| |
| I. Die zulässige Klage ist begründet. |
|
| Der Schenkungsteuerbescheid vom 17. März 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. September 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten aus dem DBA Schweden. Die Bundesrepublik Deutschland hat kein Recht, die Schenkung der Anteile zu besteuern. |
|
| 1. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 des deutschen Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) unterliegen der Schenkungsteuer die Schenkungen unter Lebenden. Als solche gelten nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG freigebige Zuwendungen unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Die persönliche Steuerpflicht tritt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 ErbStG für den gesamten Vermögensanfall ein, wenn der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung ein Inländer ist. Als Inländer gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. a ErbStG natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Da der Schenker V im Schenkungszeitpunkt einen Wohnsitz im Inland hatte, bestand in der Bundesrepublik Deutschland die unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht. |
|
| In Schweden war die Erbschaft- und Schenkungsteuer mit Wirkung zum 1. Januar 2005 abgeschafft worden. |
|
| Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung war zwischen Deutschland und Schweden am 14. Juli 1992 das DBA Schweden (BGBl II 1994, 686) abgeschlossen worden und am 13. Oktober 1994 in Kraft getreten (BGBl II 1995, 29). Neben der Erbschaft- und Schenkungsteuer umfasst es auch die Einkommen- und Vermögensteuer. Die Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Schweden führte zu keiner Änderung des Abkommens. |
|
| Die Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer knüpfen an die Ansässigkeit der an der Schenkung beteiligten Personen an. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA Schweden bedeutet der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ für Zwecke der Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuer „eine Person, deren Nachlass oder Schenkung oder deren Erwerb nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist.“ Ist nach Art. 4 Abs. 1 DBA Schweden eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt die Person - wie im vorliegenden Falle - in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. a 2. Halbsatz DBA Schweden als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Da der Schenker V im Schenkungszeitpunkt den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen unstreitig im Vertragsstaat Schweden hatte, gilt er ausschließlich dort als ansässig. |
|
| Abschnitt III des DBA Schweden enthält die Regelungen für die Besteuerung von Nachlässen, Erbschaften und Schenkungen. Da es sich bei den geschenkten Gesellschaftsanteilen weder um unbewegliches Vermögen im Sinne des 24 Abs. 1 DBA Schweden noch um bewegliches Betriebsvermögen eines in Deutschland belegenen Unternehmensteils im Sinne des 24 Abs. 2 DBA Schweden handelt, ist Art. 24 Abs. 3 DBA für die Zuweisung des Besteuerungsrechts maßgebend. Danach kann Vermögen, das Teil einer Schenkung einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person ist, ohne Rücksicht auf seine Belegenheit nur in diesem Staat besteuert werden, soweit Art. 26 DBA Schweden nichts anderes bestimmt. Art 26 DBA Schweden trifft im vorliegenden Fall keine andere Bestimmung. Die Vorschrift regelt lediglich die Vermeidung der Doppelbesteuerung, trifft aber keine über Art. 24 Abs. 3 DBA Schweden hinausgehende Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Nicht-Ansässigkeitsstaat Deutschland. |
|
| 2. Das alleinige Besteuerungsrecht Schwedens für die Schenkung der Anteile ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Regelungen von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 Buchst. a 2. Halbsatz DBA Schweden mit Art 24 Abs. 3 DBA Schweden. Gemäß Art. 3 Abs. 2 DBA Schweden hat deren Auslegung durch beide Vertragsstaaten übereinstimmend aus dem Abkommen selbst heraus zu erfolgen. Entscheidend sind damit grundsätzlich die Gegebenheiten und Vorstellungen der Parteien bei Abschluss des Abkommens (so auch Vorlagebeschluss des BFH vom 11. Dezember 2013 I R 4/13, BFHE 224, 1, BStBl II 2014, 791, dort insbes. Rz. 38). Der Verweis in Art. 3 Abs. 2 DBA Schweden hindert die Vertragsstaaten daran, den Inhalt des Abkommens durch gemeinsame, spätere Auslegung zu ändern (Lüdicke in Wassermeyer, DBA Schweden, Art. 3, Rz. 52). |
|
| a) Bei der Auslegung der genannten Vorschriften spielt deshalb eine entscheidende Rolle, dass es im Zeitpunkt des Abschlusses des DBA Schweden in Schweden noch eine Schenkungsteuer gab. Ebenso von Bedeutung ist, dass das DBA Schweden trotz der Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Schweden auch in Bezug auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer keine Änderung erfahren hat. Dementsprechend verbietet sich eine Auslegung, die ein nach dem Abschluss des DBA Schweden erfolgtes Ereignis, nämlich die Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Schweden, zu einem Ergebnis führen lässt, das beim Abschluss des DBA Schweden nach den damals gegebenen Verhältnissen nicht möglich gewesen wäre. Hinzu kommt, dass nicht ersichtlich ist, dass die vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung mit dem Vertragsstaat Schweden abgestimmt worden wäre. |
|
| b) Nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA Schweden bedeutet eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für Zwecke der Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuer eine Person, deren Nachlass oder Schenkung oder deren Erwerb nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA Schweden nimmt selbst keine Zuweisung eines Besteuerungsrechts vor, sondern definiert lediglich den Begriff „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“, der in den Besteuerungsregeln des Art 24 DBA Schweden als Anknüpfungsmerkmal benötigt wird. Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA Schweden ist es der Wohnsitz, der ausschlaggebend dafür ist, wo eine Person ansässig ist und in der Folge davon schenkungsteuerpflichtig sein kann. |
|
| Die maßgebliche Rolle des Wohnsitzes für die Begründung der „Ansässigkeit“ wird bestätigt durch die Vorschrift des Art 4 Abs. 2 Buchst. a DBA Schweden. Diese Vorschrift geht davon aus, dass jemand aufgrund zweier Wohnsitze auch in zwei Vertragsstaaten ansässig - und damit steuerpflichtig - sein kann. Das daraus entstehende Spannungsverhältnis löst Art 4 Abs. 2 Buchst. a 2. Halbsatz DBA Schweden durch die Begründung der Fiktion auf, dass eine Person, die in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte verfügt, als in dem Staat ansässig gilt, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Art 24 Abs. 3 DBA Schweden macht von dieser Fiktion Gebrauch und spricht damit das Besteuerungsrecht für die dort bestimmten Teile des Vermögens ausschließlich dem Vertragsstaat zu, in dem der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt. Nicht die Frage, ob es am Ende der Schenkungsteuerberechnung zu einer Steuerschuld kommt, ist für die Verteilung des Steuersubstrats zwischen den Vertragsstaaten maßgeblich. Es sind die sich im Mittelpunkt der Lebensinteressen abbildenden engeren Beziehungen, die dem betreffenden Vertragsstaat die Möglichkeit geben, die Schenkungsteuerbelastung des dort ansässigen Bürgers nach seinen Vorstellungen zu regeln. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich in dem jeweiligen Vertragsstaat eine Steuer festgesetzt wird (Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, OECD Musterabkommen - OECD-MA -, Art. 4, Rz. 25; Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, 1. Auflage 2004, 56. Lieferung, Art. 4, Rz. 15 ff; Pohl in Schönfeld/Ditz, Doppelbesteuerungsabkommen, 2. Auflage 2019, Art. 4, Rz. 24 ff m.w.N.). |
|
| c) Auch der systematische Zusammenhang des Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA Schweden mit Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DBA Schweden spricht gegen die vom Beklagten vertretene Rechtauffassung. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DBA Schweden legt fest, dass „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ für Zwecke der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen eine Person bedeutet, die nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Mit Ausnahme der Formulierung „für Zwecke der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen“ ist die Formulierung wortlautgleich wie die Formulierung „für Zwecke der Nachlass-, Erbschafts- und Schenkungsteuern“. Folgte man der Auffassung des Beklagten, würde dies dazu führen, dass bei ein- und demselben Mittelpunkt der Lebensinteressen der Schenker V für Zwecke der Steuern vom Einkommen und Vermögen in Schweden, für Zwecke der Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern jedoch in Deutschland ansässig wäre. |
|
| Es ist dem Senat bewusst, dass seine Auslegung zu dem Ergebnis führt, dass die Schenkung im vorliegenden Falle unversteuert bleibt. Doch haben die Vertragsstaaten Schweden und Deutschland ein solches Ergebnis in Kauf genommen. Anders als in vielen anderen DBA fehlt nämlich im DBA Schweden eine für solche Fälle vorgesehene Rückfallklausel („Subject-to-tax-Klausel“). |
|
| d) Wie im OECD-Musterabkommen sind die ansässigkeitsbegründenden Merkmale im DBA Schweden solche, die in dem jeweiligen Vertragsstaat zur Besteuerung als Inländer im Sinne der unbeschränkten Steuerpflicht führen. Danach muss die ansässige Person die ortsbezogenen Merkmale aufweisen, die nach dem innerstaatlichen Recht dieses Staates die Inländerbesteuerung begründen (Wassermeyer/Kaeser, OECD-MA, Art. 4, Rz. 29). |
|
| Der Sinn und Zweck der Ansässigkeitsregelungen liegt darin, dem Ansässigkeitsstaat ein Recht zur Besteuerung zuzuweisen. Dieses Recht entfällt nicht, wenn es tatsächlich nicht zur Festsetzung einer Steuer kommt. Ob der Ansässigkeitsstaat von seiner Besteuerungsbefugnis tatsächlich Gebrauch macht, ist ebenso wenig entscheidend wie der Umstand, wie er dies tut. Eine Person kann daher auch dann in einem Staat ansässig sein, wenn dort einzelne Sachverhalte von der Besteuerung ausgenommen werden, keine besteuerungsfähigen Einkünfte vorliegen oder die zu entrichtenden Steuern tatsächlich nicht erhoben werden. Eine persönliche Steuerbefreiung schließt die Ansässigkeit und damit die Abkommensberechtigung nicht aus (vgl. dazu Wassermeyer/Kaeser, OECD-MA, Art. 1 Rz. 23, Art. 4 Rz. 25, 29; BFH-Urteil vom 06. Juni 2012 I R 52/11, BFHE 237, 356, BStBl II 2014, 240). Nach Auffassung des Gerichts gilt dies nicht nur dann, wenn der betreffende Staat bestimmte Sachverhalte steuerfrei stellt, sondern auch dann, wenn er sie der Besteuerung überhaupt nicht unterwirft. |
|
| Eine solche Auslegung berücksichtigt auch, dass jeder Vertragsstaat über die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit einer Steuer seine eigenen Vorstellungen haben darf, die insbesondere auch die Einbettung einer Steuerart in die Gesamtheit der nationalen Steuern und Wechselwirkungen zwischen einzelnen Steuerarten betreffen. Die mit der Abschaffung einer Steuer gewünschten Effekte gingen verloren, wenn mit dem Verzicht auf die Ausübung des eigenen Besteuerungsrechts fremde Zielsetzungen an deren Stelle träten. |
|
| Im Ergebnis ist daher von einer Ansässigkeit des Schenkers in Schweden auszugehen, welche eine Besteuerung der Schenkung durch die Bundesrepublik Deutschlang aufgrund des bestehenden DBA Schweden verhindert. |
|
| Nach alledem war der Klage stattzugeben. |
|
|
|
| III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1, Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung. |
|
|
|