Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 3 K 519/21

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig ist, ob eine von einem privaten Schweizer Arbeitgeber auf Grundlage des Anstellungsreglements gezahlte Familienzulage als eine mit dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung steuerfrei ist.
Die Kläger sind Eheleute, die im Veranlagungszeitraum 2019 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie haben zwei, in den Jahren 2002 und 2005 geborene Kinder. Die Familie hat ihren Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung -AO-) und ihre ständige Wohnstätte (Art. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971, BGBl II 1972, 1022, i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992, BGBl II 1993, 1888; im Folgenden: DBA-Schweiz) im Inland.
Der Kläger ist von Beruf [...], die Klägerin [...]. Beide waren im Streitjahr bei der A AG, Kanton Thurgau/Schweiz, nichtselbstständig beschäftigt. Die in der Schweiz erzielten Einkünfte der Kläger aus nichtselbständiger Arbeit wurden nach der sog. Grenzgängerregelung gemäß Art. 15a DBA-Schweiz im Inland besteuert.
Der Kläger hat mit der A AG am 15. August 2014 einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen (...). In Ziff. 6 des Arbeitsvertrags wird die Höhe des jährlichen Grundgehalts vereinbart. Allfällige Sozialzulagen sollten beim Eintritt definitiv abgeklärt werden. Unter Ziff. 9 des Arbeitsvertrags ist bestimmt, dass der Kläger vom Geltungsbereich des Firmenvertrags für die Mitarbeitenden der A AG explizit ausgenommen ist. Soweit der Arbeitsvertrag keine Regelungen enthält, wurde die Anwendung der „Arbeitsrechtlichen Bestimmungen“ des Firmenvertrags für die Mitarbeitenden der A AG und der zugehörigen Anhänge in der jeweils geltenden Fassung (...) im Sinne eines Anstellungsreglements vereinbart.
Ausweislich der monatlichen Lohnabrechnungen (...) bezog der Kläger neben der Grundbesoldung eine Kinderzulage (200 CHF/Monat), eine Ausbildungszulage (250 CHF/Monat) und eine Familienzulage (285 CHF/Monat). Zu diesen Zulagen heißt es unter Ziff. 2.16.2 „Sozialzulagen“ des Firmenvertrags, dass Kinder- und Ausbildungszulagen sich nach der Gesetzgebung von Bund und Kanton richten und Mitarbeitende mit Anspruch auf eine Kinder- oder Ausbildungszulage eine Familienzulage erhalten. Nach einer Bestätigung der A AG vom 6. Oktober 2020 wird die Familienzulage vom Arbeitgeber auf freiwilliger Basis ausgezahlt (...).
Nach Art. 3 und 5 des Bundesgesetzes über die Familienzulagen vom 24. März 2006 in der im Streitjahr geltenden Fassung (FamZG; Systematische Sammlung des Bundesrechts -SR- 836.2, www.admin.ch; Gerichtsakte Bl. 154 ff.) wird die Kinderzulage (200 CHF/Monat) bis zur Vollendung des 16. Altersjahres des Kindes ausgerichtet. Die Ausbildungszulage (250 CHF/Monat) wird für Kinder ab Vollendung des 16. Altersjahres bis zum Abschluss der Ausbildung, längstens bis zur Vollendung des 25. Altersjahres ausgerichtet. Die Kantone können in ihren Familienzulageordnungen höhere Mindestansätze für Kinder- und Ausbildungszulagen vorsehen. Hiervon hat der Kanton Thurgau in dem kantonalen Gesetz über die Familienzulagen vom 10. September 2008 in der im Streitjahr geltenden Fassung (TG FamZG; Rechtsbuch Thurgau -RB- 836.1, www.rechtsbuch.tg.ch; Gerichtsakte Bl. 168 ff.) keinen Gebrauch gemacht (vgl. auch die Übersicht des Bundesamts für Sozialversicherungen „Arten und Ansätze der Familienzulagen nach dem FamZG, dem FLG und den kantonalen Gesetzen 2019“, www.bsv.admin.ch). Kinder- und Ausbildungszulagen werden nach Bewilligung durch die Familienausgleichkasse in der Regel vom Arbeitgeber zusammen mit dem Lohn ausbezahlt (vgl. Art. 15 Abs. 2 FamZG; § 13 TG FamZG).
Nach § 19 der Verordnung des Großen Rates über die Besoldung des Staatspersonals (BesVO, RB 177.22, www.rechtsbuch.tg.ch; ...) erhält das im Dienste des Kantons stehende Personal mit Anspruch auf eine Kinder- oder Ausbildungszulage eine Familienzulage von 225 CHF/Monat. Die Anwendung der BesVO auf Mitarbeiter der A AG ist nach § 1 Abs. 3 BesVO ausgeschlossen.
In der dem Beklagten (dem Finanzamt -FA-) am 5. August 2020 elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärung für 2019 erklärten die Kläger steuerfreie Bezüge in Höhe von insgesamt 8.100 CHF (2.400 CHF Kinderzulage, 3.000 CHF Ausbildungszulage und 2.700 CHF [12 x 225 CHF] anteilige Familienzulage, vgl. Einkommensteuerakten Bl. 56).
Hiervon abweichend berücksichtigte das FA im Einkommensteuerbescheid 2019 vom 2. September 2020 (...) die volle Familienzulage in Höhe von 3.420 CHF (12 x 285 CHF) als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Anders als die von dem Schweizer Arbeitgeber ausgezahlte Kinder- und Ausbildungszulage sei die Familienzulage keine nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) mit dem deutschen Kindergeld vergleichbare ausländische Leistung für Kinder.
10 
Mit dem fristgerecht eingelegten Einspruch wandten sich die Kläger gegen die Behandlung der anteiligen Familienzulage von 2.700 CHF als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Zur Begründung ließen sie vortragen, dass in der Tabelle des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) die Thurgauer Familienzulage in Höhe von 225 CHF/Monat als eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung aufgeführt werde. Der Einspruch hatte keinen Erfolg und wurde mit Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2021 als unbegründet zurückgewiesen.
11 
Hiergegen erhoben die Kläger fristgerecht Klage. Zur Begründung lassen sie im Wesentlichen Folgendes vortragen: Die vom Kläger im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses bezogene Familienzulage des Kantons Thurgau in Höhe von 225 CHF/Monat stelle ebenso wie die Kinder- und die Ausbildungszulage eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung dar und sei daher steuerfrei zu belassen. Sie sei als Unterstützung für familiäre Lasten und damit als Zusatz zur Kinderzulage anzusehen und erfülle damit die Voraussetzungen des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (konsolidierte Fassung, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -AblEG- L Nr. 28 vom 30. Januar 1997, S. 1; -VO Nr. 1408/71-). Es könne nicht darauf ankommen, ob es sich um eine auf § 6 Ziff. 2 i.V.m. § 19 BesVO TG beruhende Leistung handele oder nicht. Die Familienzulage des Kantons Thurgau in Höhe von monatlich 225 CHF finde sich auch in der Übersicht des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) über im Ausland gewährte vergleichbare Leistungen gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (BStBl I 2017, S. 151).
12 
Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Juli 2012 III R 97/08 (BStBl II 2013, 24) ergebe sich nicht, dass für die Frage, ob die Familienzulage des Kantons Thurgau steuerfrei zu belassen sei oder nicht, eine Unterscheidung zwischen Familienleistungen im öffentlichen Dienst der Schweiz und Familienleistungen von privaten Arbeitgebern zu treffen sei. Einen sachlichen Grund für eine solche Ungleichbehandlung gebe es nicht. Der Kläger als Angestellter eines privaten Arbeitgebers in der Schweiz, der einen Anspruch auf die Familienzulage habe, befinde sich in derselben Situation wie ein Bediensteter des Kantons Thurgau, der im öffentlichen Dienst beschäftigt sei und ebenfalls einen Anspruch auf die Familienzulage habe. Beide haben die gleichen familiären Belastungen zu tragen, die durch die streitige Familienzulage gemindert werden sollen. Die Auszahlung der Familienzulage sei an gesetzliche Voraussetzungen gekoppelt, da sie nur dann ausbezahlt werde, wenn auch die Voraussetzungen für die Zahlung der Kinder- bzw. Ausbildungszulage erfüllt seien.
13 
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2019 vom 2. September 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2021 dahingehend zu ändern, dass die Familienzulage in Höhe von 2.700 CHF steuerfrei gestellt wird.
14 
Das FA hält an den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2021 fest und beantragt,
die Klage abzuweisen.
15 
Als dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistungen i.S. des § 65 Abs. 1 EStG seien grundsätzlich die Schweizer Familienzulagen nach Art. 3 Abs. 1 FamZG bzw. den jeweiligen kantonalen Einführungsgesetzen zum FamZG anzusehen. Der BFH habe darüber hinaus entschieden, dass die an die Bediensteten des Kantons Thurgau gemäß der BesVO gezahlte Familienzulage eine Familienleistung sei, welche den Anspruch auf deutsches (Differenz-)Kindergeld mindert. Zur Begründung habe der BFH ausgeführt, dass es sich hierbei um Zahlungen handele, welche aufgrund von Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit gezahlt würden. Denn die Familienzulage werde aufgrund einer gesetzlichen Grundlage bezahlt und zur Unterstützung der familiären Lasten als Leistung im Rahmen der sozialen Sicherheit geleistet. Die Grundsätze dieses Urteils seien zwar allgemein auf Familienleistungen im öffentlichen Dienst der Schweiz anwendbar, hätten jedoch auf zusätzliche oder erhöhte Familienzulagen von privaten Arbeitgebern keine Auswirkung. Denn in diesen Fällen mangele es bereits an der erforderlichen Voraussetzung, dass die Leistungen auf generellen Schweizer Rechtsnormen von Bund, Kanton und Gemeinden basieren. Entsprechendes würde auch für Arbeitnehmer im Schweizer öffentlichen Dienst gelten, wenn die gezahlten Familienzulagen durch den Arbeitgeber lediglich aufgrund von Regelungen im Gesamt- oder Einzelarbeitsvertrag geleistet würden. Bei der an den Kläger gezahlten Familienzulage handele sich vielmehr um eine freiwillige kinderbezogene Arbeitgeberleistung, die von dem Schweizer Arbeitgeber gezahlt werde und jederzeit wieder gestrichen werden könne. Diese Leistung sei mit dem deutschen Kindergeld nicht vergleichbar
16 
Durch Beschluss vom 23. Februar 2022 hat der Senat den Rechtsstreit auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Mit Schreiben vom 28. Februar 2022 haben das FA und mit Schreiben vom 24. März 2022 die Kläger auf mündliche Verhandlung verzichtet.
17 
Dem Gericht lagen bei der Entscheidung 1 Bd. Einkommensteuerakten und 1 Bd. Rechtsbehelfsakten vor.

Entscheidungsgründe

 
18 
I. Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis damit erklärt haben (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
19 
II. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
20 
Der Einkommensteuerbescheid 2019 vom 2. September 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2021 ist rechtmäßig. Die vom Kläger bezogene Familienzulage ist nicht im Rahmen des gemäß § 31 EStG durchzuführenden Familienleistungsausgleichs steuerfrei zu stellen, da die Familienzulage nicht als eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare ausländische Familienleistung anzusehen ist.
21 
1. Nach § 31 Satz 1 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Bedarfs für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG bewirkt. Ist der Abzug der Freibeträge für Kinder günstiger als der Anspruch auf Kindergeld, erhöht sich die unter Berücksichtigung des Abzugs der Freibeträge für Kinder ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld. Dies gilt entsprechend für mit dem Kindergeld vergleichbare Leistungen nach § 65 EStG. Besteht nach einem ausländischen Recht Anspruch auf Leistungen für Kinder, wird dieser insoweit nicht berücksichtigt, als er das inländische Kindergeld übersteigt (§ 31 Sätze 4, 6, 7 EStG).
22 
Dem deutschen Kindergeld vergleichbare ausländische Leistungen i.S. von § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG und ausländische Familienleistungen i.S. der (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorgehenden) Prioritätsregelung in Art. 68 der -ab dem 1. April 2012 (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Anhangs II des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 31. März 2012 i.V.m. dem Beschluss Nr. 1/2012 des gemischten Ausschusses, Amtsblatt der Europäischen Union -ABlEU- 2012 Nr. L 103, 51)- auch im Verhältnis zur Schweiz anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABlEU 2004 Nr. L 166, 1) in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung (VO Nr. 883/2004) werden im Rahmen des Familienleistungsausgleichs gemäß § 31 EStG berücksichtigt und unterliegen daher nicht der Einkommensteuer.
23 
a) Mit dem deutschen Kindergeld vergleichbare ausländische Leistungen i.S. von § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG liegen vor, wenn diese Leistungen nach ausländischen Rechtsvorschriften zu zahlen sind und ihrem Sinn und Zweck nach ebenfalls dem Familienleistungsausgleich dienen. Da durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nur funktionsgleiche staatliche Doppelleistungen verhindert werden sollen, muss die vergleichbare Leistung aufgrund gesetzlicher Vorschriften gezahlt werden. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, folgt jedoch aus dem Regelungszweck (vgl. Wendl in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Dokumentstand 6/2020, § 65 EStG, Rn. 8).
24 
Ist der persönliche und sachliche Geltungsbereich der VO Nr. 883/2004 eröffnet und liegen konkurrierende Ansprüche im Sinne der Verordnung vor, dann sind die Ansprüche ausschließlich nach Art. 68 der VO Nr. 883/2004 zu koordinieren. Diese Prioritätsregelung ist gegenüber § 65 EStG grundsätzlich vorrangig (BFH-Urteil vom 25. Juli 2019 III 34/18, BStBl II 2021, 20). Nach Art. 3 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 fallen in den sachlichen Geltungsbereich alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bis j der VO Nr. 883/2004 aufgeführten Leistungsarten betreffen. Rechtsvorschriften sind nach der Definition in Art. 1 Buchst. l Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Art. 3 Abs. 1 der VO 883/2004 genannten Zweige der sozialen Sicherheit. In Art. 1 Buchst. l Abs. 2 der VO Nr. 883/2004 wird klargestellt, dass der Begriff der Rechtsvorschrift keine tarifvertraglichen Vereinbarungen umfasst, mit Ausnahme derjenigen, durch die eine Versicherungsverpflichtung, die sich aus Gesetzen oder Verordnungen ergibt, erfüllt wird. Zu den relevanten Leistungsarten gehören u.a. Familienleistungen (Art. 3 Abs. 1 Buchst. j). Als Familienleistungen werden nach Art. 1 Buchst. z der VO Nr. 883/2004 alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, ausgenommen Unterhaltsvorschüsse und besondere Geburts- und Adoptionsbeihilfe, bezeichnet.
25 
b) Nach diesen Grundsätzen ist die auf Grundlage von Ziff. 2.16.2 „Sozialzulagen“ des Firmenvertrags an den Kläger ausgezahlte Familienzulage weder eine ausländische Familienleistung i.S. der (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorgehenden) Prioritätsregelung in Art. 68 der VO Nr. 883/2004 noch eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung i.S. von § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG.
26 
Dies folgt, ohne dass es auf den Zweck der Familienzulage noch ankäme, bereits aus dem Umstand, dass der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Familienzulage (285 CHF/Monat) ausschließlich auf seinem Arbeitsvertrag mit der A AG i.V.m. den „Arbeitsrechtlichen Bestimmungen“ des Firmenvertrags (vgl. Ziff. 9 des Arbeitsvertrags) beruht. Nach Ziff. 2.15.2 des Firmenvertrags setzt sich das Gehalt aus Grundgehalt (vgl. Ziff. 6 des Arbeitsvertrags) und Sozialzulagen zusammen. Als Sozialzulagen erhalten Mitarbeitende mit Anspruch auf eine Kinder- oder Ausbildungszulage gemäß Art. 3 und 5 FamZG nach Ziff. 2.16.2 des Firmenvertrags neben der Kinder- oder Ausbildungszulage gemäß Art. 3 und 5 FamZG eine Familienzulage. Da die Familienzulage nicht in einem Gesetz, wie z.B. § 6 i.V.m. § 19 BesVO, sondern nur in dem Anstellungsreglement des Klägers (bzw. einem Gesamtarbeitsvertrag für andere Mitarbeiter der A AG), dem Firmenvertrag, vorgesehen ist, gilt sie, unabhängig davon, dass die Anspruchsvoraussetzungen denen der Kinder- oder Ausbildungszulage gemäß Art. 3 und 5 FamZG entsprechen, nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 FamZG nicht als Familienzulage i. S. des FamZG. Im Gegensatz zu der Kinder- oder Ausbildungszulage, die dem Kläger aufgrund der gesetzlichen Regelung in Art. 3 und 5 FamZG zusteht und die vom Arbeitgeber (lediglich) mit dem Gehalt ausgezahlt wird, handelt es sich bei der vorliegend streitigen Familienzulage vielmehr um eine Zulage, zu deren Leistung die A AG nicht durch Gesetz verpflichtet ist, sondern die sie freiwillig auf Grundlage einer arbeits- bzw. tarifvertraglichen Vereinbarung gewährt. Derartige arbeits- bzw. tarifvertragliche Zulagen werden nicht von der Prioritätsregelung in Art. 68 der VO Nr. 883/2004 umfasst, da sie nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. l Abs. 2 der VO Nr. 883/2004 nicht in den sachlichen Geltungsbereich der VO Nr. 883/2004 fallen. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlage der Familienzulage handelt es sich auch nicht um eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare ausländische Leistung i.S. von § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG.
27 
Insoweit unterscheidet sich der hier zu entscheidende Sachverhalt wesentlich von dem mit BFH-Urteil (in BStBl II 2013, 24) entschiedenen Fall einer Familienzulage nach § 6 i.V.m. § 19 BesVO. Denn die BesVO entspricht den in Art. 1 Buchst. l Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 genannten Kriterien, die an eine Rechtsvorschrift über Zweige der sozialen Sicherheit zu stellen sind, so dass der sachliche Anwendungsbereich der VO Nr. 883/2004 eröffnet ist. Zudem handelt es sich bei der nach § 6 i.V.m. § 19 BesVO zu gewährenden Familienzulage nach Auffassung des BFH auch um eine staatliche Leistung zum Ausgleich von Familienlasten (a.A. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. November 2008 3 K 2540/70, EFG 2009, 853).
28 
c) In der Folge ist die dem Kläger gemäß Ziff. 2.16.2 des Firmenvertrags neben der Kinder- und Ausbildungszulage gezahlte Familienzulage nicht im Rahmen des Familienleistungsausgleichs zu berücksichtigen. Dies bedeutet zum einen, dass die Familienzulage nicht einen Anspruch des Klägers auf Differenzkindergeld nach §§ 62 ff. EStG mindert, und zum andern, dass die Familienzulage nicht als dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung steuerfrei zu stellen ist.
29 
2. In der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Familienzulagen, die aufgrund einer Rechtsvorschrift i.S. von Art. 1 Buchst. l Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 beruhen und infolgedessen in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 68 der VO Nr. 883/2004 fallen, und solchen, die auf Grundlage einer tarifvertraglichen Vereinbarung gewährt werden und deshalb vom sachlichen Anwendungsbereich von Art. 68 der VO Nr. 883/2004 ausgenommen sind, vermag das Gericht keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zu erkennen.
30 
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 14. Juni 2016 2 BvR 290/10, BStBl II 2016, 801, m.w.N.).
31 
b) Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze widerspricht die im Streitfall anzuwendende Gesetzeslage nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz. Die von den Klägern dargelegte steuerliche Ungleichbehandlung der an Mitarbeiter des Kantons Thurgau gemäß §  6 i.V.m. § 19 BesVO ausgereichten Familienzulage einerseits und der Mitarbeitern privater Arbeitgeber aufgrund tarifvertraglicher Regelungen gewährten Familienzulage andererseits ist nicht willkürlich. Die durch europäisches Recht vorgegebene Einschränkung des Familienleistungsausgleichs auf dem Anwendungsbereich der VO Nr. 883/2004 unterfallende staatliche Rechtsvorschriften ist als sachlicher Differenzierungsgrund anzuerkennen.
32 
Indem die an Mitarbeiter privater Arbeitgeber aufgrund arbeits- bzw. tarifvertraglicher Regelungen (zusätzlich zu der Schweizer Kinder- bzw. Ausbildungszulage gewährte) gezahlte Familienzulage -anders als die Familienzulage nach § 6 i.V.m. § 19 BesVO- nicht auf den Anspruch auf deutsches (Differenz)Kindergeld angerechnet wird, wird die vom Gesetzgeber getroffene Belastungsentscheidung auch folgerichtig umgesetzt.
33 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Familienzulage nach § 6 i.V.m. § 19 BesVO und arbeits- bzw. tarifvertraglichen Familienzulagen eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Kläger begründet, wurde nicht in hinreichend fundierter Weise dargelegt.

Gründe

 
18 
I. Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis damit erklärt haben (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
19 
II. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
20 
Der Einkommensteuerbescheid 2019 vom 2. September 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2021 ist rechtmäßig. Die vom Kläger bezogene Familienzulage ist nicht im Rahmen des gemäß § 31 EStG durchzuführenden Familienleistungsausgleichs steuerfrei zu stellen, da die Familienzulage nicht als eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare ausländische Familienleistung anzusehen ist.
21 
1. Nach § 31 Satz 1 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Bedarfs für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG bewirkt. Ist der Abzug der Freibeträge für Kinder günstiger als der Anspruch auf Kindergeld, erhöht sich die unter Berücksichtigung des Abzugs der Freibeträge für Kinder ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld. Dies gilt entsprechend für mit dem Kindergeld vergleichbare Leistungen nach § 65 EStG. Besteht nach einem ausländischen Recht Anspruch auf Leistungen für Kinder, wird dieser insoweit nicht berücksichtigt, als er das inländische Kindergeld übersteigt (§ 31 Sätze 4, 6, 7 EStG).
22 
Dem deutschen Kindergeld vergleichbare ausländische Leistungen i.S. von § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG und ausländische Familienleistungen i.S. der (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorgehenden) Prioritätsregelung in Art. 68 der -ab dem 1. April 2012 (vgl. Art. 1 Abs. 1 des Anhangs II des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 31. März 2012 i.V.m. dem Beschluss Nr. 1/2012 des gemischten Ausschusses, Amtsblatt der Europäischen Union -ABlEU- 2012 Nr. L 103, 51)- auch im Verhältnis zur Schweiz anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABlEU 2004 Nr. L 166, 1) in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung (VO Nr. 883/2004) werden im Rahmen des Familienleistungsausgleichs gemäß § 31 EStG berücksichtigt und unterliegen daher nicht der Einkommensteuer.
23 
a) Mit dem deutschen Kindergeld vergleichbare ausländische Leistungen i.S. von § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG liegen vor, wenn diese Leistungen nach ausländischen Rechtsvorschriften zu zahlen sind und ihrem Sinn und Zweck nach ebenfalls dem Familienleistungsausgleich dienen. Da durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nur funktionsgleiche staatliche Doppelleistungen verhindert werden sollen, muss die vergleichbare Leistung aufgrund gesetzlicher Vorschriften gezahlt werden. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, folgt jedoch aus dem Regelungszweck (vgl. Wendl in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Dokumentstand 6/2020, § 65 EStG, Rn. 8).
24 
Ist der persönliche und sachliche Geltungsbereich der VO Nr. 883/2004 eröffnet und liegen konkurrierende Ansprüche im Sinne der Verordnung vor, dann sind die Ansprüche ausschließlich nach Art. 68 der VO Nr. 883/2004 zu koordinieren. Diese Prioritätsregelung ist gegenüber § 65 EStG grundsätzlich vorrangig (BFH-Urteil vom 25. Juli 2019 III 34/18, BStBl II 2021, 20). Nach Art. 3 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 fallen in den sachlichen Geltungsbereich alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bis j der VO Nr. 883/2004 aufgeführten Leistungsarten betreffen. Rechtsvorschriften sind nach der Definition in Art. 1 Buchst. l Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Art. 3 Abs. 1 der VO 883/2004 genannten Zweige der sozialen Sicherheit. In Art. 1 Buchst. l Abs. 2 der VO Nr. 883/2004 wird klargestellt, dass der Begriff der Rechtsvorschrift keine tarifvertraglichen Vereinbarungen umfasst, mit Ausnahme derjenigen, durch die eine Versicherungsverpflichtung, die sich aus Gesetzen oder Verordnungen ergibt, erfüllt wird. Zu den relevanten Leistungsarten gehören u.a. Familienleistungen (Art. 3 Abs. 1 Buchst. j). Als Familienleistungen werden nach Art. 1 Buchst. z der VO Nr. 883/2004 alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, ausgenommen Unterhaltsvorschüsse und besondere Geburts- und Adoptionsbeihilfe, bezeichnet.
25 
b) Nach diesen Grundsätzen ist die auf Grundlage von Ziff. 2.16.2 „Sozialzulagen“ des Firmenvertrags an den Kläger ausgezahlte Familienzulage weder eine ausländische Familienleistung i.S. der (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorgehenden) Prioritätsregelung in Art. 68 der VO Nr. 883/2004 noch eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung i.S. von § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG.
26 
Dies folgt, ohne dass es auf den Zweck der Familienzulage noch ankäme, bereits aus dem Umstand, dass der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Familienzulage (285 CHF/Monat) ausschließlich auf seinem Arbeitsvertrag mit der A AG i.V.m. den „Arbeitsrechtlichen Bestimmungen“ des Firmenvertrags (vgl. Ziff. 9 des Arbeitsvertrags) beruht. Nach Ziff. 2.15.2 des Firmenvertrags setzt sich das Gehalt aus Grundgehalt (vgl. Ziff. 6 des Arbeitsvertrags) und Sozialzulagen zusammen. Als Sozialzulagen erhalten Mitarbeitende mit Anspruch auf eine Kinder- oder Ausbildungszulage gemäß Art. 3 und 5 FamZG nach Ziff. 2.16.2 des Firmenvertrags neben der Kinder- oder Ausbildungszulage gemäß Art. 3 und 5 FamZG eine Familienzulage. Da die Familienzulage nicht in einem Gesetz, wie z.B. § 6 i.V.m. § 19 BesVO, sondern nur in dem Anstellungsreglement des Klägers (bzw. einem Gesamtarbeitsvertrag für andere Mitarbeiter der A AG), dem Firmenvertrag, vorgesehen ist, gilt sie, unabhängig davon, dass die Anspruchsvoraussetzungen denen der Kinder- oder Ausbildungszulage gemäß Art. 3 und 5 FamZG entsprechen, nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 FamZG nicht als Familienzulage i. S. des FamZG. Im Gegensatz zu der Kinder- oder Ausbildungszulage, die dem Kläger aufgrund der gesetzlichen Regelung in Art. 3 und 5 FamZG zusteht und die vom Arbeitgeber (lediglich) mit dem Gehalt ausgezahlt wird, handelt es sich bei der vorliegend streitigen Familienzulage vielmehr um eine Zulage, zu deren Leistung die A AG nicht durch Gesetz verpflichtet ist, sondern die sie freiwillig auf Grundlage einer arbeits- bzw. tarifvertraglichen Vereinbarung gewährt. Derartige arbeits- bzw. tarifvertragliche Zulagen werden nicht von der Prioritätsregelung in Art. 68 der VO Nr. 883/2004 umfasst, da sie nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. l Abs. 2 der VO Nr. 883/2004 nicht in den sachlichen Geltungsbereich der VO Nr. 883/2004 fallen. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Grundlage der Familienzulage handelt es sich auch nicht um eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare ausländische Leistung i.S. von § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG.
27 
Insoweit unterscheidet sich der hier zu entscheidende Sachverhalt wesentlich von dem mit BFH-Urteil (in BStBl II 2013, 24) entschiedenen Fall einer Familienzulage nach § 6 i.V.m. § 19 BesVO. Denn die BesVO entspricht den in Art. 1 Buchst. l Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 genannten Kriterien, die an eine Rechtsvorschrift über Zweige der sozialen Sicherheit zu stellen sind, so dass der sachliche Anwendungsbereich der VO Nr. 883/2004 eröffnet ist. Zudem handelt es sich bei der nach § 6 i.V.m. § 19 BesVO zu gewährenden Familienzulage nach Auffassung des BFH auch um eine staatliche Leistung zum Ausgleich von Familienlasten (a.A. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. November 2008 3 K 2540/70, EFG 2009, 853).
28 
c) In der Folge ist die dem Kläger gemäß Ziff. 2.16.2 des Firmenvertrags neben der Kinder- und Ausbildungszulage gezahlte Familienzulage nicht im Rahmen des Familienleistungsausgleichs zu berücksichtigen. Dies bedeutet zum einen, dass die Familienzulage nicht einen Anspruch des Klägers auf Differenzkindergeld nach §§ 62 ff. EStG mindert, und zum andern, dass die Familienzulage nicht als dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung steuerfrei zu stellen ist.
29 
2. In der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Familienzulagen, die aufgrund einer Rechtsvorschrift i.S. von Art. 1 Buchst. l Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 beruhen und infolgedessen in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 68 der VO Nr. 883/2004 fallen, und solchen, die auf Grundlage einer tarifvertraglichen Vereinbarung gewährt werden und deshalb vom sachlichen Anwendungsbereich von Art. 68 der VO Nr. 883/2004 ausgenommen sind, vermag das Gericht keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zu erkennen.
30 
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 14. Juni 2016 2 BvR 290/10, BStBl II 2016, 801, m.w.N.).
31 
b) Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze widerspricht die im Streitfall anzuwendende Gesetzeslage nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz. Die von den Klägern dargelegte steuerliche Ungleichbehandlung der an Mitarbeiter des Kantons Thurgau gemäß §  6 i.V.m. § 19 BesVO ausgereichten Familienzulage einerseits und der Mitarbeitern privater Arbeitgeber aufgrund tarifvertraglicher Regelungen gewährten Familienzulage andererseits ist nicht willkürlich. Die durch europäisches Recht vorgegebene Einschränkung des Familienleistungsausgleichs auf dem Anwendungsbereich der VO Nr. 883/2004 unterfallende staatliche Rechtsvorschriften ist als sachlicher Differenzierungsgrund anzuerkennen.
32 
Indem die an Mitarbeiter privater Arbeitgeber aufgrund arbeits- bzw. tarifvertraglicher Regelungen (zusätzlich zu der Schweizer Kinder- bzw. Ausbildungszulage gewährte) gezahlte Familienzulage -anders als die Familienzulage nach § 6 i.V.m. § 19 BesVO- nicht auf den Anspruch auf deutsches (Differenz)Kindergeld angerechnet wird, wird die vom Gesetzgeber getroffene Belastungsentscheidung auch folgerichtig umgesetzt.
33 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Familienzulage nach § 6 i.V.m. § 19 BesVO und arbeits- bzw. tarifvertraglichen Familienzulagen eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Kläger begründet, wurde nicht in hinreichend fundierter Weise dargelegt.

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