Urteil vom Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt (4. Senat) - 4 K 877/04

Tenor

Der Einheitswertbescheid des Beklagten vom 12. November 2003 und dessen Einspruchsbescheid vom 21. April 2004 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Einheitswertes des Grundstückes F.-Allee 26 (zuvor: F.-Allee 29) in der – nordöstlich von Y. gelegenen – Gemeinde V. , auf dem sich mehrere - überwiegend leerstehende - Gebäude befinden.

2

Das Grundstück besteht aus den beiden Flurstücken 30 (1.600 m²) und 70 (450 m²) der Flur 72 in der Gemarkung V . Das in etwa rechteckig geschnittene Grundstück befindet sich im Zentrum der Gemeinde V . Es grenzt mit seiner nach Osten gerichteten, etwa 30 m langen Schmalseite an die F.-Allee an.

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Auf dem Grundstück befindet sich eine Hofstelle, die zwei Wohneinheiten mit zusammen 228,48 m² Wohnfläche sowie drei Werkstätten und einen Schuppen mit einer überbauten Grundfläche von ca. 532 m² umfasst. Die Stromzuführung ist über eine Freileitung möglich. Für die Abwasserentsorgung ist eine Sammelgrube vorgesehen. Teile des Grundstückes wurden seit 1992 – vertragslos – von der L.P.G. GmbH bzw. einem Dritten genutzt.

4

Das Flurstück 30 wurde der XZ-gesellschaft mbH mit Vermögenszuordnungsbescheid vom 30. November 1995 und das Flurstück 70 der XZ-gesellschaft mbH mit Vermögenszuordnungsbescheid vom 16. Februar 1999 zugeordnet.

5

Die XZ-gesellschaft mbH brachte das Grundstück am 15. September 2000 zur Versteigerung. In den entsprechenden Versteigerungsunterlagen finden sich folgende Angaben zu dem Grundstück:

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Leerstehender Altbau in (PLZ) V., F.-Allee 29
Wohnhaus mit Nebengebäuden, Baujahr ca. 1905, Grundstücksgröße ca. 2.012 m² bestehend aus 2 Flurstücken.
2 Wohnungen mit insgesamt ca. 228 m². Nutzfläche Nebengebäude ca. 200 m², vertragslos genutzt, entgegen Katalogangabe mit ca. 532 m².
Ofenheizung, unzureichende Sanitärausstattung.
Die Zierelemente an der Fassade sind teilweise zerstört. Das Dach ist teilweise schadhaft, die Schornsteinköpfe sind marode. Müll und Unrat lagern im Objekt. Am und innerhalb des Objektes sind allumfassende Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich. Das Objekt steht unter Denkmalschutz.

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Bau- und Wohnungsaufsicht teilt mit Schreiben vom 14.08.00 folgendes mit:
Es sind keine Auflagen oder Mängel vorhanden. Am Altbau grenzen Werkstatt- und Lagerräume an. Das Objekt ist als zentrale Ortslage und im Flächennutzungsplan als Dorfgebiet ausgewiesen. Bebaubar nach § 34 BauGB.
Bezirksschornsteinfegermeister: Bisher keine Antwort

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Eintragungen im Grundbuch:
Abt. II und III:
Keine Eintragungen
Das Objekt wird verkauft, wie besichtigt/nicht besichtigt, ohne Gewährleistung für genaue Flächengröße, Güte, Beschaffenheit, Bebaubarkeit und Bodenkontaminierung oder sichtbare bzw. nicht sichtbare Mängel sowie ohne Räumungsverpflichtung des Verkäufers.
Mindestgebot (Auktionslimit): DM 9.000,--

9

Gemäß Veräußerungsmitteilung des beurkundenden Notars vom 15. September 2000 erwarb die Klägerin das Grundstück für 27.000,00 DM.

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Nachdem eine Feststellungserklärung nicht eingereicht worden war, stellte der Beklagte den Einheitswert im Wege der Schätzung auf den 01. Januar 1997 auf 27.600,00 DM fest, rechnete das Grundstück der XZ-gesellschaft mbH zu und stellte als Grundstücksart „gemischtgenutztes Grundstück“ fest. Den hierzu erlassenen Einheitswertbescheid vom 19. September 2001 adressierte er an die Klägerin und parallel dazu an die XZ-gesellschaft mbH .

11

Der Beklagte forderte die Klägerin im Verlaufe des Jahres 2001 zur Abgabe einer Feststellungserklärung auf. Hierzu teilte die Klägerin mit, dass sie keinen Grund sehe, von der auf den 01. Januar 1997 vorgenommenen Schätzung abzuweichen, denn der Einheitswert könne sich allenfalls verringert haben, da das Bauteil 1 zwischenzeitlich Ruinencharakter habe, das Dach undicht sei und keine Versorgungsleitungen [Trink-, Abwasser- oder Stromanschluss] vorhanden seien. Außerdem reichte die Klägerin eine Feststellungserklärung auf den 01. Januar 2001 ein. Im Folgenden verständigten sich der Beklagte und die Klägerin, dass der Einheitswert geschätzt werden solle, da weitere Unterlagen zum Gebäude oder zur Feststellung der Baumängel und -schäden nicht vorlägen und ein grundlegender Umbau des Grundstückes geplant sei, der dann ohnehin eine erneute Bewertung erfordere. Der Beklagte rechnete das Grundstück mit Einheitswertbescheid vom 28. März 2002im Wege der Zurechnungsfortschreibung auf den 01. Januar 2001 der Klägerin zu, ohne den festgestellten Einheitswert [27.600,00 DM (14.111,00 Euro)] oder die Artfeststellung (gemischtgenutztes Grundstück) zu ändern.

12

Zur Begründung ihres dagegen gerichteten Einspruchs führte die Klägerin an, dass Trink-, Abwasser- und Stromversorgungsleitungen für das Grundstück nicht vorhanden seien, und schilderte den Zustand der Baulichkeiten. Der in dem Bescheid genannte Einheitswert sei höher als der – durch ein Wettsteigern in die Höhe gegangene – Kaufpreis von 27.000,00 DM und liege erheblich über dem von der XZ-gesellschaft mbH ermittelten „Verkehrswert“ (9.000,00 DM). Der „hintere Lagerbereich“ sei einem Dritten unentgeltlich zur Nutzung überlassen, weil angesichts des nur notdürftig abgedichteten Daches und anderer Mängel eine Vermietung nicht möglich sei. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass das bei der Versteigerung zugrunde gelegte Mindestgebot – hier: 9.000,00 DM – in der Regel dem Verkehrswert des jeweiligen Anwesens entspreche. Der Beklagte wertete den Einspruch – nach entsprechender ausdrücklicher Klarstellung der Klägerin, dass ihr Einspruch sich ausschließlich gegen die Höhe des Einheitswertes richte – nicht als Einspruch, sondern als Antrag auf Wertfortschreibung.

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Die von dem Beklagten beauftragte Bausachverständige kam im Rahmen einer am 08. Oktober 2003 durchgeführten Ortsbesichtigung zu dem Ergebnis, dass das Grundstück nicht als (unbebautes) Bauland bewertet werden könne, weil die Schäden an den konstruktiven, die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden Bauteilen noch nicht so erheblich seien, dass von einem dem Verfall preisgegebenen Gebäude ausgegangen werden könne. Die Bauteile des Hauses seien altersentsprechend verschlissen und abgenutzt. Da das Haus nicht den heutigen Anforderungen an Wohnraum genüge, sei es nicht vermietbar. Diesem Umstand könne jedoch nur durch Verminderung des Mietansatzes und einen Abschlag wegen Bauschäden Rechnung getragen werden. Hinsichtlich des Wohnhauses (Bauteil 1) stellte die Bausachverständige fest, dass die etwa 158 m² umfassenden Räume ursprünglich mit einer Ofenheizung ausgestattet gewesen, diese aber nicht mehr vorhanden sei; es sei auch kein Bad und kein Innen-WC vorhanden. Es sei daher bei der Bewertung ein Mietzins von 0,30 DM/m² anzusetzen. Im Übrigen brachte die Bausachverständige unter Verwendung des entsprechenden Bewertungsbogens in erheblichem Umfang Schäden zur Anrechnung, z.B. Installation (100 % Beschädigung), Fenster (80 % Beschädigung), Heizung (100 % Beschädigung), Dachhaut (50 % Beschädigung), Dachstuhl (30 % Beschädigung), Dachrinne und -rohre (20 % Beschädigung). Hinsichtlich der zweiten, im Bauteil 2 vorhandenen, etwa 70 m² großen Wohnung vermerkte die Bausachverständige, dass eine Besichtigung nicht möglich gewesen sei. Die Wohnung sei bis etwa 1996 bewohnt gewesen und mit Bad und Ofenheizung ausgestattet. Als Mietzins sei ein Betrag von 0,50 DM/m² anzusetzen; die Bauschäden seien pauschal mit 15 % in Ansatz zu bringen. Für das Bauteil 3 – Werkstatt – brachte die Bausachverständige ähnlich dem Bauteil 1 Bauschäden in Ansatz.

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Auf der Grundlage des Ergebnisses der Ortsbesichtigung stellte der Beklagte mit Einheitswertbescheid vom 12. November 2003 im Wege der Wertfortschreibung auf den 01. Januar 2001 einen Einheitswert in Höhe von 36.800,00 DM (18.815,00 Euro) fest.

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Zur Begründung ihres dagegen gerichteten Einspruchs führte die Klägerin an, der Ansatz des Beklagten sei „ganz einfach falsch“. Sie – die Klägerin – weise nochmals darauf hin, dass das Grundstück nicht „erschlossen“ sei, weil kein Trinkwasser-, Abwasser-, Gas- oder Stromanschluss vorhanden sei. Der Nutzer der Lagerhalle habe - lediglich provisorisch - einen Stromanschluss für den von ihm genutzten Teil der Gebäude gelegt. Weiterhin machte der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, er habe das Grundstück mit einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen in Augenschein genommen. Der Sachverständige setze die Gewerke Dachhaut, Türen und Fenster, Hausinstallation, Dachrinnen und Fallrohre, Treppen sowie Bodenbeläge als zu 100 % abgenutzt an. Der Dachstuhl sei an manchen Stellen bereits verfault. Die Dachhaut sei wirtschaftlich sinnvoll nicht auszubessern. Auf die Anregung des Beklagten, ein entsprechendes Gutachten vorzulegen, teilte die Klägerin mit, die Erstellung eines Gutachtens sei „nicht verhältnismäßig, da der Bauzustand (eigentlich ein abrisswürdiges Hauptgebäude und ein Nebengebäude, dass weder Wasser- noch Kanalanschluss hat und bei dem es einregnet) offensichtlich“ sei. Ergänzend legte die Klägerin eine Bestätigung des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Schäden an Gebäuden Dipl. Ing. Q. vom ( . . ) 2004 vor, in der dieser nach Besichtigung des Anwesens bestätigt, dass „für den Fall einer wirtschaftlichen Verwertung (Vermietung oder Verpachtung) die komplette Dachhaut des Haupthauses sowie alle im Anwesen befindlichen Installationen (Elektro, Heizung und Sanitär) sowie die Dachrinnen, die Fallrohre, die Treppen, die Bodenbeläge sowie die Türen und Fenster auszutauschen sind. Dies bedeutet, dass das Anwesen in den Rohbauzustand zurückzubauen ist.“

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Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 21. April 2004 als unbegründet zurück. Er führt hierzu an, er habe dem schlechten Zustand der Immobilie durch Berücksichtigung entsprechender Abschläge hinreichend Rechnung getragen. Daran könne auch die Bestätigung des Sachverständigen Q. nichts ändern, denn aus dieser Bestätigung ergäben sich keine neuen, bisher nicht berücksichtigten Mängel.

17

Die Klägerin hat am 11. Mai 2004 Klage erhoben.

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Ergänzend zu dem bisherigen Vorbringen führt die Klägerin an, dass das Grundstück infolge „teilweise fast ruinöser Bebauung“ deutlich weniger Wert sei als ein Grundstück mit üblicher Bebauung. Tatsache sei indes, dass das Mauerwerk des Wohnhauses (Bauteil 1) Feuchtigkeitsschäden aufweise, das komplette Dach eigentlich nur noch ausgetauscht werden könne und Installationen überhaupt nicht mehr vorhanden seien. Die Dächer der Nebengebäude seien weitgehend undicht und das Mauerwerk brüchig. Die Wände seien „aufgefroren“, die Putzverbindungen zerstört. Die Gebäude seien aus wirtschaftlicher Sicht abrisswürdig. Ein Sachverständigengutachten werde jedoch aus Kostengründen nicht beantragt. Im Übrigen habe sie – die Klägerin – das Grundstück F.-Allee 29 erworben, nicht das bewertete und ihr zugerechnete Grundstück F.-Allee 26.

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Die Klägerin beantragt,

20

den Einheitswertbescheid des Beklagten vom 12. November 2003 in der Gestalt, die dieser durch den Einspruchsbescheid vom 21. April 2004 gefunden hat, aufzuheben.

21

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

23

Er weist darauf hin, dass der zunächst im Wege der Schätzung ermittelte Einheitswert die vorhandene Bebauung nur teilweise erfasse, denn bei der Ortsbesichtigung habe sich herausgestellt, dass nicht alle tatsächlich vorhandenen Gebäude und Gebäudeteile bewertet worden seien. Soweit die Klägerin auf die Bestätigung des Sachverständigen Q. hinweise, sei zu beachten, dass die Aufwendungen für aufgestaute Instandhaltungsarbeiten nicht wertmindernd berücksichtigt werden könnten. Hinsichtlich der Hausnummer habe die Gemeindeverwaltung mitgeteilt, dass die Hausnummer im Jahre 1999 von „29“ in „26“ umgestellt worden sei.

24

Dem Senat hat bei seiner Entscheidung ein Band Akten des Beklagten einschließlich der Einspruchsheftung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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I. Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung, denn die Beteiligten haben nach der am 20. Oktober 2009 durchgeführten mündlichen Verhandlung mit Schriftsätzen vom 24. November 2009 und vom 25. November 2009 auf eine (weitere) mündliche Verhandlung verzichtet.

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II. Die zulässige Klage ist begründet.

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Der angefochtene Einheitswertbescheid des Beklagten vom 12. November 2003 ist in der Gestalt, die dieser durch den Einspruchsbescheid vom 21. April 2004 gefunden hat, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten [§ 100 Abs. 1 FGO].

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Die Klägerin vermag der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einheitswertfeststellung allerdings nicht mit Erfolg entgegenzuhalten, dass sie nicht Eigentümerin des ihr zugerechneten Grundstückes sei und der Einheitswertbescheid schon aus diesem Grunde fehlerhaft sei. Abgesehen davon, dass Gegenstand des Streitverfahrens allein die Wert- und nicht die Zurechnungsfortschreibung ist, hat der Beklagte auf den dahingehenden Einwand der Klägerin nachvollziehbar dargelegt, dass die Hausnummer des Grundstückes der Klägerin geändert wurde. Damit übereinstimmend ist dem gesamten Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten durchgängig zu entnehmen, dass Gegenstand der Bewertung die - zunächst unter der Bezeichnung „F.-Allee 29“ und später als „F.-Allee 26“ geführten - Flurstücke 30 und 70 sind. Der Senat hat vor diesem Hintergrund keine Zweifel daran, dass das bewertete Grundstück mit der Bezeichnung „F.-Allee 26“ eindeutig umschrieben und der Einheitswertbescheid deshalb im Sinne des § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) inhaltlich hinreichend bestimmt ist.

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Als Rechtsgrundlage der angefochtenen Wertfortschreibung auf den 01. Januar 2001 kommt allein § 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) in Betracht. Diese Vorschrift vermag die im Streit stehende Wertfeststellung jedoch nicht zu rechtfertigen, weil die in dieser Bestimmung aufgeführten Wertfortschreibungsgrenzen nicht erreicht bzw. überschritten werden.

30

Nach § 22 Abs. 1 BewG wird der Einheitswert neu festgestellt, wenn der in Deutsche Mark ermittelte und auf volle hundert Deutsche Mark abgerundete Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahrs ergibt, von dem entsprechenden Wert des letzten Feststellungszeitpunktes nach oben um mehr als den zehnten Teil, mindestens aber um 5.000,00 DM, oder um mehr als 100.000,00 DM, nach unten um mehr als den zehnten Teil, mindestens aber um 500,00 DM, oder um mehr als 5.000,00 DM, abweicht. Gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 BewG findet eine Fortschreibung nach § 22 Abs. 1 BewG auch zur Beseitigung eines Fehlers der Feststellung statt.

31

Der Einheitswert bemisst sich im Streitfall nach § 129 Abs. 1 BewG und nach den Bestimmungen des Bewertungsgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik – BewG DDR – und der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz für die Bewertung des Vermögens – RBewDV – , denn das Grundstück der Klägerin ist im Beitrittsgebiet belegen.

32

Für Grundstücke, die im Beitrittsgebiet belegen sind, bestimmt § 129 Abs. 1 des BewG, dass die Einheitswerte gelten, die nach den Wertverhältnissen am 01. Januar 1935 festgestellt sind oder noch festgestellt werden. Gemäß § 129 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BewG werden für die Ermittlung dieser Einheitswerte (vorbehaltlich der §§ 129 a, 130, 131 BewG) statt der §§ 27, 64 - 68 BewG die §§ 10, 11 Abs. 1, 2 und 3 Satz 2, 50 – 53 BewG DDR und die §§ 3 a Abs. 1, 32 - 46 RBewDV weiter angewendet.

33

Gemäß § 33 Abs. 1 RBewDV (RStBl. 1935, S. 189, 193) sind gemischtgenutzte Grundstücke mit einem Vielfachen der Jahresrohmiete zu bewerten. Die Jahrsrohmiete ist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 RBewDV das Gesamtentgelt (eigentliche Miete, Umlagen und alle sonstigen Leistungen abzüglich der Kosten für Heizung, Betriebskosten etc.), das die Mieter oder Pächter für die Benutzung des Grundstückes aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher Bestimmungen nach dem Stand zum Feststellungszeitpunkt, umgerechnet auf ein Jahr, zu entrichten haben. Wird eine Miete oder Pacht tatsächlich nicht gezahlt, ist gemäß § 34 Abs. 4 RBewDV die übliche Miete als Jahresrohmiete in Ansatz zu bringen.

34

Unter Zugrundelegung dieser Bestimmungen erweist sich die angefochtene Feststellung des Einheitswertes als fehlerhaft, soweit der Beklagte auch in Bezug auf das Wohnhaus (Bauteil 1) eine Jahresrohmiete errechnet und in die Ermittlung des Einheitswertes hat einfließen lassen. Bleibt die auf das Wohnhaus (Bauteil 1) entfallende Jahresrohmiete außer Ansatz, errechnet sich unter Zugrundelegung der von dem Beklagten angewandten Methode, den Einheitswert nach dem Ertragswert zu ermitteln, eine Erhöhung des Einheitswertes um lediglich 4.900,00 DM. Dies hat zur Folge, dass die vorgenommene Wertfortschreibung unzulässig (rechtswidrig) ist, weil § 22 Abs. 1 BewG vorgibt, dass eine Wertfortschreibung erst erfolgen darf, wenn sich der Einheitswert um mindestens 5.000,00 DM erhöht.

35

1. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Regelung des § 33 a Abs. 1 RBewDV. Auf Grund dieser Regelung ist in Bezug auf das Wohnhaus (Bauteil 1) bewertungsrechtlich davon auszugehen, dass insoweit eine Bebauung des Grundstückes nicht (mehr) vorliegt.

36

Nach § 33 a Abs. 1 RBewDV ist bei Grundstücken, die sich im Zustand der Bebauung befinden, nur der Grund und Boden zu bewerten. Der Begriff der „Bebauung“ wird in diesem Zusammenhang in Abgrenzung zum „bebauten Grundstück“ verwandt, denn die Werte von Gebäuden sind nach § 33 a RBewDV erst dann bei der Feststellung des Einheitswertes in Ansatz zu bringen, wenn Bezugsfertigkeit gegeben ist. Dies bedeutet ferner, dass der Wert von Gebäuden dann nicht mehr in die Feststellung des Einheitswertes einfließt, wenn die Gebäude nicht mehr nutzbar sind.

37

§ 33 a Abs. 2 RBewDV regelt allerdings nur, wann aus einem Grundstück im Zustand der Bebauung ein bebautes Grundstück wird. Danach tritt der Übergang zum bebauten Grundstück mit der Bezugsfertigkeit des darauf errichteten Gebäudes ein. Dabei ist die Bezugsfertigkeit anzunehmen, sobald dem künftigen Benutzer des Gebäudes zugemutet werden kann, es zu beziehen. Damit stellt bereits § 33 a Abs. 2 RBewDV ähnlich wie § 72 Abs. 1 BewG auf die Zumutbarkeit der Gebäudenutzung ab. Allerdings enthält die Vorschrift keine ausdrückliche Regelung darüber, wonach sich das Ende der Benutzbarkeit richtet; wird aber der Übergang vom Grundstück im Zustand der Bebauung - und damit letztlich vom unbebauten Grundstück - zum bebauten Grundstück an die Zumutbarkeit der Gebäudenutzung geknüpft, ist es folgerichtig, den Rückfall des bebauten Grundstücks in den Zustand eines unbebauten Grundstücks in dem Augenblick anzunehmen, ab dem eine Gebäudenutzung nicht mehr zumutbar ist (BFH, Urteil vom 18. Dezember 2002 – II R 20/01 – BFH/NV 2003, S. 540).

38

Die Zumutbarkeit der Gebäudenutzung entfällt, wie schon § 33 a Abs. 2 RBewDV zeigt, nicht erst dann, wenn das Grundstück (Gebäude) zerstört oder dem Verfall preisgegeben und das Vorhandensein nutzbaren Raums fraglich ist. Für die Zumutbarkeit der Benutzung eines Gebäudes ist auch unbeachtlich, dass das äußere Erscheinungsbild des Bauwerks ggf. den Eindruck erweckt, es handle sich um ein bebautes Grundstück. Entscheidend ist allein, ob zur dauernden bestimmungsgemäßen Nutzung geeigneter Raum schon bzw. noch vorhanden ist. Maßgebend für die Abgrenzung zwischen unbebauten und bebauten Grundstücken - einschließlich der Beurteilung der Zumutbarkeit der Gebäudenutzung - sind jeweils die tatsächlichen Verhältnisse an dem Stichtag, auf den eine Feststellung vorzunehmen ist (BFH, Urteil vom 24. Oktober 1990 – II R 9/88 – BStBl. II 1991, S. 60). Dabei schließen auch behebbare Baumängel und Bauschäden sowie sog. aufgestauter Reparaturbedarf aufgrund von unterlassenen Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten, selbst wenn sie sich regelmäßig nur vorübergehend auf Art und Umfang der Gebäudenutzung auswirken, eine Bewertung als unbebautes Grundstück nicht aus. Ob es zumutbar ist, ein Gebäude zu benutzen, richtet sich nach seinem tatsächlichen Zustand und nicht danach, ob eine formal erforderliche Nutzungsgenehmigung vorliegt, oder nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit einer Gebäudenutzung (vgl. BFH, Urteil vom 18. Dezember 2002 – II R 20/01 – BFH/NV 2003, S. 540). Tritt die Unbenutzbarkeit eines Gebäudes zu einer Zeit ein, in der es bereits leer steht und nicht mehr benutzt wird, müssen sich die Steuerbehörden auch ohne Räumungsverfügung ein eigenes Urteil darüber bilden, ob die Benutzung eines bestimmten Gebäudes noch zumutbar ist oder nicht.

39

Für die Frage, ob eine Benutzung des Gebäudes zumutbar ist, kann nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes auf § 16 Abs. 3 des mittlerweile durch Art. 2 des Gesetzes zur Reform des Wohnungsbaurechts vom 13. September 2001 (BGBl I 2001, S. 2376) aufgehobenen Zweiten Wohnungsbaugesetzes [II. WoBauG] zurückgegriffen werden, wonach ein Raum auf Dauer nicht benutzbar ist, wenn ein zu seiner Benutzung erforderlicher Gebäudeteil zerstört ist oder wenn der Raum oder Gebäudeteil sich in einem Zustand befindet, der aus Gründen der Bau- oder Gesundheitsaufsicht eine dauernde, der Zweckbestimmung entsprechende Benutzung des Raumes nicht gestattet. Dabei ist unerheblich, ob der Raum tatsächlich benutzt wird. Diese Beschreibung dessen, was unter fehlender Benutzbarkeit zu verstehen ist, enthält eine allgemeingültige, auch auf die Grundstücksbewertung übertragbare Aussage. Sie ist auch in § 16 Abs. 2 des neuen Wohnraumförderungsgesetzes übernommen worden, wobei lediglich die „Gründe der Bau- und Gesundheitsaufsicht“ zu „bauordnungsrechtlichen Gründen“ zusammengefasst sind [BFH, Urteil vom 14. Mai 2003 – II R 14/01 – BStBl. II 2003, S. 906].

40

a) Hiervon ausgehend, ist in Bezug auf das Wohnhaus (Bauteil 1) davon auszugehen, dass eine Benutzung zu Wohnzwecken nicht mehr zumutbar ist und deshalb in Bezug auf das Grundstück davon auszugehen, dass – bewertungsrechtlich – eine Bebauung nicht (mehr) vorliegt. Entscheidend ist insofern, dass die für eine bestimmungsgemäße Nutzung als Wohnraum erforderliche Ausstattung nicht lediglich schadhaft, sondern in wesentlichen Teilen – hierzu zählen insbesondere die Ausstattung mit einer Heizung und sanitären Einrichtungen – gar nicht existiert [vgl. zum Fehlen der Heizungskörper: FG Baden-Württemberg (Außensenate Stuttgart), Urteil vom 23. April 1992 – 8 K 308/89 – EFG 1993, S. 132].

41

Den Aufzeichnungen der Bausachverständigen des Beklagten ist zu entnehmen, dass das Wohnhaus zwar ursprünglich mit Ofenheizung(en) ausgestattet war, hiervon aber nichts mehr vorhanden ist, weshalb bei der Bewertung der einzelnen Bauschäden und -mängel in Bezug auf die Heizung ein Schädigungsgrad von 100 % angesetzt wurde. Demgegenüber geht aus den Angaben im Versteigerungskatalog der XZ-gesellschaft mbH , wonach die Schornsteinköpfe marode sind, zwar nur hervor, dass – in Bezug auf die Schornsteinköpfe – ein erheblicher baulicher Mangel vorliegt. Hierin liegt jedoch kein Widerspruch, denn die Existenz der Schornsteinköpfe erklärt sich daraus, dass auch nach der Feststellung der Bausachverständigen eine Ofenheizung ursprünglich vorhanden gewesen ist. Die Schornsteinköpfe sind auch kein Indiz dafür, dass eine (schadhafte) Heizung noch vorhanden ist. Angesichts des maroden Zustandes der Schornsteinköpfe erscheint es vielmehr plausibel, dass die Bausachverständige das vollständige Fehlen der Heizung feststellte. Dies bedeutet indes, dass das Wohnhaus nicht nur – als Wohnraum – nicht vermietbar ist, sondern nicht als Wohnraum bestimmungsgemäß genutzt werden kann. Dies gilt umso mehr, als die Bausachverständige außerdem feststellte, dass die 158 m² große Wohnung über keine Sanitärräume [Bad] verfügt und nicht einmal ein (Innen-) WC vorhanden ist. Eine Wohnnutzung ist mithin nicht – mehr – möglich.

42

Die dargelegte Wertung steht auch nicht im Widerspruch zu der Einschätzung der Bausachverständigen, denn diese kam im Rahmen der am 08. Oktober 2003 durchgeführten Ortsbesichtigung zu dem Ergebnis, dass die (Bau-) Substanz des Gebäudes zwar erheblich verschlissen und abgenutzt und der Wohnraum nicht vermietbar sei, weil eine zeitgemäße Beschaffenheit und Ausstattung nicht vorliege. Damit hat die Bausachverständige erkennbar nur Feststellungen dazu getroffen, ob ein bereits dem Verfall preisgegebenes Gebäude vorliegt. Die Einschätzung mag der Sache nach auch zutreffen, denn selbst der von der Klägerin bemühte Sachverständige zieht nicht in Zweifel, dass der Baukörper als solches - d.h. der sog. Rohbau - erhalten werden kann. Wie bereits dargelegt, ist die Gebäudenutzung aber nicht erst dann unzumutbar, wenn das Grundstück (Gebäude) schon zerstört oder dem Verfall preisgegeben ist. Entscheidend ist vielmehr die Möglichkeit, das Gebäude in zumutbarer Weise bestimmungsgemäß – nicht etwa zu anderen Zwecken (z.B. als Lagerraum) – zu nutzen. Da diese Möglichkeit nach den insofern übereinstimmenden Angaben der Beteiligten nicht mehr besteht, ist in entsprechender Anwendung des § 33 a Abs. 1 RBewDV das Wohngebäude (Bauteil 1) nicht zu bewerten, sondern lediglich der Grund und Boden.

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b) Hinsichtlich der übrigen Baulichkeiten (Bauteile 2 und 3) kommt eine Anwendung des § 33 a Abs. 1 RBewDV nicht in Betracht.

44

Nach den Feststellungen der Bausachverständigen ist die im Bauteil 2 bestehende Wohnung zwar in einem schlechten Zustand, aber mit Bad und Ofenheizung ausgestattet und bis etwa 1996 vermietet gewesen. Dass die Bausachverständige konkretere Feststellungen zur Beschaffenheit des Bauteils 2 nicht treffen konnte, geht im Übrigen zu Lasten der Klägerin, da sie – trotz dahingehender Aufforderung des Beklagten – der Bausachverständigen weder den Zugang gewährt bzw. verschafft noch selbst ein entsprechendes Gutachten vorgelegt hat. Die (Ein-) Schätzung der Bausachverständigen vermag die Klägerin nicht mit ihrem – im Übrigen unsubstantiiert gebliebenen – Vortrag in Frage zu stellen, dass die Dächer der Nebengebäude weitgehend undicht, das Mauerwerk brüchig, die Wände „aufgefroren“ und die Putzverbindungen zerstört seien. Zum einen stellt die Klägerin nicht in Abrede, dass die im Bauteil 2 vorhandene Wohnung mit Ofenheizung und Bad ausgestattet ist. Zum anderen lässt die Klägerin offen, welche Gebäudeteile – z.B. Außen- oder Innenwände – die von ihr pauschal benannten Schäden aufweisen sollen. Angesichts der Äußerung des von der Klägerin herangezogenen Bausachverständigen, nach der – wie bereits ausgeführt – die Rohbausubstanz erhalten werden kann, spricht Einiges dafür, dass im Wesentlichen die Außenwände der Baukörper geschädigt sind. Dafür spricht auch das Ergebnis der von dem Beklagten beauftragten Bausachverständigen, denn diese hat – wenn auch in Bezug auf das bereits erörterte Bauteil 1 – im Gebäudeinneren augenscheinlich deutlich geringere Schäden an der Bausubstanz festgestellt als im Außenbereich. So ist von ihr im Innenbereich eine Schädigung des Wandputzes zu 15 % festgestellt worden, für die Umfassungswände hingegen eine Schädigung zu 25 % und des Außenputzes zu 35 %. Hiernach erscheint es (zumindest) nicht ausgeschlossen – und wird von der Klägerin so auch nicht in Abrede gestellt – , dass im Bauteil 2 eine bestimmungsgemäß nutzbare Wohnung vorhanden ist. Diese Einschätzung steht schließlich auch nicht im Widerspruch zu dem von der Klägerin gefertigten und im Verwaltungsverfahren mit Schriftsatz vom 21. Mai 2002 vorgelegten Lichtbild. Auf diesem Lichtbild ist erkennbar, dass das Gebäude über eine „geschlossene“ Dachhaut verfügt. Dies schließt zwar Undichtigkeiten des Daches nicht aus, zumal selbst die Bausachverständige des Beklagten für die Dachhaut (des Bauteils 1) eine Schädigung zu 50 % bescheinigt. Ebenso ist auf dem Foto erkennbar, dass zumindest eine Scheibe des Wohnraumes zerbrochen ist und sich der Außenputz großflächig von der Fassade gelöst hat. Dies bedeutet indes nur, dass zur Herstellung der Benutzbarkeit eine neue Scheibe eingesetzt werden müsste, nicht aber, dass der Wohnraum in dem oben dargelegten Sinne unbenutzbar wäre.

45

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der weitere Einwand der Klägerin, dass Grundstück sei nicht erschlossen, weil weder Wasser- noch Abwasserkanalanschluss noch ein ordnungsgemäßer Stromanschluss vorhanden seien. Dieser Einwand trifft ersichtlich so nicht zu, denn dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben der IP GmbH vom 27. Oktober 2000 ist zu entnehmen, dass die Abwasserentsorgung über eine Sammelgrube erfolgt und für die Stromversorgung ein Freileitungsanschluss vorhanden ist, an den sich die Klägerin jederzeit anschließen kann. Lediglich in Bezug auf die Trinkwasserversorgung liegen – nach Aktenlage – positive Erkenntnisse nicht vor. Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass vor dem Grundstück eine Trinkwasserversorgungsleitung vorhanden ist, zumal die Bausachverständige des Beklagten für die im Nebengebäude vorhandene Wohnung die Existenz eines Bades in Ansatz gebracht hat. Die Richtigkeit dieser Einschätzung findet zudem ihre Stütze auch in der Bestätigung des Sachverständigen der Klägerin vom 04. März 2004, in der ausgeführt ist, dass „für den Fall einer wirtschaftlichen Verwertung (Vermietung oder Verpachtung)“ – auch – die kompletten Sanitärinstallationen auszutauschen seien.

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Auch hinsichtlich der Werkstatt- und Lagerräume kommt eine Anwendung des § 33 a Abs. 1 RBewDV nicht in Betracht, denn diese Räumlichkeiten waren am Stichtag – zumindest teilweise – einem Dritten zur Nutzung überlassen. Dies schließt die Annahme aus, dass eine Nutzung nicht mehr möglich gewesen sein könnte.

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2. Die dargelegte Wertung, dass die für das Bauteil 1 errechnete Jahresrohmiete bei der Wertermittlung außer Ansatz bleiben muss, hat an sich zur Folge, dass kein gemischtgenutztes Grundstück, sondern ein Geschäftsgrundstück vorliegt. Denn für die Abgrenzung zwischen diesen beiden Grundstücksarten ist gemäß § 32 Abs. 2 RBewDV das Verhältnis der Jahresrohmieten maßgebend. Diese Unterscheidung ist insofern von Bedeutung, als Geschäftsgrundstücke – anders als gemischtgenutzte Grundstücke – gemäß § 33 Abs. 2 RBewDV nach dem gemeinen Wert zu bewerten sind.

48

Für den im Streit stehenden Feststellungsbescheid des Beklagten ist die Fehlerhaftigkeit der Artfeststellung jedoch unerheblich, weil diese nicht Streitgegenstand ist. Dies hat zur Folge, dass die bestehende (bestandskräftige) Artfeststellung für die im vorliegenden Verfahren allein im Streit stehende Wertfeststellung verbindlich ist. Da aber die Entscheidung über die Vermögensart in jedem Fall den maßgebenden Bewertungsmaßstab bestimmt [ Halaczinsky , in: Rössler/Troll, BewG, Stand: Januar 2005, § 22 BewG RdNr. 35], ist damit verbindlich festgelegt, ob die Feststellung des Wertes nach dem Sachwert- oder – wie hier – nach dem Ertragswertverfahren vorzunehmen ist.

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3. Bei der Bewertung der Bauteil 2 und 3 auf dem Grundstück der Klägerin ergibt sich ein Einheitswert in Höhe von 32.500,00 DM (16.616,00 Euro).

50

a) Die Jahresrohmiete des Bauteils 2 (Wohnung) beträgt nach den Berechnungen der Bausachverständigen – ohne Abschläge – 4.830,00 DM, die Jahresrohmiete des Bauteils 3 (Lager- und Werkstattgebäude) – ohne Abschläge – 36.708,00 DM, so dass sich ein Gesamtbetrag von 41.538,00 DM errechnet.

51

Auszugehen ist gemäß dem bereits angeführten § 33 RBewDV von der Jahresrohmiete bzw. der ortsüblichen Miethöhe, den die Bausachverständige des Beklagten auf 0,50 DM/m² geschätzt hat. Hiergegen hat die Klägerin Einwände nicht erhoben, ebenso wenig gegen die hierauf basierende Berechnung des Jahresrohmiete und den gemäß § 35 RBewDV in Verbindung mit § 3 der Verordnung über die Bewertung bebauter Grundstücke im Gebiet des Landesfinanzamtes Magdeburg vom 17. Dezember 1934 [RStBl. 1934, S. 1659] auf die Jahresrohmiete in Ansatz zu bringenden Vervielfältiger 11,5. Hieraus errechnet sich für das Bauteil 2 (70 m² Wohnfläche) ein Betrag von 4.830,00 DM und für das Bauteil 3 (532 m²) ein Betrag von 36.708,00 DM.

52

b) Zur Bewertung der Baumängel und -schäden hat der Beklagte – im Einklang mit der dahingehenden Regelung in Ziffer 4.5.4 Abs. 3 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen betr. die Bewertung von Mietwohngrundstücken und gemischtgenutzten Grundstücken im Beitrittsgebiet ab 01. Januar 1991 vom 19. Januar 1993 (BStBl. I 1993, S. 173) – die genannten Beträge zu einem Zehntel dem Bodenwert und zu neun Zehntel dem Gebäudewert zugerechnet. Auf die danach errechneten Gebäudewerte hat der Beklagte sodann entsprechend den Feststellungen des Bausachverständigen die Abschläge für Bauschäden und -mängel – nämlich 15 % bei dem Bauteil 2 und 19 % bei dem Bauteil 3 – in Ansatz gebracht.

53

Soweit die Klägerin den von der Bausachverständigen in Ansatz gebrachten Abschlägen entgegenhält, dass – zumindest – die Gewerke Dachhaut, Türen und Fenster, Hausinstallation, Dachrinnen und Fallrohre, Treppen sowie Bodenbeläge als zu 100 % abgenutzt zu bewerten seien, weil eine Instandsetzung wirtschaftlich nicht sinnvoll sei, genügt dies Behauptung nicht, um die Einschätzung der Bausachverständigen des Beklagten in Frage zu stellen, da nur pauschal die Werthaltigkeit der Gebäude verneint wird. Zudem steht dieser Vortrag im Widerspruch zur faktischen Nutzung des Bauteils 3 und zu der bereits angesprochenen Einschätzung des Bausachverständigen der Klägerin, der selbst bei betriebswirtschaftlicher Betrachtung lediglich die Zweckmäßigkeit eines Rückbaus bis zum Rohbau bescheinigt.

54

Auch der Hinweis der Klägerin, das seinerzeit festgelegte Auktionslimit von 9.000,00 DM entspreche dem tatsächlichen (Verkehrs-) Wert der gesamten Immobilie, vermag nicht zu überzeugen bzw. die Notwendigkeit höherer Abschläge zu begründen. Schon in tatsächlicher Hinsicht erscheint die Behauptung der Klägerin höchst unwahrscheinlich, denn in diesem Fall hätte die Klägerin „sehenden Auges“ mit dem von ihr gebotenen Preis (27.000,00 DM) faktisch das Dreifache des tatsächlichen Wertes der Immobilie gezahlt. Zudem erscheint es abwegig, dass bei einer Auktion Gebote mindest die Höhe des tatsächlichen Verkehrswertes haben müssen. Der – im Streitfall zwar nicht anwendbaren – Regelung des § 85 a des Zwangsversteigerungsgesetzes ist im Übrigen zu entnehmen, dass unter dem sog. (absoluten) Mindestgebot die Hälfte des Grundstückswertes zu verstehen ist [Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 19. Auflage, München 2009, § 85 a Anm. 1.3]. Der Klägerin wäre daher allenfalls dahingehend zuzustimmen, dass das Mindestgebot bei einer Auktion einem – unter Umständen relativ hohen – Bruchteil des tatsächlichen Wertes entspricht. Dafür spricht auch die Höhe des letztlich von der Klägerin abgegebenen Gebotes.

55

c) Schließlich hat der Beklagte den Gebäude- und den Bodenwert – zutreffend – um weitere 5 % vermindert, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die auf dem Grundstück aufstehenden Gebäude unter Denkmalschutz stehen.

56

Dies entspricht den Vorgaben der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. Einheitsbewertung von Grundbesitz, der unter Denkmalschutz steht vom 21. Oktober 1985 (BStBl. I 1985, S. 648). Danach kann ohne weiteren Nachweis der Grundstückswert in der Regel um 5 % ermäßigt werden (Ziffer 2.1.3.1 des Erlasses).

57

Einwände oder Nachweise für wertmäßig weiterreichende denkmalschutzrechtliche Beschränkungen, die einen höheren Abschlag rechtfertigen könnten (vgl. Ziffer 2.1.3.2 des Erlasses) sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

58

Im Ergebnis errechnet sich hiernach der Einheitswert allein aus den Jahresrohmieten der Bauteile 2 und 3, also der Summe der auf diese beiden Teile (einschließlich Bodenwert) entfallenden Beträge, so dass der Einheitswert [3.937,00 DM + 28.595,00 DM =] 32.532,00 DM (16.633,34 Euro) beträgt. Unter Berücksichtigung der Abrundung (§ 30 BewG) ist der Einheitswert mithin festzustellen in Höhe von 32.500,00 DM (16.616,00 Euro).

59

4. Mit dem genannten Betrag von 32.500,00 DM ergibt sich, dass der Einheitswert sich nicht um den in § 22 Abs. 1 BewG festgelegten Mindestbetrag von 5.000,00 DM erhöht. Die von dem Beklagten vorgenommene Wertfortschreibung ist deshalb rechtswidrig.

60

Angesichts des zuletzt festgestellten Einheitswertes in Höhe von 27.600,00 DM ist eine Wertfortschreibung erst zulässig, wenn der Einheitswert mindestens 32.600,00 DM erreicht. Der sich auf der Grundslage der Feststellungen der Bausachverständigen des Beklagten ergebende Einheitswert von 32.500,00 DM liegt um 100,00 DM unter diesem Betrag.

61

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.


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