Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 5 K 490/03

Tatbestand

 
Die Klägerin (Klin) war an einem Flurbereinigungsverfahren beteiligt, das im Zusammenhang mit dem Bau der ................................... durchgeführt wurde. Außerdem war daran noch u.a. ein Herr ............... beteiligt. Dieser verzichtete mit Vereinbarung vom 27. April 1988 auf eine Zuteilung von Land zugunsten der Klin und wurde dafür mit einem Geldbetrag von 228.000 DM abgefunden. Gegenstand dieses Verzichts waren folgende auf der Gemarkung ................... belegene Flurstücke :
Flurstück Nr. Lage Fläche Abfindung in DM
ar      qm
.
..
18     74
16.200
.
..
20     46
18.700
.
..
49     33
47.300
.
..
47     21
42.400
.
..
26     73
25.300
.
..
15     49
14.000
.
..
14     81
14.300
.
..
20     16
18.300
.
..
14     33
10.400
.
..
9       16
8.600
.
..
15     22
12.500
gesamt 251   64
228.000
Im Austausch für diese Grundstücke erhielt die Klin folgende Ersatzgrundstücke :
Gemarkung ..............:
Flst.Nr. .................................................................... .. sowie Teile von .........
Gemarkung ........................:
FlSt.Nr. .....................
In den Besitz dieser Grundstücke wurde die Klin am 5. Oktober 1992 eingewiesen, wobei dieser Vorgang nicht der Grunderwerbsteuer (GrESt) unterworfen wurde. Eigentum daran erhielt die Klin nach einer Mitteilung des Amtes für Flurneuordnung und Landentwicklung .................... am 1. August 2001.
Mit GrESt-Bescheid vom 12. März 2003 setzte der Beklagte (Bekl) für das "Flurbereinigungsverfahren vom 01.08.2001" eine Grunderwerbsteuer (GrESt), ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 228.000 DM, in Höhe von 4.080,11 EUR fest.
10 
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrt die Klin die Aufhebung dieses GrESt-Bescheids. Sie trägt zur Begründung vor, bei einem Flurneuordnungsverfahren handele es sich wie bei einer Umlegung um ein Bodenneuordnungsverfahren. Somit seien beide Verfahren auch grunderwerbsteuerlich identisch zu behandeln, da der Zuteilungsverzicht nach § 52 Flurbereinigungsgesetz (FlurbG) mit einer Vorwegnahme der Entscheidung nach § 76 Baugesetzbuch (BauGB) vergleichbar sei. Deshalb sei davon auszugehen, dass sämtliche durch Ausspruch einer Behörde erfolgte Eigentumsänderungen von der GrESt befreit seien, wenn der neue Eigentümer im Flurbereinigungsverfahren bereits Eigentümer und damit Beteiligter sei.
11 
Für den Bereich der Umlegung habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 28. Juli 1999 (II R 25/98, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2000, 206) den Grundsatz der Vorteilsausgleichung statuiert, demzufolge die Zuteilung minder- oder höherwertiger Grundstücke grundsätzlich in Geld auszugleichen sei. In dieser zum Umlegungsverfahren ergangenen Grundsatzentscheidung habe der BFH auf allgemeine verwaltungsrechtliche Prinzipien zurückgegriffen. Auch § 52 Abs.1 FlurbG sehe eine Geldabfindung vor, weshalb auch bei der grunderwerbsteuerlichen Betrachtung die beiden Raumordnungsverfahren gleich zu behandeln seien.
12 
Die Klin beantragt,
13 
1. den GrESt-Bescheid vom 12. März 2003 (StNr........................) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2003 (Rechtsbehelfslisten-Nr. ..............) aufzuheben sowie
14 
2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
15 
Der Bekl beantragt
16 
die Klage abzuweisen.
17 
Er trägt zur Begründung unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung vor, ein Verzicht auf Landabfindung im Flurbereinigungsverfahren zu Gunsten der Teilungsmasse unterliege ebenso wenig der GrESt wie ein Verzicht zu Gunsten eines Dritten. Erst die später durchgeführte Landzuteilung an einen Dritten, hier an die Klin, sei steuerbar und steuerpflichtig, da die Befreiungsvorschrift des § 1 Abs.1 Nr. 3 Buchst. a GrEStG nicht anwendbar sei. Denn dieser Vorgang diene nicht der Landabfindung, sondern enthalte einen zusätzlichen Erwerb von Land über die eingebrachten und dafür als Abfindung erlangten Grundstücksflächen hinaus. Die GrESt entstehe dabei im Zeitpunkt des Eintritts des neuen Rechtszustandes.
18 
Beide Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats gemäß § 79a Abs.3 und 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) und ohne mündliche Verhandlung gemäß § 90 Abs.2 FGO erklärt.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die zulässige Klage ist unbegründet. Zu Recht hat der Bekl den Erwerb des Eigentums an den Grundstücken der Gemarkung ............................ (Flst.Nr. ............................................................. sowie Teile von ..............) sowie der Gemarkung ........................ (FlSt.Nr. .......................) am 1. August 2001 als grunderwerbsteuerbaren und nicht -befreiten Vorgang behandelt.
20 
Dieser Eigentumserwerb unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der GrESt. Mit Eintritt des neuen Rechtszustandes am 1. August 2001 gemäß der Ausführungsanordnung der Flurbereinigungsbehörde (§ 61 FlurbG) war das Eigentum an den oben genannten Grundstücken auf die Klin ohne Auflassung übergegangen, wobei kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen war. Die GrESt entsteht damit zu diesem Zeitpunkt (Urteil des Finanzgerichts -FG- Niedersachsen, vom 24. Juni 1992 III 228/91, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1992, 760).
21 
Dieser Erwerbsvorgang ist auch nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG von der GrESt ausgenommen. Der Erwerb des Eigentums durch die Klin an den betreffenden Grundstücken stellt sich nicht als eine Abfindung in Land dar, an die die Grunderwerbsteuerbefreiung nach dieser Vorschrift geknüpft ist. Der Erwerb rührt auch nicht aus einer Mehrzuteilung im Sinne von § 44 Abs.3 FlurbG her. Er beruht nicht auf dem Tauschverfahren einer Flurbereinigung, wonach gemäß  44 FlurbG ein Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens entsprechend der Wertrelation seines Altbesitzes andere Grundstücke von gleichem Wert erhält (Hofmann, Kommentar zum GrEStG, 8. Auflage 2004, 3 1 Rz. 56). Dies impliziert der Begriff der "Abfindung". Er bedeutet die Hingabe einer Entschädigung. Eine Entschädigung setzt ihrerseits einen Schaden bzw. einen Verlust voraus. Nach der Systematik des FlurbG besteht dieser Verlust für den jeweiligen Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens in dem Wegfall seines Eigentums an den Grundstücken, die er in das Verfahren eingebracht hat.
22 
Die Landzuteilung an die Klin erfolgte nicht aufgrund eines solchen Eigentumsverlustes an den von der Klin in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachten Grundstücken. Sie hatte die oben genannten Grundstücke nicht als Ersatz für von ihr in die Flurbereinigung eingebrachten Grundstücke erhalten. Der Übergang des Eigentums an den erhaltenen Grundstücken hatte vielmehr seine Grundlage in der Vorschrift des § 54 Abs.2 FlurbG. Es handelte sich hierbei um Land, das nicht mehr zur Abfindung benötigt wurde, weil der Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens ........................... seinerseits auf eine Landabfindung aufgrund der von der Klin geleisteten 288.000 DM verzichtete. Die Zuteilung solchen Flächen an die Klin diente damit nicht einer Landabfindung, sondern bedeutet einen Erwerb von zusätzlichem Land (Fischer in Boruttau, Komm. zum GrEStG,  15. Auflage 2002, § 1 Rz. 644; FG Nürnberg, Urteil vom 19. Juli 2001 IV 233/2000, EFG 2001, 1515; Bruschke, Umsatz- und Verkehrssteuerrundschau -UVR - 1996, 71).
23 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klin herangezogenen Urteil des BFH vom 28. Juli 1999 II R 25/98 (BStBl II 2000, 206). Dieses Urteil ist zum "Übergang des Eigentums im Umlegungsverfahren nach dem Baugesetzbuch" ergangen, welches in Buchst. b von § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG geregelt ist. Obwohl diese Regelungsmaterie dem Streitgegenstand "Übergang des Eigentums im Flurbereinigungsverfahren" ähnelt, sind die Steuerbefreiungsvoraussetzungen nicht identisch, sondern unterschiedlich geregelt. So genügt beim Umlegungsverfahren nach dem BauGB für eine Steuerbefreiung, sofern der neue Eigentümer Eigentümer eines Grundstücks im Umlegungsgebiet ist, allein der Übergang des Eigentums in dem Umlegungsverfahren. Der BFH stellt in seiner Entscheidung auch ausdrücklich auf diesen Wortlaut ab und lehnt eine über diesen Wortlaut hinausgehende einschränkende Auslegung im Hinblick auf die Prinzipien des BauGB ab. Die Steuerbefreiung im Flurbereinigungsverfahren setzt dagegen die Abfindung in Land voraus, die nach Auffassung des Gerichts, wie oben ausgeführt ist, im Sinne des der Flurbereinigung innewohnenden Tauschverfahrens zu verstehen ist. Gerade durch den Begriff "Abfindung in Land" in § 1 Abs.1 Nr.3 Satz 2 Buchst.a GrEStG ist der Anhalt gegeben, dass dieses Prinzip des Tauschverfahrens in der Flurbereinigung für die Steuerbefreiung beim Übergang des Eigentums im Flurbereinigungsverfahren zu beachten und maßgebend für die Steuerbefreiung ist. Im Streitfall lag jedoch ein solches Tauschverfahren, das in einer Abfindung von Land für hingegebenes Land zum Ausdruck kommt, gerade nicht vor.
24 
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 135 Abs.1 FGO abzuweisen.
25 
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Gründe

 
19 
Die zulässige Klage ist unbegründet. Zu Recht hat der Bekl den Erwerb des Eigentums an den Grundstücken der Gemarkung ............................ (Flst.Nr. ............................................................. sowie Teile von ..............) sowie der Gemarkung ........................ (FlSt.Nr. .......................) am 1. August 2001 als grunderwerbsteuerbaren und nicht -befreiten Vorgang behandelt.
20 
Dieser Eigentumserwerb unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der GrESt. Mit Eintritt des neuen Rechtszustandes am 1. August 2001 gemäß der Ausführungsanordnung der Flurbereinigungsbehörde (§ 61 FlurbG) war das Eigentum an den oben genannten Grundstücken auf die Klin ohne Auflassung übergegangen, wobei kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen war. Die GrESt entsteht damit zu diesem Zeitpunkt (Urteil des Finanzgerichts -FG- Niedersachsen, vom 24. Juni 1992 III 228/91, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1992, 760).
21 
Dieser Erwerbsvorgang ist auch nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. a GrEStG von der GrESt ausgenommen. Der Erwerb des Eigentums durch die Klin an den betreffenden Grundstücken stellt sich nicht als eine Abfindung in Land dar, an die die Grunderwerbsteuerbefreiung nach dieser Vorschrift geknüpft ist. Der Erwerb rührt auch nicht aus einer Mehrzuteilung im Sinne von § 44 Abs.3 FlurbG her. Er beruht nicht auf dem Tauschverfahren einer Flurbereinigung, wonach gemäß  44 FlurbG ein Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens entsprechend der Wertrelation seines Altbesitzes andere Grundstücke von gleichem Wert erhält (Hofmann, Kommentar zum GrEStG, 8. Auflage 2004, 3 1 Rz. 56). Dies impliziert der Begriff der "Abfindung". Er bedeutet die Hingabe einer Entschädigung. Eine Entschädigung setzt ihrerseits einen Schaden bzw. einen Verlust voraus. Nach der Systematik des FlurbG besteht dieser Verlust für den jeweiligen Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens in dem Wegfall seines Eigentums an den Grundstücken, die er in das Verfahren eingebracht hat.
22 
Die Landzuteilung an die Klin erfolgte nicht aufgrund eines solchen Eigentumsverlustes an den von der Klin in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachten Grundstücken. Sie hatte die oben genannten Grundstücke nicht als Ersatz für von ihr in die Flurbereinigung eingebrachten Grundstücke erhalten. Der Übergang des Eigentums an den erhaltenen Grundstücken hatte vielmehr seine Grundlage in der Vorschrift des § 54 Abs.2 FlurbG. Es handelte sich hierbei um Land, das nicht mehr zur Abfindung benötigt wurde, weil der Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens ........................... seinerseits auf eine Landabfindung aufgrund der von der Klin geleisteten 288.000 DM verzichtete. Die Zuteilung solchen Flächen an die Klin diente damit nicht einer Landabfindung, sondern bedeutet einen Erwerb von zusätzlichem Land (Fischer in Boruttau, Komm. zum GrEStG,  15. Auflage 2002, § 1 Rz. 644; FG Nürnberg, Urteil vom 19. Juli 2001 IV 233/2000, EFG 2001, 1515; Bruschke, Umsatz- und Verkehrssteuerrundschau -UVR - 1996, 71).
23 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klin herangezogenen Urteil des BFH vom 28. Juli 1999 II R 25/98 (BStBl II 2000, 206). Dieses Urteil ist zum "Übergang des Eigentums im Umlegungsverfahren nach dem Baugesetzbuch" ergangen, welches in Buchst. b von § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG geregelt ist. Obwohl diese Regelungsmaterie dem Streitgegenstand "Übergang des Eigentums im Flurbereinigungsverfahren" ähnelt, sind die Steuerbefreiungsvoraussetzungen nicht identisch, sondern unterschiedlich geregelt. So genügt beim Umlegungsverfahren nach dem BauGB für eine Steuerbefreiung, sofern der neue Eigentümer Eigentümer eines Grundstücks im Umlegungsgebiet ist, allein der Übergang des Eigentums in dem Umlegungsverfahren. Der BFH stellt in seiner Entscheidung auch ausdrücklich auf diesen Wortlaut ab und lehnt eine über diesen Wortlaut hinausgehende einschränkende Auslegung im Hinblick auf die Prinzipien des BauGB ab. Die Steuerbefreiung im Flurbereinigungsverfahren setzt dagegen die Abfindung in Land voraus, die nach Auffassung des Gerichts, wie oben ausgeführt ist, im Sinne des der Flurbereinigung innewohnenden Tauschverfahrens zu verstehen ist. Gerade durch den Begriff "Abfindung in Land" in § 1 Abs.1 Nr.3 Satz 2 Buchst.a GrEStG ist der Anhalt gegeben, dass dieses Prinzip des Tauschverfahrens in der Flurbereinigung für die Steuerbefreiung beim Übergang des Eigentums im Flurbereinigungsverfahren zu beachten und maßgebend für die Steuerbefreiung ist. Im Streitfall lag jedoch ein solches Tauschverfahren, das in einer Abfindung von Land für hingegebenes Land zum Ausdruck kommt, gerade nicht vor.
24 
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 135 Abs.1 FGO abzuweisen.
25 
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

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