Beschluss vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 9 V 1339/11

Tenor

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Lohnsteuerkarte 2010 des Antragstellers zu 1 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 hinsichtlich der Lohnsteuerklasse dahingehend zu ändern, dass die Lohnsteuerklasse III eingetragen wird.

2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Lohnsteuerkarte 2010 des Antragstellers zu 2 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 hinsichtlich der Lohnsteuerklasse dahingehend zu ändern, dass die Lohnsteuerklasse V eingetragen wird.

3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

 
Streitig ist, ob Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft die Eintragung der Lohnsteuerklasse III und V verlangen können.
I.
Die Antragsteller leben seit dem 6. September 2002 im Stand einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Der Antragsteller zu 1 erzielt Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Der Antragsteller zu 2 ist Rentner. Die Antragsteller leben nicht dauernd getrennt und sind beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
Am 1. April 2011 beantragten die Antragsteller, auf der fortgeltenden Lohnsteuerkarte 2010 des Antragstellers zu 1 die Lohnsteuerklasse III und auf der fortgeltenden Lohnsteuerkarte 2010 des Antragstellers zu 2 die Lohnsteuerklasse V einzutragen. Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Schreiben vom 4. April 2011 ab, über den hiergegen eingelegten Einspruch ist bislang noch nicht entschieden.
Mit dem am 12. April 2011 erhobenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgen die Antragsteller ihr Begehren weiter. Sie seien aus Gründen der Gleichbehandlung wie Eheleute zu behandeln. Die bisher ergangenen Urteile des Bundesfinanzhofs seien durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftssteuer vom 21. Juli 2010 (Az. 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, DStR 2010, 1721) überholt. Ferner verweisen sie auf die Begründung des Beschlusses des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 1. Dezember 2010 (Az. 13 V 239/10, www.juris.de). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragsschrift Bezug genommen (Gerichtsakten, Bl. 2 bis 6).
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 auf der Lohnsteuerkarte 2010 des Antragstellers zu 1 die Lohnsteuerklasse III und auf der Lohnsteuerkarte 2010 des Antragstellers zu 2 die Lohnsteuerklasse V einzutragen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Eintragung der Lohnsteuerklasse III sei nicht möglich, da die Antragsteller nicht verheiratet seien. Dies sei gesetzliche Voraussetzung für die Eintragung der Lohnsteuerklasse III. Eine Auslegung oder analoge Anwendung komme nicht in Betracht, da diese nur bei einer vom Gesetzgeber ungewollten Regelungslücke möglich sei, die aber nicht vorliege.
II.
10 
Dem Antrag war stattzugeben.
11 
Das Begehren der Antragsteller richtet sich auf die Eintragung der Lohnsteuerklassen ab dem 1. Januar 2011. Der Antrag war in diese Richtung auszulegen. Eine Eintragung für das Jahr 2010 scheidet aus, da diese nach dem 30. November 2010 nicht mehr beantragt werden kann (§ 39 Abs. 5 S. 3 EStG). Ferner haben die Antragsteller selbst vorgetragen, dass die Eintragungen unrichtig seien, weil sie (die Kläger) am 1. Januar 2011 nicht ledig sondern “verpartnert“ gewesen seien.
12 
Nach § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
13 
Nach § 38b S. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören in die Lohnsteuerklasse III Arbeitnehmer, die verheiratet sind, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, nicht dauernd getrennt leben und entweder der Ehegatte des Arbeitnehmers keinen Arbeitslohn bezieht oder der Ehegatte des Arbeitnehmers auf Antrag beider Ehegatten in die Lohnsteuerklasse V eingereiht wird. Maßgeblich für die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte sind die Verhältnisse zu Beginn des Kalenderjahres, für das die Lohnsteuerkarte gilt (§ 39 Abs. 3b S. 1 EStG). Die Lohnsteuerkarte 2010 gilt dabei auch für den Veranlagungszeitraum 2011 ab 1. Januar 2011 (§ 52b Abs. 1 S. 1 EStG). Für Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte 2010 im Veranlagungszeitraum 2011 ist das Finanzamt zuständig (§ 52b Abs. 2 S. 1 EStG). Weichen die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte zu Ungunsten des Arbeitnehmers von den Verhältnissen am 1. Januar 2011 ab, so ist er zwar nicht verpflichtet, aber berechtigt, die Änderung zu beantragen (Drenseck in: Schmidt, EStG, 30. Auflage 2011, § 52b RNr. 4).
14 
Der erforderliche Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund liegen vor. Die Antragsteller sind nicht verheiratet, erfüllen im Übrigen jedoch sämtliche Voraussetzungen von § 38b Nr. 3 EStG. Im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 (Az. 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, DStR 2010, 1721) bestehen Zweifel daran, ob an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die eine Unterscheidung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft vornehmen, weiter festzuhalten ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung des Beschlusses des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 1. Dezember 2010 (Az. 13 V 239/10, www.juris.de) Bezug genommen. Der erkennende Senat schließt sich dieser Begründung an.
III.
15 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
IV.
16 
Die Beschwerde war zuzulassen, da die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung hat (§ 128 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

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