Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 5 K 328/04

Tatbestand

 
Die Klägerin (Klin) entwickelt, produziert, vertreibt und handelt mit ....... Produkten. Sie gehört zum Konzern der Z- AG, der der Anschlussprüfung unterliegt.
In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung vom 31. Juli 2002 für das Jahr 2000 wies sie einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1.428.321 DM aus. In Ihrer Gewerbsteuer-(GewSt)-Erklärung, ebenfalls vom 31. Juli 2002, gab sie einen Gewerbeverlust von 1.431.351 DM an.
Die Veranlagungsverwaltungsstelle (VVST) stempelte auf der ersten Seite des Erklärungsbogens (Feststellungsakte 2000, S. 10) oben in den grünen Feldern in dem zweiten dick umrandeten Kästchen über die ersten beiden Zeilen hinweg rechts rot die Ziffer "1" ein.  Auf der Anlage GSE (Feststellungsakte 2000, S.  12) ist unterhalb der Angabe zur Art des Unternehmens auf Zeile 5 die Buchstaben/Ziffernfolge  "S. 7"  von dem Bearbeiter des Beklagten (Bekl) Herrn R notiert. Das Arbeitsplatzprotokoll für die Feststellung von Grundlagen für die Einkommensteuer vom 26. September 2002 (Feststellungsakte 2000, S. 17) weist Herrn R als Bearbeiter mit der Personalbenutzungsidentifikationsnummer (PBI) F.....0 aus, der es auch mit Namenskürzel unterschrieben hatte. Auf diesem Protokoll befindet sich rechts neben dem letzten Absatz mit Bleistift von dem Bearbeiter Herrn R geschrieben die Wort- und Zahlenfolge: "Saldo S. 1  S. 11" (Akte Einheitlich-Gesonderte Feststellung 2000, S. 17). Das Arbeitsplatzprotokoll für die GewSt-Meßbetragsberechnung vom 24. September 2002 (GewSt-Akte 2000, S. 5) gibt als Ersteller die PBI F......4 an. Es ist von zwei Bearbeitern, darunter Herrn R, mit Namenskürzel unterschrieben.
Mit den Steuererklärungen reichte die Klin beim Bekl auch einen Jahresabschluss mit Bilanz zum 31. Dezember 2000 und Gewinn- und Verlustrechnung sowie Bilanzbericht ein. Der Jahresabschluss für das Jahr 2000 enthält auf Seite 1 die Bilanz zum 31. Dezember 2000, auf Seite 7 die Gewinnverteilung, auf Seite 11 das Kommanditkapital und erläutert auf Seite 12 näher das in der Bilanz von einem Gesellschafter an die Kl gegebene Darlehen. Die Darlehensverträge legte die Klin im Rahmen der im Jahre 2003 durchgeführten Betriebsprüfung vor. Den Gesellschaftsvertrag der Klin hatte der Bekl schon am 11. November 1999 erhalten (Allgemeine Akte, Gesellschaftsvertrag).  
Am 11. Oktober 2002 erließ der Bekl teilweise vorläufig, aber ohne Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) einen Bescheid für 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15 a Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) (künftig Feststellungsbescheid 2000) und stellte 2000 einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1.428.321 DM fest. Ebenfalls am 11. Oktober 2002 erging ein Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2000 mit einem Gewerbeverlust aus 2000 in Höhe von 1.431.351 DM. Dieser Bescheid enthält die Nebenbestimmung des Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO. Außerdem erließ der Bekl am 7. November 2002 den Bescheid für 2000 über den GewSt-Messbetrag mit einem Gewerbeverlust von 1.431.351 DM und einem GewSt-Messbetrag von 0 DM. Auch dieser Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.  
Bei der Betriebsprüfung im Jahre 2003 u.a. wegen einheitlicher und gesonderter Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, gesonderter Feststellung des verrechenbaren Verlustes und wegen GewSt für die Jahre 1999 bis 2000 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass der Verlust aus Gewerbebetrieb im Jahre 2000 nur 1.318.089 DM betrage. Er führte aus, dass das Gesellschaftsvermögen laut Gesellschaftsbilanz und das Sonderbetriebsvermögen für die Anwendung des § 15 a EStG zu trennen sei und er nicht der steuerrechtlichen Zuordnung eines Darlehens zwischen der Klin und einem ihrer Gesellschafter als Fremdkapital in der Gesellschaftsbilanz folge. Der Bekl übernahm dieses Prüfungsergebnis in dem geänderten Feststellungsbescheid 2000 vom 4. Dezember 2003, wobei er seine Ermächtigung zur Änderung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützte. Entsprechend änderte er auch den GewSt-Messbescheid für das Jahr 2000 gemäß § 164 Abs. 2 AO mit dem Ausweis eines Gewerbeverlustes in Höhe von 1.318.090 DM und eines GewSt-Messbetrags von 0 DM.   
Der gegen den Feststellungsbescheid 2000 eingelegte Einspruch blieb in der Einspruchsentscheidung ohne Erfolg. In dieser stützte der Bekl seine Berechtigung zur Bescheidsänderung auf § 129 AO i. V. m. § 164 Abs. 2 AO.
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage macht die Klin im Wesentlichen geltend, eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO sei ausgeschlossen, da aus dem Erstbescheid nicht hervorgehe, dass er unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestellt sei. Eine Berichtigung nach § 129 AO scheide ebenfalls aus, weil kein offenbarer Fehler vorliege. Offenbar im Sinne des § 129 AO sei ein Fehler immer nur dann, wenn er als solcher auf der Hand liege und aus sich heraus offen zutage trete, nicht aber, wenn er erst durch Abfrage subjektiver Einschätzungen seinerzeit Beteiligter ermittelt und damit offenbart werde. Gerade aber auf die Aussage des Sachbearbeiters zu einem zwei Jahre zurückliegenden Sachverhalt berufe sich der Bekl. Offenbar sei nur, was nicht eines Beweises bedürfe. Weiter könne ein Verstoß gegen eine verwaltungsinterne Regelung keine offenbare Unrichtigkeit begründen. Zum einen binde eine verwaltungsinterne Regelung nur den handelnden Beamten, aber nicht den Steuerpflichtigen. Zum anderen bedeute eine Eingruppierung in Fallgruppe 1 nur, dass die Veranlagung unter dem Vorbehaltung der Nachprüfung durchgeführt werden soll. Der Bearbeiter könne also von einer Vorbehaltsfestsetzung absehen. Davon sei im Streitfall auszugehen. Aus den Steuerakten in der Anlage GSE 2000 sei der Hinweis auf Seite 7 des Bilanzberichts 2000 ersichtlich. Daraus gehe hervor, dass sich der Bearbeiter mit dem Steuerfall auseinandergesetzt habe. Weder der Bekl noch sonst irgendwer sei in der Lage zu erklären, aufgrund welcher Überlegungen der Sachbearbeiter den Feststellungsbescheid 2000 endgültig erlassen habe. Die Aktenlage lasse aufgrund der Prüfvermerke den Schluss zu, dass der Bescheid bewusst so erlassen worden sei. Eine offenbare Unrichtigkeit setze jedoch voraus, dass der Verwaltungsakt infolge des Fehlers unrichtig sei. Ein Fehler sei gerade nicht erkennbar. Im Gegenteil müsse angenommen werden, dass der Bekl besondere Gründe für sein Vorgehen gehabt habe.
Die Klin beantragt, den geänderten Feststellungsbescheid 2000 vom 4. Dezember 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 10. September 2004 aufzuheben, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären sowie hilfsweise die Revision zuzulassen.
10 
Der Bekl beantragt, die Klage abzuweisen.
11 
Er führt aus, auf der Steuererklärung 2000 sei vermerkt, dass es sich um einen sogenannten Fall der Fallgruppe 1 handele. Die Anweisung, wie bei dieser Fallgruppe die Fälle zu bearbeiten seien, laute gemäß Ziffer 1.4.1.2 der Verfügung vom 2. Februar 1998 - S 2319 A - St 222, die sich auf die Dienstanweisung für die Neuorganisation der Finanzämter und die Neuordnung des Besteuerungsverfahrens (DA-Neuorg) von 1980 beziehe, wie folgt:
12 
"Fälle der Fallgruppe 1 sind nach Anlage 2 überschlägig zu prüfen und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zu veranlagen. Dabei sind die Grundsätze über die Anforderung von Belegen und sonstigen Unterlagen nach Anlage 1 zu beachten."
13 
Dementsprechend sei auch bei der Festsetzung des GewSt-Messbetrages verfahren und der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen worden. Bei Erlass des Feststellungsbescheids 2000 habe der Bearbeiter vergessen, die Kennziffer für die Vorbehaltsfestsetzung einzugeben. Der Bearbeiter habe keine rechtliche Überlegungen oder Entscheidungen getroffen. Ein in den Bereich der Willensbildung fallender Tatsachen- oder Rechtsirrtum sei auszuschließen. Solche Fehler könnten nach § 129 AO berichtigt werden. Für die Berichtigung sei es nicht erforderlich, dass die offenbare Unrichtigkeit aus dem Bescheid selbst erkennbar sei. Er weise auch darauf hin, dass die Klin ein zu einem Konzern gehöriges Unternehmen sei. Solche Unternehmen würden grundsätzlich nach § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt, da davon ausgegangen werde, dass eine Betriebsprüfung erfolgen werde. Weiche ein Sachbearbeiter von dieser gängigen Praxis ab, hätte er sich sicherlich an diesen ungewöhnlichen Vorgang auch noch zwei Jahre später erinnert. Bestimmt hätte er auch in der Akte festgehalten, aus welchen Gründen er entgegen der geltenden Anweisung bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen endgültig, bei der GewSt jedoch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt habe. Darüber hinaus hätte er eine endgültige Veranlagung von Einkünften dieser Größenordnung dem Sachgebietsleiter zur Unterschrift vorlegen müssen und im Falle einer bewussten Abweichung auch vorgelegt. Denn nach den Regelungen des Zeichnungsrechtes der Geschäftsordnung für die Finanzämter (FAGO) habe ein Sachbearbeiter bei Verlusten über 120.000 DM den Fall dem Sachgebietsleiter vorzulegen, sofern er diesen endgültig veranlagen wolle. Da der Sachbearbeiter das Eingabeprotokoll selbst abschließend unterzeichnet habe, könne ohne Zweifel davon ausgegangen werden, dass er unter dem Vorbehalt der Nachprüfung habe veranlagen wollen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die zulässige Klage ist unbegründet.
15 
Der Bekl hat zu Recht den Feststellungsbescheid nach § 129 AO in Verbindung mit § 164 Abs. 2 AO geändert.
16 
Dem Bekl ist bei Erlass des Feststellungsbescheids 2000 vom 11. Oktober 2002 eine  Schreib- oder Rechenfehlern ähnliche offenbare Unrichtigkeit unterlaufen. Bei der Bearbeitung des Falles wurde entweder der Hinweis auf eine Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung übersehen oder vergessen, die Kennziffer für die Vorbehaltsfestsetzung einzugeben. Sowohl ein Übersehen als auch ein Vergessen zählt zu den Schreib- und Rechenfehlern ähnlichen Fehlern, die in einem mechanischen, also unbewussten, gedankenlosem, unwillkürlichem Vertun bestehen (Tipke in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und Finanzgerichtsordnung -FGO-, Ergänzungslieferung 107, Juli 2005, § 129 AO, Rdnr. 12).
17 
Daran, dass im Streitfall die Nichteingabe der Kennziffer auf einem Vergessen oder Übersehen und daher auf einem Fehler des Bearbeiters beruht, ist nicht zu zweifeln. Entgegen der Ansicht der Klin hat der Bearbeiter keine rechtlichen oder tatsächlichen Überlegungen angestellt. Es liegen bei der Sachlage des Streitfalles keine Anhaltspunkte vor, dass der Bearbeiter bewusst von einer Vorbehaltsfestsetzung absehen wollte. Nach der Einstempelung der Ziffer 1 oben auf der ersten Seite des Erklärungsbogen gehörte der Steuerfall zur Fallgruppe 1. Solche Fälle hat ein Bearbeiter gemäß der Anweisung (s.o. S. 6) zur Bearbeitung von Steuererklärungen nur überschlägig zu prüfen und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zu veranlagen.
18 
Entsprechend der Dienstanweisung wurde auch bei der Festsetzung des GewSt-Messbetrages verfahren. Ein Anlass, davon gerade bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung abzuweichen, ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, worauf der Bekl hinweist, dass es sich bei der Klin um ein zu einem Konzern gehöriges Unternehmen handelt, das der Anschlussprüfung unterliegt und grundsätzlich nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt wird. Steht eine Außenprüfung wie im Streitfall an, ergibt sich aus der Natur der Sache, den Fall grundsätzlich bis zur abschließenden Prüfung durch die Betriebsprüfung offen zu halten, um mögliche Feststellungen der Betriebsprüfung berücksichtigen zu können. Es drängt sich kein Grund dafür auf, dass der Bearbeiter bewusst entgegen den Dienstanweisungen seines Arbeitgebers und entgegen gängiger Praxis gehandelt hat. Hätte es hierfür einen Grund gegeben, hätte ein korrekt arbeitender Bediensteter diesen bestimmt in den Akten nieder- und dem Sachgebietsleiter den Fall vorgelegt. Der Bearbeiter war nach den Regelungen des Zeichnungsrechtes der Geschäftsordnung für die Finanzämter verpflichtet, bei einer endgültigen Veranlagung den Fall infolge der Höhe des Verlustes von mehr als 120.000.- DM dem Sachgebietsleiter vorzulegen. Gerade bei einem Unternehmen dieser Größenordnung konnte der Sachbearbeiter damit rechnen, dass ein Verstoß gegen die Dienstanweisungen auffallen und zu Rückfragen führen würde. Seine korrekte Arbeitsweise ist im Übrigen auch nicht in Frage gestellt.
19 
Anderes lässt sich auch nicht aus den handschriftlichen Vermerken auf der Steuererklärung und auf dem Arbeitsplatzprotokoll entnehmen. Auf der Anlage GSE mit dem handschriftlichen Vermerk „S. 7“ hat die Klin einen Verlust in Höhe von 1.428.321.- DM erklärt. Diese Zahl findet sich auf Seite 7 des Jahresabschlusses 2000 wieder. Es liegt die Annahme nahe, dass der Bearbeiter im Sinne der Anweisung zur Bearbeitung von Steuererklärungen die Zahlen überschlägig überprüft und lediglich den erklärten Verlust mit dem sich aus dem Jahresabschluss ergebenden Verlust abgeglichen hat. Auch der handschriftliche Vermerk „Saldo S. 1 S. 11“ auf dem Eingabeprotokoll deutet auf einen Zahlenabgleich hin, weil Einlagen i.S.d. § 171 Handelsgesetzbuches (HGB) in Höhe von 391.166,00 DM und eine Hafteinlage lt. Handelsregister in Höhe von 391.166,00 DM eingegeben wurden. Diese Zahlen ergeben sich aus den Seiten 1 (Kommanditkapital) und 11 (Kommanditeinlage). Für den Senat ist es deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb aus den handschriftlichen Vermerken hervorgehen soll, dass sich der Bearbeiter mit dem Steuerfall in einer Art und Weise auseinandergesetzt hat, dass er von einer angewiesenen Vorbehaltsfestsetzung Abstand genommen hat. Eine innere Absicht des Bearbeiters, endgültig zu veranlagen, ist jedenfalls nicht erkennbar.
20 
Aus den genannten Gründen schließt der Senat auch eine mehr als nur theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums oder eines Fehlers in der Tatsachenwürdigung aus.
21 
Die Unrichtigkeit ist schließlich auch offenbar. Zwar kann die Klin die Unrichtigkeit allein aus dem betreffenden Steuerbescheid heraus selbst nicht erkennen. Dies ist für die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit jedoch nicht erforderlich (Urteile des BFH vom 10. Mai 1989 I R 104/85, BFH/NV 1990, 478; vom 15. März 1994 XI R 78/92, BFH/NV 1995, 937; vom 22. Februar 2006 I R 125/04, BStBl. II 2006, 400 unter II 3 c; Beschluss des BFH vom 22. August 2006 I B 21/06, dokumentiert in juris). Maßgebend ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH vielmehr, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit ersichtlich ist (Beschluss des BFH vom 22. August 2006 I B 21/06, dokumentiert in juris; Urteil des BFH vom 31. März 1987 VIII R 46/83, Bundessteuerblatt -BStBl II 1987, 588). Zum Sachverhalt gehören nach Auffassung des Gerichts auch die Tatsache, dass die Fallgruppe 1 auf der Steuererklärung vermerkt worden ist sowie die Handlungsanweisungen. Denn sie gehören zum Entstehungsprozess des Bescheides, worauf nach dem Wortlaut des § 129 Satz 1 AO über die Formulierung „beim Erlass eines Verwaltungsaktes“ abgehoben ist. Einem unvoreingenommen Dritten, der weiß, dass nach den Arbeitsanweisungen bei Fallgruppe 1 ein Steuerfall nur überschlägig zu prüfen und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zu veranlagen ist, dass das Unternehmen der Klin zu einem Konzern gehört, der der Anschlussprüfung unterliegt, dass die Festsetzung des GewSt-Meßbetrages 2000 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgte, dass bei einer endgültigen Veranlagung eines Verlustes in Höhe von 1.428.321 DM der Fall dem Sachgebietsleiter vorzulegen gewesen wäre, dass kein Grund für eine abweichende Verfahrensweise bei der Festsetzung der gesonderten und einheitlichen Feststellung 2000 im Streitfall bestanden hatte, ist bei Fehlen des Vorbehaltsvermerk klar und deutlich erkennbar, dass der Bearbeiter offensichtlich entweder die Kennziffer für die Vorbehaltsfestsetzung übersehen oder vergessen hatte, sie einzugeben.
22 
Ist somit in dem Feststellungsbescheid 2000 vom 11. Oktober 2002 die Anordnung des Vorbehalts der Nachprüfung versehentlich unterblieben, ist es nicht notwendig, diesen Bescheid nach § 129 AO zu berichtigen, um ihn anschließend nach § 164 Abs. 2 AO ändern zu können. Vielmehr kann der Bescheid in diesem Fall unmittelbar nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden (BFH-Urteil vom 22. Februar 2006 I R 125/04, BStBl II 2006, 400 unter II 3e).  
23 
Da die Klage keinen Erfolg hat, hat die Klin die Kosten des Verfahrens gemäß § 135  Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- zu tragen.
24 
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Frage, ob zu dem einem unvoreingenommenen Dritten offen zu legenden Sachverhalt auch die internen Arbeitsanweisungen gehören, bislang höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärt ist.

Gründe

 
14 
Die zulässige Klage ist unbegründet.
15 
Der Bekl hat zu Recht den Feststellungsbescheid nach § 129 AO in Verbindung mit § 164 Abs. 2 AO geändert.
16 
Dem Bekl ist bei Erlass des Feststellungsbescheids 2000 vom 11. Oktober 2002 eine  Schreib- oder Rechenfehlern ähnliche offenbare Unrichtigkeit unterlaufen. Bei der Bearbeitung des Falles wurde entweder der Hinweis auf eine Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung übersehen oder vergessen, die Kennziffer für die Vorbehaltsfestsetzung einzugeben. Sowohl ein Übersehen als auch ein Vergessen zählt zu den Schreib- und Rechenfehlern ähnlichen Fehlern, die in einem mechanischen, also unbewussten, gedankenlosem, unwillkürlichem Vertun bestehen (Tipke in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und Finanzgerichtsordnung -FGO-, Ergänzungslieferung 107, Juli 2005, § 129 AO, Rdnr. 12).
17 
Daran, dass im Streitfall die Nichteingabe der Kennziffer auf einem Vergessen oder Übersehen und daher auf einem Fehler des Bearbeiters beruht, ist nicht zu zweifeln. Entgegen der Ansicht der Klin hat der Bearbeiter keine rechtlichen oder tatsächlichen Überlegungen angestellt. Es liegen bei der Sachlage des Streitfalles keine Anhaltspunkte vor, dass der Bearbeiter bewusst von einer Vorbehaltsfestsetzung absehen wollte. Nach der Einstempelung der Ziffer 1 oben auf der ersten Seite des Erklärungsbogen gehörte der Steuerfall zur Fallgruppe 1. Solche Fälle hat ein Bearbeiter gemäß der Anweisung (s.o. S. 6) zur Bearbeitung von Steuererklärungen nur überschlägig zu prüfen und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zu veranlagen.
18 
Entsprechend der Dienstanweisung wurde auch bei der Festsetzung des GewSt-Messbetrages verfahren. Ein Anlass, davon gerade bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung abzuweichen, ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, worauf der Bekl hinweist, dass es sich bei der Klin um ein zu einem Konzern gehöriges Unternehmen handelt, das der Anschlussprüfung unterliegt und grundsätzlich nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt wird. Steht eine Außenprüfung wie im Streitfall an, ergibt sich aus der Natur der Sache, den Fall grundsätzlich bis zur abschließenden Prüfung durch die Betriebsprüfung offen zu halten, um mögliche Feststellungen der Betriebsprüfung berücksichtigen zu können. Es drängt sich kein Grund dafür auf, dass der Bearbeiter bewusst entgegen den Dienstanweisungen seines Arbeitgebers und entgegen gängiger Praxis gehandelt hat. Hätte es hierfür einen Grund gegeben, hätte ein korrekt arbeitender Bediensteter diesen bestimmt in den Akten nieder- und dem Sachgebietsleiter den Fall vorgelegt. Der Bearbeiter war nach den Regelungen des Zeichnungsrechtes der Geschäftsordnung für die Finanzämter verpflichtet, bei einer endgültigen Veranlagung den Fall infolge der Höhe des Verlustes von mehr als 120.000.- DM dem Sachgebietsleiter vorzulegen. Gerade bei einem Unternehmen dieser Größenordnung konnte der Sachbearbeiter damit rechnen, dass ein Verstoß gegen die Dienstanweisungen auffallen und zu Rückfragen führen würde. Seine korrekte Arbeitsweise ist im Übrigen auch nicht in Frage gestellt.
19 
Anderes lässt sich auch nicht aus den handschriftlichen Vermerken auf der Steuererklärung und auf dem Arbeitsplatzprotokoll entnehmen. Auf der Anlage GSE mit dem handschriftlichen Vermerk „S. 7“ hat die Klin einen Verlust in Höhe von 1.428.321.- DM erklärt. Diese Zahl findet sich auf Seite 7 des Jahresabschlusses 2000 wieder. Es liegt die Annahme nahe, dass der Bearbeiter im Sinne der Anweisung zur Bearbeitung von Steuererklärungen die Zahlen überschlägig überprüft und lediglich den erklärten Verlust mit dem sich aus dem Jahresabschluss ergebenden Verlust abgeglichen hat. Auch der handschriftliche Vermerk „Saldo S. 1 S. 11“ auf dem Eingabeprotokoll deutet auf einen Zahlenabgleich hin, weil Einlagen i.S.d. § 171 Handelsgesetzbuches (HGB) in Höhe von 391.166,00 DM und eine Hafteinlage lt. Handelsregister in Höhe von 391.166,00 DM eingegeben wurden. Diese Zahlen ergeben sich aus den Seiten 1 (Kommanditkapital) und 11 (Kommanditeinlage). Für den Senat ist es deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb aus den handschriftlichen Vermerken hervorgehen soll, dass sich der Bearbeiter mit dem Steuerfall in einer Art und Weise auseinandergesetzt hat, dass er von einer angewiesenen Vorbehaltsfestsetzung Abstand genommen hat. Eine innere Absicht des Bearbeiters, endgültig zu veranlagen, ist jedenfalls nicht erkennbar.
20 
Aus den genannten Gründen schließt der Senat auch eine mehr als nur theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums oder eines Fehlers in der Tatsachenwürdigung aus.
21 
Die Unrichtigkeit ist schließlich auch offenbar. Zwar kann die Klin die Unrichtigkeit allein aus dem betreffenden Steuerbescheid heraus selbst nicht erkennen. Dies ist für die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit jedoch nicht erforderlich (Urteile des BFH vom 10. Mai 1989 I R 104/85, BFH/NV 1990, 478; vom 15. März 1994 XI R 78/92, BFH/NV 1995, 937; vom 22. Februar 2006 I R 125/04, BStBl. II 2006, 400 unter II 3 c; Beschluss des BFH vom 22. August 2006 I B 21/06, dokumentiert in juris). Maßgebend ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH vielmehr, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit ersichtlich ist (Beschluss des BFH vom 22. August 2006 I B 21/06, dokumentiert in juris; Urteil des BFH vom 31. März 1987 VIII R 46/83, Bundessteuerblatt -BStBl II 1987, 588). Zum Sachverhalt gehören nach Auffassung des Gerichts auch die Tatsache, dass die Fallgruppe 1 auf der Steuererklärung vermerkt worden ist sowie die Handlungsanweisungen. Denn sie gehören zum Entstehungsprozess des Bescheides, worauf nach dem Wortlaut des § 129 Satz 1 AO über die Formulierung „beim Erlass eines Verwaltungsaktes“ abgehoben ist. Einem unvoreingenommen Dritten, der weiß, dass nach den Arbeitsanweisungen bei Fallgruppe 1 ein Steuerfall nur überschlägig zu prüfen und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zu veranlagen ist, dass das Unternehmen der Klin zu einem Konzern gehört, der der Anschlussprüfung unterliegt, dass die Festsetzung des GewSt-Meßbetrages 2000 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgte, dass bei einer endgültigen Veranlagung eines Verlustes in Höhe von 1.428.321 DM der Fall dem Sachgebietsleiter vorzulegen gewesen wäre, dass kein Grund für eine abweichende Verfahrensweise bei der Festsetzung der gesonderten und einheitlichen Feststellung 2000 im Streitfall bestanden hatte, ist bei Fehlen des Vorbehaltsvermerk klar und deutlich erkennbar, dass der Bearbeiter offensichtlich entweder die Kennziffer für die Vorbehaltsfestsetzung übersehen oder vergessen hatte, sie einzugeben.
22 
Ist somit in dem Feststellungsbescheid 2000 vom 11. Oktober 2002 die Anordnung des Vorbehalts der Nachprüfung versehentlich unterblieben, ist es nicht notwendig, diesen Bescheid nach § 129 AO zu berichtigen, um ihn anschließend nach § 164 Abs. 2 AO ändern zu können. Vielmehr kann der Bescheid in diesem Fall unmittelbar nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden (BFH-Urteil vom 22. Februar 2006 I R 125/04, BStBl II 2006, 400 unter II 3e).  
23 
Da die Klage keinen Erfolg hat, hat die Klin die Kosten des Verfahrens gemäß § 135  Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- zu tragen.
24 
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Frage, ob zu dem einem unvoreingenommenen Dritten offen zu legenden Sachverhalt auch die internen Arbeitsanweisungen gehören, bislang höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärt ist.

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