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| Streitig ist die Höhe eines festzustellenden Verlustvortrags, was davon abhängt, ob das Finanzamt (FA) berechtigt ist, in der ersten offenen Veranlagung - hier im Streitjahr - einen vom Kläger gewählten Bilanzansatz zu ändern. |
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| Die Kläger waren im Streitjahr verheiratet und wurden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Ehemann erzielte gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Fabrik, seine (zwischenzeitlich verstorbene) Ehefrau war in diesem Betrieb als kaufmännische Angestellte nichtselbständig tätig. |
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| Die Fabrik, ein Einzelhandelsunternehmen, erhielt der Kläger mit notariellem Vertrag vom xx.xx. 1994 (vgl. Bl. 1 der allgemeinen Akten) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von seinem Vater C (Übergang von Nutzen und Lasten zum 1. Januar 1994; siehe Übergabevertrag). Zum übergebenen Betrieb gehörten Grundstücke und Gebäude in der ... straße 14 - 18, die von dem Unternehmen genutzt wurden sowie ein ebenfalls zum Betriebsvermögen gehörendes Mietwohngrundstück (Werkswohnungen) in der ... allee mit den Nummern 1, 3 und 5. Sämtliche Grundstücke standen im jeweils hälftigen Miteigentum der Eheleute C und D, den Eltern des Klägers, die im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ihre hälftigen Grundstücksanteile auf den Kläger übertragen haben (vgl. notariellen Übergabevertrag vom xx.xx. 1994 unter Ziffer III, ABl. 1 ff. der allgemeinen Akten). |
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| Der Wert für Grund und Boden war jeweils mit 50 v.H. im Betriebsvermögen der übertragenen Fabrik erfasst. Die von dem Vater des Klägers alleine getragenen Herstellungskosten für die aufstehenden Gebäude waren, soweit sie auf den hälftigen Grundstücksanteil der Mutter entfielen, als Nutzungsrechte in der Bilanz des Vaters als Aktivposten unter der Bezeichnung „Immaterielle Vermögensgegenstände“ erfasst (vgl.: „Immaterielle Vermögensgegenstände: 1. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten“ im Erläuterungsbericht zum Jahresabschluss zum 31. Dezember 1994, Abl. 32 der Rechtsbehelfsakten/Vertragsakte i.S. C und D) und wurden vom Vater des Klägers entsprechend den übrigen abnutzbaren Wirtschaftsgütern abgeschrieben. Der Buchwert dieses Aktivpostens belief sich zum 31. Dezember 1993 ausgehend von ursprünglich aktivierten Herstellungskosten i.H.v. 5xx.xxx DM auf 2xx.xxx DM (vgl. Abl. 34 der Einkommensteuerakte). Die jährliche Rate der Absetzungen für Abnutzungen (AfA) für diesen Aktivposten betrug xx.xxx DM (vgl. Abl. 55 der Einkommensteuerakten). Für die Übertragung des Betriebs sollten nach Abschnitt II des notariellen Übergabevertrages vom xx.xx. 1994 die Werte der auf den 31. Dezember 1993 erstellten Bilanz maßgebend sein (vgl. ABl. 1 ff. der allgemeinen Akten). |
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| In der von den Prozessbevollmächtigten für den Kläger auf den 31. Dezember 1994 erstellten Bilanz wurden die von der Mutter des Klägers (aus ihrem Privatvermögen) erhaltenen Grundstücksanteile mit ihrem jeweiligen hälftigen Teilwert nach einem auf den 1. Januar 1991 von G, X, erstellten Gutachten (vgl. ABl. 29 der Rechtsbehelfsakte/Vertragsakte C und D) in das Betriebsvermögen der Fabrik - in Ergänzung zu den vom Vater übernommenen Buchwerten bezüglich seiner Grundstücksanteile - eingelegt. Die auf die Grundstücksanteile der Mutter entfallenden hälftigen Gebäudeherstellungskosten wurden nach dem gleichen Gutachten des G mit ihren hälftigen Teilwerten beim Betriebsvermögen des Klägers erfasst und entsprechend abgeschrieben. Der Buchwert des Aktivpostens mit der Bezeichnung „Immaterielle Vermögensgegenstände“ wurde in der Bilanz des Klägers zum 31. Dezember 1994 i.H.v. 2xx.xxx DM erfolgsneutral ausgebucht. Begründet wurde dies damit, dass bedingt durch die Übertragung des Gewerbebetriebs vom Vater auf den Kläger sowie durch die Übertragung der Miteigentumsanteile der Mutter an den Grundstücken die bilanzierten Nutzungsrechte weggefallen seien (vgl. ABl. 32 der Rechtsbehelfsakten C und D). |
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| Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr folgte das beklagte FA in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) ergangenen Einkommensteuerbescheid vom 26. Juli 2002 zunächst der von den Prozessbevollmächtigten des Klägers gefertigten Einkommensteuererklärung und berücksichtigte dabei für den Kläger - unter Einbeziehung einer AfA i.H.v. xx.xxx DM - einen erklärten Verlust aus dem Gewerbebetrieb i.H.v. xxx.xxx DM. Der Gesamtbetrag der Einkünfte wurde vom FA mit ./. xxx.xxx DM ermittelt (vgl. ABl. 19 der Einkommensteuerakte). Diesen Betrag legte es zugleich dem gleichfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO am 3. April 2002 ergangenen Bescheid zum 31. Dezember 1999 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zugrunde (vgl. ABl. 29 der Einkommensteuerakte). |
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| Die dargestellte Betriebsübergabe führte zunächst dazu, dass ein Aufgabegewinn wegen der Aufdeckung von stillen Reserven, welche durch die zu Teilwerten aktivierten hälftigen Gebäudeherstellungskosten (für die vormals der Mutter zur Hälfte gehörenden Grundstücksanteile) und unter Abzug des Buchwertes aus dem Bilanzposten „Immaterielle Vermögensgegenstände“ entstanden waren, der Einkommensbesteuerung beim Vater zugrundegelegt wurde. Ein von diesem dagegen geführtes Rechtsbehelfsverfahren war erfolgreich; ein Aufgabegewinn wurde beim Vater nicht mehr angesetzt. |
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| Dem folgte am 19. Oktober 2004 ein nach § 164 Abs. 2 AO geänderter Einkommensteuerbescheid 1999, in welchem nunmehr ein Verlust aus dem Gewerbebetrieb i.H.v. xxx.xxx DM gegenüber bisher von xxx.xxx DM der Besteuerung zugrundegelegt wurde. Die festgesetzte Einkommensteuer betrug 0 DM. Dabei ging das FA davon aus, dass der Kläger bei der Betriebsübernahme zum 1. Januar 1994 zur Buchwertfortführung verpflichtet gewesen sei und dass deshalb die erste noch änderbare Bilanz zu berichtigen sei. Die Bilanzansätze wurden dahingehend geändert, dass - soweit es die hälftigen Gebäudeherstellungskosten auf den Grundstücksanteilen der Mutter betrifft - die aus den ursprünglichen Herstellungskosten abgeleiteten Buchwerte auf den 1. Januar 1994 errechnet und unter Berücksichtigung der jeweiligen AfA auf den 1. Januar 1999 weiter entwickelt wurden. Wegen den Berechnungen im Einzelnen wird auf die „Entwicklung der Einlagewerte und Gewinnberichtigung in der ersten änderbaren Bilanz zum 1. Januar 1999 bzw. 31. Dezember 1999 aufgrund der Einspruchsabhilfe bei C“ (vgl. ABl. 55 und 56 der Einkommensteuerakte sowie ABl. 39 und 40 der Rechtsbehelfsakte des Klägers) Bezug genommen. |
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| Zugleich mit dem Einkommens(Änderungs-)Bescheid erging ebenfalls unter dem Datum vom 19. Oktober 2004 auf der Grundlage des § 10 d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG ein gesonderter Verlustfeststellungsbescheid, in dem - unter Berücksichtigung des auf xxx.xxx DM verminderten Verlustes lt. Einkommensteuerbescheid vom 19. Oktober 2004 - nunmehr ein Verlustvortrag von xxx.xxx DM (bisher: xxx.xxx DM) festgestellt wurde. |
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| Ein hiergegen am 8. November 2004 fristgerecht erhobener Einspruch blieb erfolglos. Mit Einspruchsentscheidung vom 22. November 2006 wurde - nach vorheriger Ankündigung einer (der Höhe nach unstreitigen) Verböserung - der verbleibende Verlustvortrag auf xxx.xxx DM festgestellt (vgl. ABl. 10 ff. der Gerichtsakten). |
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| Gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung vom 22. November 2006 erhob der Kläger am 21. Dezember 2006 fristgerecht Klage, zu deren Begründung er durch seine Prozessbevollmächtigten im Wesentlichen folgendes vortragen lässt: |
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| Eine Bilanzberichtigung auf den 1. Januar 1999 sei nicht zulässig, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Die vom Kläger gewählten Bilanzansätze auf den 1. Januar 1994 seien nur dann fehlerhaft, wenn sie objektiv gegen ein handels- oder steuerrechtliches Bilanzierungsgebot verstoßen würden und der Kläger diesen Verstoß nach den im Zeitpunkt der Bilanzerstellung bestehenden Erkenntnismöglichkeiten bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung der Sach- und Rechtslage hätte erkennen können. Sei die objektive Erkenntnismöglichkeit bei der Bilanzerstellung indessen nicht gegeben gewesen, so sei der jeweilige Bilanzansatz nicht fehlerhaft. Eine Möglichkeit zur Bilanzberichtigung würde in diesem Falle nicht bestehen. |
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| Die Frage, wie die Herstellungskosten für ein auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäude bilanzsteuerrechtlich zu erfassen seien, sei zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung nicht eindeutig gewesen. Erst seit dem am 14. Mai 2002 unter dem Az: VIII R 30/98 ergangenen Urteil des Bundesfinanzhof - BFH - (BFH/NV II 2002, 741) sei geklärt, dass derjenige, der die Kosten für ein auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäude getragen hat, wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes sei. Zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung für das Jahr 1994 - im Jahre 1995 - sei die Rechtslage indessen nicht eindeutig gewesen. Es sei auch vertreten worden, dass ein - aktiver - Ausgleichsposten für ein Nutzungsrecht gebildet werde. In diesem Falle sei nicht der Substanzwert des Gebäudes bzw. der Gebäudeteile zu aktivieren gewesen, sondern das Nutzungsrecht als immaterielles Wirtschaftsgut. Dieser - vertretbaren - Rechtsauffassung sei der Vater des Klägers gefolgt. Da mit der notariellen Grundstücksübertragung der Mutter am xx.xx. 1994 dieser Anspruch erloschen sei, sei es zulässig gewesen, die von der Mutter des Klägers übertragenen Grundstücksteile ebenso wie die anteiligen Gebäudeherstellungskosten jeweils zu Teilwerten in die Bilanz des Klägers auf den 1. Januar 1994 aufzunehmen. Mit der Zuführung der hälftigen Grundstücksanteile der Mutter habe eine Vereinigung von Nutzungsberechtigung und Nutzungsverpflichtung stattgefunden, nicht aber eine Vereinigung von wirtschaftlichem und zivilrechtlichem Eigentum, wie das FA meint. Gerade dieser Unterschied rechtfertige den Ansatz der anteiligen Gebäudeherstellungskosten zu Teilwerten in der Bilanz des Klägers auf den 1. Januar 1994. |
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| Zu beachten sei auch, dass die Grenzen des Bilanzenzusammenhangs zweifelhaft und umstritten seien. Eine Berichtigung eines Bilanzierungsfehlers habe grundsätzlich in der Schlussbilanz des ersten Jahres, dessen Veranlagung noch geändert werden könne, zu erfolgen. Vorliegend würde aber, wie dargestellt, überhaupt kein Bilanzierungsfehler vorliegen. Auch würde eine konkrete, fallbezogene Rechtsprechungsänderung nicht vorliegen. Daher seien die vom Kläger gewählten Bilanzansätze lückenlos fortzuführen. |
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| Schließlich gebiete es der Grundsatz von Treu und Glauben, dass innerhalb eines bestehenden Steuerrechtsverhältnisses die Beteiligten, also der Steuerpflichtige und der Steuergläubiger, gleichermaßen auf die Belange des jeweils anderen Teils Rücksicht zu nehmen hätten und dass sie sich auch nicht zum bisherigen eigenen Verhalten in Widerspruch setzen dürften, soweit der andere Teil im Vertrauen auf dieses Verhalten disponiert habe. Vorliegend habe der Kläger im Vertrauen auf die jahrelang unbeanstandet gebliebenen Bilanzansätze seine Dispositionen getroffen. Der Kläger habe nach der Übernahme der Fabrik wirtschaftlich schwierige Jahre zu überstehen gehabt. Sämtliche nach der Übernahme des Unternehmens getroffenen wirtschaftlichen Dispositionen seien vor dem Hintergrund von entsprechend anfallenden Verlustvorträgen erfolgt. Diese seien durch die Sachbehandlung des FA rückwirkend größtenteils entfallen, was unzulässig sei. |
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| Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 22. November 2006 und Änderung des angegriffenen Bescheids zum 31. Dezember 1999 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer einen Verlust i.H.v. xxx.xxx DM festzustellen. |
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| Das FA beantragt, im Wesentlichen aus den Gründen der Einspruchsentscheidung vom 22. November 2006, auf die Bezug genommen wird,
die Klage abzuweisen. |
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| Ergänzend zur Einspruchsentscheidung vom 22. November 2006 trägt es vor, dass beim Vater des Klägers bezüglich der Bauten auf fremdem Grund und Boden wirtschaftliches Eigentum vorgelegen habe. Der Vater habe hierfür einen Ausgleichsanspruch, ausgehend von den Gebäudeherstellungskosten und vermindert um die jährlichen AfA, in seiner Bilanz aktiviert. Mit der Übertragung der Grundstücke der Mutter auf den Kläger sei das im Betriebsvermögen erfasste wirtschaftliche Eigentum zum zivilrechtlichen Eigentum geworden. Dem notariellen Vertrag vom xx.xx. 1994 folgend seien deshalb in der auf den 1. Januar 1994 vom Kläger erstellten Bilanz die Buchwerte für diese Gebäude auf fremdem Grund und Boden fortzuführen. |
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| Der Berichterstatter des Senats hat mit den Beteiligten am 21. Juni 2010 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage abgehalten; auf den Inhalt der Protokollniederschrift vom 21. Juni 2010 wird Bezug genommen. Am 21. September 2010 wurde auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Großen Senats des BFH im Verfahren IR 77/08 angeordnet (ABl. 107 ff. der Gerichtsakte). |
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| Am 11. Dezember 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Senat statt; auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom gleichen Tage wird Bezug genommen. |
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| Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung die beim FA geführten Steuerakten der Kläger vorgelegen, auf deren Inhalt, ebenso wie auf den der Gerichtsakten, wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen wird. |
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