Beschluss vom Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 KO 887/14

Tenor

Unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 26. Juni 2014 werden die der Erinnerungsführerin vom Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten auf 946,39 € festgesetzt. Der festgesetzte Betrag ist ab dem 18. Dezember 2013 mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens hat der Erinnerungsgegner zu tragen.

Tatbestand

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I. Die Erinnerungsführerin wurde in dem Klageverfahren vorausgegangenen Einspruchsverfahren von der R. + Partner GmbH Steuerberatungsgesellschaft, vertreten. Das Einspruchsschreiben vom 02. Juli 2013 wurde von einem Geschäftsführer der R. + Partner GmbH, Steuerberater G. S. unterzeichnet. Eine Begründung des Einspruchs erfolgte nicht. Der Erinnerungsgegner wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13. August 2013 als unbegründet zurück.

2

In dem hiergegen gerichteten Klageverfahren wurde die Erinnerungsführerin von der Sozietät Dr. A., Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer,  vertreten. Die Klageschrift vom 11. September 2013 sowie die weiteren Schriftsätze im Klageverfahren wurden von Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Dr. H. W. unterzeichnet. Die Sozietät hat ebenfalls eine Niederlassung in S. Aus dem Briefbogen ist ersichtlich, dass dort der Steuerberater G. S. für die Sozietät tätig ist.

3

Nachdem der Erinnerungsgegner dem Klagebegehren teilweise entsprochen hatte, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt.

4

Mit Beschluss vom 05. Dezember 2013 legte der Berichterstatter die Kosten des Verfahrens zu 51 v.H. der Erinnerungsführerin und zu 49 v.H. dem Erinnerungsgegner auf. Mit weiterem Beschluss des Berichterstatters vom 13. Januar 2014 hat dieser die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für notwendig erklärt.

5

Mit ihrem am 18. Dezember 2013 eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag vom 16. Dezember 2013, erweitert durch Schriftsatz vom 08. Januar 2014 begehrte die Erinnerungsführerin u.a. hinsichtlich des Vorverfahrens den Ansatz einer 4,25/10 Geschäftsgebühr gem. § 40 Abs. 3 der Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV), die sie mit 402,48 € angab und die nach ihrer Auffassung nicht auf die ebenfalls geltend gemachte Verfahrensgebühr anzurechnen sei.

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Die Kostenbeamtin hat mit Beschluss vom 26. Juni 2014, welcher den Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin mit Empfangsbekenntnis am 10. Juli 2014 zugestellt wurde, die vom Erinnerungsgegner an die Erinnerungsführerin zu erstattenden Kosten auf 880,09 € festgesetzt, wobei sie ausweislich den Erläuterungen zum Beschluss hinsichtlich des Vorverfahrens auf Grund des lediglich fristwahrend und nicht begründeten Einspruches lediglich eine Geschäftsgebühr von 3/10 i.H.v. 270,60 € in Ansatz brachte. Die hälftige Geschäftsgebühr i.H.v. 135,30 € rechnete sie gem. Vorbemerkung 3 Abs. 4 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) auf die Verfahrensgebühr an. Zur Begründung verwies sie darauf, dass auf den Briefbögen der R. + Partner GmbH Steuerberatungsgesellschaft sowie der Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer Dr. A. jeweils Steuerberater G. S. aufgeführt sei.

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Die Erinnerungsführerin hat am 23. Juli 2014 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. Juni 2014 Erinnerung eingelegt.

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Sie wendet sich mit der Erinnerung gegen die Anrechnung der Geschäftsgebühr gem. Vormerkung 3 Abs. 4 VV RVG.  Sie trägt vor, dass der Einspruch von der R. + Partner GmbH, vertreten durch Steuerberater S. eingelegt und bearbeitet worden sei während die Klage für die Erinnerungsführerin von der Sozietät Dr. A. durch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Dr. H. W. erhoben worden sei. Die Bearbeitung des finanzgerichtlichen Verfahrens sei ausschließlich über die Sozietät erfolgt. Auch wenn eine kooperative Zusammenarbeit beider Bevollmächtigten gegeben sei, sei dennoch von einer "doppelten Einarbeitung" auszugehen. Entscheidend sei aber, dass ein Wechsel des Bevollmächtigten erfolgt sei. Eine Anrechnung der im Vorverfahren entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr sei bei einem hier vorliegenden Wechsel des Bevollmächtigten nicht vorzunehmen. Die Anrechnung sei nur vorzunehmen, wenn derselbe Bevollmächtigte außergerichtlich gegenüber dem späteren Prozessgegner tätig geworden. Dieses sei vorliegend nicht erfolgt. Allein die Tatsache, dass Steuerberater S. auch auf dem Briefbogen der Sozietät aufgeführt werde, rechtfertige keine Anrechnung. Die Erinnerungsführerin verweist auf einen Beschluss des FG Köln vom 07. August 2012 (10 Ko 2683/11).

9

Der Erinnerungsgegner weist darauf hin, dass eine Anrechnung der Verfahrensgebühr berücksichtigen solle, dass der Bevollmächtigte sich in die Sache bereits eingearbeitet habe und vorliegend die R. + Partner GmbH auf die Unterlagen zur Klagebegründung in Form der berichtigten Körperschaftsteuererklärung 2008 gefertigt habe. Es sei zu entscheiden, ob trotz der kooperativen Zusammenarbeit beider Büros von einer doppelten Einarbeitung in die Sache ausgegangen werden müsse.

10

Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidungsgründe

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II. 1. Über die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung (§ 149 Abs. 2 Satz 1 FGO) hatte der Berichterstatter zu entscheiden, weil die vorangegangene Kostengrundentscheidung im vorbereitenden Verfahren (§ 79a Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 4 FGO) durch ihn ergangen ist (Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. Dezember 2011 3 KO 965/10, EFG 2012, 1312; FG Münster Beschluss vom 10. Juli 2012 11 KO 3705/11 KFB, EFG 2012, 1962).

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2. Die Erinnerung hat Erfolg.

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Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. Juni 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten, als eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr erfolgt ist.

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a) Gem. § 45 StBGebV sind auf die Vergütung des Steuerberaters im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) entsprechend anzuwenden.

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Nach § 2 Abs. 2 RVG in Verbindung mit Nr. 3200 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV RVG) entsteht für die Tätigkeit des Rechtsanwalts/Steuerberaters im finanzgerichtlichen Verfahren eine 1,6 Verfahrensgebühr. Gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV  RVG wird, soweit wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303 (für die Tätigkeit im Verwaltungs- und außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren) entsteht, diese Gebühr zur Hälfte, höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Da nach dem Zweck des § 45 StBGebV die Vergütung der Steuerberater für ihre Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren der der Rechtsanwälte gleichgestellt werden soll, ist auch eine vom Steuerberater nach § 40 StBGebV verdiente Geschäftsgebühr für das denselben Gegenstand betreffende Rechtsbehelfsverfahren auf die Verfahrensgebühr anzurechnen (vgl. FG Düsseldorf Beschluss vom 07. Januar 2013 4 KO 3125/12 KF, Juris; Hessisches FG Beschluss vom 26. Februar 2010 11 KO 103/10, RVGreport 2010, 308). Derselbe Gegenstand in diesem Sinne ist dasselbe Recht oder Rechtsverhältnis.

16

Allerdings ist die Geschäftsgebühr des Vorverfahrens dann nicht auf die Verfahrensgebühr des Klageverfahrens anzurechnen, wenn die Bevollmächtigten des Klageverfahrens die Klägerin nicht auch im vorausgegangenen finanzbehördlichen Verfahren vertreten haben, wobei unerheblich ist, aus welchen Gründen der Bevollmächtigtenwechsel erfolgt ist (FG Köln Beschluss vom 07. August 2012 10 Ko 2683/11, EFG 2012, 2148). Eine Anrechnung erfolgt nur dann, wenn derselbe Bevollmächtigte jeweils tätig geworden ist, d.h. wenn die Geschäfts- und Verfahrensgebühr bei demselben Bevollmächtigten bzw. derselben Sozietät oder Partnerschaft entstanden ist (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., Vorb. 3 VV Rz. 261, Ahlmann in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., VV Vorb. 3 Rz. 99), aber nicht, wenn beide Gebühren von verschiedenen Rechtsanwälten verdient wurden (BGH-Beschluss vom 10. Dezember 2009 VII ZB 41/09, MDR 2010, 293, BGH-Beschluss vom 27. August 2014 VII ZB 8/14, NJW 2014, 3518).

17

Eine Kürzung der Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren kommt nach dieser Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn im Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant eine Anrechnung zu erfolgen hat. Entscheidend für die Anrechnung und damit für die von selbst einsetzende Kürzung der Verfahrensgebühr ist nämlich, ob der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Entstehens der Verfahrensgebühr schon einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr aus seinem vorprozessualen Tätigwerden erlangt hat (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323). Hat der erstmals im Verfahren tätige Anwalt eine solche Gebühr nicht verdient, so scheidet eine Anrechnung aus. Die von einem anderen, vorprozessual tätigen Anwalt verdiente Gebühr muss sich der prozessual tätige Anwalt nicht anrechnen lassen. (BGH-Beschluss vom 10. Dezember 2009 VII ZB 41/09, MDR 2010, 293).

18

b) Nach diesen Grundsätzen war vorliegend die Geschäftsgebühr nicht auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

19

Die Erinnerungsführerin wurde im Einspruchsverfahren von der R. + Partner GmbH durch Steuerberater S. und im finanzgerichtlichen Klageverfahren von der Sozietät Dr. A. durch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Dr. W. vertreten. Es fand mithin ein klarer Bevollmächtigtenwechsel statt, selbst wenn man auf den konkreten Bearbeiter und Unterzeichner der Schriftsätze abstellen wollte. Auf die Gründe, die zum Bevollmächtigtenwechsel geführt haben, kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass ein solcher Wechsel erfolgt ist. Ebenfalls unbeachtlich ist, dass Steuerberater S. auch auf dem Briefbogen der Prozessbevollmächtigen im Klageverfahren aufgeführt ist, denn jedenfalls er persönlich hatte keine Vollmacht für das Klageverfahren und hat dieses auch nicht geführt (vgl. für diesen Fall Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage, Vorb. 3 VV, Rz. 263 m.w.N.)

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Allein die Tatsache, dass sich die Einarbeitung in den Fall auf Grund der kooperativen Zusammenarbeit beider Bevollmächtigten für Steuerberater und Rechtsanwalt Dr. W. ggf. als unkompliziert oder einfacher dargestellt hat, kann nicht dazu führen, dass trotz verschiedener Bevollmächtigter bereits aus diesem Grund eine Anrechnung der Geschäftsgebühr vorzunehmen wäre. Es ist entscheidend dass ein Bevollmächtigtenwechsel stattgefunden hat und die Prozessbevollmächtigten im Klageverfahren selbst mangels Bevollmächtigung und Tätigwerden keine Geschäftsgebühr für die Tätigkeit im Vorverfahren verdient haben. Dass die R. + Partner GmbH während des Klageverfahren gegenüber dem Erinnerungsgegner durch Einreichung der berichtigten Körperschaftsteuererklärung tätig geworden ist, ist für die Frage der Anrechnung ebenfalls unerheblich. Dieses ist vielmehr eine interne Frage der Abrechnung mit der Erinnerungsführerin, die im Kostenfestsetzungsverfahren unberücksichtigt bleibt.

21

d) Von den o.g. Punkten abgesehen hat die Erinnerungsführerin keine dezidierten weiteren Einwände gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vorgebracht. Seitens des Gerichts bestand kein Anlass die Kostenfestsetzung in weiteren Punkten zu beanstanden.

22

e) Der festgesetzte Betrag errechnet sich wie folgt:

23

Vorverfahren:

                 
        

Geschäftsgebühr

   270,60 €

        

Post- und Telekommunikation:

     20,00 €

                          

Gerichtliches Verfahren:

                 
        

Verfahrensgebühr:

1.620,80 €

        

Post- und Telekommunikation:

     20,00 €

Gesamt:

        

1.931,40 €

davon zu Lasten des Beklagten (49 v.H.):

        

   946,39 €

24

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der FGO. Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz – GKG –) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.


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