Beschluss vom Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt (4. Senat) - 4 KO 1272/13
Tenor
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
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Die Erinnerungsführerin wendet sich persönlich gegen einen gegen sie ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. November 2013, der ausweislich des Empfangsbekenntnisses bei der Erinnerungsführerin am 28. November 2013 eingegangen ist. In diesem Beschluss hatte die Urkundsbeamtin die von der Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 08. November 2013 beantragte Festsetzung der Termins- und Erledigungsgebühr abgelehnt. Mit der am 05. Dezember 2013 bei Gericht eingegangenen Erinnerung begehrt die Erinnerungsführerin weiterhin die Berücksichtigung der beiden Gebühren.
Entscheidungsgründe
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Die nach § 149 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 126 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Erinnerung ist unbegründet.
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Hat die Bevollmächtigte – wie im Streitfall – die Kostenfestsetzung im eigenen Namen beantragt, so ist sie selbst Partei des Festsetzungs- und Beitreibungsverfahrens. Deshalb ist die Erinnerungsführerin als im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordnete Bevollmächtigte selbst befugt, Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss einzulegen. Die Erinnerung ist auch innerhalb der Frist des § 149 Abs. 2 Satz 2 FGO eingelegt worden.
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Die Erinnerungsführerin hat jedoch weder einen Anspruch auf die Festsetzung der Terminsgebühr noch auf die Erledigungsgebühr.
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Nach VV Nr. 3202 RVG entsteht eine Terminsgebühr für die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin. Die Gebühr entsteht auch, wenn ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Nach der Vorbemerkung Ziffer 3 Abs. 3 des VV RVG entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber.
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Ein gerichtlicher Termin wurde im Streitfall nicht durchgeführt. Die zunächst mit richterlicher Verfügung von 25. Juli 2013 anberaumte mündliche Verhandlung am 10. September 2013 wurde mit Verfügung vom 5. September 2013 aufgehoben. Eine Entscheidung des Rechtsstreites erfolgte nicht mehr, vielmehr wurde das Verfahren mit Kostenbeschluss vom 13. September 2013 beendet.
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Es erfolgte auch keine Besprechung zwischen den Verfahrensbeteiligten. Eine Besprechung i.S. der Vorbemerkung Ziffer 3 Abs. 3 des VV RVG setzt einen mündlichen wechselseitigen Austausch von Erklärungen und Argumenten sowie die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Honoriert werden soll eine Besprechung zwischen den Parteien mit dem Ziel der Erledigung oder Vermeidung eines Verfahrens (vgl. z.B. Thüringer Finanzgericht, Beschluss vom 16. Mai 2011, 4 Ko 772/10, EFG 2011, 1549, m.w.N.). Eine Besprechung im Sinne dieser Norm kann unter Umständen auch dann stattfinden, wenn die Parteien des Rechtsstreits ihre unterschiedlichen Vorstellungen über eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits dem Gericht oder dem Berichterstatter mitteilen und dieses bzw. dieser die Vorschläge und die Antworten hierauf dann an die jeweils andere Partei weiterleitet (Leitsatz 2 des Beschlusses des BGH vom 10. Juli 2006 – II ZB 28/05, juris). Erst wenn der Richter mündlich vorgetragene Argumente und Vorschläge der Parteien wechselseitig weiterleitet, kann eventuell von einer auf die Herbeiführung der Beendigung des Verfahrens gerichteten Besprechung gesprochen werden, weil nur dann die beiden das Verfahren beherrschenden Parteien daran beteiligt sind. Macht dagegen der Richter eigene Vorschläge zur Erledigung, so kann dieser Vorgang nicht als Besprechung zwischen den Parteien gewertet werden. In einem solchen Fall obliegt dem Berichterstatter eine gewisse Verantwortung für seine Vorschläge, weil ihm ein für beide Seiten faires Verfahren obliegt, wogegen bei einer auf Einigung gerichteten Besprechung zwischen den Parteien diese selbst und allein für das Ergebnis verantwortlich sind. Das Gericht ist dann auch nicht nur als Kommunikationsmedium in den Entscheidungs- und Übermittlungsvorgang eingeschaltet, sondern hat nicht unerhebliche Anstrengungen im Hinblick auf die Erledigung des Streitfalles verwendet und wurde damit nicht im Sinne der Regelung entlastet (vgl. Thüringer Finanzgericht, Beschluss vom 16. Mai 2011, 4 Ko 772/10, a.a.O.).
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Im Streitfall kam es zwischen den Beteiligten zu keiner Besprechung hinsichtlich der Erledigung des Verfahrens. Vielmehr hat der Berichterstatter in Vorbereitung der beabsichtigten mündlichen Verhandlung am 03. September 2013 unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats im Prozesskostenhilfebeschluss vom 8. Februar 2013 die Erinnerungsgegnerin hinsichtlich der Streitmonate Januar bis März 2011 telefonisch veranlasst, ihre bis dahin vertretene Rechtsauffassung zu überdenken und insoweit einen Abhilfebescheid zu erlassen und sodann den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Noch am gleichen Tage erklärte die Erinnerungsgegnerin schriftsätzlich, einen Änderungsbescheid hinsichtlich der Monate Januar bis März 2011 zu erlassen, woraufhin der Berichterstatter mit der Erinnerungsführerin telefonisch das weitere Vorgehen erörterte. Er regte an, unter Bezugnahme auf den Prozesskostenhilfebeschluss die Rücknahme der Klage für die Monate September bis Dezember 2010 zu erklären und im Übrigen die Klage für erledigt zu erklären. Dem folgte die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 4. September 2013.
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Aus der Sicht der Erinnerungsführerin mag das Telefonat eine Besprechung gewesen sein, die zu einer teilweise einvernehmlichen Beendigung des Rechtsstreits geführt hat. Es ist jedoch zu keinem Zeitpunkt zu einem Austausch von Argumenten zwischen den Beteiligten gekommen. Der Berichterstatter hat zu keiner Zeit wie ein Kommunikationsmedium wechselseitig Besprechungsbeiträge der Beteiligten weitergegeben, sondern er hat die Sach- und Rechtslage selbstständig geprüft und dann als Ergebnis dieser Überlegung selbst auf der Basis des Prozesskostenhilfebeschlusses einen Einigungsvorschlag entwickelt, den er dann mit den Beteiligten telefonisch besprochen hat. Insoweit entsteht jedoch keine Terminsgebühr (vgl. z.B. auch Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. August 2012 – 2 KO 221/12, n.v.).
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Es ist auch keine Erledigungsgebühr entstanden. Die Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.
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Ebenso wie schon § 24 BRAGO erfordert Nr. 1002 VV RVG die anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung. Die Erledigungsgebühr ist eine zusätzliche Vergütung dafür, dass der Rechtsanwalt durch seine Tätigkeit, insbesondere Verhandlungen mit der Verwaltungsbehörde, erreicht, dass die Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt oder zu Gunsten des Mandanten ändert oder einen zunächst abgelehnten Verwaltungsakt doch noch erlässt. Die Entstehung der Erledigungsgebühr erfordert daher eine Tätigkeit des Rechtsanwaltes, die besonders auf den Erfolg einer Erledigung des Rechtsstreites ohne förmliche Entscheidung gerichtet ist (vgl. BFH Beschluss vom 12.02.2007 – III B 140/06, BFH/NV 2007, 1109). Der innere Grund für die Erledigungsgebühr liegt darin, dass ein Rechtsanwalt, der besondere Arbeit und Mühe darauf verwandt hat, die Belastung eines beschwerenden Verwaltungsaktes von seinem Auftraggeber abzuwenden, ohne dass dieser es auf eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung in dem anhängigen Rechtsstreit ankommen lassen muss, im Falle des Eintritts dieses Erfolges dem Auftraggeber in besonderer Weise genützt hat (vgl. Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6.8.2009 – 4 KO 924/09, n.v.). Da die Erledigungsgebühr den Charakter einer Erfolgsgebühr hat, erfüllen nur solche Mitwirkungshandlungen des Rechtsanwaltes den Gebührentatbestand, die nicht nur allgemein auf Verfahrensförderung gerichtet sind, sondern auf den besonderen Erfolg einer Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung (vgl. z.B. Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.7.2008 – 4 KO 645/08, n.v.; Finanzgericht Bremen, Beschluss vom 10.8.1990 – II 3/90 Ko, EFG 1990, 596). Eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Tätigkeit, die den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung fördert und ermöglicht, kann beispielsweise in dem Unterbreiten eines Einigungsvorschlages bestehen oder in einem Einwirken auf die Behörde, welches die Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes nach sich zieht, oder auch in der mit einer zusätzlichen Beratungsleistung verbunden Prüfung, ob das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreites nicht unwesentlich eingeschränkt werden soll (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 6.5.2010 – 10 K 4102/09, EFG 2010, 1446).
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An diesem besonderen Mitwirken der Erinnerungsführerin fehlt es. Die Abhilfe für die Streitmonate Januar bis März 2011 ist vielmehr auf den Prozesskostenhilfebeschluss vom 8. Februar 2013 sowie auf das Telefonat des Berichterstatters mit der Beklagtenvertreterin am 3. September 2013 zurückzuführen, ohne dass diesbezüglich ein Mitwirken der Erinnerungsführerin erfolgt ist. Da bereits ein entsprechender Prozesskostenhilfebeschluss vorlag, ist auch nicht davon auszugehen, dass die mit Schriftsatz der Erinnerungsführerin vom 4. September 2013 erklärte Teilerledigung des Rechtsstreites besondere Erörterungen oder Unterrichtungen der Klägerin durch die Erinnerungsführerin erforderte. Besondere Verhandlungen zwischen der Erinnerungsführerin und der Beklagten haben nach Aktenlage nicht stattgefunden. Soweit die Erinnerungsführerin den Klageantrag hinsichtlich des Zeitraums September bis Dezember 2010 zurückgenommen hat, kommt eine Erledigungsgebühr sowieso nicht in Betracht.
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Referenzen
- II ZB 28/05 1x (nicht zugeordnet)
- 2 KO 221/12 1x (nicht zugeordnet)
- 4 KO 924/09 1x (nicht zugeordnet)
- 4 KO 645/08 1x (nicht zugeordnet)
- 4 Ko 772/10 2x (nicht zugeordnet)
- FGO § 149 1x
- § 24 BRAGO 1x (nicht zugeordnet)
- 10 K 4102/09 1x (nicht zugeordnet)
- III B 140/06 1x (nicht zugeordnet)