Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 11 K 1133/19

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Einfuhrabgaben für ein Kraftfahrzeug.
Die Klägerin ist deutsche Staatsbürgerin mit Wohnsitz in 8233 Bargen (Schweiz). Am 31. August 2015 wurde sie auf ihrer Fahrt vom schweizerischen Lohn über Wiechs am Randen (Deutschland) nach Bargen in der Schweiz von Kontrollbeamten des Hauptzollamts F als Fahrerin ihres PKW (...) mit dem amtlichen schweizerischen Kennzeichen XX-XXXX bei der Einreise aus der Schweiz in das Zollgebiet der Gemeinschaft auf der Verbindungsstraße zwischen Opfertshofen (Schweiz) und Wiechs am Randen (Deutschland) auf deutschem Staatsgebiet einer Zollkontrolle unterzogen. An der Grenze weist ein Straßenschild darauf hin, dass der Grenzübertritt nur mit anerkannten und gültigen Reisedokumenten und nur mit verzollten Waren und/oder persönlichen Gebrauchsgegenständen erlaubt sei. Nachdem die Klägerin auf Nachfrage angab, über keine Bewilligung zur Benutzung dieser Straße zu verfügen, leiteten die Zollbeamten gegen sie ein Steuerstrafverfahren wegen Verdachts des Verstoßes gegen den Zollkodex und die Abgabenordnung ein.
Das beklagte Hauptzollamt B, das die weitere Bearbeitung zuständigkeitshalber übernommen hatte, stellte das Steuerstrafverfahren mit Verfügung vom 20. September 2017 gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) wieder ein, da zwar der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) erfüllt sei, der Klägerin aber kein direkter oder bedingter Hinterziehungsvorsatz nachzuweisen sei. Gleichzeitig nahm es ausgehend von einem Zollwert des eingeführten Fahrzeugs von 1.500 EUR die Klägerin mit Einfuhrabgabenbescheid ebenfalls vom 20. September 2017 (...) als Zollschuldnerin gem. Art. 202 Abs. 3 erster Anstrich der damals noch geltenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK) für Einfuhrabgaben in Höhe von 463,50 EUR (150 EUR Zoll und 313,50 EUR Einfuhrumsatzsteuer) in Anspruch, da sie den PKW vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht habe.
Gegen diesen Bescheid ließ die Klägerin am 4. Oktober 2017 Einspruch einlegen. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 13. Oktober 2017 ließ sie darüber hinaus einen Antrag auf rückwirkende Bewilligung der vorübergehenden Verwendung gemäß Art. 211 Abs. 2 der am 1. Mai 2016 in Kraft getretenen Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK) i.V.m. Art. 172 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (UZK-DelVO) stellen. Den Antrag hat das beklagte Hauptzollamt inzwischen abgelehnt. Den Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid wies es mit Entscheidung vom 11. April 2019 ebenfalls als unbegründet zurück und teilte darüber hinaus mit, dass über den von der Klägerin am 25. März 2019 hilfsweise gestellten Antrag, die Einfuhrabgaben aus Billigkeitsgründen zu erlassen, nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens in einem gesonderten Verfahren entschieden werde.
Am 29. April 2019 ließ die Klägerin gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 20. September 2017 und die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung vom 11. April 2019 Klage erheben. Sie macht geltend, dass sie ihr Fahrzeug nicht vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht habe. Bei der von ihr benutzten Straße handele es sich nach einer schriftlichen Auskunft des Landratsamts (LRA) H vom 12. Juni 2017 um eine offizielle Verbindungsstraße zwischen den Orten Opfertshofen und Wiechs am Randen. Die Straße sei nicht beschränkt und für jeden Verkehr zugelassen. Die Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom 23. Januar 2013 B 3 sei in diesem Zusammenhang nicht einschlägig. Einschlägig sei die Veröffentlichung über die Liste der Straßengrenzübergänge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz. Es handele sich hierbei um die Liste der Straßengrenzübergänge, die von Kraftfahrzeugen genutzt werden könnten und dürften. Dort sei auch die von ihr benutzte Gemeindeverbindungsstraße aufgeführt.
Damals wie heute gebe es kein Hinweisschild, das einem Fahrer signalisiere, dass er sich rechtswidrig verhalte. Im Gegenteil, die Benutzung der Straße werde durch ein auf Schweizer Seite aufgestelltes Schild gestattet, nach dem ein Grenzübertritt erlaubt sei mit anerkannten gültigen Reisedokumenten und nur mit verzollten Waren und/oder persönlichen Gebrauchsgegenständen. Sie habe am Tag der Kontrolle auf dem schnellsten Weg nach Hause (Bargen) fahren wollen und deshalb die Straße von Opfertshofen nach Wiechs am Randen als Abkürzung genutzt, um sich den „Schlenker“ über Altdorf zu ersparen. Im Kopf habe sie ihre Einkäufe zusammengezählt, und sie sei sich sicher gewesen, mit diesen unterhalb der Verzollungsgrenze zu liegen, sodass nichts passieren könne. Umso überraschter sei sie gewesen, als sie von zwei Zollbeamten angehalten worden sei, die ihr vorgeworfen hätten, sie würde versuchen, in Deutschland ihr altes Auto zu verkaufen, ohne die notwendigen Steuern abzuführen, was schlicht nicht wahr sei.
Abgesehen davon handele es sich bei ihrem PKW um einen persönlichen Gebrauchsgegenstand. In der erläuternden Liste zu Art. 563 der damals noch gültigen Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK-DVO) seien unter Buchstabe F. Motorfahrzeuge und Motorboote, Kraftfahrzeuge, Motorräder aufgeführt. Ihr PKW sei damit nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b der Zollverordnung (ZollV) i.V.m. Art. 563 ZK-DVO von der Beförderungspflicht nach Art. 38 Abs. 1 ZK und damit auch vom Zollstraßenzwang ausgenommen. Außerdem ergebe sich aus Art. 141 ZK i.V.m. Art. 562 Buchst. c ZK-DVO, dass drittländische Beförderungsmittel bis zu sechs Monate im Zollgebiet der Gemeinschaft verwendet werden dürften. Schließlich hätten die Zollbeamten ihr nach der Kontrolle den Weg nach Wiechs am Randen frei gegeben, obwohl sie ihr Minuten zuvor die Benutzung gerade dieser Straße vorgeworfen hätten.
Die Klägerin beruft sich ferner auf das deutsch-schweizerische Abkommen über den Grenz- und Durchgangsverkehr vom 5. Februar 1958 (GrVerkAbk CHE), das am 1. Januar 1961 in Kraft getreten ist (BGBl II 1960, 2161). Nach dessen Art. 10 blieben Waren zum vorübergehenden Gebrauch unter der Bedingung der Wiederausfuhr in die Herkunftszone von allen Ein- und Ausgangsabgaben befreit. Entgegen der Auffassung des Hauptzollamts bedürfe es hierfür auch keiner zusätzlichen örtlichen und zeitlichen Erleichterung im Sinne des Art. 14 Abs. 1. Es sei lediglich erforderlich, dass die betreffenden Waren unter der Bedingung der Wiederausfuhr in die Herkunftszone eingeführt würden. Sie seien dann von allen Ein- und Ausgangsabgaben befreit. Gesonderte Genehmigungen seien ebenfalls nicht erforderlich.
Nachdem unstreitig sei, dass das betreffende Fahrzeug wieder in die Schweiz ausgeführt worden sei, liege schließlich mangels Eingangs in den Wirtschaftskreislauf der Europäischen Union (EU) auch keine Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vor, sodass – wenn überhaupt – nur Zoll, nicht aber Einfuhrumsatzsteuer entstanden sei. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 9. April 2019 (14 K 2649/16) sowie die Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 2. Juni 2016 (C-226/14 und C-228/14), vom 18. Mai 2017 (C-154/16) und vom 10. Juli 2019 (C-26/18).
10 
Hinsichtlich des Vortrags der Klägerin im Einzelnen wird auf die Schriftsätze ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. Juni 2019, vom 22. Januar und 30. März 2020 sowie vom 16. und 23. Februar und vom 7. und 11. März 2022 samt Anlagen sowie auf ihre E-Mail vom 15. März 2022 verwiesen.
11 
Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 20. September 2017 (...) und die Einspruchsentscheidung vom 11. April 2019 aufzuheben,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
12 
Das Hauptzollamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
13 
Nichtgemeinschaftswaren, die aus einem Drittland (hier Schweiz) in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht würden, müssten vom Verbringer unverzüglich und unter Benutzung der von den Zollbehörden bezeichneten Verkehrswege nach Maßgabe der von diesen Behörden festgelegten Einzelheiten zu der von den Zollbehörden bezeichneten Zollstelle oder einem anderen zugelassenen Ort verbracht und dort gestellt werden (Art. 38 und 40 ZK).
14 
Waren dürften im Geltungsbereich des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG) nur auf Zollstraßen in das oder aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden. § 28 ZollVG ermächtige das Bundesministerium der Finanzen zur Sicherung der Zollbelange durch Rechtsverordnung, die durch das ZollVG festgelegten Pflichten näher zu bestimmen. § 2 ZollV regle die Ausnahmen von der Beförderungspflicht auf Zollstraßen und bestimme, dass Zollstraßen im Bundesanzeiger veröffentlicht würden. Bei der Verbindungsstraße zwischen Opfertshofen (Schweiz) und Wiechs am Randen (Deutschland) handele es sich um keine öffentlich bekannt gegebene Zollstraße. Die straßenverkehrsrechtliche Einordnung des LRA H als offizielle Verbindungsstraße zwischen den beiden Orten sei daher aus zollrechtlicher Sicht ohne Belang.
15 
Die Straße sei entgegen der Behauptung der Klägerin auch nicht von der schweizerischen Zollverwaltung frei gegeben. An der Grenze weise ein Schild lediglich darauf hin, dass der Grenzübertritt an dieser Stelle erlaubt sei mit anerkannten und gültigen Reisedokumenten und nur mit verzollten Waren und/oder persönlichen Gebrauchsgegenständen. Bei dem streitgegenständlichen PKW (...) mit schweizerischem Kennzeichen handele es sich aber um eine Nichtgemeinschaftsware (Art. 4 Nr. 8 ZK) und somit nicht um verzollte Ware. Art. 563 ZK-DVO gewähre die vollständige Befreiung von den Einfuhrabgaben für persönliche Gebrauchsgegenstände und für zu Sportzwecken verwendete Waren, die von Reisenden eingeführt würden. Was unter persönlichen Gebrauchsgegenständen in diesem Sinne zu verstehen sei, ergebe sich aus der erläuternden Liste zu Art. 563 ZK-DVO unter Buchstabe A. Das Fahrzeug der Klägerin falle nicht hierunter, da es nicht zu Sportzwecken verwendet worden sei.
16 
Vergünstigungen im Rahmen der vorübergehenden Verwendung könnten nur gewährt werden, wenn die Ware ordnungsgemäß unter Einhaltung der Verfahrensvorschriften in das Zollgebiet verbracht worden sei. Dies sei hier aufgrund des Verstoßes gegen den Zollstraßenzwang nicht der Fall. Dem mit Schreiben vom 13. Oktober 2017 übermittelten Antrag auf nachträgliche Bewilligung der vorübergehenden Verwendung könne daher ebenfalls nicht gefolgt werden.
17 
Die Klägerin könne sich schließlich auch nicht mit Erfolg auf Art. 10 GrVerkAbk CHE berufen, da die verfahrensrechtlichen Bedingungen in Art. 13 und 14 für die Gewährung der Abgabenfreiheit vorliegend nicht erfüllt seien.
18 
Aufgrund der Missachtung der vorgeschriebenen Verkehrswege und der damit einhergehenden Nichtgestellung des Fahrzeugs gelte der PKW als vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht (Art. 234 Abs. 2 ZK-DVO), sodass nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK die Zollschuld und über § 21 Abs. 2 UStG auch die Einfuhrumsatzsteuer entstanden sei.
19 
Soweit die Klägerin unter Hinweis auf EuGH-Rechtsprechung und das Urteil des FG München vom 9. April 2019 die Auffassung vertrete, es sei mangels Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG jedenfalls keine Einfuhrumsatzsteuer entstanden, könne dem nicht gefolgt werden. Insbesondere sei der dem Urteil des FG München zugrundeliegende Fall, der das Verbringen eines Flugzeugs in das Zollgebiet der Gemeinschaft zum Gegenstand gehabt habe, mit dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Die Klägerin habe den PKW bei ihrer Einreise nach Deutschland am 31. August 2015 von Opfertshofen (Schweiz) bis zu dem Ort auf deutschem Staatsgebiet, an dem sie von Zollbeamten einer Kontrolle unterzogen worden sei, verwendet. Durch die – wenngleich kurzzeitige – Verwendung habe das Fahrzeug Eingang in den Wirtschaftskreislauf der Union gefunden. Es liege daher eine zur Entstehung von Einfuhrumsatzsteuer führende Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG vor.
20 
Hinsichtlich des Vortrags des Hauptzollamts im Einzelnen wird auf die Schriftsätze vom 5. Juli 2019 und vom 6. Februar 2020 verwiesen.
21 
Am 15. März 2022 wurde die Sache mündlich verhandelt. Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
22 
Die Klage ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 20. September 2017 (...) ist sowohl formell (dazu unter 1.) als auch materiell (dazu unter 2. bis 5.) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
23 
1. Das Hauptzollamt B war – was von der Klägerin mittlerweile nicht mehr bestritten wird – nach § 23 Abs. 3 AO i.V.m. § 22 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Zuständigkeiten auf Hauptzollämter für den Bereich mehrerer Hauptzollämter (Hauptzollamtszuständigkeitsverordnung) für den Erlass des angefochtenen Einfuhrabgabenbescheids örtlich zuständig. Im Übrigen wäre ein etwaiger Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit in diesem Zusammenhang wegen § 127 AO ohnehin unbeachtlich.
24 
2. Die Klägerin hat ihren PKW (...) mit dem amtlichen schweizerischen Kennzeichen XX-XXXX vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht, sodass für diesen nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK eine Zollschuld entstanden ist.
25 
In das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Waren sind vom Verbringer nämlich unverzüglich und gegebenenfalls unter Benutzung des von den Zollbehörden bezeichneten Verkehrsweges nach Maßgabe der von diesen Behörden festgelegten Einzelheiten zu der von den Zollbehörden bezeichneten Zollstelle oder einem anderen von diesen Behörden bezeichneten oder zugelassenen Ort zu befördern (Art. 38 Abs. 1 ZK) und dort zu gestellen (Art. 40 ZK). Im Geltungsbereich des ZollVG dürfen Waren nur auf Zollstraßen in das oder aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 ZollVG). Bei der von der Klägerin am 31. August 2015 befahrenen Gemeindeverbindungsstraße zwischen Opfertshofen (Schweiz) und Wiechs am Randen (Deutschland) handelte es sich im maßgeblichen Zeitpunkt nicht um eine Zollstraße. Entscheidend hierfür ist entgegen der Auffassung der Klägerin weder die straßenverkehrsrechtliche Einordnung als offizielle Verbindungsstraße durch das LRA H noch die im Klageverfahren eingereichte „Liste der Straßengrenzübergänge zwischen Deutschland und der Schweiz“ aus Wikipedia, sondern – wie sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 ZollV ergibt – die Bekanntmachung der auf dem Landweg einzuhaltenden Zollstraßen im Bundesanzeiger. Die Bekanntmachung im Bundesanzeiger in der hier maßgebenden Fassung vom 20. Dezember 2012 (BAnz AT 23.01.2013 B3) aber weist die von der Klägerin für den Grenzübertritt genutzte Gemeindeverbindungsstraße nicht als Zollstraße aus.
26 
3. Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Ausnahme von der Beförderungspflicht und vom Zollstraßenzwang berufen.
27 
a) Eine solche Ausnahme ergibt sich insbesondere nicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ZollV. Nach dieser Vorschrift sind persönliche Gebrauchsgegenstände von Reisenden im Sinne des Art. 563 ZK-DVO von der Beförderungspflicht und damit auch vom Zollstraßenzwang ausgenommen. Persönliche Gebrauchsgegenstände von Reisenden sind alle neuen oder gebrauchten Gegenstände, die ein Reisender unter Berücksichtigung aller Umstände auf seiner Reise in angemessenem Umfang zum persönlichen Gebrauch benötigt (vgl. Art. 1 Buchst. b Anlage B.6 Istanbuler Übereinkommen, BGBl II 1993, 2214). In den Leitlinien der Kommission (ABl. C 269 vom 24. September 2001, S. 1, E-VSF Z 02 30) sind in der erläuternden Liste zu Art. 563 ZK-DVO unter Buchst. A persönliche Gebrauchsgegenstände aufgeführt. Kraftfahrzeuge sind dort nicht genannt. Motorfahrzeuge und -boote sind, anders als die Klägerin meint, vielmehr nur dann von Art. 536 ZK-DVO erfasst, wenn sie – was vorliegend offensichtlich nicht der Fall war – zu Sportzwecken eingeführt werden (erläuternde Liste, Buchst. B „zu Sportzwecken eingeführte Waren“ Unterbuchst. F). Abgesehen davon sind durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ZollV aus dem Kreis der in Art. 563 ZK-DVO genannten Waren nur die persönlichen Gebrauchsgegenstände, zu denen der von der Klägerin eingeführte PKW unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gehört, nicht aber die zu Sportzwecken eingeführten Waren von der Beförderungspflicht und vom Zollstraßenzwang ausgenommen.
28 
b) Eine Ausnahme vom Zollstraßenzwang lässt sich unter den gegebenen Umständen auch nicht mit dem deutsch-schweizerischen Abkommen über den Grenz- und Durchgangsverkehr vom 5. Februar 1958 begründen. Das Abkommen enthält in Abschnitt I. Erleichterungen für den grenznachbarlichen Verkehr (dazu unter aa) und in Abschnitt II. über den Durchgangsverkehr (dazu unter bb).
29 
aa) Nach Art. 10 Abs. 1 Nr. 2GrVerkAbk CHE sind Gegenstände einschließlich Fahrzeuge, die Grenzbewohner der einen Zollgrenzzone zum eigenen Gebrauch in die andere Zollgrenzzone mit sich führen, unter der Bedingung der Wiederausfuhr in die Herkunftszone von allen Einfuhr- und Ausfuhrabgaben befreit. Zwar handelt es sich bei der Klägerin, die ihren Wohnsitz in Bargen (Schweiz) hat, um eine Grenzbewohnerin in diesem Sinne (vgl. Art. 1 Abs. 3 GrVerkAbk CHE), und sie hat ihr Fahrzeug zum eigenen Gebrauch von einer Zollgrenzzone in eine andere mit sich geführt, denn sämtliche von ihr passierte Ortschaften (Lohn, Opfertshofen, Wiechs am Randen, Bargen) gehören zur Zollgrenzzone (vgl. Art. 1 Abs. 2 GrVerkAbk CHE und Anlage 1 unter I. 3. und II. 1.). Allerdings ist auch im Anwendungsbereich des GrVerkAbk CHE grundsätzlich der Zollstraßenzwang zu beachten. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GrVerkAbk CHE können die Zollbehörden der beiden Staaten im Grenzverkehr die Ein- und Ausfuhr von Waren zwar auch über andere Wege als Zollstraßen und außerhalb der Zollstunden gestatten, wenn es die örtlichen Verhältnisse erfordern. Dies setzt nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GrVerkAbk CHE aber eine entsprechende Bewilligung voraus, die von dem der Grenzübergangsstelle am nächsten gelegenen Zollamt auf Antrag erteilt wird. Die Klägerin gab bei ihrer Kontrolle am 31. August 2015 an, über keine solche Bewilligung zu verfügen (vgl. Heft I Bl. 7 HZA-Akte). Sie war in zollrechtlicher Hinsicht daher nicht befugt, die Gemeindeverbindungsstraße zwischen Opfertshofen und Wiechs am Randen mit ihrem PKW für den Grenzübertritt zu nutzen.
30 
bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften über den Durchgangsverkehr (Art. 16 ff. GrVerkAbk CHE). Durchgangsverkehr im Sinne des Abkommens ist der Verkehr mit Waren und Beförderungsmitteln zwischen zwei Orten des einen Vertragsstaates, wenn die Verbindungsstrecke über das Gebiet des anderen Staates infolge des Grenzverlaufes oder der topographischen Verhältnisse den nächsten oder verkehrstechnisch günstigsten Weg darstellt (Art. 16 Abs. 1 GrVerkAbk CHE). Dies war bei der von der Klägerin gefahrenen Route von Lohn (Schweiz) über Opfertshofen (Schweiz) und Wiechs am Randen (Deutschland) nach Bargen (Schweiz) zwar der Fall. Allerdings ist der Durchgangsverkehr nach Art. 16 Abs. 2 GrVerkAbk CHE nur auf den in Anlage III bezeichneten Verbindungsstrecken zugelassen. Die von der Klägerin befahrene Straße zwischen Opfertshofen und Wiechs am Randen gehörte im maßgeblichen Zeitpunkt nicht dazu. Darüber hinaus wurden die weiteren Bestimmungen des Abfertigungsverfahrens von der Klägerin ebenfalls nicht eingehalten, insbesondere war sie offensichtlich nicht in Besitz eines sog. Durchgangsscheines (vgl. Art. 18 ff. GrVerkAbk CHE). Als Folge des Verstoßes gegen den Zollstraßenzwang und die weiteren Verfahrensvoraussetzungen sind die geschuldeten Abgaben zu entrichten (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 GrVerkAbk CHE).
31 
Von ihrer Erhebung kann gemäß Art. 17 Abs. 2 Satz 2 GrVerkAbk CHE vorliegend auch dann nicht abgesehen werden, wenn man – wovon der erkennende Senat ausgeht – annimmt, dass das Fahrzeug unverändert wieder in den Ausgangsstaat zurückgeführt wurde. Die Vorschrift ist nach ihrem Sinn und Zweck nämlich nur anwendbar, wenn einzelne für den Durchgangsverkehr geltende Bestimmungen in Bezug auf das hierbei zu beachtende Verfahren nicht eingehalten wurden (z.B. die Gültigkeit des Durchgangsscheins abgelaufen ist). Anders ist dies nach Auffassung des erkennenden Senats aber zu beurteilen, wenn – wie hier – das Beförderungsmittel zwar in den Grenzzonen, aber unter Außerachtlassung jeglicher vom Abkommen vorgesehener Förmlichkeiten verwendet wird. Dies gilt insbesondere für die Nichteinhaltung der Verbindungsstrecken, denn in diesem Fall liegt schon überhaupt kein (zugelassener) Durchgangsverkehr vor (vgl. Art. 16 Abs. 2 GrVerkAbk CHE). Bestätigt wird dies nicht zuletzt durch die Regelung unter II. Abs. 1 des Schlussprotokolls zum Abkommen, die in Erweiterung der Regelungen über den Durchgangsverkehr den Verkehr auf weiteren im Einzelnen bezeichneten Straßenstücken ohne Grenzabfertigung zulässt. Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus, dass im Übrigen eine Grenzabfertigung, die vorliegend nicht durchgeführt wurde, weiterhin erforderlich ist. Wollte man dies anders beurteilen und die Nichteinhaltung der Regelungen über den Durchgangsverkehr grundsätzlich nach § 17 Abs. 2 Satz 2 GrVerkAbk CHE als unbeachtlich ansehen, solange die Waren oder Beförderungsmittel wieder in den Ausgangsstaat zurückgeführt werden, würden die Art. 16 bis 23 GrVerkAbk CHE weitgehend obsolet, und es bestünde die Gefahr eines Missbrauchs des Verfahrens. Dies indes widerspricht der Intention der Abkommensstaaten (vgl. das Schlussprotokoll unter II. Abs. 2).
32 
Im Ergebnis liegt daher auch unter Berücksichtigung des deutsch-schweizerischen Abkommens über den Grenz- und Durchgangsverkehr ein Verstoß gegen die Beförderungspflicht und den Zollstraßenzwang vor.
33 
4. Für den PKW (...) ist damit nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK eine Einfuhrzollschuld entstanden, und die Klägerin als die Person, die das Fahrzeug vorschriftswidrig verbracht hatte, ist nach Art. 202 Abs. 3 erster Anstrich ZK Zollschuldnerin. Dabei ist unerheblich, ob die Zollbeamten ihr – wie behauptet – nach Durchführung der Kontrolle die Weiterfahrt gestattet haben, denn zu diesem Zeitpunkt war die Zollschuld bereits entstanden und ein etwaiges Umkehren hätte diese nicht wieder zum Erlöschen gebracht. Das beklagte Hauptzollamt hat die Zollschuld ausgehend von einem geschätzten Zollwert des Fahrzeugs von 1.500 EUR mit 150 EUR bemessen. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Wert unzutreffend sein könnte, hat die Klägerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
34 
5. Der angefochtene Einfuhrabgabenbescheid vom 20. September 2017 ist schließlich auch, soweit das beklagte Hauptzollamt mit diesem Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 313,50 EUR festgesetzt hat, rechtmäßig.
35 
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG unterliegt die Einfuhr von Gegenständen im Inland der (Einfuhr-) Umsatzsteuer. Das Umsatzsteuergesetz regelt selbst nicht, unter welchen Voraussetzungen von einer steuerbaren „Einfuhr“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG auszugehen ist; der Begriff der „Einfuhr“ lässt sich jedoch anhand von Art. 30 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) bestimmen. Danach gilt als Einfuhr die Verbringung eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr im Sinne des Art. 24 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV; jetzt: Art. 29 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) befindet, in die Gemeinschaft.
36 
Nach der Rechtsprechung des EuGH reicht es für die Verwirklichung des Tatbestandes der Einfuhrumsatzsteuer nicht aus, dass Gegenstände (körperlich) in das Gebiet der EU gelangen. Vielmehr setzt eine Einfuhr im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. d und Art. 30 MwStSystRL weiter voraus, dass der in das Gebiet der Union verbrachte Gegenstand in den Wirtschaftskreislauf der Union eingeht und einem Verbrauch, d.h. dem mit Mehrwertsteuer belasteten Vorgang, zugeführt werden kann (vgl. EuGH, Urteile vom 2. Juni 2016 – C-226/14 und C-228/14, Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig, ECLI:EU:C:2016:405; vom 18. Mai 2017 – C-154/16, Latvijas Dzelzceļš, ECLI:EU:C:2017:392; vom 1. Juni 2017 – C-571/15, Wallenborn Transports, ECLI:EU:C:2017:417 und vom 10. Juli 2019 – C-26/18, Federal Express, ECLI:EU:C:2019:579). Dies war vorliegend der Fall. Die Klägerin ist mit ihrem PKW auf der Verbindungsstraße zwischen Opfertshofen (Schweiz) und Wiechs am Randen (Deutschland) und weiter bis nach Bargen (Schweiz) gefahren. Sie hat ihr Fahrzeug damit bis zur Zollkontrolle, die zwischen Opfertshofen und Wiechs am Randen auf deutschem Staatsgebiet erfolgte, wenngleich nur kurzzeitig, im Zollgebiet der Union genutzt. Anders als etwa bei einem Transport eines Fahrzeugs auf einem Anhänger hat die Ware durch ihre Verwendung – wenn auch nur in geringem Umfang – Eingang in den Wirtschaftskreislauf der Union gefunden (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Oktober 2019, 11 K 2256/17, ZfZ 2020, 139, Revision eingelegt, Az. des BFH: VII R 17/20).
37 
Soweit die Klägerin demgegenüber unter Berufung auf die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig, Latvijas Dzelzceļš und Federal Express (a.a.O.) die Auffassung vertritt, es liege keine Einfuhr im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne vor, kann dem nicht gefolgt werden. Den genannten Entscheidungen ist gemeinsam, dass die Waren – anders als im vorliegenden Fall – in dem Mitgliedstaat, in dem gegen zollrechtliche Pflichten verstoßen wurde, nachweislich weder verwendet noch verbraucht wurden. So wurden beispielsweise in dem von der Klägerin angeführten Verfahren Federal Express Waren teilweise mangels Gestellung vorschriftswidrig verbracht, teilweise ohne Überführung in das externe Versandverfahren (pflichtwidrig) vom Verwahrort entfernt, weshalb dort (unstreitig) eine Zollschuld nach Art. 202 bzw. 203 ZK entstanden war. Allerdings wurden die Waren in Deutschland lediglich von einem Flugzeug in ein anderes umgeladen und anschließend nach Griechenland verbracht, wo sie schließlich verbraucht wurden. Dass bei dieser Konstellation die Waren nicht in Deutschland, sondern in Griechenland in den Wirtschaftskreislauf eingegangen sind und die Einfuhrumsatzsteuer erst im Bestimmungsland entstanden ist, liegt auf der Hand. Dagegen hat die Klägerin im vorliegenden Fall ihr Fahrzeug nicht nur vorschriftwidrig nach Deutschland verbracht, sondern sie hat es dort auch genutzt, weshalb es in Deutschland in den Wirtschaftskreislauf der Union eingegangen und neben der Zollschuld auch Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist.
38 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EuGH vom 3. März 2021 (C-7/20, Hauptzollamt Münster, ECLI:EU:C:2021:161). In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt wurde nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts ein in der Türkei zugelassenes Fahrzeug von dem in Deutschland wohnhaften Kläger aus der Türkei über Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich vorschriftswidrig nach Deutschland verbracht, wo es der Kläger eine Zeit lang nutzte, bevor er es weiterveräußerte und wieder in die Türkei ausführte. Der EuGH hatte in dem Verfahren (lediglich) die Frage zu klären, ob die Einfuhrumsatzsteuer – wie die Zollschuld (der Verstoß wurde in Deutschland festgestellt, sodass insoweit Art. 87 Abs. 4 UZK zur Anwendung kam) – in Deutschland oder in Bulgarien, wo das Fahrzeug zur Zollstelle hätte befördert und gestellt werden müssen, als entstanden gilt. Der EuGH hat die Frage dahin beantwortet, dass die Einfuhrmehrwertsteuer in Deutschland entstanden sei, da das Fahrzeug dort in den Wirtschaftskreislauf der Union eingetreten sei (Rn. 35 der Entscheidung). Art. 71 Abs. 1 UA 2 MwStSystRL sei dahin auszulegen, dass die Einfuhrmehrwertsteuer für zollpflichtige Gegenstände in dem Mitgliedstaat entsteht, in dem ein Verstoß gegen eine Verpflichtung aus unionsrechtlichen Zollvorschriften festgestellt wurde, sofern die fraglichen Waren in dem Mitgliedstaat in den Wirtschaftskreislauf der Union eingetreten sind, in dem diese Feststellung getroffen wurde, auch wenn sie körperlich in einem anderen Mitgliedstaat in das Zollgebiet der Union gelangt sind (Rn. 36 der Entscheidung).
39 
Abgesehen davon, dass die Entscheidung des EuGH – zu Recht – auf Kritik gestoßen ist (z.B. Bender in AW-Prax 2021, 241-247; Bieber/Summersberger in SWK Steuern, 748 [12/2021]; Rüsken in ZfZ 2021, 191 und FG Hamburg, EuGH-Vorlage vom 2. Juni 2021 – 4 K 130/20, Az. des EuGH: C-368/21), lassen sich aus ihr jedenfalls für den vorliegenden Fall, in dem lediglich ein Mitgliedstaat – nämlich Deutschland – betroffen und die Frage zu beantworten ist, ob dort dem Grunde nach Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist, keine Erkenntnisse herleiten. Maßgeblich ist insoweit allein, dass das in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Fahrzeug der Klägerin in Deutschland – wenn auch nur kurzzeitig – genutzt wurde und damit in den Wirtschaftskreislauf der Union eingegangen ist.
40 
Soweit schließlich das FG München mit Urteil vom 9. April 2019 (14 K 2649/16, juris) für den Fall eines vorschriftswidrig verbrachten Flugzeugs (Verstoß gegen den Zollflugplatzzwang) entschieden hat, dass sich die Verwendung des Flugzeugs in dessen physischem Verbringen über die Grenze erschöpft und darüber hinaus keine Teilnahme am Wirtschaftsgeschehen stattgefunden habe, ist damit der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt ebenfalls nicht vergleichbar. Dies bereits deshalb, weil in das Zollgebiet der Union verbrachte Straßenbeförderungsmittel nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ZollV an der ersten an der Zollstraße gelegenen Zollstelle d.h. ohne vorherigen Grenzübertritt zu gestellen sind, während die für den Luftverkehr vorgesehene Gestellung beim ersten angeflogenen Zollflugplatz (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 ZollV) bereits zwangsläufig die vorherige Nutzung des Flugzeugs innerhalb des Zollgebiets der Union bedingt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Oktober 2019 – 11 K 2256/17, ZfZ 2020, 139, Revision eingelegt, Az. des BFH: VII R 17/20).
41 
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
42 
Der Senat verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftlichen Folgen der Pflichtverletzung in Anbetracht der nur geringfügigen Nutzung des Fahrzeugs unverhältnismäßig erscheinen mögen. Das Ergebnis ist allerdings – insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zur Einfuhr im umsatzsteuerrechtlichen Sinne – unvermeidbar. Härten, die durch die Anwendung zwingender unionsrechtlicher Vorschriften entstehen, kann allenfalls durch einen Billigkeitserweis im Rahmen eines Erstattungs- bzw. Erlassverfahrens (Art. 239 ZK) begegnet werden (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Oktober 2019 – 11 K 2256/17, ZfZ 2020, 139, Revision eingelegt, Az. des BFH: VII R 17/20). In diesem Zusammenhang kann auch der Umstand zu berücksichtigen sein, dass das zum Zeitpunkt der Einfuhr an der Grenze aufgestellte Hinweisschild jedenfalls aus der Sicht eines zollrechtlichen Laien den (unzutreffenden) Eindruck vermittelt haben konnte, die Gemeindeverbindungsstraße zwischen Opfertshofen und Wiechs am Randen dürfe mit im Drittland – speziell der Schweiz – zugelassenen Fahrzeugen befahren werden, sofern diese jedenfalls zuvor in der Schweiz verzollt wurden.
43 
Soweit die Klägerin die Inaugenscheinnahme der Gemeindeverbindungsstraße zwischen Opfertshofen und Wiechs am Randen angeregt hat, ist der Senat dieser Anregung nicht gefolgt, weil die Inaugenscheinnahme keinen für die Entscheidung relevanten Schluss auf die Verhältnisse zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einfuhr im Jahr 2015 zugelassen hätte. Der Senat hat stattdessen im Rahmen der mündlichen Verhandlung anhand einer Google-Routenplanung die Fahrtroute der Klägerin und über die Streetview-Funktion, die die Situation im August 2014 wiedergab, die Beschilderung des Grenzübergangs nachvollzogen. Die Beteiligten waren sich einig, dass die in der Streetview-Ansicht zu sehende Beschilderung derjenigen zum Zeitpunkt der Kontrolle entspricht (Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 15. März 2022, Seite 2).
II.
44 
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 i.V.m. § 143 Abs. 1 FGO.
45 
2. Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO erfüllt ist. Insbesondere ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer steuerbaren Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG bzw. im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. d und Art. 30 MwStSystRL in der vorliegenden Konstellation auszugehen ist, durch die angeführte Rechtsprechung des EuGH bereits hinreichend geklärt.

Gründe

 
I.
22 
Die Klage ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 20. September 2017 (...) ist sowohl formell (dazu unter 1.) als auch materiell (dazu unter 2. bis 5.) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
23 
1. Das Hauptzollamt B war – was von der Klägerin mittlerweile nicht mehr bestritten wird – nach § 23 Abs. 3 AO i.V.m. § 22 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Zuständigkeiten auf Hauptzollämter für den Bereich mehrerer Hauptzollämter (Hauptzollamtszuständigkeitsverordnung) für den Erlass des angefochtenen Einfuhrabgabenbescheids örtlich zuständig. Im Übrigen wäre ein etwaiger Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit in diesem Zusammenhang wegen § 127 AO ohnehin unbeachtlich.
24 
2. Die Klägerin hat ihren PKW (...) mit dem amtlichen schweizerischen Kennzeichen XX-XXXX vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht, sodass für diesen nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK eine Zollschuld entstanden ist.
25 
In das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Waren sind vom Verbringer nämlich unverzüglich und gegebenenfalls unter Benutzung des von den Zollbehörden bezeichneten Verkehrsweges nach Maßgabe der von diesen Behörden festgelegten Einzelheiten zu der von den Zollbehörden bezeichneten Zollstelle oder einem anderen von diesen Behörden bezeichneten oder zugelassenen Ort zu befördern (Art. 38 Abs. 1 ZK) und dort zu gestellen (Art. 40 ZK). Im Geltungsbereich des ZollVG dürfen Waren nur auf Zollstraßen in das oder aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 ZollVG). Bei der von der Klägerin am 31. August 2015 befahrenen Gemeindeverbindungsstraße zwischen Opfertshofen (Schweiz) und Wiechs am Randen (Deutschland) handelte es sich im maßgeblichen Zeitpunkt nicht um eine Zollstraße. Entscheidend hierfür ist entgegen der Auffassung der Klägerin weder die straßenverkehrsrechtliche Einordnung als offizielle Verbindungsstraße durch das LRA H noch die im Klageverfahren eingereichte „Liste der Straßengrenzübergänge zwischen Deutschland und der Schweiz“ aus Wikipedia, sondern – wie sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 ZollV ergibt – die Bekanntmachung der auf dem Landweg einzuhaltenden Zollstraßen im Bundesanzeiger. Die Bekanntmachung im Bundesanzeiger in der hier maßgebenden Fassung vom 20. Dezember 2012 (BAnz AT 23.01.2013 B3) aber weist die von der Klägerin für den Grenzübertritt genutzte Gemeindeverbindungsstraße nicht als Zollstraße aus.
26 
3. Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Ausnahme von der Beförderungspflicht und vom Zollstraßenzwang berufen.
27 
a) Eine solche Ausnahme ergibt sich insbesondere nicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ZollV. Nach dieser Vorschrift sind persönliche Gebrauchsgegenstände von Reisenden im Sinne des Art. 563 ZK-DVO von der Beförderungspflicht und damit auch vom Zollstraßenzwang ausgenommen. Persönliche Gebrauchsgegenstände von Reisenden sind alle neuen oder gebrauchten Gegenstände, die ein Reisender unter Berücksichtigung aller Umstände auf seiner Reise in angemessenem Umfang zum persönlichen Gebrauch benötigt (vgl. Art. 1 Buchst. b Anlage B.6 Istanbuler Übereinkommen, BGBl II 1993, 2214). In den Leitlinien der Kommission (ABl. C 269 vom 24. September 2001, S. 1, E-VSF Z 02 30) sind in der erläuternden Liste zu Art. 563 ZK-DVO unter Buchst. A persönliche Gebrauchsgegenstände aufgeführt. Kraftfahrzeuge sind dort nicht genannt. Motorfahrzeuge und -boote sind, anders als die Klägerin meint, vielmehr nur dann von Art. 536 ZK-DVO erfasst, wenn sie – was vorliegend offensichtlich nicht der Fall war – zu Sportzwecken eingeführt werden (erläuternde Liste, Buchst. B „zu Sportzwecken eingeführte Waren“ Unterbuchst. F). Abgesehen davon sind durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ZollV aus dem Kreis der in Art. 563 ZK-DVO genannten Waren nur die persönlichen Gebrauchsgegenstände, zu denen der von der Klägerin eingeführte PKW unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gehört, nicht aber die zu Sportzwecken eingeführten Waren von der Beförderungspflicht und vom Zollstraßenzwang ausgenommen.
28 
b) Eine Ausnahme vom Zollstraßenzwang lässt sich unter den gegebenen Umständen auch nicht mit dem deutsch-schweizerischen Abkommen über den Grenz- und Durchgangsverkehr vom 5. Februar 1958 begründen. Das Abkommen enthält in Abschnitt I. Erleichterungen für den grenznachbarlichen Verkehr (dazu unter aa) und in Abschnitt II. über den Durchgangsverkehr (dazu unter bb).
29 
aa) Nach Art. 10 Abs. 1 Nr. 2GrVerkAbk CHE sind Gegenstände einschließlich Fahrzeuge, die Grenzbewohner der einen Zollgrenzzone zum eigenen Gebrauch in die andere Zollgrenzzone mit sich führen, unter der Bedingung der Wiederausfuhr in die Herkunftszone von allen Einfuhr- und Ausfuhrabgaben befreit. Zwar handelt es sich bei der Klägerin, die ihren Wohnsitz in Bargen (Schweiz) hat, um eine Grenzbewohnerin in diesem Sinne (vgl. Art. 1 Abs. 3 GrVerkAbk CHE), und sie hat ihr Fahrzeug zum eigenen Gebrauch von einer Zollgrenzzone in eine andere mit sich geführt, denn sämtliche von ihr passierte Ortschaften (Lohn, Opfertshofen, Wiechs am Randen, Bargen) gehören zur Zollgrenzzone (vgl. Art. 1 Abs. 2 GrVerkAbk CHE und Anlage 1 unter I. 3. und II. 1.). Allerdings ist auch im Anwendungsbereich des GrVerkAbk CHE grundsätzlich der Zollstraßenzwang zu beachten. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GrVerkAbk CHE können die Zollbehörden der beiden Staaten im Grenzverkehr die Ein- und Ausfuhr von Waren zwar auch über andere Wege als Zollstraßen und außerhalb der Zollstunden gestatten, wenn es die örtlichen Verhältnisse erfordern. Dies setzt nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GrVerkAbk CHE aber eine entsprechende Bewilligung voraus, die von dem der Grenzübergangsstelle am nächsten gelegenen Zollamt auf Antrag erteilt wird. Die Klägerin gab bei ihrer Kontrolle am 31. August 2015 an, über keine solche Bewilligung zu verfügen (vgl. Heft I Bl. 7 HZA-Akte). Sie war in zollrechtlicher Hinsicht daher nicht befugt, die Gemeindeverbindungsstraße zwischen Opfertshofen und Wiechs am Randen mit ihrem PKW für den Grenzübertritt zu nutzen.
30 
bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften über den Durchgangsverkehr (Art. 16 ff. GrVerkAbk CHE). Durchgangsverkehr im Sinne des Abkommens ist der Verkehr mit Waren und Beförderungsmitteln zwischen zwei Orten des einen Vertragsstaates, wenn die Verbindungsstrecke über das Gebiet des anderen Staates infolge des Grenzverlaufes oder der topographischen Verhältnisse den nächsten oder verkehrstechnisch günstigsten Weg darstellt (Art. 16 Abs. 1 GrVerkAbk CHE). Dies war bei der von der Klägerin gefahrenen Route von Lohn (Schweiz) über Opfertshofen (Schweiz) und Wiechs am Randen (Deutschland) nach Bargen (Schweiz) zwar der Fall. Allerdings ist der Durchgangsverkehr nach Art. 16 Abs. 2 GrVerkAbk CHE nur auf den in Anlage III bezeichneten Verbindungsstrecken zugelassen. Die von der Klägerin befahrene Straße zwischen Opfertshofen und Wiechs am Randen gehörte im maßgeblichen Zeitpunkt nicht dazu. Darüber hinaus wurden die weiteren Bestimmungen des Abfertigungsverfahrens von der Klägerin ebenfalls nicht eingehalten, insbesondere war sie offensichtlich nicht in Besitz eines sog. Durchgangsscheines (vgl. Art. 18 ff. GrVerkAbk CHE). Als Folge des Verstoßes gegen den Zollstraßenzwang und die weiteren Verfahrensvoraussetzungen sind die geschuldeten Abgaben zu entrichten (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 GrVerkAbk CHE).
31 
Von ihrer Erhebung kann gemäß Art. 17 Abs. 2 Satz 2 GrVerkAbk CHE vorliegend auch dann nicht abgesehen werden, wenn man – wovon der erkennende Senat ausgeht – annimmt, dass das Fahrzeug unverändert wieder in den Ausgangsstaat zurückgeführt wurde. Die Vorschrift ist nach ihrem Sinn und Zweck nämlich nur anwendbar, wenn einzelne für den Durchgangsverkehr geltende Bestimmungen in Bezug auf das hierbei zu beachtende Verfahren nicht eingehalten wurden (z.B. die Gültigkeit des Durchgangsscheins abgelaufen ist). Anders ist dies nach Auffassung des erkennenden Senats aber zu beurteilen, wenn – wie hier – das Beförderungsmittel zwar in den Grenzzonen, aber unter Außerachtlassung jeglicher vom Abkommen vorgesehener Förmlichkeiten verwendet wird. Dies gilt insbesondere für die Nichteinhaltung der Verbindungsstrecken, denn in diesem Fall liegt schon überhaupt kein (zugelassener) Durchgangsverkehr vor (vgl. Art. 16 Abs. 2 GrVerkAbk CHE). Bestätigt wird dies nicht zuletzt durch die Regelung unter II. Abs. 1 des Schlussprotokolls zum Abkommen, die in Erweiterung der Regelungen über den Durchgangsverkehr den Verkehr auf weiteren im Einzelnen bezeichneten Straßenstücken ohne Grenzabfertigung zulässt. Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus, dass im Übrigen eine Grenzabfertigung, die vorliegend nicht durchgeführt wurde, weiterhin erforderlich ist. Wollte man dies anders beurteilen und die Nichteinhaltung der Regelungen über den Durchgangsverkehr grundsätzlich nach § 17 Abs. 2 Satz 2 GrVerkAbk CHE als unbeachtlich ansehen, solange die Waren oder Beförderungsmittel wieder in den Ausgangsstaat zurückgeführt werden, würden die Art. 16 bis 23 GrVerkAbk CHE weitgehend obsolet, und es bestünde die Gefahr eines Missbrauchs des Verfahrens. Dies indes widerspricht der Intention der Abkommensstaaten (vgl. das Schlussprotokoll unter II. Abs. 2).
32 
Im Ergebnis liegt daher auch unter Berücksichtigung des deutsch-schweizerischen Abkommens über den Grenz- und Durchgangsverkehr ein Verstoß gegen die Beförderungspflicht und den Zollstraßenzwang vor.
33 
4. Für den PKW (...) ist damit nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK eine Einfuhrzollschuld entstanden, und die Klägerin als die Person, die das Fahrzeug vorschriftswidrig verbracht hatte, ist nach Art. 202 Abs. 3 erster Anstrich ZK Zollschuldnerin. Dabei ist unerheblich, ob die Zollbeamten ihr – wie behauptet – nach Durchführung der Kontrolle die Weiterfahrt gestattet haben, denn zu diesem Zeitpunkt war die Zollschuld bereits entstanden und ein etwaiges Umkehren hätte diese nicht wieder zum Erlöschen gebracht. Das beklagte Hauptzollamt hat die Zollschuld ausgehend von einem geschätzten Zollwert des Fahrzeugs von 1.500 EUR mit 150 EUR bemessen. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Wert unzutreffend sein könnte, hat die Klägerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
34 
5. Der angefochtene Einfuhrabgabenbescheid vom 20. September 2017 ist schließlich auch, soweit das beklagte Hauptzollamt mit diesem Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 313,50 EUR festgesetzt hat, rechtmäßig.
35 
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG unterliegt die Einfuhr von Gegenständen im Inland der (Einfuhr-) Umsatzsteuer. Das Umsatzsteuergesetz regelt selbst nicht, unter welchen Voraussetzungen von einer steuerbaren „Einfuhr“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG auszugehen ist; der Begriff der „Einfuhr“ lässt sich jedoch anhand von Art. 30 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) bestimmen. Danach gilt als Einfuhr die Verbringung eines Gegenstands, der sich nicht im freien Verkehr im Sinne des Art. 24 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV; jetzt: Art. 29 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) befindet, in die Gemeinschaft.
36 
Nach der Rechtsprechung des EuGH reicht es für die Verwirklichung des Tatbestandes der Einfuhrumsatzsteuer nicht aus, dass Gegenstände (körperlich) in das Gebiet der EU gelangen. Vielmehr setzt eine Einfuhr im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. d und Art. 30 MwStSystRL weiter voraus, dass der in das Gebiet der Union verbrachte Gegenstand in den Wirtschaftskreislauf der Union eingeht und einem Verbrauch, d.h. dem mit Mehrwertsteuer belasteten Vorgang, zugeführt werden kann (vgl. EuGH, Urteile vom 2. Juni 2016 – C-226/14 und C-228/14, Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig, ECLI:EU:C:2016:405; vom 18. Mai 2017 – C-154/16, Latvijas Dzelzceļš, ECLI:EU:C:2017:392; vom 1. Juni 2017 – C-571/15, Wallenborn Transports, ECLI:EU:C:2017:417 und vom 10. Juli 2019 – C-26/18, Federal Express, ECLI:EU:C:2019:579). Dies war vorliegend der Fall. Die Klägerin ist mit ihrem PKW auf der Verbindungsstraße zwischen Opfertshofen (Schweiz) und Wiechs am Randen (Deutschland) und weiter bis nach Bargen (Schweiz) gefahren. Sie hat ihr Fahrzeug damit bis zur Zollkontrolle, die zwischen Opfertshofen und Wiechs am Randen auf deutschem Staatsgebiet erfolgte, wenngleich nur kurzzeitig, im Zollgebiet der Union genutzt. Anders als etwa bei einem Transport eines Fahrzeugs auf einem Anhänger hat die Ware durch ihre Verwendung – wenn auch nur in geringem Umfang – Eingang in den Wirtschaftskreislauf der Union gefunden (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Oktober 2019, 11 K 2256/17, ZfZ 2020, 139, Revision eingelegt, Az. des BFH: VII R 17/20).
37 
Soweit die Klägerin demgegenüber unter Berufung auf die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Eurogate Distribution und DHL Hub Leipzig, Latvijas Dzelzceļš und Federal Express (a.a.O.) die Auffassung vertritt, es liege keine Einfuhr im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne vor, kann dem nicht gefolgt werden. Den genannten Entscheidungen ist gemeinsam, dass die Waren – anders als im vorliegenden Fall – in dem Mitgliedstaat, in dem gegen zollrechtliche Pflichten verstoßen wurde, nachweislich weder verwendet noch verbraucht wurden. So wurden beispielsweise in dem von der Klägerin angeführten Verfahren Federal Express Waren teilweise mangels Gestellung vorschriftswidrig verbracht, teilweise ohne Überführung in das externe Versandverfahren (pflichtwidrig) vom Verwahrort entfernt, weshalb dort (unstreitig) eine Zollschuld nach Art. 202 bzw. 203 ZK entstanden war. Allerdings wurden die Waren in Deutschland lediglich von einem Flugzeug in ein anderes umgeladen und anschließend nach Griechenland verbracht, wo sie schließlich verbraucht wurden. Dass bei dieser Konstellation die Waren nicht in Deutschland, sondern in Griechenland in den Wirtschaftskreislauf eingegangen sind und die Einfuhrumsatzsteuer erst im Bestimmungsland entstanden ist, liegt auf der Hand. Dagegen hat die Klägerin im vorliegenden Fall ihr Fahrzeug nicht nur vorschriftwidrig nach Deutschland verbracht, sondern sie hat es dort auch genutzt, weshalb es in Deutschland in den Wirtschaftskreislauf der Union eingegangen und neben der Zollschuld auch Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist.
38 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EuGH vom 3. März 2021 (C-7/20, Hauptzollamt Münster, ECLI:EU:C:2021:161). In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt wurde nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts ein in der Türkei zugelassenes Fahrzeug von dem in Deutschland wohnhaften Kläger aus der Türkei über Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich vorschriftswidrig nach Deutschland verbracht, wo es der Kläger eine Zeit lang nutzte, bevor er es weiterveräußerte und wieder in die Türkei ausführte. Der EuGH hatte in dem Verfahren (lediglich) die Frage zu klären, ob die Einfuhrumsatzsteuer – wie die Zollschuld (der Verstoß wurde in Deutschland festgestellt, sodass insoweit Art. 87 Abs. 4 UZK zur Anwendung kam) – in Deutschland oder in Bulgarien, wo das Fahrzeug zur Zollstelle hätte befördert und gestellt werden müssen, als entstanden gilt. Der EuGH hat die Frage dahin beantwortet, dass die Einfuhrmehrwertsteuer in Deutschland entstanden sei, da das Fahrzeug dort in den Wirtschaftskreislauf der Union eingetreten sei (Rn. 35 der Entscheidung). Art. 71 Abs. 1 UA 2 MwStSystRL sei dahin auszulegen, dass die Einfuhrmehrwertsteuer für zollpflichtige Gegenstände in dem Mitgliedstaat entsteht, in dem ein Verstoß gegen eine Verpflichtung aus unionsrechtlichen Zollvorschriften festgestellt wurde, sofern die fraglichen Waren in dem Mitgliedstaat in den Wirtschaftskreislauf der Union eingetreten sind, in dem diese Feststellung getroffen wurde, auch wenn sie körperlich in einem anderen Mitgliedstaat in das Zollgebiet der Union gelangt sind (Rn. 36 der Entscheidung).
39 
Abgesehen davon, dass die Entscheidung des EuGH – zu Recht – auf Kritik gestoßen ist (z.B. Bender in AW-Prax 2021, 241-247; Bieber/Summersberger in SWK Steuern, 748 [12/2021]; Rüsken in ZfZ 2021, 191 und FG Hamburg, EuGH-Vorlage vom 2. Juni 2021 – 4 K 130/20, Az. des EuGH: C-368/21), lassen sich aus ihr jedenfalls für den vorliegenden Fall, in dem lediglich ein Mitgliedstaat – nämlich Deutschland – betroffen und die Frage zu beantworten ist, ob dort dem Grunde nach Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist, keine Erkenntnisse herleiten. Maßgeblich ist insoweit allein, dass das in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Fahrzeug der Klägerin in Deutschland – wenn auch nur kurzzeitig – genutzt wurde und damit in den Wirtschaftskreislauf der Union eingegangen ist.
40 
Soweit schließlich das FG München mit Urteil vom 9. April 2019 (14 K 2649/16, juris) für den Fall eines vorschriftswidrig verbrachten Flugzeugs (Verstoß gegen den Zollflugplatzzwang) entschieden hat, dass sich die Verwendung des Flugzeugs in dessen physischem Verbringen über die Grenze erschöpft und darüber hinaus keine Teilnahme am Wirtschaftsgeschehen stattgefunden habe, ist damit der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt ebenfalls nicht vergleichbar. Dies bereits deshalb, weil in das Zollgebiet der Union verbrachte Straßenbeförderungsmittel nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ZollV an der ersten an der Zollstraße gelegenen Zollstelle d.h. ohne vorherigen Grenzübertritt zu gestellen sind, während die für den Luftverkehr vorgesehene Gestellung beim ersten angeflogenen Zollflugplatz (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 ZollV) bereits zwangsläufig die vorherige Nutzung des Flugzeugs innerhalb des Zollgebiets der Union bedingt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Oktober 2019 – 11 K 2256/17, ZfZ 2020, 139, Revision eingelegt, Az. des BFH: VII R 17/20).
41 
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
42 
Der Senat verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftlichen Folgen der Pflichtverletzung in Anbetracht der nur geringfügigen Nutzung des Fahrzeugs unverhältnismäßig erscheinen mögen. Das Ergebnis ist allerdings – insbesondere unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zur Einfuhr im umsatzsteuerrechtlichen Sinne – unvermeidbar. Härten, die durch die Anwendung zwingender unionsrechtlicher Vorschriften entstehen, kann allenfalls durch einen Billigkeitserweis im Rahmen eines Erstattungs- bzw. Erlassverfahrens (Art. 239 ZK) begegnet werden (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Oktober 2019 – 11 K 2256/17, ZfZ 2020, 139, Revision eingelegt, Az. des BFH: VII R 17/20). In diesem Zusammenhang kann auch der Umstand zu berücksichtigen sein, dass das zum Zeitpunkt der Einfuhr an der Grenze aufgestellte Hinweisschild jedenfalls aus der Sicht eines zollrechtlichen Laien den (unzutreffenden) Eindruck vermittelt haben konnte, die Gemeindeverbindungsstraße zwischen Opfertshofen und Wiechs am Randen dürfe mit im Drittland – speziell der Schweiz – zugelassenen Fahrzeugen befahren werden, sofern diese jedenfalls zuvor in der Schweiz verzollt wurden.
43 
Soweit die Klägerin die Inaugenscheinnahme der Gemeindeverbindungsstraße zwischen Opfertshofen und Wiechs am Randen angeregt hat, ist der Senat dieser Anregung nicht gefolgt, weil die Inaugenscheinnahme keinen für die Entscheidung relevanten Schluss auf die Verhältnisse zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einfuhr im Jahr 2015 zugelassen hätte. Der Senat hat stattdessen im Rahmen der mündlichen Verhandlung anhand einer Google-Routenplanung die Fahrtroute der Klägerin und über die Streetview-Funktion, die die Situation im August 2014 wiedergab, die Beschilderung des Grenzübergangs nachvollzogen. Die Beteiligten waren sich einig, dass die in der Streetview-Ansicht zu sehende Beschilderung derjenigen zum Zeitpunkt der Kontrolle entspricht (Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 15. März 2022, Seite 2).
II.
44 
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 i.V.m. § 143 Abs. 1 FGO.
45 
2. Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO erfüllt ist. Insbesondere ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer steuerbaren Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG bzw. im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. d und Art. 30 MwStSystRL in der vorliegenden Konstellation auszugehen ist, durch die angeführte Rechtsprechung des EuGH bereits hinreichend geklärt.

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