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| Die zulässige Klage ist begründet. |
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| 1. Gem. § 15b Abs. 1 EStG dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt. |
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| Ein Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b Abs. 1 EStG liegt nach § 15b Abs. 2 EStG vor, wenn auf Grund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen auf Grund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Dabei ist es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen. § 15b Abs. 1 EStG ist nur anzuwenden, wenn innerhalb der Anfangsphase das Verhältnis der Summe der prognostizierten Verluste zur Höhe des gezeichneten und nach dem Konzept auch aufzubringenden Kapitals oder bei Einzelinvestoren des eingesetzten Eigenkapitals 10 Prozent übersteigt (§ 15b Abs. 3 EStG). Der nach § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähige Verlust ist gem. § 15b Abs. 4 EStG jährlich gesondert festzustellen. |
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| Ob in der Sache ein Steuerstundungsmodell gegeben ist, ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung der entsprechenden Einzelfallumstände zu ermitteln (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 6. Februar 2014 IV R 59/10, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2014, 465). |
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| 2. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass der X-Fonds ein Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b EStG darstellt. |
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| a) Nach Auffassung des Gerichtes sind §§ 15b, 20 Abs. 2b EStG im Streitjahr auf das Investment der Kläger anwendbar und verstoßen nicht gegen die Verfassung. |
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| Insbesondere ist § 15b EStG bezogen auf das Tatbestandsmerkmal einer "modellhaften Gestaltung" hinreichend bestimmt. Abgesehen davon, dass dieser Begriff in § 15b Abs. 2 EStG legal definiert wird, sind die verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe klarer formuliert als diejenigen des § 2b EStG a.F. (BFH-Urteil vom 6. Februar 2014 IV R 59/10, BStBl. II 2014, 465). Vor allem aber sind alle verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe einer Auslegung zugänglich (ebenso Urteile des Finanzgerichts -FG- Baden-Württemberg vom 7. Juli 2011 3 K 4368/09, Entscheidungen der FG -EFG- 2011, 1897 [Revision anhängig IV R 40/11]; des Hessischen FG vom 17. Oktober 2012 1 K 2343/08, EFG 2013, 510 [Revision anhängig VIII R 7/13]; des FG Münster vom 10. Januar 2013 5 K 4513/09 E, EFG 2013, 1014; BFH-Urteil vom 6. Februar 2014 IV R 59/10, BStBl. II 2014, 465 m.w.N.). |
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| Die allgemeinen steuerrechtlichen Vorschriften kommen für Erträge aus Investmentanteilen i.S.d. § 2 InvStG nur dann zur Anwendung, wenn und soweit das InvStG ausdrücklich auf sie verweist. Darüber hinaus sind jedoch die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und des Gewerbesteuergesetzes ergänzend anwendbar, sofern das InvStG die Besteuerung nicht abschließend regelt (Blümich/Wenzel InvStG § 2 Rn. 1 m.w.N.). Schon vor Einführung des § 8 Abs. 7 InvStG kam daher die Anwendung des § 15b EStG auf eine Investition in Investmentanteile auf Grundlage des § 20 Abs. 2b EStG in Betracht, wobei bereits damals die Generierung negativer Zwischengewinne als Steuerstundungsmodell im Mittelpunkt der Diskussion stand, was sich u.a. in verschiedenen Verwaltungsanweisungen, z.B. in Verfügungen der Oberfinanzdirektionen Magdeburg vom 13. Juni 2008 und Münster vom 7. November 2008, niederschlug (Kretzschmann in Finanzrundschau -FR- 2011, 62; Brandtner/Geiser in Deutsches Steuerrecht -DStR- 2009, 1732; Jansen/Lübbehusen in FR 2011, 512, jeweils m.w.N.). |
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| b) Im Streitfall ist die Verlustverrechnung nicht gemäß § 20 Abs. 2b EStG i.V.m. §15b EStG ausgeschlossen, weil mit dem Investmentpapier X-Fonds keine „modellhafte Gestaltung“ im Sinne des § 15b Abs. 2 EStG vorliegt. |
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| Ein Steuerstundungsmodell setzt voraus, dass ein Anbieter ein Finanzprodukt so gestaltet, dass die Anleger damit die im Gesetz im Einzelnen beschriebenen Steuervorteile erzielen können. Überdies muss es sich an einen nicht näher bestimmten Interessentenkreis wenden oder zur wiederholten Verwendung bestimmt sein (BFH-Beschluss vom 8. April 2009 I B 223/08, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2009, 1437), wobei der Investor bei der Entwicklung der Geschäftsidee und der Vertragsgestaltung typischerweise passiv ist (Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 30. Januar 2013 3 K 1185/12, EFG 2013, 849). Ein vorgefertigtes Konzept wird charakterisiert durch den Gesamtplan eines vom Anleger verschiedenen Dritten, der durch die Entwicklung einzelner oder einer Vielzahl aufeinander abgestimmter Leistungen und Maßnahmen die Erreichung des angestrebten Ziels in Gestalt hoher verrechenbarer Verluste in der Anfangsphase der Investition ermöglichen soll (Urteil des Hessischen FG vom 17. Dezember 2012 1 K 2343/08, EFG 2013, 510). Das Finanzprodukt muss mithin auf die Erzielung von Steuervorteilen hin konzipiert werden. |
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| Nach dem Wortlaut des § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG reicht es insoweit nicht aus, wenn die modellhafte Gestaltung auf irgendwie geartete steuerliche Vorteile ausgerichtet ist, vielmehr muss sie darauf gerichtet sein, die Erzielung negativer Einkünfte zu ermöglichen, ohne dass dies allein im Vordergrund stehen müsste. Dazu zählen die negativen Einkünfte des Einkommensteuerrechts ebenso wie sonstige negative Ergebnisse, die in die Gewinnermittlung einfließen. Maßgeblich sind - wie sich aus der Gesetzesformulierung "erzielt werden sollen" ergibt - nicht die tatsächlich erzielten, sondern die sich aus dem Konzept ergebenden negativen Einkünfte (Blümich/Heuermann, § 15b EStG, Rn. 15). |
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| § 15b Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG setzen dabei nicht voraus, dass der Steuerpflichtige das vorgefertigte Konzept selbst kennt oder dieses überhaupt Auslöser seiner Investitionsentscheidung gewesen ist. Maßgeblich ist vielmehr die Perspektive des Anbieters, wonach es darauf ankommt, ob dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit der Verlustverrechnung "geboten" werden soll. Dazu muss der Initiator das vorgefertigte Konzept auf die Erzielung negativer Einkünfte ausrichten, so dass der wirtschaftliche Erfolg des Konzepts auf entsprechenden Steuervorteilen aufbaut. Nicht erforderlich ist es allerdings, dass der Anbieter im Rahmen des Konzeptvertriebs mit den entsprechenden Steuervorteilen positiv wirbt (BFH-Urteil vom 6. Februar 2014 IV R 59/10, BStBl. II 2014, 465). |
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| c) Kein Steuerstundungsmodell im Sinne der §§ 20 Abs. 2b, 15b EStG liegt zur Überzeugung des Senats hingegen vor, wenn ein Finanzprodukt nicht konzeptionell auf die Erzielung eines bestimmten Steuervorteils hin angelegt ist, sondern ein Steuerpflichtiger lediglich erkennt, dass der Erwerb eines am Markt existierenden Finanzproduktes ihm die Erzielung eines individuellen Steuervorteils ermöglicht (so auch Urteil des Niedersächsischen FG vom 26. September 2013 3 K 12341/11, EFG 2014, 712 [Revision anhängig VIII R 46/14]). |
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| Beim X-Fonds handelt es sich um ein thesaurierendes Investmentzertifikat, bei dem gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG positive wie negative Zwischengewinne zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören. Der von den Klägern erzielte Steuervorteil besteht nun darin, dass diese den ab 1. Januar 2009 vollzogenen Systemwechsel bei der Besteuerung der Kapitaleinkünfte zur Abgeltungsteuer und die damit einhergehende Minderung des Steuersatzes auf 25% für solche Einkünfte ausnutzen können, weil sie im Veranlagungszeitraum 2008 die gezahlten negativen Zwischengewinne zum individuellen Grenzsteuersatz abziehen können, während eventuell in einem der nachfolgenden Veranlagungszeiträumen entstehenden positive Einkünfte nur noch mit dem niedrigeren pauschalierten Abgeltungsteuersatz zu versteuern sind. |
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| Allein die Ausnutzung eines Steuergefälles durch die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes auf positive Erträge wie im Streitfall genügt jedoch noch nicht, um ein Steuerstundungsmodell anzunehmen. Zwar liegt in einem solchen Fall gemäß § 20 Abs. 2b EStG ein vorgefertigtes Konzept vor, jedoch setzt die Vorschrift ihrer systematischen Stellung nach voraus, dass auch der Tatbestand des § 15b EStG erfüllt ist. § 20 Abs. 2b EStG ergänzt diesen lediglich dahin, dass die Ausnutzung eines Steuergefälles ein vorgefertigtes Konzept begründen kann (Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG, Rn. 645). |
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| Diesen Steuervorteil konnte vorliegend ausschließlich ein deutscher Anleger des luxemburgischen Investmentfonds erzielen. Zudem war er auf einen einmaligen Effekt im Zeitpunkt der Einführung der Abgeltungsteuer beschränkt. Der Vertrieb des X-Fonds war aber laut seines Verkaufsprospekts nicht auf Deutschland beschränkt, bis auf die USA durfte er in allen anderen Staaten verkauft werden. Nach den Angaben der Kläger, denen der Beklagte nicht widersprochen hat, wurde er tatsächlich auch an Anleger außerhalb Deutschlands vertrieben. Überdies handelte es sich um einen offenen Fonds, an dem sich Anleger auch nach dem 1. Januar 2009 beteiligen konnten. Die angesprochenen Steuervorteile ergeben sich aber nur bei einem Erwerb von Anteilen in den Jahren 2007 und 2008. Die Beschränkung der Möglichkeit, aus der Beteiligung am X-Fonds einen steuerlichen Vorteil zu ziehen, auf Anleger aus einem bestimmten Land in einem engen Zeitraum widerspricht der Annahme, es handle sich um eine modellhafte Gestaltung i.S.d. § 15b EStG. |
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| Das Aktienportfolio des Fonds führt weit überwiegend namhafte börsennotierte Unternehmen auf, die Anlegern dauerhaft die Auszahlung von Dividenden versprechen. Die Kläger erzielten dementsprechend aus dem X-Fonds in der ersten Abrechnungsperiode positive Kapitaleinkünfte von 129.484,73 Euro.Auch dies spricht gegen eine konzeptionelle Gestaltung, die auf steuerliche Verluste ausgerichtet ist. |
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| Der Beklagte hat nicht anhand konkreter Hinweise dargetan, dass der X-Fonds von seinem Anbieter gezielt deshalb aufgelegt worden ist, um den beschriebenen Steuerspareffekt zu erzielen. Dies ist im Übrigen auch deshalb in sich nicht schlüssig, weil systembedingt dem negativen Zwischengewinn, den die Kläger mit Erwerb ihrer Anteile erzielten, ein ebenso hoher - und gegebenenfalls mit dem individuellen Steuersatz vor Einführung der Abgeltungsteuer belegter - positiver Zwischengewinn desjenigen Anlegers gegenüberstand, der die von den Klägern erworbenen Anteile veräußert hat. Auf die Anlegerschaft des Fonds im Ganzen bezogen glichen sich infolgedessen positive und negative Zwischengewinne aus, so dass durch den Fonds nicht in einer modellhaften Art und Weise nur Steuervorteile vermittelt wurden (vgl. Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26. September 2013 3 K 12341/11, EFG 2014, 131). |
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| Der Senat konnte sich nach alledem nicht davon überzeugen, dass der eingetretene Steuerspareffekt der konzeptionellen Ausrichtung des Fonds entsprach und für die Kläger gegenüber Anlagesicherheit und Ertragsfähigkeit im Vordergrund stand. |
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| 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Klägerseite beantragte, die Zuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war. Die Klägerseite durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen. Der Senat hält hiernach die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO). |
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| 4. Die Revision war wegen der beim Bundesfinanzhof zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 15b EStG anhängigen Verfahren zuzulassen. |
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