Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 3 K 3729/16

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig ist im zweiten Rechtsgang, ob der Kläger Grenzgänger im Sinne des Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Protokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) -DBA-Schweiz 1971/1992- ist, und -bei Aberkennung der Grenzgängereigenschaft-, ob er ein leitender Angestellter im Sinne des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/1992 ist.
Der am xx.xx.xxxx geborene und seit dem xx.xx.xxxx verheiratete Kläger wird für den Veranlagungszeitraum 2010 (Streitjahr) gemäß dem in der Einkommensteuererklärung gestellten Antrag getrennt zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger hatte im Streitjahr im Inland in der A-Straße 1 in X seinen Wohnsitz im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 der im Streitjahr geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes (EStG 2010) und war dort ansässig im Sinne von Art. 4 Abs. 1 des DBA-Schweiz 1971/1992.
Er arbeitet seit dem xx.xx.xxxx als Arbeitnehmer bei der Y in Z/Schweiz (im Folgenden: Y-AG; Hinweis auf den Arbeitsvertrag vom xx.xx.xxxx, Bl. 110-116 der FG-Akten 3 K 1189/13, und das Schreiben der Y-AG vom xx.xx.xxxx zu Vertrag und Sonderkonditionen, Bl. 107-108 der FG-Akten 3 K 1189/13). Mit Beschluss des Verwaltungsrats der Y-AG vom xx.xx.xxxx wurde er als ein aus der Konzerngesellschaft Q nach Z berufener Mitarbeiter als Vizedirektor eingegliedert (Hinweis auf Seite 7 des Protokolls über die Sitzung des Verwaltungsrats der Y-AG vom xx.xx.xxxx, Bl. 30, 38 der FG-Akten 3 K 1189/13). Laut der Verfügung des Handelsregisters des Kantons Z/Schweiz vom xx.xx.xxxx wurde der Kläger (lediglich) mit dem Zeichnungsrecht „Kollektivunterschrift zu zweien“ eingetragen (Bl. 40, 41 der FG-Akten 3 K 1189/13; Hinweis auf die Anmeldung der Y-AG an das Handelsregisteramt Z vom xx.xx.xxxx, unterschrieben vom Präsidenten der Y-AG W und dem Mitglied des Verwaltungsrats T -Bl. 30, 47 und 50 der FG-Akten 3 K 1189/13-).
Im Übrigen wurde mit der Anmeldung beim Handelsregisteramt eine Unterschriftenliste mit der Unterschrift des Klägers vom xx.xx.xxxx eingereicht (ohne Funktionsbezeichnung; Bl. 51, 62 der FG-Akten 3 K 1189/13). Aus der Unterschriftenliste ergibt sich, dass der Kläger ohne den Zusatz „Vizedirektor“ für die Y-AG im Rechtsverkehr aufgetreten ist. Nach der Unterschriftsregelung der Y-AG vom Dezember xxxx und April xxxx (Bl. 60 der Einkommensteuerakten Band II -im Folgenden: ESt-Akten-; Bl. 142, 143 der FG-Akten 3 K 1189/13) werden Direktionsmitglieder -wie der Kläger- im Handelsregister eingetragen, sie unterzeichnen ohne Zusatzangabe.
Mit Schreiben vom Dezember xxxx des Präsidenten des Verwaltungsrats der Y-AG erklärte dieser, dass er sich freue, dem Kläger bekanntzugeben, dass der Verwaltungsrat der Y-AG ihn, den Kläger, zum xx.xx.xxxx zum Vizedirektor ernannt habe. Die Beförderung solle die Bedeutung seiner wichtigen Aufgabe als Leiter des Ü Betriebes in E/Kanton U/Schweiz zum Ausdruck bringen (Bl. 58 der ESt-Akten). Mit Schreiben vom Dezember xxxx des Leiters der Personalabteilung (Bl. 59 der ESt-Akten), dem die Betreuung u.a. der Vizedirektoren obliegt, wurde dem Kläger zu seiner Beförderung zum Vizedirektor und dem damit verbundenen Aufstieg in den Direktionsbereich gratuliert.
Nach Art. 13 (Zeichnungsberechtigung) der auch im Streitjahr wirksamen Statuten der Y-AG vom xx.xx.xxxx (Bl. 132-140 der FG-Akten 3 K 1189/13) bezeichnet der Verwaltungsrat die Personen aus seiner Mitte und außerhalb derselben (wie z.B. den Kläger), denen die rechtsverbindliche Unterschrift für die Gesellschaft zukommt. Das in den Statuten in Bezug genommene Organisationsreglement (s. etwa Art. 12 Nr. 1 Satz 2 bzw. Art. 12 Nr. 4 der Statuten) wurde dem Finanzgericht (FG) nicht vorgelegt, ebenso wenig andere Zeichnungsrechtsregelungen der Y-AG.
Nach den Angaben im Internet-Auszug des Handelsregisters des Kantons Z wurde die Funktionsbezeichnung „Vizedirektor“ für den Kläger erst am xx.xx.xxxx im Schweizerischen Handelsregister eingetragen und am xx.xx.xxxx veröffentlicht (Bl. 76, 79 der FG-Akten 3 K 1189/13). Laut dem inhaltlich unzutreffenden Handelsregisterauszug von moneyhouse ist der Kläger seit dem xx.xx.xxxx als Vizedirektor mit Zeichnungsberechtigung „Kollektivunterschrift zu zweien“ im Handelsregister des Kantons Z eingetragen (S. 118 von 160, Bl. 323 der FG-Akten 3 K 1189/13). Richtig ist, dass der Kläger auf Grund des Beschlusses des Verwaltungsrates der Y-AG vom xx.xx.xxxx (Bl. 180 der FG-Akten 3 K 1189/13) am xx.xx.xxxx als Vizedirektor mit Kollektivunterschrift zu zweien in das Handelsregister des Kantons Z eingetragen wurde (Anlagen K 10 und K 11 zum Schriftsatz des Klägers vom 17. Dezember 2013, Bl. 175 ff. der FG-Akten 3 K 1189/13).
In der Einkommensteuerklärung ging der Kläger unter Bezugnahme auf die nachfolgend dargelegte Liste der Nichtrückkehrtage (Bl. 11, 50 der ESt-Akten) davon aus, dass er nicht als Grenzgänger im Sinne von Art. 15a des DBA-Schweiz 1971/1992 sowie des Verhandlungsprotokolls vom 18. Dezember 1991 (BGBl I 1993, 929) -Verhandlungs-protokoll- mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Besteuerung im Inland unterliege, weil er an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund der Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt sei.
10 
Im Einzelnen:
11 
Abreise
Rückkehr
Nichtrückkehrtage
Land   
Art der Reise
                                            
        
Summe 
65    
                 
12 
Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) errechnete 67 Nichtrückkehrtage, weil es die Geschäftsreise des Klägers in der Schweiz vom 7. - 13. Februar mit 6 Nichtrückkehrtagen berücksichtigte.
13 
In der vorgenannten Liste sind folgende Wochenendtage als Nichtrückkehrtage angesetzt worden: 10. Januar (Sonntag), 7. Februar (Sonntag), 13. Februar (Samstag), 2. Mai (Sonntag), 8. Mai (Samstag), 31. Juli (Samstag), 1. August (Sonntag), 12. September (Sonntag), 6. November (Samstag), 14. November (Sonntag).
14 
Im Übrigen berücksichtigte der Kläger und ihm folgend das FA die nachfolgend angegebenen Tage, an denen der Kläger von einer Geschäftsreise in die XXX an seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist, als Nichtrückkehrtage: 15. Januar, 8. Mai, 6. August, 17. September, 6. und 19. November.
15 
Der im ersten Rechtsgang zuständige Berichterstatter hat den Beteiligten zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung eine -an der Rechtsprechung des erkennenden Senats und des Bundesfinanzhofs (BFH) orientierte- Ermittlung der Nichtrückkehrtage zugesandt ohne Berücksichtigung von Wochenendtagen und Tagen, an denen der Kläger von einer Geschäftsreise in Drittstaaten an seinen Wohnsitz im Inland tatsächlich zurückgekehrt ist. Er ermittelte auf dieser Grundlage lediglich 50 Nichtrückkehrtage (Bl. 89-90 der FG-Akten 3 K 1189/13). Hieran anschließend errechnete der Kläger im Schriftsatz vom 10. Dezember 2013 die Nichtrückkehrtage laut der BFH-Rechtsprechung auf 61 Tage (Bl. 144 ff. der FG-Akten 3 K 1189/13). In dieser Berechnung sind zwar die Tage, an denen der Kläger von einer Geschäftsreise aus einem Drittstaat an seinen Wohnort in X zurückgekehrt ist, nicht enthalten; im Übrigen aber werden sämtliche Wochenendtage im Zusammenhang mit Geschäftsreisen erfasst. Bei der Geschäftsreise nach I wird als Abreisetag -abweichend von der mit der Einkommensteuererklärung vorgelegten Liste- der 27. September (statt dem 28. September) angegeben. Zur Geschäftsreise vom 2. - 13. Februar nach O/CH erklärte der Kläger, dass diese -entgegen seinen bisherigen Angaben in der beim FA eingereichten Liste der Nichtrückkehrtage- am Freitag, den 12. Februar, um 2.30 Uhr geendet habe (Hinweis auf die Ausführungen vom 6. Dezember 2013 laut Anlage K 9 zum Schriftsatz des Klägers vom 10. Dezember 2013, Bl. 145-162 der FG-Akten 3 K 1189/13).
16 
Laut der am xx.xx.xxxx vom Kläger angenommenen Offerte für einen Arbeitsvertrag (sog. individuelle Bedingungen) vom xx.xx.xxxx (Bl. 110 der FG-Akten 3 K 1189/13) beträgt dessen Arbeitspensum 40 Stunden pro Woche, verteilt von Montag bis Freitag (a.a.O. Ziff. 4). Das in der Offerte in Bezug genommene Arbeitszeitreglement (a.a.O. Ziff. 10) wurde dem FG nicht vorgelegt. Nach dem Arbeitsvertrag vom xx.xx.xxxx wird die dargelegte Arbeitszeitregelung bestätigt und für die Abgeltung allfälliger Überzeit auf das dem Kläger zur Verfügung gestellte Überzeitreglement verwiesen (a.a.O., Ziff. 5). Dieses Reglement wurde dem FG ebenfalls nicht zur Verfügung gestellt. Vorgelegt wurde ebenfalls das Arbeitszeit- und Absenzenreglement, gültig ab dem 1. Januar 2012 (Bl. 199 der FG-Akten 3 K 1189/13), das jedoch nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtsgang für ihn, den Kläger, nicht gelte. Eine technische Zeiterfassung werde für Mitglieder des Direktoriums, wie den Kläger, nicht durchgeführt (Bl. 198 der FG- Akten 3 K 1189/13).
17 
Im angegriffenen unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung -AO-) ergangenen Einkommensteuerbescheid vom 16. Juli 2012 vertrat das FA die Auffassung (insoweit dem Kläger folgend), dass dieser kein Grenzgänger im Sinne von Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992 sei. Er unterliege jedoch mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, soweit sie auf seine in Drittstaaten und im Inland ausgeübte Tätigkeit entfallen, der Besteuerung im Inland. Dies läge daran, dass der Kläger kein leitender Angestellter im Sinne von Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992 gewesen sei, weil er im Streitjahr nicht als „Vizedirektor“ im Handelsregister eingetragen gewesen sei. Das FA beruft sich für seine Rechtsauffassung auf die Verständigungsvereinbarung mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) vom 30. September 2008 IV B 2- S 1301 - CHE/07/10015, 2008/0522903 (BStBl I 2008, 935) und die gleichlautende Vorschrift des § 19 Abs. 2 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung -KonsVerCHEV-) vom 20. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 2187; BStBl I 2011, 148; Hinweis auch auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion -OFD- Karlsruhe vom 23. Dezember 2011 S 130.1/261 St 217).
18 
Der „Vizedirektor“ ist nach allgemeiner (Schweizer) Auffassung im Schweizer Handelsregister eintragungsfähig (Rebsamen, Das Handelsregister, Ein Handbuch für die Praxis, 2. Aufl. 1999, Rn. 470 ff.; Hinweis auf den zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Art. 119 Abs. 1 Buchst. g der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007, Systematische Rechtssammlung -SR- 221.411, www.admin.ch: Angabe der Funktion, die die Person in der Rechtseinheit wahrnimmt).
19 
Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit wurden durch die ESTV zunächst lediglich der gemäß Art. 15a Abs. 3 Buchst. a DBA-Schweiz 1971/1992 für Grenzgänger geltenden ermäßigten Quellensteuer von 4,5 % des Einkommens unterworfen (s. die Angaben zu Ziff. 1 und 12 des Lohnausweises, Bl. 41 der ESt-Akten). Nach der Quellensteuer-Rechnung des Finanzdepartements des Kantons Z vom 19. Dezember 2012 (Anlage K 12 zum Schriftsatz des Klägers vom 10. Dezember 2013) unterlag der Kläger im Streitjahr mit seinem Bruttoarbeitslohn (abzüglich einer Zahlung zur beruflichen Vorsorge) der normalen (Schweizer) Quellensteuer. Die Schweizer Quellensteuer wurde vom FA nicht bei der angegriffenen Steuerfestsetzung und auch nicht außerhalb der Einkommensteuerfestsetzung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG 2010 berücksichtigt.
20 
Der Kläger legte form- und fristgerecht Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 16. Juli 2012 ein. Er ist der Auffassung, er unterliege nicht als Grenzgänger im Sinne von Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 mit seinen gesamten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Besteuerung im Inland, weil er an mehr als 60 Tagen auf Grund seiner Berufsausübung nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt sei. Im Übrigen sei er im Streitjahr als Vizedirektor der in der Schweiz ansässigen Y-AG nach 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992 auch mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für seine Tätigkeit in den XXX und in der Bundesrepublik Deutschland ausschließlich in der Schweiz steuerpflichtig. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2013). Im Tenor der Einspruchsentscheidung wird ausdrücklich verfügt, dass der Vorbehalt der Nachprüfung aufrechterhalten bleibt.
21 
Die hiergegen erhobene Klage wurde im ersten Rechtsgang abgewiesen. Der erkennende Senat in seiner damaligen Besetzung vertrat die Auffassung, dass der Kläger als Grenzgänger im Sinne von Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992 mit seinen gesamten Einkünften aus nicht-/unselbständiger Arbeit der Besteuerung im Inland unterliege, da er höchstens an 55 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt sei. Tage, an denen der Kläger von einer ein- oder mehrtägigen Geschäftsreise in Drittstaaten an seinen Wohnsitz zurückgekehrt sei, seien ebenso wie Wochenendtage, an denen er in Zusammenhang mit einer Geschäftsreise in Drittstaaten nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt sei, und für die der Arbeitgeber weder Freizeitausgleich noch zusätzliche Bezahlung geleistet habe, sondern lediglich die Reisekosten übernommen habe, nicht als Nichtrückkehrtage zu berücksichtigen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH- vom 9. Juni 2010 I R 15/09, BStBl II 2010, 602). An § 8 Abs. 1 Satz 3 KonsVerCHEV (Berücksichtigung von Wochenend- und Feiertagen als Nichtrückkehrtage bei Kostenübernahme durch den Arbeitgeber) und § 8 Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV (eintägige Geschäftsreisen in Drittstaaten als Nichtrückkehrtage) sah sich der Senat nicht gebunden, da einer dahingehenden Auslegung des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 der Wortlaut des Abkommens entgegenstehe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil vom 19. Dezember 2013 3 K 1189/13 (juris) Bezug genommen.
22 
Auf die Revision des Klägers hob der BFH mit Urteil vom 20. Juli 2016 I R 40/14 (BFH/NV 2017, 312) das Urteil vom 19. Dezember 2013 auf, weil an der Entscheidung eine gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 41 Nr. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossene Richterin mitgewirkt hatte, und verwies die Sache an das FG zurück.
23 
Im zweiten Rechtsgang verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, dass er mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weder als Grenzgänger noch als leitender Angestellter der Besteuerung im Inland unterliege. Zur Begründung lässt er unter Verweis auf die im ersten Rechtsgang eingereichten Schriftsätze vom 5. August 2013, vom 10. Dezember 2013 und vom 17. Dezember 2013 vortragen, dass Deutschland nach Art. 24 Abs. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/1992 kein Besteuerungsrecht für die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit habe. Der Kläger sei kein Grenzgänger. Die Y-AG habe dem Kläger Reisekosten für alle angegebenen Wochenendtage erstattet. Die Dienstreisen an Wochenenden seien mündlich vom Vorgesetzten angeordnet worden. Schriftliche Arbeitsanordnungen gebe es für das Direktorium der Y-AG nicht. Der Kläger leite ein internationales Team, das überwiegend in den XXX stationiert sei. Seine regelmäßige Präsenz in den XXX sei erforderlich. Aufgrund der notwendigen Präsenz an seinen Arbeitsplätzen sei es notwendig, an Wochenendtagen zu reisen.
24 
Ferner sei der Kläger leitender Angestellter im Sinne von Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz, da ihm von seinem Arbeitgeber die Funktion eines Vizedirektors und damit ein umfassendes kollektives Zeichnungsrecht verliehen worden sei. Die Eintragung im Handelsregister sei hierfür nicht konstitutiv. Die dem entgegenstehende Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 2 KonsVerCHEV sei für die Gerichte nicht bindend.
25 
In der mündlichen Verhandlung ergänzt die Prozessbevollmächtigte ihren Vortrag dahin, dass bei Anwendung der KonsVerCHEV zwischen begünstigenden und belastenden Regelungen zu unterscheiden sei. Bei den Steuerpflichtigen begünstigenden Regelungen, wie der vorliegend streitgegenständlichen Zählweise der Nichtrückkehrtage nach § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV, sei mit § 2 Abs. 2 Satz 1 AO dem Gesetzesvorbehalt im Hinblick auf dessen Sinn und Zweck, den Bürger vor staatlichen Eingriffen zu schützen, ausreichend Rechnung getragen worden. Dem Vorrang des Gesetzes sei durch die jüngere Regelung in § 2 Abs. 2 AO jedenfalls bei begünstigenden Regelungen Genüge getan worden. Auch gelte das Rückwirkungsverbot nur bei Regelungen, die den Steuerpflichtigen belasten würden.
26 
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid vom 16. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2013 (ersatzlos) aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.
27 
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
28 
Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und die Schriftsätze im ersten Rechtsgang.
29 
Am 6. April 2017 hat der Senat den Streitfall mündlich verhandelt. Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird verwiesen.
30 
Dem erkennenden Senat lagen folgende Akten vor:
31 
· 1 Band Einkommensteuerakten Band II VZ 2010 (St.Nr. ......1);
32 
· 1 Band Einkommensteuerakten Band I VZ 2006 - 2009 (St.Nr. ......1);
33 
· 1 Band Einkommensteuerakten Band II VZ 2003 ff. (St.Nr. .....2);
34 
· 1 Band Einkommensteuerakten Band I VA 1998 - 2002.

Entscheidungsgründe

 
35 
Die Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist insoweit rechtmäßig, als die darin festgesetzte Einkommensteuer nicht niedriger festgesetzt wurde. Der Kläger unterliegt im Streitjahr als Grenzgänger im Sinne von Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992 mit seinen gesamten Einkünften aus nicht-/unselbständiger Arbeit der Besteuerung im Inland (nachfolgend unter I.). Die vom FA bei der Festsetzung der Einkommensteuer vorgenommene rechtliche Würdigung, dass der Kläger im Hinblick auf die erklärten 67 Nichtrückkehrtage nicht als Grenzgänger anzusehen ist, ist nicht als abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen anzusehen (nachfolgend unter II.).
36 
I. 1. Der Kläger hatte im Streitjahr in der Bundesrepublik Deutschland seinen Wohnsitz (§ 8 AO) und war daher im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 2010) und aus abkommensrechtlicher Sicht in Deutschland ansässig (Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992).
37 
2. Der Kläger unterlag mit seinen von der Y-AG bezogenen Einkünften als Grenzgänger gemäß Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992, der Art. 15 DBA-Schweiz 1971/1992 vorgeht („ungeachtet des Artikels 15“), in Deutschland der Besteuerung.
38 
Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992 ist Grenzgänger jede in einem Vertragstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992). Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992).
39 
Im Streitfall ist der Kläger nicht an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz in Deutschland zurückgekehrt. Die entgegenstehende Auffassung beider Beteiligten ist nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BFH rechtsfehlerhaft, da sie Wortlaut und Zweck von Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 nicht entspricht.
40 
Nicht als Nichtrückkehrtage im Sinne von Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 anzusehen sind zum einen die in der beim FA eingereichten Liste der Nichtrückkehrtage aufgeführten Tage, an denen der Kläger von einer Geschäftsreise aus einem Drittstaat tatsächlich an seinen Wohnsitz in X zurückgekehrt ist. Dies gilt für den 15. Januar, 8. Mai (Samstag), 6. August, 17. September, 6. November (Samstag) und 19. November.
41 
Keine Nichtrückkehrtage sind zudem die Wochenendtage, an denen er im Zusammenhang mit einer Geschäftsreise in Drittstaaten tatsächlich nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist (10. Januar, 2. Mai, 31. Juli, 1. August [Bundesfeier], 12. September und 14. November). Zur Begründung verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Ausführungen in den Entscheidungsgründen unter 2.a) im Urteil vom 19. Dezember 2013 3 K 1189/13 (juris), an denen er vollumfänglich festhält, sowie auf die zur Anwendung der Grenzgängerregelung ergangene Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 17. November 2010 I R 76/09, BStBl II 2012, 276, vom 12. Oktober 2010 I R 86/08, BFH/NV 679, vom 9. Juni 2010 I R 115/08, BFH/NV 2010, 2275 und in BStBl II 2010, 602).
42 
3. An die hiervon abweichende Auffassung zur Bestimmung der Nichtrückkehrtage in den Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 19. September 1994 IV C 6 - S 1301 Schz - 60/94, BStBl I 1994, 683 Tz. 14 (zur Berücksichtigung von Arbeitstagen, an denen der Steuerpflichtige aus Drittstaaten tatsächlich an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist) und vom 7. Juli 1997 IV C 6 - S 1301 Schz - 37/97, BStBl I 1997, 723, Ziff. 1. Buchstabe a) Rz. 11 (zur Berücksichtigung von Wochenend- und Feiertagen), denen jeweils mit der ESTV nach Inkrafttreten der Grenzgängerregelung in Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 abgeschlossene, auf Art. 26 Abs. 3 und 15a Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/1992 gestützte Konsultationsvereinbarungen zugrunde liegen, sind die Gerichte nicht gebunden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, steht einer dahingehenden Auslegung von Art. 15a des DBA-Schweiz 1971/1992 der Wortlaut des Abkommens entgegen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2010, 2275 und in BStBl II 2010, 602), der in abschließender Weise die „Grenzmarke“ für das richtige Abkommensverständnis darstellt (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2016, 326 und vom 13. Juni 2012 I R 41/11, BStBl II 2012, 880).
43 
4. Mit Wirkung vom 23. Dezember 2010 erließ das BMF mit Zustimmung des Bundesrates auf der Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 2 Satz 1 AO i.d.F. des Art. 9 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768) mit der KonsVerCHEV eine Rechtsverordnung zur Umsetzung der Konsultationsvereinbarungen mit der ESTV. In § 8 Abs 1 Satz 3 KonsVerCHEV ist bestimmt, dass bei mehrtägigen Geschäftsreisen alle Wochenend- und Feiertage als Nichtrückkehrtage angesehen werden, wenn der Arbeitgeber die Reisekosten trägt. Nach § 8 Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV zählen eintägige Geschäftsreisen in Drittstaaten stets zu den Nichtrückkehrtagen. Inhaltlich entsprechen diese Vorschriften den BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 Tz. 14 und in BStBl I 1997, 723, Ziff. 1. Buchstabe a) Rz. 11.
44 
Der Senat hält auch insoweit an seiner im Urteil vom 19. Dezember 2013 (juris) vertretenen Auffassung fest, dass § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV unwirksam und daher nicht zu beachten sind.
45 
a) Zwischenstaatliche Konsultationsvereinbarungen, die aufgrund der Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 2 AO als Rechtsverordnung erlassen wurden, können eine Abkommensregelung spezifizieren und umsetzen. Es ist wegen des Vorranges des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes -GG-) aber ausgeschlossen, vermittels einer auf Grundlage des § 2 Abs. 2 AO erlassenen Rechtsverordnung den Abkommenstext der höherrangigen Rechtsnorm (hier des Doppelbesteuerungsabkommens in der Umsetzung des "einfachen" Zustimmungsgesetzes) und damit die Besteuerungszuordnung der Einkünfte zu verändern. Die Befugnis zur Verwerfung derartiger abkommensändernder Rechtsverordnungen liegt bei den Gerichten (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2016, 326 unter B.II.4. und 5 mit umfangreichem Nachweisen zum Meinungsstand; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Oktober 2015 3 K 2913/13, juris, Rev. I R 22/16 anhängig; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 2 AO, Rz. 43 f.; a.A. Ismer, IStR 2009, 366).
46 
b) Diese in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV zur Behandlung von Abfindungszahlungen entwickelten Grundsätze gelten nach Auffassung des Senats gleichermaßen für die in § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV zu den Nichtrückkehrtagen getroffenen abkommensändernden Regelungen. Denn auch diese sind -ebenso wie die gleichlautenden Regelungen in den BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 Tz. 14 und in BStBl I 1997, 723, Ziff. 1. Buchstabe a) Rz. 11- mit dem Wortlaut des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 i.V.m. Ziff. II Nr. 2 des Verhandlungsprotokolls vom 18. Dezember 1991 (BStBl I 1993, 929) nicht vereinbar.
47 
aa) Die Annahme eines Nichtrückkehrtages setzt nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 einen Arbeitstag voraus. Maßgeblich hierfür sind nach Nr. II.2. des Verhandlungsprotokolls in BStBl I 1993, 929, das eine verbindliche Vorgabe für die Auslegung des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/1992 enthält, die im jeweiligen Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitstage. Samstage, Sonntage und Feiertage zählen deshalb dann nicht zu den Arbeitstagen in diesem Sinn, wenn eine Arbeit an diesen Tagen weder ausdrücklich vereinbart ist noch der Arbeitgeber für die an diesen Tagen geleistete Arbeit einen anderweitigen Freizeitausgleich oder ein zusätzliches Entgelt gewährt. Durch die Übernahme der Reisekosten erhält der Arbeitnehmer aber kein zusätzliches Entgelt für eine Arbeitsleistung, sondern lediglich einen Aufwendungsersatz. Die Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 3 KonsVerCHEV steht daher in Widerspruch zu der Regelung im Verhandlungsprotokoll und rechtfertigt nicht die Annahme eines Nichtrückkehrtages (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2010, 602).
48 
bb) Gleiches gilt für die Bestimmung des § 8 Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV, nach der eintägige Geschäftsreisen in Drittstaaten stets zu den Nichtrückkehrtagen zählen. Auch diese Bestimmung wird, da nach Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 die Annahme eines Nichtrückkehrtages bei jeder Rückkehr des Arbeitnehmers an den Wohnsitz ausgeschlossen ist, ohne dass es darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer von seinem Arbeitsort oder von einem anderen Ort an den Wohnsitz zurückkehrt, vom Wortlaut des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 nicht gedeckt (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2010, 602).
49 
c) Die aus dem Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes folgende Unwirksamkeit von abkommensändernden Bestimmungen der KonsVerCHEV gilt für sämtliche Regelungen, die -wie § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV- das Besteuerungsrecht einem anderen als dem in der entsprechenden Verteilungsnorm des DBA vorgesehenen Staat zuweisen. Ein Abweichen vom Steuergesetz (hier dem Zustimmungsgesetz zum DBA-Schweiz 1971/1992) durch eine Rechtsnorm niedrigeren Ranges (hier § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV) führt unabhängig davon, ob diese Norm aus Sicht des in Deutschland Steuerpflichtigen nun „belastende“ (d.h. das Besteuerungsrecht Deutschland zuweisende) oder „begünstigende“ (d.h. das Besteuerungsrecht der Schweiz zuweisende) Wirkung hat, zu einem Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl. 2014, Art. 20 Rz. 51) und damit zur Unwirksamkeit der Rechtsnorm niedrigeren Ranges.
50 
Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob für Vorschriften, die -wie Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992- das Besteuerungsrecht jeweils einem der Abkommensstaaten zur vorrangigen Besteuerung zuweisen (sog. Verteilungsnormen), das Erfordernis der Legitimation durch ein förmliches Gesetz (Vorbehalt des Gesetzes) gilt und welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die gesetzliche Grundlage für die Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen in innerstaatliches Recht, beispielsweise im Hinblick auf die Bestimmtheit, zu genügen hat. Diese Fragen sind jedoch im Streitfall wegen der aus dem Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes folgenden Unwirksamkeit der hier entscheidungserheblichen Bestimmungen der KonsVerCHEV nicht erheblich.
51 
Ob die Regelungen in § 8 Abs. 1 Satz und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV -ebenso wie die entsprechenden Regelungen in den BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 Tz. 14 und in BStBl I 1997, 723, Ziff. 1. Buchstabe a) Rz. 11- als Billigkeitsregelungen zugunsten des Steuerpflichtigen zu werten sind (vgl. unter II.), ist nicht Gegenstand des Steuerfestsetzungsverfahrens.
52 
d) Des Weiteren sind nach der Rechtsprechung des BFH (in BStBl II 2016, 326) jedenfalls abkommensändernde Regelungen der KonsVerCHEV unbeschadet des in § 25 KonsVerCHEV (i.V.m. Art. 97 § 1 Abs. 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung -EGAO- i.d.F. des JStG 2010) auf den 1. Januar 2010 bestimmten Anwendungszeitpunkts für die KonsVerCHEV nicht vor dem Zeitpunkt ihres tatsächlichen Inkrafttretens am 23. Dezember 2010 anzuwenden. Auch wenn die in § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV enthaltenen Regelungen wegen der ihnen im Streitfall zukommenden den Kläger begünstigenden Wirkung keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot auslösen, so kannmaßgebender Anwendungszeitpunkt für die abkommensändernde Konsultationsvereinbarung immer nur der Zeitpunkt sein, in welchem eine solche Vereinbarung tatsächlich in der verfassungsrechtlich gebotenen Form in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist. Die hier in Streit stehenden Nichtrückkehrtage entfallen sämtlich auf davor liegende Zeiträume, so dass § 8 Abs. 1 Satz und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV auf den Streitfall auch aus diesem Grund keine Anwendung finden.
53 
5. Somit hat Deutschland nach Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 das Besteuerungsrecht für die gesamten aus der Schweiz stammenden Einkünfte aus un-/nicht-selbständiger Arbeit des Klägers. Soweit seine Einkünfte aus un-/nichtselbständiger Arbeit der im Inland ausgeübten Tätigkeit zuzuordnen sind, folgt das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992. Hinsichtlich der im Drittstaat XXX vom Kläger erzielten Einkünfte aus un-/nichtselbständiger Arbeit hat Deutschland das Besteuerungsrecht nach Art. 15 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 (DBA-USA) bzw. nach Art. 21 DBA-Schweiz 1971/1992 (BFH-Beschluss vom 19. April 1999 I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317, Entscheidungsgründe zu 2. b; Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 21, Rz. 14).
54 
An der sich hieraus ergebenden höheren Steuerfestsetzung als derjenigen im angegriffenen Einkommensteuerbescheid ist der Senat wegen des Verbots der Verböserung im finanzgerichtlichen Verfahren gehindert (BFH-Beschluss vom 10. März 2016 X B 198/15, BFH/NV 2016, 1042; Gräber/Ratschow, FGO, 8. Aufl. 2015, § 96 Rz. 51). Dabei berücksichtigt der Senat, dass die von der ESTV aus Anlass der Tätigkeit des Kläger in den XXX einbehaltene (Schweizer) Quellensteuer unter den Voraussetzungen des § 34c Abs. 3 EStG 2010 bei der Ermittlung der in Deutschland zu besteuernden Einkünfte des Arbeitnehmers abgezogen werden kann (BFH-Urteil vom 17. November 2011 I R 76/09, BStBl II 2012, 276).
55 
II. Die der Steuerfestsetzung im Einkommensteuerbescheid vom 16. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2013 zugrunde liegende Annahme, dass der Kläger im Streitjahr nicht als Grenzgänger anzusehen ist, ist nicht als eine (den erkennenden Senat insoweit bindende) abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen (§ 163 Satz 3 AO) zu verstehen.
56 
a) Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO wird durch Verwaltungsakt getroffen. Auch wenn dieser Verwaltungsakt gemäß § 163 Satz 3 AO mit der Steuerfestsetzung verbunden wird, ändert das nichts daran, dass es sich hierbei um eine gesonderte Entscheidung handelt. Mit Blick auf die Steuerfestsetzung ist dieser Verwaltungsakt Grundlagenbescheid, der eine Bindungswirkung auslöst, die gegebenenfalls nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO umzusetzen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 12. Juli 2012 I R 32/11 BStBl II 2015, 175 m.w.N.).
57 
Da die Billigkeitsentscheidung kein Steuerbescheid, sondern ein sonstiger Verwaltungsakt ist, gelten lediglich die Formvorschriften der §§ 118 ff. AO, nicht die des § 157 Abs. 1 AO. Die Billigkeitsentscheidung kann daher auch konkludent im Rahmen einer Steuerfestsetzung oder Feststellung getroffen werden, muss aber als Verwaltungsakt nach § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies schließt zwar nicht aus, dass ihr Inhalt durch Auslegung ermittelt werden muss; erforderlich ist aber, dass sie klar, eindeutig und widerspruchslos erkennen lässt, welche Rechtswirkungen sie entfalten soll. Einer Billigkeitsentscheidung muss danach zu entnehmen sein, ob und in welchem Umfang von der an sich gesetzlich vorgesehenen Steuerfestsetzung abgewichen worden ist. Dazu muss nicht die Steuer vor und nach der Billigkeitsmaßnahme angegeben werden. Es kann genügen, dass sich die abweichende Steuerfestsetzung aus der Höhe der festgesetzten Steuer ermitteln lässt (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 2015 X R 32/13, BStBl II 2016, 139 m.w.N.).
58 
Bei der Ermittlung des Erklärungsgehalts im Wege der Auslegung des Verwaltungsakts kommt es darauf an, wie der Kläger selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärungen des FA unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Nicht ausschlaggebend ist, was das FA erklären wollte (vgl. BFH-Urteil vom 9. April 2008 II R 31/06, BFH/NV 2008, 1435; Klein/Ratschow, AO, 12. Aufl. 2014, § 119, Rz. 8; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 118 AO, Rz. 52).
59 
b) Nach diesen Grundsätzen konnte der Kläger nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Einkommensteuerbescheid vom 16. Juli 2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2013 nicht dahingehend verstehen, dass das FA mit der Einkommensteuerfestsetzung bzw. der Einspruchsentscheidung zugleich im Wege der Billigkeit dem Kläger die Grenzgängereigenschaft abgesprochen hat.
60 
Ausdrücklich wird weder im Einkommensteuerbescheid noch in der Einspruchsentscheidung darauf hingewiesen, dass der Kläger aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht als Grenzgänger angesehen werde.
61 
Einen entsprechenden Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung, den das FA mit der Steuerfestsetzung aus Sicht des Klägers konkludent angenommen haben könnte, hat der Kläger weder in der Einkommensteuererklärung noch im Einspruchsverfahren gestellt.
62 
Einkommensteuerbescheid und Einspruchsentscheidung konnte der Kläger zwar entnehmen, dass das FA seinen Angaben zu den Nichtrückkehrtagen gefolgt ist und ihn nicht als Grenzgänger angesehen hat. Im Hinblick auf die in § 25 KonsVerCHEV angeordnete rückwirkende Anwendung der KonsVerCHEV ab 1. Januar 2010 musste er jedoch davon ausgehen, dass die Nichtrückkehrtage entsprechend den Bestimmungen der KonsVerCHEV angesetzt wurden und nicht aus Gründen sachlicher Billigkeit von den Steuergesetzen abgewichen wurde.
63 
III. Auf die Frage, ob der Kläger im Streitjahr die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 des DBA Schweiz 1971/1992 erfüllte, kommt es wegen der Vorrangigkeit der Grenzgängerregelung nicht mehr an.
64 
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 143 FGO.
65 
Die Revision war zuzulassen. Der Senat misst der Frage der Wirksamkeit von § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV im Hinblick darauf, dass sämtliche Vorschriften der KonsVerCHEV gesondert auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen sind und eine Vielzahl von Steuerpflichtigen hiervon betroffen ist, auch nach Ergehen des BFH-Urteils (in BStBl II 2016, 326) zu einer anderen Vorschrift der KonsVerCHEV grundsätzliche Bedeutung zu.

Gründe

 
35 
Die Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist insoweit rechtmäßig, als die darin festgesetzte Einkommensteuer nicht niedriger festgesetzt wurde. Der Kläger unterliegt im Streitjahr als Grenzgänger im Sinne von Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992 mit seinen gesamten Einkünften aus nicht-/unselbständiger Arbeit der Besteuerung im Inland (nachfolgend unter I.). Die vom FA bei der Festsetzung der Einkommensteuer vorgenommene rechtliche Würdigung, dass der Kläger im Hinblick auf die erklärten 67 Nichtrückkehrtage nicht als Grenzgänger anzusehen ist, ist nicht als abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen anzusehen (nachfolgend unter II.).
36 
I. 1. Der Kläger hatte im Streitjahr in der Bundesrepublik Deutschland seinen Wohnsitz (§ 8 AO) und war daher im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 2010) und aus abkommensrechtlicher Sicht in Deutschland ansässig (Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/1992).
37 
2. Der Kläger unterlag mit seinen von der Y-AG bezogenen Einkünften als Grenzgänger gemäß Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992, der Art. 15 DBA-Schweiz 1971/1992 vorgeht („ungeachtet des Artikels 15“), in Deutschland der Besteuerung.
38 
Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992 ist Grenzgänger jede in einem Vertragstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992). Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992).
39 
Im Streitfall ist der Kläger nicht an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz in Deutschland zurückgekehrt. Die entgegenstehende Auffassung beider Beteiligten ist nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BFH rechtsfehlerhaft, da sie Wortlaut und Zweck von Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 nicht entspricht.
40 
Nicht als Nichtrückkehrtage im Sinne von Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 anzusehen sind zum einen die in der beim FA eingereichten Liste der Nichtrückkehrtage aufgeführten Tage, an denen der Kläger von einer Geschäftsreise aus einem Drittstaat tatsächlich an seinen Wohnsitz in X zurückgekehrt ist. Dies gilt für den 15. Januar, 8. Mai (Samstag), 6. August, 17. September, 6. November (Samstag) und 19. November.
41 
Keine Nichtrückkehrtage sind zudem die Wochenendtage, an denen er im Zusammenhang mit einer Geschäftsreise in Drittstaaten tatsächlich nicht an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist (10. Januar, 2. Mai, 31. Juli, 1. August [Bundesfeier], 12. September und 14. November). Zur Begründung verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Ausführungen in den Entscheidungsgründen unter 2.a) im Urteil vom 19. Dezember 2013 3 K 1189/13 (juris), an denen er vollumfänglich festhält, sowie auf die zur Anwendung der Grenzgängerregelung ergangene Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 17. November 2010 I R 76/09, BStBl II 2012, 276, vom 12. Oktober 2010 I R 86/08, BFH/NV 679, vom 9. Juni 2010 I R 115/08, BFH/NV 2010, 2275 und in BStBl II 2010, 602).
42 
3. An die hiervon abweichende Auffassung zur Bestimmung der Nichtrückkehrtage in den Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 19. September 1994 IV C 6 - S 1301 Schz - 60/94, BStBl I 1994, 683 Tz. 14 (zur Berücksichtigung von Arbeitstagen, an denen der Steuerpflichtige aus Drittstaaten tatsächlich an seinen Wohnsitz im Inland zurückgekehrt ist) und vom 7. Juli 1997 IV C 6 - S 1301 Schz - 37/97, BStBl I 1997, 723, Ziff. 1. Buchstabe a) Rz. 11 (zur Berücksichtigung von Wochenend- und Feiertagen), denen jeweils mit der ESTV nach Inkrafttreten der Grenzgängerregelung in Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 abgeschlossene, auf Art. 26 Abs. 3 und 15a Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/1992 gestützte Konsultationsvereinbarungen zugrunde liegen, sind die Gerichte nicht gebunden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, steht einer dahingehenden Auslegung von Art. 15a des DBA-Schweiz 1971/1992 der Wortlaut des Abkommens entgegen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2010, 2275 und in BStBl II 2010, 602), der in abschließender Weise die „Grenzmarke“ für das richtige Abkommensverständnis darstellt (vgl. BFH-Urteile in BStBl II 2016, 326 und vom 13. Juni 2012 I R 41/11, BStBl II 2012, 880).
43 
4. Mit Wirkung vom 23. Dezember 2010 erließ das BMF mit Zustimmung des Bundesrates auf der Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 2 Satz 1 AO i.d.F. des Art. 9 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768) mit der KonsVerCHEV eine Rechtsverordnung zur Umsetzung der Konsultationsvereinbarungen mit der ESTV. In § 8 Abs 1 Satz 3 KonsVerCHEV ist bestimmt, dass bei mehrtägigen Geschäftsreisen alle Wochenend- und Feiertage als Nichtrückkehrtage angesehen werden, wenn der Arbeitgeber die Reisekosten trägt. Nach § 8 Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV zählen eintägige Geschäftsreisen in Drittstaaten stets zu den Nichtrückkehrtagen. Inhaltlich entsprechen diese Vorschriften den BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 Tz. 14 und in BStBl I 1997, 723, Ziff. 1. Buchstabe a) Rz. 11.
44 
Der Senat hält auch insoweit an seiner im Urteil vom 19. Dezember 2013 (juris) vertretenen Auffassung fest, dass § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV unwirksam und daher nicht zu beachten sind.
45 
a) Zwischenstaatliche Konsultationsvereinbarungen, die aufgrund der Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 2 AO als Rechtsverordnung erlassen wurden, können eine Abkommensregelung spezifizieren und umsetzen. Es ist wegen des Vorranges des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes -GG-) aber ausgeschlossen, vermittels einer auf Grundlage des § 2 Abs. 2 AO erlassenen Rechtsverordnung den Abkommenstext der höherrangigen Rechtsnorm (hier des Doppelbesteuerungsabkommens in der Umsetzung des "einfachen" Zustimmungsgesetzes) und damit die Besteuerungszuordnung der Einkünfte zu verändern. Die Befugnis zur Verwerfung derartiger abkommensändernder Rechtsverordnungen liegt bei den Gerichten (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2016, 326 unter B.II.4. und 5 mit umfangreichem Nachweisen zum Meinungsstand; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Oktober 2015 3 K 2913/13, juris, Rev. I R 22/16 anhängig; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 2 AO, Rz. 43 f.; a.A. Ismer, IStR 2009, 366).
46 
b) Diese in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV zur Behandlung von Abfindungszahlungen entwickelten Grundsätze gelten nach Auffassung des Senats gleichermaßen für die in § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV zu den Nichtrückkehrtagen getroffenen abkommensändernden Regelungen. Denn auch diese sind -ebenso wie die gleichlautenden Regelungen in den BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 Tz. 14 und in BStBl I 1997, 723, Ziff. 1. Buchstabe a) Rz. 11- mit dem Wortlaut des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 i.V.m. Ziff. II Nr. 2 des Verhandlungsprotokolls vom 18. Dezember 1991 (BStBl I 1993, 929) nicht vereinbar.
47 
aa) Die Annahme eines Nichtrückkehrtages setzt nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/1992 einen Arbeitstag voraus. Maßgeblich hierfür sind nach Nr. II.2. des Verhandlungsprotokolls in BStBl I 1993, 929, das eine verbindliche Vorgabe für die Auslegung des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/1992 enthält, die im jeweiligen Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitstage. Samstage, Sonntage und Feiertage zählen deshalb dann nicht zu den Arbeitstagen in diesem Sinn, wenn eine Arbeit an diesen Tagen weder ausdrücklich vereinbart ist noch der Arbeitgeber für die an diesen Tagen geleistete Arbeit einen anderweitigen Freizeitausgleich oder ein zusätzliches Entgelt gewährt. Durch die Übernahme der Reisekosten erhält der Arbeitnehmer aber kein zusätzliches Entgelt für eine Arbeitsleistung, sondern lediglich einen Aufwendungsersatz. Die Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 3 KonsVerCHEV steht daher in Widerspruch zu der Regelung im Verhandlungsprotokoll und rechtfertigt nicht die Annahme eines Nichtrückkehrtages (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2010, 602).
48 
bb) Gleiches gilt für die Bestimmung des § 8 Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV, nach der eintägige Geschäftsreisen in Drittstaaten stets zu den Nichtrückkehrtagen zählen. Auch diese Bestimmung wird, da nach Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 die Annahme eines Nichtrückkehrtages bei jeder Rückkehr des Arbeitnehmers an den Wohnsitz ausgeschlossen ist, ohne dass es darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer von seinem Arbeitsort oder von einem anderen Ort an den Wohnsitz zurückkehrt, vom Wortlaut des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 nicht gedeckt (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2010, 602).
49 
c) Die aus dem Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes folgende Unwirksamkeit von abkommensändernden Bestimmungen der KonsVerCHEV gilt für sämtliche Regelungen, die -wie § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV- das Besteuerungsrecht einem anderen als dem in der entsprechenden Verteilungsnorm des DBA vorgesehenen Staat zuweisen. Ein Abweichen vom Steuergesetz (hier dem Zustimmungsgesetz zum DBA-Schweiz 1971/1992) durch eine Rechtsnorm niedrigeren Ranges (hier § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV) führt unabhängig davon, ob diese Norm aus Sicht des in Deutschland Steuerpflichtigen nun „belastende“ (d.h. das Besteuerungsrecht Deutschland zuweisende) oder „begünstigende“ (d.h. das Besteuerungsrecht der Schweiz zuweisende) Wirkung hat, zu einem Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 13. Aufl. 2014, Art. 20 Rz. 51) und damit zur Unwirksamkeit der Rechtsnorm niedrigeren Ranges.
50 
Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob für Vorschriften, die -wie Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992- das Besteuerungsrecht jeweils einem der Abkommensstaaten zur vorrangigen Besteuerung zuweisen (sog. Verteilungsnormen), das Erfordernis der Legitimation durch ein förmliches Gesetz (Vorbehalt des Gesetzes) gilt und welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die gesetzliche Grundlage für die Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen in innerstaatliches Recht, beispielsweise im Hinblick auf die Bestimmtheit, zu genügen hat. Diese Fragen sind jedoch im Streitfall wegen der aus dem Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes folgenden Unwirksamkeit der hier entscheidungserheblichen Bestimmungen der KonsVerCHEV nicht erheblich.
51 
Ob die Regelungen in § 8 Abs. 1 Satz und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV -ebenso wie die entsprechenden Regelungen in den BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 Tz. 14 und in BStBl I 1997, 723, Ziff. 1. Buchstabe a) Rz. 11- als Billigkeitsregelungen zugunsten des Steuerpflichtigen zu werten sind (vgl. unter II.), ist nicht Gegenstand des Steuerfestsetzungsverfahrens.
52 
d) Des Weiteren sind nach der Rechtsprechung des BFH (in BStBl II 2016, 326) jedenfalls abkommensändernde Regelungen der KonsVerCHEV unbeschadet des in § 25 KonsVerCHEV (i.V.m. Art. 97 § 1 Abs. 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung -EGAO- i.d.F. des JStG 2010) auf den 1. Januar 2010 bestimmten Anwendungszeitpunkts für die KonsVerCHEV nicht vor dem Zeitpunkt ihres tatsächlichen Inkrafttretens am 23. Dezember 2010 anzuwenden. Auch wenn die in § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV enthaltenen Regelungen wegen der ihnen im Streitfall zukommenden den Kläger begünstigenden Wirkung keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot auslösen, so kannmaßgebender Anwendungszeitpunkt für die abkommensändernde Konsultationsvereinbarung immer nur der Zeitpunkt sein, in welchem eine solche Vereinbarung tatsächlich in der verfassungsrechtlich gebotenen Form in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist. Die hier in Streit stehenden Nichtrückkehrtage entfallen sämtlich auf davor liegende Zeiträume, so dass § 8 Abs. 1 Satz und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV auf den Streitfall auch aus diesem Grund keine Anwendung finden.
53 
5. Somit hat Deutschland nach Art. 15a DBA-Schweiz 1971/1992 das Besteuerungsrecht für die gesamten aus der Schweiz stammenden Einkünfte aus un-/nicht-selbständiger Arbeit des Klägers. Soweit seine Einkünfte aus un-/nichtselbständiger Arbeit der im Inland ausgeübten Tätigkeit zuzuordnen sind, folgt das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/1992. Hinsichtlich der im Drittstaat XXX vom Kläger erzielten Einkünfte aus un-/nichtselbständiger Arbeit hat Deutschland das Besteuerungsrecht nach Art. 15 Abs. 1 und 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 (DBA-USA) bzw. nach Art. 21 DBA-Schweiz 1971/1992 (BFH-Beschluss vom 19. April 1999 I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317, Entscheidungsgründe zu 2. b; Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 21, Rz. 14).
54 
An der sich hieraus ergebenden höheren Steuerfestsetzung als derjenigen im angegriffenen Einkommensteuerbescheid ist der Senat wegen des Verbots der Verböserung im finanzgerichtlichen Verfahren gehindert (BFH-Beschluss vom 10. März 2016 X B 198/15, BFH/NV 2016, 1042; Gräber/Ratschow, FGO, 8. Aufl. 2015, § 96 Rz. 51). Dabei berücksichtigt der Senat, dass die von der ESTV aus Anlass der Tätigkeit des Kläger in den XXX einbehaltene (Schweizer) Quellensteuer unter den Voraussetzungen des § 34c Abs. 3 EStG 2010 bei der Ermittlung der in Deutschland zu besteuernden Einkünfte des Arbeitnehmers abgezogen werden kann (BFH-Urteil vom 17. November 2011 I R 76/09, BStBl II 2012, 276).
55 
II. Die der Steuerfestsetzung im Einkommensteuerbescheid vom 16. Juli 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2013 zugrunde liegende Annahme, dass der Kläger im Streitjahr nicht als Grenzgänger anzusehen ist, ist nicht als eine (den erkennenden Senat insoweit bindende) abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen (§ 163 Satz 3 AO) zu verstehen.
56 
a) Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO wird durch Verwaltungsakt getroffen. Auch wenn dieser Verwaltungsakt gemäß § 163 Satz 3 AO mit der Steuerfestsetzung verbunden wird, ändert das nichts daran, dass es sich hierbei um eine gesonderte Entscheidung handelt. Mit Blick auf die Steuerfestsetzung ist dieser Verwaltungsakt Grundlagenbescheid, der eine Bindungswirkung auslöst, die gegebenenfalls nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO umzusetzen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 12. Juli 2012 I R 32/11 BStBl II 2015, 175 m.w.N.).
57 
Da die Billigkeitsentscheidung kein Steuerbescheid, sondern ein sonstiger Verwaltungsakt ist, gelten lediglich die Formvorschriften der §§ 118 ff. AO, nicht die des § 157 Abs. 1 AO. Die Billigkeitsentscheidung kann daher auch konkludent im Rahmen einer Steuerfestsetzung oder Feststellung getroffen werden, muss aber als Verwaltungsakt nach § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies schließt zwar nicht aus, dass ihr Inhalt durch Auslegung ermittelt werden muss; erforderlich ist aber, dass sie klar, eindeutig und widerspruchslos erkennen lässt, welche Rechtswirkungen sie entfalten soll. Einer Billigkeitsentscheidung muss danach zu entnehmen sein, ob und in welchem Umfang von der an sich gesetzlich vorgesehenen Steuerfestsetzung abgewichen worden ist. Dazu muss nicht die Steuer vor und nach der Billigkeitsmaßnahme angegeben werden. Es kann genügen, dass sich die abweichende Steuerfestsetzung aus der Höhe der festgesetzten Steuer ermitteln lässt (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 2015 X R 32/13, BStBl II 2016, 139 m.w.N.).
58 
Bei der Ermittlung des Erklärungsgehalts im Wege der Auslegung des Verwaltungsakts kommt es darauf an, wie der Kläger selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärungen des FA unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Nicht ausschlaggebend ist, was das FA erklären wollte (vgl. BFH-Urteil vom 9. April 2008 II R 31/06, BFH/NV 2008, 1435; Klein/Ratschow, AO, 12. Aufl. 2014, § 119, Rz. 8; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 118 AO, Rz. 52).
59 
b) Nach diesen Grundsätzen konnte der Kläger nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Einkommensteuerbescheid vom 16. Juli 2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 27. Februar 2013 nicht dahingehend verstehen, dass das FA mit der Einkommensteuerfestsetzung bzw. der Einspruchsentscheidung zugleich im Wege der Billigkeit dem Kläger die Grenzgängereigenschaft abgesprochen hat.
60 
Ausdrücklich wird weder im Einkommensteuerbescheid noch in der Einspruchsentscheidung darauf hingewiesen, dass der Kläger aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht als Grenzgänger angesehen werde.
61 
Einen entsprechenden Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung, den das FA mit der Steuerfestsetzung aus Sicht des Klägers konkludent angenommen haben könnte, hat der Kläger weder in der Einkommensteuererklärung noch im Einspruchsverfahren gestellt.
62 
Einkommensteuerbescheid und Einspruchsentscheidung konnte der Kläger zwar entnehmen, dass das FA seinen Angaben zu den Nichtrückkehrtagen gefolgt ist und ihn nicht als Grenzgänger angesehen hat. Im Hinblick auf die in § 25 KonsVerCHEV angeordnete rückwirkende Anwendung der KonsVerCHEV ab 1. Januar 2010 musste er jedoch davon ausgehen, dass die Nichtrückkehrtage entsprechend den Bestimmungen der KonsVerCHEV angesetzt wurden und nicht aus Gründen sachlicher Billigkeit von den Steuergesetzen abgewichen wurde.
63 
III. Auf die Frage, ob der Kläger im Streitjahr die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 des DBA Schweiz 1971/1992 erfüllte, kommt es wegen der Vorrangigkeit der Grenzgängerregelung nicht mehr an.
64 
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 143 FGO.
65 
Die Revision war zuzulassen. Der Senat misst der Frage der Wirksamkeit von § 8 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 Satz 2 KonsVerCHEV im Hinblick darauf, dass sämtliche Vorschriften der KonsVerCHEV gesondert auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen sind und eine Vielzahl von Steuerpflichtigen hiervon betroffen ist, auch nach Ergehen des BFH-Urteils (in BStBl II 2016, 326) zu einer anderen Vorschrift der KonsVerCHEV grundsätzliche Bedeutung zu.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen