| I. Die zulässige Klage ist begründet. |
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| Der Schenkungsteuerbescheid vom 23. Mai 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. August 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Im Verzicht des Gesellschafters V auf einen höheren Ausgleich des Wertverlustes seiner Beteiligung liegt keine gemischte Schenkung an den Kläger. |
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| 1) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) unterliegt der Schenkungsteuer jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. In objektiver Hinsicht ist erforderlich, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung objektiv unentgeltlich ist. In subjektiver Hinsicht ist es notwendig, dass die Bereicherung freigebig zugewandt wird (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Juli 2013 II R 37/11, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 242, 158, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2013, 934, m.w.N.). Der subjektive Tatbestand ist erfüllt, wenn der Zuwendende den rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt der Unentgeltlichkeit "nach Laienart" zutreffend erfasst ("Parallelwertung in der Laiensphäre"); eine exakte juristische Subsumtion ist nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 30. August 2017 II R 46/15, BFHE 259, 370, BStBl II 2019, 38). |
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| Von der Schenkungsteuer wird nicht nur die reine, sondern auch eine gemischte freigebige Zuwendung erfasst. Eine solche ist gegeben, wenn einer höherwertigen Leistung eine Gegenleistung von geringerem Wert gegenübersteht und die höherwertige Leistung neben Elementen der Freigebigkeit auch Elemente eines Austauschvertrags enthält, ohne dass sich die höherwertige Leistung in zwei selbständige Leistungen aufteilen lässt. Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes der freigebigen Zuwendung reicht bei Unausgewogenheit gegenseitiger Verträge regelmäßig das Bewusstsein des einseitig benachteiligten Vertragspartners über den Mehrwert seiner Leistung aus; auf die Kenntnis des genauen Ausmaßes des Wertunterschieds kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 13. September 2017 II R 54/15, BFHE 260, 181, BStBl II 2018, 292). Besteht bei einer gemischten Schenkung eine auffallende, über ein geringes Maß deutlich hinausgehende Diskrepanz zwischen Leistung und Gegenleistung, begründet dies die widerlegbare Vermutung, dass die Zuwendung im Umfang der Bereicherung unentgeltlich war, d.h. dass dem Zuwendenden der Wertunterschied bekannt und bewusst war (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 2011 X ZR 45/10, Neue Juristische Wochenschrift 2012, 605, Rz. 19 m.w.N.). Ein solches Missverhältnis wird regelmäßig angenommen, wenn die tatsächliche Gegenleistung die sonst übliche angemessene Gegenleistung um 20 bis 25 % unterschreitet (Geck in Kapp/Ebeling, Kommentar zum ErbStG, 82. Lieferung 11.2019, § 7 ErbStG, Rz. 51). |
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| Nimmt ein Gesellschafter an einer Kapitalerhöhung nicht im vollen Umfang des ihm zustehenden Bezugsrechts teil und lässt er dieses Bezugsrecht insoweit verfallen, kann dieser Verzicht als steuerbare Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an den an der Kapitalerhöhung Teilnehmenden zu qualifizieren sein (vgl. BFH-Urteil vom 30. Mai 2001 II R 6/98, BFH/NV 2002, 26). Erfolgt ein offensichtlich unzureichender Wertausgleich, kann dies dementsprechend auch zu einer gemischten Schenkung führen. |
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| 2) Nach Auffassung des Senats liegt im vorliegenden Fall keine gemischte Schenkung des Gesellschafters V an seine Mitgesellschafter vor. Der Beklagte geht von einem zu hohen Umfang der Bereicherung der Mitgesellschafter aus. Dementsprechend gelangt er fälschlicherweise zu dem Ergebnis, dass der vereinbarte Wertausgleich unzureichend sei. |
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| a) Die vom Beklagten vorgenommene Berechnung geht zu Unrecht davon aus, dass der Gesellschafter V beim Verzicht auf die Teilnahme an der Kapitalerhöhung im November 2012 auf den von ihm aufgebrachten Anteil an der Kapitalrücklage in Höhe von 4.950.000 EUR verzichtet und damit seinen Mitgesellschaftern eine Zuwendung gemacht habe. Diese Ansicht verkennt, dass die Aufstockung der Kapitalrücklage auf disquotalen Einlagen beruhte, die nach der Rechtslage im November 2012 noch nicht der Schenkungsteuer unterlagen (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2009 II R 28/08, BFHE 228, 169, BStBl II 2010, 566; Geck in Kapp/Ebeling, Kommentar zum ErbStG, 82. Lieferung 11.2019, § 7 ErbStG, Rz. 219 ff). Erst durch das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 7. Dezember 2011, Bundesgesetzblatt – BGBl – I 2011, 2592 hat der Gesetzgeber mit § 7 Abs. 8 ErbStG einen neuen Besteuerungstatbestand geschaffen, um auch Werterhöhungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften durch Zuwendungen in das Vermögen der Kapitalgesellschaft der Besteuerung unterwerfen zu können. Die Regelung gilt aber erst für Erwerbstatbestände, die ab dem 14. Dezember 2011 stattgefunden haben. Die Kapitalzuführungen des Gesellschafters V in die Kapitalrücklage der Verwaltungs-GmbH in Höhe von 4.950.000 EUR erfolgten alle vor diesem Zeitpunkt. |
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| b) Dementsprechend hätte der Beklagte mit dem Kläger in seiner Berechnung davon ausgehen müssen, dass der Gesellschafter V im Zeitpunkt der Kapitalerhöhung im November 2012 nur noch mit einem Drittel an dem von ihm aufgebrachten Anteil der Kapitalrücklage beteiligt war. Die disquotale Einlage des Gesellschafters V in Höhe von 4.950.000 EUR in den Jahren von 2006 bis 2010 stellt Eigenkapital der GmbH im Sinne des § 272 Abs. 2 Nr. 4 Handelsgesetzbuch (HGB) dar, das allein der Gesellschaft - und nicht den Gesellschaftern - zusteht (vgl. auch BFH-Urteil vom 20. Juli 2018 IX R 5/15, BFHE 262, 135, BStBl II 2019, 194; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 39. Auflage 2020, § 272, Rz. 9). Hieran ändert auch die Formulierung in den Gesellschafterbeschlüssen „Es wird vereinbart, dass ein Kapitalbetrag in Höhe von … in die Kapitalrücklage des Unternehmens umgebucht wird als Kapitalrücklage V“ nichts. Die Beschlüsse konnten den Übergang des Vermögens in das Kapital der Verwaltungs-GmbH nicht verhindern. |
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| c) Liegt eine angemessene Gegenleistung für den Zuwendungsgegenstand vor, so fehlt es an einer Bereicherung, die Gegenstand einer gemischten Schenkung sein könnte. Vor der Kapitalerhöhung war der Gesellschafter V zu einem Drittel am Gesellschaftsvermögen der Verwaltungs-GmbH beteiligt. Geht man mit dem Beklagten (vergleiche Bl. 166 der Schenkungsteuerakten Bd. 2) von einem gemeinen Wert der Verwaltungs-GmbH vor der Kapitalerhöhung von 3.593.239 EUR aus, betrug der Anteil des Gesellschafters V vor der Kapitalerhöhung somit 1.197.746 EUR. Nach der Kapitalerhöhung lag die Beteiligungsquote des Gesellschafters V am Gesellschaftsvermögen bei 1,623084 %, der gemeine Wert des Betriebsvermögens der Verwaltungs-GmbH bei 11.956.371 EUR. Dementsprechend war die Beteiligung des Gesellschafters V noch 194.061 EUR wert. Sein Wertverlust belief sich damit auf 1.003.685 EUR. Indem die Mitgesellschafter den Wertverlust mit einem Betrag von 1.063.061,26 EUR ausgeglichen haben, ist eine angemessene Gegenleistung erfolgt, die für die Annahme einer gemischten Schenkung keinen Raum lässt. |
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| 3) Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Fall einer disquotalen Übernahme des bei einer Kapitalerhöhung ausgegebenen Stammkapitals nicht unter die Vorschrift des § 7 Abs. 7 ErbStG fällt. Nach dieser Vorschrift gilt als Schenkung auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Ausscheidens nach § 12 ErbStG ergibt, den Abfindungsanspruch übersteigt. Ein unterquotal übernehmender oder sich an einer Kapitalerhöhung nicht beteiligender Gesellschafter büßt zwar prozentual seine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der Kapitalgesellschaft ein, bleibt jedoch weiterhin Inhaber des bisherigen Geschäftsanteils. Es fehlt damit an einem Übergang des Gesellschaftsanteils. Eine reine Wertverschiebung durch die Nichtteilnahme an der Kapitalerhöhung und die damit verbundene Minderung der prozentualen Beteiligung am Stammkapital sind dem Ausscheiden nicht gleichzustellen (Geck in Kapp/Ebeling, Kommentar zum ErbStG, 83. Lieferung 03.2020, § 7 ErbStG, Rz. 202). |
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| Nach alledem war der Klage stattzugeben. |
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| II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). |
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| III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung. |
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| IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. |
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| V. Die Klägerseite beantragte, die Zuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war. Die Klägerseite durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen. Der erkennende Senat hält hiernach die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO). |
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