG, § 206 StGB) geschützte Rechtsgut achtet und mit besonderer Sorgfalt respektiert (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2007 - 2 C 25.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 4 Rn. 34).

10

Im Übrigen betrifft die Bemessung der Disziplinarmaßnahme nach Maßgabe des § 13 BDG die Umstände des konkreten Einzelfalls und ist deshalb einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

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3. Die Revision ist nicht wegen einer mit der Beschwerde geltend gemachten Abweichung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Urteil vom 22. September 2010 - 16b D 09.1007 - (juris) zuzulassen.

12

Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen inhaltlich bestimmten, das Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem Rechtssatz widersprochen hat, den das Bundesverwaltungsgericht oder ein anderes Oberverwaltungsgericht (§ 127 Nr. 2 BRRG, § 191 VwGO) in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Das ist der Fall, wenn das Berufungsgericht einen im zu entscheidenden Fall erheblichen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts oder - für Klagen aus dem Beamtenverhältnis - eines anderen Oberverwaltungsgerichts nicht anwendet, weil es ihn für unrichtig hält (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14, vom 3. Juli 2007 - 2 B 18.07 - Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 1 Rn. 4 und vom 28. Oktober 2008 - 2 B 53.08 - juris Rn. 3). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

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Die Beschwerde greift lediglich die einzelfallbezogene Würdigung des Berufungsgerichts - das im Übrigen sämtliche, von der Beschwerde benannten Umstände berücksichtigt hat - an, zeigt aber keinen, dem vorgenannten Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. September 2010 entgegenstehenden Rechtssatz des Berufungsgerichts auf. In Disziplinarverfahren kann eine Divergenz außerdem grundsätzlich nicht damit begründet werden, das Tatsachengericht habe die be- und entlastenden Umstände im Rahmen der Gesamtwürdigung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG fehlerhaft gewichtet, weil es sich stets um eine einzelfallbezogene Würdigung handelt, die einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 20. Januar 2011 - 2 B 49.10 - IÖD 2011, 46 und vom 3. Juli 2007 - 2 B 18.07 - Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 1 Rn. 7).

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 BDG und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahrens bedarf es nicht, weil für das Verfahren Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.

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