Entscheidung vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 10 K 1662/20

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob eine bestandskräftige Kirchensteuerfestsetzung gemäß § 175b AO aufgehoben werden kann.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2017 gewerbliche Beteiligungseinkünfte.
Bereits am 22. Dezember 2014 war er aufgrund Erklärung gegenüber dem Standesamt der Gemeinde A aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Die Meldebehörde teilte dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) den Austritt am 23. Dezember 2014 mit Wirkung zum 1. Januar 2015 mit.
Dennoch gab der Kläger - wie auch in den Vorjahren - in der von seinem Steuerberater erstellten und elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung 2017 an, Mitglied der evangelischen Kirche zu sein.
Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 1. August 2019 gegenüber dem Kläger evangelische Kirchensteuer für das Jahr 2017 in Höhe von 9.790,64 EUR fest. Der an den Steuerberater des Klägers bekannt gegebene Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 25. Februar 2020 und 21. April 2020 ergingen geänderte Bescheide. Letztlich verblieb es bei der Festsetzung der Kirchensteuer in der ursprünglichen Höhe.
Den Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16. April 2020, die Kirchensteuerfestsetzung gemäß § 175b AO aufzuheben, lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 20. April 2020 ab.
Den hiergegen eingelegten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2020 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Änderungsvorschrift des § 175b AO greife nicht ein, da es sich bei der Kirchenmitgliedschaft nicht um meldepflichtige Daten i.S. des § 93c AO handele. Die Vorschrift des § 39e EStG regele ausschließlich die Verpflichtung der Datenübermittlung im Verfahren zur Bildung und Anwendung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale.Diese seien vom Arbeitgeber im Bedarfsfall abzurufen. Der Kläger sei im Streitjahr kein Arbeitnehmer gewesen. Daher habe auch keine Verpflichtung zur Datenübermittlung für Zwecke der Lohnsteuerabzugsmerkmale bestanden.
Der Kläger reichte am 3. Juli 2020 durch seine Prozessbevollmächtigte Klage ein. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die Kirchensteuerfestsetzung sei nach § 175b Abs. 1 AO aufzuheben. Bei dem von der Gemeinde A an das BZSt übermittelten Kirchenaustritt des Klägers handele es sich um Daten i.S. von § 93c AO. Die Vorschrift enthalte einheitliche Verfahrensvorschriften für alle elektronischen Datenübermittlungspflichten Dritter. Es sei zwar zuzugeben, dass bei Verabschiedung des Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18. Juli 2016, BGBI I 2016, 1679 die redaktionelle Anpassung des § 39e Abs. 2 EStG an den neuen § 93c AO unterblieben sei. Den Gesetzesmaterialen ließen sich hierfür jedoch keine Gründe entnehmen. Vielmehr habe der Gesetzgeber eine allgemeine und möglichst weitreichende Geltung des § 93c AO gewollt. Die Nichtanwendung der in § 93c AO festgelegten einheitlichen Rahmenregelungen bedürfe daher einer abweichenden gesetzlichen Regelung, die § 39e Abs. 2 EStG nicht entnommen werden könne. Schließlich dienten die von der Meldebehörde übermittelten Daten auch der Steuerfestsetzung. Der Beklagte habe das Kirchensteuermerkmal abfragen und der Einkommensteuerveranlagung zugrunde legen können.
10 
Sollte die Meldebehörde die Religionszugehörigkeit fehlerhaft übermittelt haben, hätte der Kläger einen Anspruch auf Aufhebung der Kirchensteuerfestsetzung nach § 175b Abs. 2 AO.
11 
Der Kläger beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 20. April 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Festsetzung der Kirchensteuer 2017 in Höhe von zuletzt 9.790,64 EUR aufzuheben,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
12 
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13 
Ergänzend zur Einspruchsentscheidung trägt er vor, aus § 39e Abs. 10 EStG ergebe sich keine Datenübermittlungspflicht Dritter im Sinne des § 93c EStG für Zwecke der Einkommensbesteuerung.Dies wäre aber Voraussetzung für eine Änderungsmöglichkeit gemäß § 175b Abs. 1 AO.
14 
Die Korrekturnorm des § 175b Abs. 2 AO sei ebenfalls nicht einschlägig, da auch hier eine Mitteilungspflicht im Sinne des § 93c AO vorausgesetzt werde. Des Weiteren sei erforderlich, dass die übermittelten Daten zu Ungunsten des Steuerpflichtigen unrichtig seien. Im Streitfall seien jedoch zutreffende Daten für Zwecke des Lohnsteuerabzugs übermittelt worden. Eine Änderungsmöglichkeit für unzutreffende Angaben des Steuerpflichtigen sehe § 175b Abs. 2 AO nicht vor.
15 
Der Berichterstatter gab mit Schreiben vom 16. Oktober 2020 Hinweise zur Sach- und Rechtslage.
16 
Dem Gericht lagen bei seiner Entscheidung die den Streitfall betreffenden Akten des Beklagten vor (2 Bd. Einkommensteuerakten).

Entscheidungsgründe

 
17 
I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
18 
Die Ablehnung der Aufhebung der Kirchensteuerfestsetzung 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 101 FGO).
19 
Es greift keine Änderungs- bzw. Berichtigungsnorm ein.
20 
1. Nach § 175b Abs. 1 AO ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten im Sinne des § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
21 
a) Voraussetzung für die Anwendung der Korrekturvorschrift ist, dass übermittelte Daten „bei der Steuerfestsetzung“ nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
22 
Daraus ist zu schließen, dass es sich um für die Steuerfestsetzung übermittelte Daten handeln muss. Hierfür spricht auch der Zweck des § 93c AO. Die Vorschrift ist ein wesentlicher Baustein des Projekts des automationsgestützten Erlasses von Steuerbescheiden (Baum NWB 2015, 3891; BeckOK AO/Kobor, 13. Ed. 1.7.2020, AO § 93c Rn. 1). Die von Dritten mitgeteilten Daten dienen nach der Gesetzesbegründung zu § 175b AO der Unterstützung der Finanzbehörden bei der Ermittlung der festzusetzenden Steuer (BT-Drucksache 18/7457, 88).
23 
Dagegen regelt § 39e EStG das technische Verfahren, das Lohnsteuer-Abzugsmerkmale (§ 39 EStG) automatisiert bildet und aus ihnen elektronische Lohnsteuer-Abzugsmerkmale (ELStAM) macht. Die Zuständigkeit für die Speicherung der Lohnsteuer-Abzugsmerkmale liegt beim BZSt. Die Meldebehörden haben dem BZSt die in § 39e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 EStG genannten Daten und ihre Änderung mitzuteilen. Das BZSt muss die Lohnsteuer-Abzugsmerkmale zum unentgeltlichen automatisierten Abruf durch den Arbeitgeber bereitstellen. Hier geht es demnach nicht um Datenmeldepflichten im Zusammenhang mit einer Steuerfestsetzung, sondern bezüglich des Lohnsteuerabzugs.
24 
Zwar ermöglicht § 39e Abs. 10 EStG die Datenabfrage durch die Finanzämter beim BZSt für die Einkommensbesteuerung. Diese steht jedoch gerade nicht im Zusammenhang mit dem Zweck des § 93c AO, den automationsgestützten Erlass von Steuerbescheiden zu unterstützen und ändert auch nichts daran, dass der vornehmliche Bezug der Datenübertragung zum Lohnsteuerabzugsverfahren besteht.
25 
b) Die Vorschrift des § 175b AO findet auf alle Fälle Anwendung, in denen sich die Datenübermittlung Dritter nach § 93c AO richtet (vgl. BT-Drucksache 18/7457, 88; BeckOK AO/Klomp, a.a.O., § 175b Rn. 40).
26 
§ 93c AO bestimmt die Rahmenbedingungen der Regelungen über die elektronische Datenübermittlung Dritter. Die einzelnen Steuergesetze bestimmen den konkreten materiellen Inhalt und den Umfang der im Einzelfall zu übermittelnden Datensätze (BT-Drucksache 18/7457, 71).
27 
Derzeit enthalten die Einzelsteuergesetze in §§ 10 Abs. 2a i.V.m. Abs. 2; 10 Abs. 4b Satz 4; 10a Abs. 5 i.V.m. Abs. 2a; 22a Abs. 1; 32b Abs. 3; 41b Abs. 1; 43 Abs. 1 Satz 6; 43 Abs. 2 Satz 7; 45d Abs. 1; 45d Abs. 3 EStG; §§ 50 Abs. 2; 65 Abs. 3a EStDV und § 15 Abs. 1 des 5. VermBG Regelungen, die im Zusammenhang mit einer Datenübermittlung nach § 93c AO stehen (vgl. Schuster in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 259. Lieferung 08.2020, § 93c AO Rn. 6, Baum, NWB 2016, 2852, 2853).
28 
Bei der in § 39e Abs. 2 Satz 2 EStG geregelten Verpflichtung zur Datenübertragung ist § 93c AO hingegen nicht in Bezug genommen. Es werden vielmehr eigenständige Regelungen für die Datenübertragung getroffen. Danach hat die nach Landesrecht für das Meldewesen zuständige Behörde (Meldebehörde; vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Kirchensteuergesetz Baden-Württemberg i.V. mit § 1 Abs. 2 Baden-württembergisches Ausführungsgesetz zum Bundesmeldegesetz) die Übermittlung der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft sowie Datum des Eintritts und Austritts dem BZSt unter Angabe der Identifikationsnummer und des Tages der Geburt mitzuteilen (§ 39e Abs. 2 Satz 2 EStG). Aus § 39e Abs. 2 Satz 5 EStG ergeben sich Regelungen zum Standard der Datenübermittlung durch die Meldebehörden.
29 
Aus der fehlenden Bezugnahme auf die Regelungen in § 93c AO ist nach Auffassung des Senats zu schließen, dass die Änderungsvorschrift des § 175b AO im Zusammenhang mit der Datenübertragung nach § 39e Abs. 2 Satz 2 EStG nicht anwendbar ist.
30 
2. Die Korrekturvorschrift des § 175b Abs. 2 AO greift ebenfalls nicht ein.
31 
Gelten Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, nach § 150 Abs. 7 Satz 2 AO als Angaben des Steuerpflichtigen, ist der Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit diese Daten zu Ungunsten des Steuerpflichtigen unrichtig sind.
32 
Die Vorschrift soll sicherstellen, dass der Steuerpflichtige keine Rechtsnachteile erleidet, wenn er darauf vertraut, dass die von dritter Seite nach § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelten Daten vollständig und zutreffend sind, und daher auf eigene Angaben in der Steuererklärung verzichtet (BT-Drucks. 18/8434, 115).
33 
Nach § 150 Abs. 7 Satz 2 AO gelten Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, dann als Angaben des Steuerpflichtigen, soweit er nicht in einem dafür vorzusehenden Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben macht (BeckOK AO/Klomp, a.a.O., § 175b Rn. 95).
34 
Die Änderung nach § 175b Abs. 2 AO gilt nur zugunsten des Steuerpflichtigen. Sie ermöglicht eine Änderung oder Aufhebung bereits bestandskräftiger Steuerbescheide, wenn sich nach dem Erlass des Steuerbescheids herausstellt, dass die übermittelten Daten falsch waren und infolge dessen eine höhere Steuer gegen den Steuerpflichtigen festgesetzt wurde (Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 162. Lieferung 09.2020, § 175b AO, Rn. 10 f.).
35 
Neben den unter 1. dargestellten Gründen für die Nichtanwendbarkeit des § 175b AO kommt bei § 175b Abs. 2 AO hinzu, dass der Kläger in seiner von einem Steuerberater erstellten Einkommensteuererklärung 2017 mitgeteilt hat, er gehöre einer kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft an. Damit hat er von der Mitteilung der Meldebehörde abweichende Angaben gemacht. Des Weiteren wäre die Mitteilung der Meldebehörde über den Kirchenaustritt auch nicht zu Ungunsten des Klägers unrichtig gewesen.
36 
3. Eine Berichtigung nach § 129 AO wegen offenbarer Unrichtigkeit scheidet aus.
37 
Der Fehler war nicht offenbar i.S. von § 129 AO. Es können nur Fehler des Finanzamts nach § 129 AO berichtigt werden (BFH-Urteil vom 27. Mai 2009 X R 47/08, BStBl II 2009, 946). Der Fehler des Finanzamts kann aber auch darin bestehen, dass es einen mechanischen Fehler, der dem Steuerpflichtigen bei der Erfüllung seiner Erklärungspflichten unterlaufen ist, übernimmt und sich so zu Eigen macht (sog. Übernahmefehler, vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801). Allerdings muss der Fehler des Steuerpflichtigen dem Finanzamt als eigener zurechenbar sein. Das bloße Übernehmen der fehlerhaften Angaben genügt nicht. Ist der Fehler des Steuerpflichtigen für das Finanzamt beim Erlass des Steuerbescheids objektiv nicht erkennbar, macht es nichts falsch, wenn es den Steuerbescheid erklärungsgemäß erlässt, soweit es auf die Richtigkeit der Angaben vertrauen darf. Es macht sich den Fehler des Steuerpflichtigen nicht zu Eigen, weil es ihn nicht erkennen kann (Klein/Ratschow, 15. Aufl. 2020, AO § 129 Rn. 16). Entsprechendes gilt bei vollständig automationsgestützter Bearbeitung (§ 155 Abs. 4 AO).
38 
Im vorliegenden Streitfall gab der Kläger in der von einem Steuerberater erstellten Einkommensteuererklärung 2017 wie in den Vorjahren an, er sei Mitglied der evangelischen Kirche gewesen. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob die Falscheingabe des Steuerberaters auf einem bloß mechanischen Fehler beruhte. Wenn der Steuerberater keine Kenntnis vom Kirchenaustritt gehabt haben sollte, kann die Falscheingabe nicht auf einem rein mechanischen Versehen beruhen. Vielmehr erfolgte die Eingabe dann bewusst unter Anlehnung an die Vorjahresverhältnisse. Jedenfalls war der Fehler des Steuerberaters für den Beklagten nicht erkennbar.
39 
Wollte man eine Verpflichtung des Sachbearbeiters des Beklagten zur Abfrage der ELStAM-Daten auch bei einem mitunternehmerischen Gewerbetreibenden bejahen, so wäre davon auszugehen, dass dem Beklagten ein Fehler bei der Sachverhaltsermittlung unterlaufen ist, der keine Berichtigung gemäß § 129 Satz 1 AO rechtfertigt.
40 
Bei Abruf der ELStAM-Daten hätte der Sachbearbeiter feststellen können, dass der Kläger bereits im Jahr 2014 aus der evangelischen Kirche ausgetreten war. Im vorliegenden Streitfall standen diesen Daten jedoch die Angaben in den von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellten Einkommensteuerklärungen entgegen, in denen über Jahre hinweg erklärt wurde, der Kläger sei Mitglied der evangelischen Kirche gewesen.
41 
Für den Sachbearbeiter hätte nunmehr Veranlassung bestanden, den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Allein aus einem Abruf der ELStAM-Daten wäre nicht offenbar geworden, dass die Angaben in den Einkommensteuererklärungen unzutreffend sein mussten. Nach Auffassung des Senats hätte eine mehr als nur theoretische Möglichkeit bestanden, dass die Mitteilung der Meldebehörde unzutreffend war oder der Kläger zwischenzeitlich wieder in die Kirche eingetreten war und eine entsprechende Mitteilung der Meldebehörde hierüber unterblieben war.
42 
4. Des Weiteren scheidet eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aus.
43 
Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.
44 
Im vorliegenden Streitfall ist der Kirchenaustritt des Klägers dem Beklagten nach Ergehen des streitigen Einkommensteuerbescheides bekannt geworden.
45 
Den Kläger trifft hieran jedoch ein grobes Verschulden.
46 
a) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Letztere ist dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (BFH-Urteil vom 20. März 2013 VI R 5/11, BFHE 240, 504). Grob fahrlässiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger eine in einem Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene Frage schlecht und unvollständig (BFH-Urteile vom 30. Oktober 1986 III R 163/82, BStBl II 1987, 161; vom 18. Mai 1988 X R 57/82, BStBl II 1988, 713; vom 12. Mai 1989 III R 200/85, BStBl II 1989, 920; vom 21. Juli 1989 III R 303/84, BStBl II 1989, 960) oder falsch (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Juli 1986 IX 231/82, EFG 1987, 158) beantwortet (vgl. Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 159. Lieferung 01.2020, § 173 AO, Rn. 76a, m.w.N.).
47 
Einem Steuerpflichtigen kann des Weiteren dann ein eigenes grobes Verschulden angelastet werden, wenn er die von seinem steuerlichen Berater angefertigte Steuererklärung nicht auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit durchgesehen hat und ihm ohne Weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt worden sind (BFH-Urteil vom 28. August 1992 VI R 93/89, BFH/NV 1993, 147).
48 
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten. Die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung ergibt sich aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung (vgl. § 150 Abs. 2 Satz 1 AO). Diese Verantwortung des Steuerpflichtigen rechtfertigt die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters, welche letztlich sicherstellen soll, dass der Steuerpflichtige durch die Bevollmächtigung nicht besser gestellt wird als der nicht vertretene Steuerpflichtige. Hätte der Steuerpflichtige seine Steuererklärung selbst erstellt, wäre ihm regelmäßig grobes Verschulden anzulasten, wenn er eine unvollständige Steuererklärung abgegeben und eine ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet hätte (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BStBl II 2016, 512).
49 
Dabei sind an einen steuerlichen Berater, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, erhöhte Anforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu stellen.
50 
b) Im vorliegenden Streitfall trifft den Kläger ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Kirchenaustritts. Er hat es nach Aktenlage grob fahrlässig unterlassen, die Steuererklärung vor Einreichung beim Beklagten auf deren Richtigkeit im Hinblick auf die Eintragung zur Religionszugehörigkeit zu überprüfen. Den Kläger trifft hinsichtlich der in der Steuererklärung zu beantwortenden Fragen über seine persönlichen Verhältnisse und damit auch hinsichtlich der Kirchenzugehörigkeit eine erhöhte Nachprüfungspflicht (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Juli 1986 IX 231/82, EFG 1987, 158). Die im Erklärungsvordruck gestellte Frage zur Religion ist zudem klar und unmissverständlich.
51 
5. Eine Korrektur kommt nicht aufgrund von § 173a AO in Betracht.
52 
Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen sind und er deshalb der Finanzbehörde bestimmte, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt hat.Die Vorschrift ist auf Steuerbescheide anwendbar, die nach dem 31. Dezember 2016 ergangen sind (Art. 97 § 9 Abs. 4 EGAO).
53 
Im vorliegenden Streitfall unterlief dem Steuerberater des Klägers weder ein Schreib- noch ein Rechenfehler.
54 
6. Eine Änderung gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist nicht möglich, da die Bescheinigung der Standesbeamtin der Gemeinde A über den Kirchenaustritt kein Verwaltungsakt (§ 118 AO) ist und damit keinen Grundlagenbescheid darstellen kann.
55 
II. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
56 
III. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 115 Abs. 2 FGO).
57 
IV. Der Senat entscheidet den Streitfall ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Gerichtsbescheid (§ 90a Abs. 1 FGO.

Gründe

 
17 
I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
18 
Die Ablehnung der Aufhebung der Kirchensteuerfestsetzung 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 101 FGO).
19 
Es greift keine Änderungs- bzw. Berichtigungsnorm ein.
20 
1. Nach § 175b Abs. 1 AO ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten im Sinne des § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
21 
a) Voraussetzung für die Anwendung der Korrekturvorschrift ist, dass übermittelte Daten „bei der Steuerfestsetzung“ nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
22 
Daraus ist zu schließen, dass es sich um für die Steuerfestsetzung übermittelte Daten handeln muss. Hierfür spricht auch der Zweck des § 93c AO. Die Vorschrift ist ein wesentlicher Baustein des Projekts des automationsgestützten Erlasses von Steuerbescheiden (Baum NWB 2015, 3891; BeckOK AO/Kobor, 13. Ed. 1.7.2020, AO § 93c Rn. 1). Die von Dritten mitgeteilten Daten dienen nach der Gesetzesbegründung zu § 175b AO der Unterstützung der Finanzbehörden bei der Ermittlung der festzusetzenden Steuer (BT-Drucksache 18/7457, 88).
23 
Dagegen regelt § 39e EStG das technische Verfahren, das Lohnsteuer-Abzugsmerkmale (§ 39 EStG) automatisiert bildet und aus ihnen elektronische Lohnsteuer-Abzugsmerkmale (ELStAM) macht. Die Zuständigkeit für die Speicherung der Lohnsteuer-Abzugsmerkmale liegt beim BZSt. Die Meldebehörden haben dem BZSt die in § 39e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 EStG genannten Daten und ihre Änderung mitzuteilen. Das BZSt muss die Lohnsteuer-Abzugsmerkmale zum unentgeltlichen automatisierten Abruf durch den Arbeitgeber bereitstellen. Hier geht es demnach nicht um Datenmeldepflichten im Zusammenhang mit einer Steuerfestsetzung, sondern bezüglich des Lohnsteuerabzugs.
24 
Zwar ermöglicht § 39e Abs. 10 EStG die Datenabfrage durch die Finanzämter beim BZSt für die Einkommensbesteuerung. Diese steht jedoch gerade nicht im Zusammenhang mit dem Zweck des § 93c AO, den automationsgestützten Erlass von Steuerbescheiden zu unterstützen und ändert auch nichts daran, dass der vornehmliche Bezug der Datenübertragung zum Lohnsteuerabzugsverfahren besteht.
25 
b) Die Vorschrift des § 175b AO findet auf alle Fälle Anwendung, in denen sich die Datenübermittlung Dritter nach § 93c AO richtet (vgl. BT-Drucksache 18/7457, 88; BeckOK AO/Klomp, a.a.O., § 175b Rn. 40).
26 
§ 93c AO bestimmt die Rahmenbedingungen der Regelungen über die elektronische Datenübermittlung Dritter. Die einzelnen Steuergesetze bestimmen den konkreten materiellen Inhalt und den Umfang der im Einzelfall zu übermittelnden Datensätze (BT-Drucksache 18/7457, 71).
27 
Derzeit enthalten die Einzelsteuergesetze in §§ 10 Abs. 2a i.V.m. Abs. 2; 10 Abs. 4b Satz 4; 10a Abs. 5 i.V.m. Abs. 2a; 22a Abs. 1; 32b Abs. 3; 41b Abs. 1; 43 Abs. 1 Satz 6; 43 Abs. 2 Satz 7; 45d Abs. 1; 45d Abs. 3 EStG; §§ 50 Abs. 2; 65 Abs. 3a EStDV und § 15 Abs. 1 des 5. VermBG Regelungen, die im Zusammenhang mit einer Datenübermittlung nach § 93c AO stehen (vgl. Schuster in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 259. Lieferung 08.2020, § 93c AO Rn. 6, Baum, NWB 2016, 2852, 2853).
28 
Bei der in § 39e Abs. 2 Satz 2 EStG geregelten Verpflichtung zur Datenübertragung ist § 93c AO hingegen nicht in Bezug genommen. Es werden vielmehr eigenständige Regelungen für die Datenübertragung getroffen. Danach hat die nach Landesrecht für das Meldewesen zuständige Behörde (Meldebehörde; vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Kirchensteuergesetz Baden-Württemberg i.V. mit § 1 Abs. 2 Baden-württembergisches Ausführungsgesetz zum Bundesmeldegesetz) die Übermittlung der rechtlichen Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft sowie Datum des Eintritts und Austritts dem BZSt unter Angabe der Identifikationsnummer und des Tages der Geburt mitzuteilen (§ 39e Abs. 2 Satz 2 EStG). Aus § 39e Abs. 2 Satz 5 EStG ergeben sich Regelungen zum Standard der Datenübermittlung durch die Meldebehörden.
29 
Aus der fehlenden Bezugnahme auf die Regelungen in § 93c AO ist nach Auffassung des Senats zu schließen, dass die Änderungsvorschrift des § 175b AO im Zusammenhang mit der Datenübertragung nach § 39e Abs. 2 Satz 2 EStG nicht anwendbar ist.
30 
2. Die Korrekturvorschrift des § 175b Abs. 2 AO greift ebenfalls nicht ein.
31 
Gelten Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, nach § 150 Abs. 7 Satz 2 AO als Angaben des Steuerpflichtigen, ist der Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit diese Daten zu Ungunsten des Steuerpflichtigen unrichtig sind.
32 
Die Vorschrift soll sicherstellen, dass der Steuerpflichtige keine Rechtsnachteile erleidet, wenn er darauf vertraut, dass die von dritter Seite nach § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelten Daten vollständig und zutreffend sind, und daher auf eigene Angaben in der Steuererklärung verzichtet (BT-Drucks. 18/8434, 115).
33 
Nach § 150 Abs. 7 Satz 2 AO gelten Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, dann als Angaben des Steuerpflichtigen, soweit er nicht in einem dafür vorzusehenden Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben macht (BeckOK AO/Klomp, a.a.O., § 175b Rn. 95).
34 
Die Änderung nach § 175b Abs. 2 AO gilt nur zugunsten des Steuerpflichtigen. Sie ermöglicht eine Änderung oder Aufhebung bereits bestandskräftiger Steuerbescheide, wenn sich nach dem Erlass des Steuerbescheids herausstellt, dass die übermittelten Daten falsch waren und infolge dessen eine höhere Steuer gegen den Steuerpflichtigen festgesetzt wurde (Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 162. Lieferung 09.2020, § 175b AO, Rn. 10 f.).
35 
Neben den unter 1. dargestellten Gründen für die Nichtanwendbarkeit des § 175b AO kommt bei § 175b Abs. 2 AO hinzu, dass der Kläger in seiner von einem Steuerberater erstellten Einkommensteuererklärung 2017 mitgeteilt hat, er gehöre einer kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft an. Damit hat er von der Mitteilung der Meldebehörde abweichende Angaben gemacht. Des Weiteren wäre die Mitteilung der Meldebehörde über den Kirchenaustritt auch nicht zu Ungunsten des Klägers unrichtig gewesen.
36 
3. Eine Berichtigung nach § 129 AO wegen offenbarer Unrichtigkeit scheidet aus.
37 
Der Fehler war nicht offenbar i.S. von § 129 AO. Es können nur Fehler des Finanzamts nach § 129 AO berichtigt werden (BFH-Urteil vom 27. Mai 2009 X R 47/08, BStBl II 2009, 946). Der Fehler des Finanzamts kann aber auch darin bestehen, dass es einen mechanischen Fehler, der dem Steuerpflichtigen bei der Erfüllung seiner Erklärungspflichten unterlaufen ist, übernimmt und sich so zu Eigen macht (sog. Übernahmefehler, vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801). Allerdings muss der Fehler des Steuerpflichtigen dem Finanzamt als eigener zurechenbar sein. Das bloße Übernehmen der fehlerhaften Angaben genügt nicht. Ist der Fehler des Steuerpflichtigen für das Finanzamt beim Erlass des Steuerbescheids objektiv nicht erkennbar, macht es nichts falsch, wenn es den Steuerbescheid erklärungsgemäß erlässt, soweit es auf die Richtigkeit der Angaben vertrauen darf. Es macht sich den Fehler des Steuerpflichtigen nicht zu Eigen, weil es ihn nicht erkennen kann (Klein/Ratschow, 15. Aufl. 2020, AO § 129 Rn. 16). Entsprechendes gilt bei vollständig automationsgestützter Bearbeitung (§ 155 Abs. 4 AO).
38 
Im vorliegenden Streitfall gab der Kläger in der von einem Steuerberater erstellten Einkommensteuererklärung 2017 wie in den Vorjahren an, er sei Mitglied der evangelischen Kirche gewesen. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob die Falscheingabe des Steuerberaters auf einem bloß mechanischen Fehler beruhte. Wenn der Steuerberater keine Kenntnis vom Kirchenaustritt gehabt haben sollte, kann die Falscheingabe nicht auf einem rein mechanischen Versehen beruhen. Vielmehr erfolgte die Eingabe dann bewusst unter Anlehnung an die Vorjahresverhältnisse. Jedenfalls war der Fehler des Steuerberaters für den Beklagten nicht erkennbar.
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Wollte man eine Verpflichtung des Sachbearbeiters des Beklagten zur Abfrage der ELStAM-Daten auch bei einem mitunternehmerischen Gewerbetreibenden bejahen, so wäre davon auszugehen, dass dem Beklagten ein Fehler bei der Sachverhaltsermittlung unterlaufen ist, der keine Berichtigung gemäß § 129 Satz 1 AO rechtfertigt.
40 
Bei Abruf der ELStAM-Daten hätte der Sachbearbeiter feststellen können, dass der Kläger bereits im Jahr 2014 aus der evangelischen Kirche ausgetreten war. Im vorliegenden Streitfall standen diesen Daten jedoch die Angaben in den von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellten Einkommensteuerklärungen entgegen, in denen über Jahre hinweg erklärt wurde, der Kläger sei Mitglied der evangelischen Kirche gewesen.
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Für den Sachbearbeiter hätte nunmehr Veranlassung bestanden, den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Allein aus einem Abruf der ELStAM-Daten wäre nicht offenbar geworden, dass die Angaben in den Einkommensteuererklärungen unzutreffend sein mussten. Nach Auffassung des Senats hätte eine mehr als nur theoretische Möglichkeit bestanden, dass die Mitteilung der Meldebehörde unzutreffend war oder der Kläger zwischenzeitlich wieder in die Kirche eingetreten war und eine entsprechende Mitteilung der Meldebehörde hierüber unterblieben war.
42 
4. Des Weiteren scheidet eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aus.
43 
Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.
44 
Im vorliegenden Streitfall ist der Kirchenaustritt des Klägers dem Beklagten nach Ergehen des streitigen Einkommensteuerbescheides bekannt geworden.
45 
Den Kläger trifft hieran jedoch ein grobes Verschulden.
46 
a) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Letztere ist dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (BFH-Urteil vom 20. März 2013 VI R 5/11, BFHE 240, 504). Grob fahrlässiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger eine in einem Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene Frage schlecht und unvollständig (BFH-Urteile vom 30. Oktober 1986 III R 163/82, BStBl II 1987, 161; vom 18. Mai 1988 X R 57/82, BStBl II 1988, 713; vom 12. Mai 1989 III R 200/85, BStBl II 1989, 920; vom 21. Juli 1989 III R 303/84, BStBl II 1989, 960) oder falsch (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Juli 1986 IX 231/82, EFG 1987, 158) beantwortet (vgl. Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 159. Lieferung 01.2020, § 173 AO, Rn. 76a, m.w.N.).
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Einem Steuerpflichtigen kann des Weiteren dann ein eigenes grobes Verschulden angelastet werden, wenn er die von seinem steuerlichen Berater angefertigte Steuererklärung nicht auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit durchgesehen hat und ihm ohne Weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt worden sind (BFH-Urteil vom 28. August 1992 VI R 93/89, BFH/NV 1993, 147).
48 
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten. Die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung ergibt sich aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung (vgl. § 150 Abs. 2 Satz 1 AO). Diese Verantwortung des Steuerpflichtigen rechtfertigt die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters, welche letztlich sicherstellen soll, dass der Steuerpflichtige durch die Bevollmächtigung nicht besser gestellt wird als der nicht vertretene Steuerpflichtige. Hätte der Steuerpflichtige seine Steuererklärung selbst erstellt, wäre ihm regelmäßig grobes Verschulden anzulasten, wenn er eine unvollständige Steuererklärung abgegeben und eine ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet hätte (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BStBl II 2016, 512).
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Dabei sind an einen steuerlichen Berater, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, erhöhte Anforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu stellen.
50 
b) Im vorliegenden Streitfall trifft den Kläger ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Kirchenaustritts. Er hat es nach Aktenlage grob fahrlässig unterlassen, die Steuererklärung vor Einreichung beim Beklagten auf deren Richtigkeit im Hinblick auf die Eintragung zur Religionszugehörigkeit zu überprüfen. Den Kläger trifft hinsichtlich der in der Steuererklärung zu beantwortenden Fragen über seine persönlichen Verhältnisse und damit auch hinsichtlich der Kirchenzugehörigkeit eine erhöhte Nachprüfungspflicht (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Juli 1986 IX 231/82, EFG 1987, 158). Die im Erklärungsvordruck gestellte Frage zur Religion ist zudem klar und unmissverständlich.
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5. Eine Korrektur kommt nicht aufgrund von § 173a AO in Betracht.
52 
Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen sind und er deshalb der Finanzbehörde bestimmte, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt hat.Die Vorschrift ist auf Steuerbescheide anwendbar, die nach dem 31. Dezember 2016 ergangen sind (Art. 97 § 9 Abs. 4 EGAO).
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Im vorliegenden Streitfall unterlief dem Steuerberater des Klägers weder ein Schreib- noch ein Rechenfehler.
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6. Eine Änderung gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist nicht möglich, da die Bescheinigung der Standesbeamtin der Gemeinde A über den Kirchenaustritt kein Verwaltungsakt (§ 118 AO) ist und damit keinen Grundlagenbescheid darstellen kann.
55 
II. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
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III. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 115 Abs. 2 FGO).
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IV. Der Senat entscheidet den Streitfall ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Gerichtsbescheid (§ 90a Abs. 1 FGO.

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