Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 9 K 141/20 F
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Ablehnung eines Antrags auf Änderung des Bescheids zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2013.
3Die Kläger sind ehemalige Gesellschafter der A-GmbH & Co. KG [...], die im Jahr 2016 formwechselnd in die A-GmbH umgewandelt worden ist. Im April 2019 wurde die A-GmbH auf die B-S.A. verschmolzen. Die Klägerin zu 2. ist die Rechtsnachfolgerin der früheren Kommanditistin der A-GmbH & Co. KG (der F-nv-sa).
4Für die A-GmbH & Co. KG wurde am 02.03.2015 die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 2013 abgegeben; hierin sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 33.165.113,17 Euro erklärt.
5Der Beklagte (im Folgenden: das Finanzamt –FA–) erließ daraufhin den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vom 06.10.2015, in dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. insgesamt 33.192.561,17 Euro und ein Gewerbesteuermessbetrag i.H.v. 936.981 Euro festgestellt wurden. Für die feststellungsbeteiligte F-nv-sa (Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2.) weist der Bescheid „Nach Anwendung des § 15a EStG anzusetzende steuerpflichtige Einkünfte“ i.H.v. 33.331.280,16 Euro aus; in gleicher Höhe wurden „Vor Anwendung des § 15a EStG anzusetzende steuerpflichtige Einkünfte“ festgestellt.
6Nach einer Betriebsprüfung bei der A-GmbH & Co. KG erging mit Datum 02.06.2017 ein geänderter Feststellungsbescheid für 2013, mit dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 30.013.807,62 Euro und ein Gewerbesteuermessbetrag von 743.953 Euro festgestellt wurden. Zugleich wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Für die Klägerin zu 2. als zwischenzeitliche Rechtsnachfolgerin der F-nv-sa weist der Bescheid „Nach Anwendung von § 15a EStG anzusetzende steuerpflichtige Einkünfte“ i.H.v. 33.331.280,16 Euro und „Vor Anwendung von § 15a EStG“ anzusetzende Einkünfte i.H.v. 29.857.643,62 Euro aus.
7Mit dem für die A-GmbH & Co. KG ebenfalls im Anschluss an die Betriebsprüfung ergangenen Gewerbesteuermessbescheid vom 22.05.2017 wurde der vorherige Gewerbesteuermessbescheid vom 05.10.2015 geändert: Von zuvor 936.981 Euro (bei einem Gewinn aus Gewerbebetrieb von 33.331.280 Euro) wurde der Gewerbesteuermessbetrag auf nunmehr – entsprechend dem geänderten Feststellungsbescheid – 743.953 Euro (bei einem Gewinn aus Gewerbebetrieb von 30.013.808 Euro) gemindert.
8Der gegen den geänderten Gewerbesteuermessbescheid eingelegte Einspruch, mit dem Einwendungen gegen die Höhe des Gewinns aus Gewerbebetrieb geltend gemacht wurden, war erfolgreich. Mit dem erneut geänderten Gewerbesteuermessbescheid vom 25.06.2018 wurde der Gewerbesteuermessbetrag auf 678.737 Euro bei einem zugrunde gelegten Gewinn aus Gewerbebetrieb von 28.150.497 Euro festgesetzt.
9Ebenfalls mit Datum 25.06.2018 erging ein nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderter Feststellungsbescheid für 2013, in dem der geminderte Gewerbesteuermessbetrag (678.737 Euro) übernommen wurde. Bei der Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfolgte hingegen keine Änderung zum vorherigen Feststellungsbescheid vom 02.06.2017; die Einkünfte wurden weiterhin i.H.v. 30.013.807,62 Euro festgestellt. Auch im Feststellungsteil für die Klägerin zu 2. ergaben sich keine Änderungen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb, sondern nur eine Minderung des ihr zuzurechnenden anteiligen Gewerbesteuermessbetrags.
10Mit Schreiben vom 16.07.2018 stellte die B-SA/NV, die bereits bei der Erstellung der Feststellungserklärung für die A-GmbH & Co. KG vom 02.03.2015 mitgewirkt hatte, namens und im Auftrag der als Tochtergesellschaft bezeichneten A-GmbH & Co. KG einen Antrag auf Änderung des Feststellungsbescheids vom 25.06.2018. Neben einer ausdrücklichen Änderung auf Grundlage von § 129 AO wurde auch ausdrücklich eine Änderung nach § 174 AO beantragt. Der auf § 129 AO gestützte Antrag wurde mit einem Übertragungsfehler in dem zu ändernden Bescheid begründet. In diesem seien – wie bereits in dem Bescheid vom 02.06.2017 – im Feststellungsteil für die Klägerin zu 2. die Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor und nach Anwendung von § 15a EStG in nicht identischer Höhe festgestellt worden. Dies sei unzutreffend, da § 15a EStG für die Klägerin zu 2. keine Anwendung fände. Während noch im Erstbescheid vom 06.10.2015 die Einkünfte vor und nach Anwendung von § 15a EStG für die Klägerin zu 2. bzw. deren Rechtsvorgängerin in identischer Höhe festgestellt worden seien, habe sich der bereits im Bescheid vom 02.06.2017 gemachte Fehler der nicht identischen Höhe der Einkünfte auch im Bescheid vom 25.06.2018 fortgesetzt. Dies sei nach § 129 AO zu korrigieren.
11Zu dem weiteren, auf § 174 AO gestützten Änderungsbegehren wurde zur Begründung der erfolgreiche Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2013 und die hierdurch erfolgte Minderung des Gewerbesteuermessbetrags auf 678.737 Euro bei einem zugrunde gelegten Gewinn aus Gewerbebetrieb von 28.150.497 Euro angeführt. Da in dem geänderten Feststellungsbescheid vom 25.06.2018 nur der geänderte Gewerbesteuermessbetrag übernommen worden sei, nicht aber der geminderte Gewinn aus Gewerbebetrieb, handele es sich um eine widerstreitende Steuerfestsetzung. Die festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien unzutreffend „im identischen Veranlagungszeitraum 2013 in unterschiedlicher Höhe veranlagt“ worden.
12Das FA erließ daraufhin mit Datum 08.03.2019 einen nach § 129 AO berichtigten Feststellungsbescheid für 2013, in dem es für die Klägerin zu 2. nach Anwendung des § 15a anzusetzende steuerpflichtige Einkünfte i.H.v. 29.857.643,62 Euro und in identischer Höhe vor Anwendung des § 15a EStG anzusetzende steuerpflichtige Einkünfte feststellte. Im Erläuterungsteil weist der Bescheid darauf hin, dass über den Antrag auf Änderung nach § 174 AO ein separater Bescheid ergehen werde.
13Diesen separaten Bescheid erließ das FA mit Datum 12.03.2019, mit dem die beantragte Änderung abgelehnt wurde. Der ablehnende Bescheid erging an Klägerin zu 1. mit Wirkung für und gegen alle Kläger als Feststellungsbeteiligte. Zur Begründung der Ablehnung trug das FA vor, dass keine widerstreitende Steuerfestsetzung im Sinne von § 174 Abs. 4 AO vorliege und eine Änderung des Gewerbesteuermessbescheids für 2013 daher keine Änderung des Feststellungsbescheids für 2013 bewirken könne.
14Gegen diesen Ablehnungsbescheid vom 12.03.2019 wurde kein Einspruch eingelegt. Stattdessen stellte die B-SA/NV namens und im Auftrag der A-GmbH als Rechtsnachfolgerin der A-GmbH & Co. KG mit Schreiben vom 26.03.2019 einen ausdrücklich als solchen gekennzeichneten Antrag auf Änderung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO. Das Antragsschreiben war wie bereits das vorherige Antragsschreiben vom 16.07.2018 durch zwei als Steuerberater bezeichnete Mitarbeiter der Steuerabteilung der B-SA/NV unterzeichnet. Das Änderungsbegehren bestand in der Änderung des Bescheids vom 08.03.2019 dergestalt, „dass die festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Betriebsprüfung von 30.013.808 Euro auf 28.150.497 Euro gemindert werden“. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Antrags auf Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO erfüllt seien. Insbesondere sei der Änderungsantrag vor Ablauf der für den Bescheid vom 08.03.2019 geltenden Einspruchsfrist gestellt worden und auch die Feststellungsfrist sei noch nicht abgelaufen. Das von § 172 AO eingeräumte Ermessen sei zugunsten der A-GmbH auf Null reduziert, weil der Tatbestand der Korrekturnorm erfüllt sei. Die Minderung der festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb sei mit der Betriebsprüfungs- und der Veranlagungsstelle des FA abgestimmt. Gegen die Abhilfe sprechende Erwägungen bestünden nicht.
15Mit Bescheid vom 26.07.2019 lehnte das FA den Antrag auf Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO ab und führte zur Begründung aus, dass diese Änderungsvorschrift nicht anwendbar sei und sich das Änderungsbegehren zur Reduzierung der gewerblichen Einkünfte verfahrensrechtlich nicht verwirklichen lasse. Eine erneute Änderung der Feststellungen sei allenfalls in dem Umfang möglich, soweit die im Bescheid vom 08.03.2019 erfolgte Änderung gegenüber der vorgegangen bestandskräftigen Feststellung im Bescheid vom 25.06.2018 reiche. Der Bescheid vom 08.03.2019 habe die Besteuerungsgrundlagen zugunsten der Klägerin zu 2. und auch lediglich punktuell wegen eines Eingabeversehens berichtigt. Die vorangegangene Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb vom 25.06.2018 sei in Bestandskraft erwachsen. Der für eine Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO zur Verfügung stehende Änderungsrahmen beschränke sich also auf eine partielle Erhöhung des Gewinnanteils der Klägerin zu 2. in dem Änderungsumfang des Bescheids vom 08.03.2019. Für eine darüber hinausgehende Gewinnminderung bestehe weder für die Gesamthand noch anteilig für einzelne Gesellschafter Raum.
16Der gegen den Ablehnungsbescheid vom 26.07.2019 eingelegte Einspruch der B-SA/NV als Rechtsnachfolgerin der zwischenzeitlich auf sie verschmolzenen A-GmbH (wiederum als Rechtsnachfolgerin der vormaligen A-GmbH & Co. KG) blieb erfolglos. In seiner – alle Kläger als Einspruchsführer bezeichnenden – Einspruchsentscheidung vom 12.12.2019 trug das FA ergänzend vor, dass ein auf Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO gestützter Antrag nach einem bestandskräftigen Bescheid nicht eine vollumfängliche Änderung zur Folge haben könne. Eine schlichte Änderung eines Änderungsbescheids könne nur insoweit erfolgen, wie die vorhergehende Änderung auch im Änderungsbescheid ergangen ist, da die Bestandskraft durch eine schlichte Änderung nicht ausgehebelt werden könne. Deshalb sei § 351 Abs. 1 AO in analoger Anwendung bei einem Antrag auf schlichte Änderung nach § 172 AO zu berücksichtigen. Der von § 351 Abs. 1 AO vorgegebene Änderungsrahmen bemesse sich im Streitfall an der durch den Bescheid vom 08.03.2019 erfolgten Änderung. Eine darüber hinaus gehende Änderung sei wegen der bereits eingetretenen Bestandskraft der vorherigen Feststellungsbescheide nicht möglich.
17Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgen die Kläger eine Änderung der Gewinnfeststellung für 2013 für die A-GmbH & Co. KG weiter und wenden sich gegen die Ablehnung ihres auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO gestützten Antrags auf Änderung des Bescheids vom 08.03.2019. Die Kläger sind der Auffassung, dass die „allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen“ der Korrekturnorm unstreitig vorlägen. Auch sei die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2013 mit 28.150.497 Euro zwischen den Beteiligten unstreitig. Einschränkungen über den Änderungsrahmen bestünden weder nach Maßgabe der Korrekturnorm selbst noch des § 351 Abs. 1 AO. Letztere Vorschrift sei schon gar nicht im Verfahren der schlichten Änderung nach § 172 AO anwendbar, wie sich aus dem Wortlaut der Korrekturvorschrift und der systematischen Stellung von § 351 Abs. 1 AO in den Vorschriften über das Einspruchsverfahren ergebe. Die Verwendung des Begriffs „Einspruchsfrist“ in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO sei kein Indiz für eine inhaltliche Beschränkung der Vorschrift. Denn der Begriff der Einspruchsfrist habe lediglich deshalb im Gesetz den Begriff der Rechtsbehelfsfrist abgelöst, weil das Rechtsinstitut der Beschwerde abgeschafft worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Formulierung weitere Gesetzesziele verbunden hätte, insbesondere dass er die Möglichkeit der schlichten Änderung habe begrenzen wollen. Eine „steuerverschärfende“ analoge Anwendung von § 351 AO verbiete sich ebenfalls, denn der Gesetzgeber habe klargestellt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für den Antrag auf schlichte Änderung abschließend in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO geregelt seien. Dies zeige sich auch dadurch, dass § 172 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 AO explizit die Anwendung von § 364b Abs. 2 AO im Rahmen des Antrags auf schlichte Änderung anordne. Würden die Vorschriften des Einspruchsverfahrens bereits aufgrund der bloßen Erwähnung des Wortes Einspruchsfrist in § 172 AO analog Anwendung finden, hätte es des expliziten Verweises auf § 364b Abs. 2 AO nicht bedurft. Es gebe darüber hinaus keine generelle Einschränkung des Änderungsrahmens des § 172 AO durch einen Änderungsbescheid. Denn es existiere kein allgemeines Prinzip, wonach ein Änderungsbescheid nur insoweit angefochten werden könne, wie die Änderung reicht. Es bestünde schließlich auch kein Bedürfnis für eine Beschränkung der Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO durch eine erweiterte Anwendung von § 351 AO. Der Antrag auf schlichte Änderung sei gegenüber dem Einspruch ein eigenständiges Verfahren mit eigenen Anspruchsvoraussetzungen und eigenem Änderungsrahmen. Nur der Einspruch führe zu einer Gesamtaufrollung des Sachverhalts, nicht hingegen der Antrag auf schlichte Änderung. Letzterer verhindere den Eintritt der Bestandskraft lediglich punktuell. Außerhalb des Umfangs des punktuellen Antrags erwachse ein Änderungsbescheid, der den geänderten Bescheid in sich aufnehme, in Bestandskraft. Da insoweit bereits Bestandskraft des ursprünglichen Bescheids eintrete, erscheine eine verschärfende Analogie nicht gerechtfertigt.
18Die Kläger beantragen,
19den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen des verrechenbaren Verlusts nach § 15 Abs. 4 EStG vom 08.03.2019 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12.12.2019 dergestalt zu ändern, dass die festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Betriebsprüfung von 30.013.808 Euro auf 28.150.497 Euro gemindert werden.
20Das FA beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Es hält an seiner Auffassung fest, dass die von den Klägern begehrte Minderung des Gesamthandgewinns verfahrensrechtlich durch einen Antrag auf schlichte Änderung nicht umsetzbar sei. Denn der Bescheid vom 02.06.2017 sei unangefochten geblieben und infolge Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung vollumfänglich bestandskräftig geworden. Die auf den Änderungsantrag vom 16.07.2018 nach § 129 AO erfolgte Berichtigung habe lediglich eine punktuelle Durchbrechung der ansonsten vollumfänglich bestandskräftigen Feststellung für 2013 zur Folge gehabt. Zwar sei der Antrag der Kläger auf Änderung nach § 172 AO am 26.03.2019 innerhalb der Einspruchsfrist des punktuell geänderten Bescheids vom 08.03.2019 gestellt worden, allerdings nicht innerhalb der Einspruchsfrist für den Bescheid vom 02.06.2017, der die Bestandskraft der Feststellung begründet habe und mit dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden sei. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO setze voraus, dass der bestimmte Änderungsantrag innerhalb der noch offenen Einspruchsfrist gestellt wird. Da die Änderung nach dem Gesetzeswortlaut nur zulässig sei, wenn der Steuerpflichtige den Antrag vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellt hat, schließe dies ein, dass die Einspruchsfrist auch in Gang gesetzt wurde. Dies sei im Streitfall bezogen auf den Bescheid vom 02.06.2017 nicht gegeben.
23Überdies sei die Vorschrift des § 351 Abs. 1 AO zu berücksichtigen, durch die die formelle Bestandskraft von vorherigen Verwaltungsakten geschützt werde. Die Vorschrift sei mit derjenigen in § 177 AO vergleichbar, durch die die Grenzen einer Änderung außerhalb eines Einspruchsverfahrens festgelegt würden. Durch § 177 AO würden diejenigen Änderungen vorweggenommen, die der Steuerpflichtige ansonsten in dem durch § 351 Abs. 1 AO eröffneten Rahmen gegen eine ihm nachteilige Änderung des Steuerbescheids aufgrund selbstständiger Korrekturvorschriften geltend machen könnte. Wegen des engen systematischen Zusammenhangs beider Vorschriften seien die zu § 351 Abs. 1 AO bestehenden Grundsätze für die Anwendung von § 177 AO zu übernehmen. § 351 Abs. 1 AO stelle jedoch für die Ermittlung des zulässigen Änderungsrahmens auf den letzten unanfechtbaren Verwaltungsakt ab, im Streitfall den Bescheid vom 02.06.2017. Etwas anderes ergebe sich auch nicht durch die auf § 129 AO gestützte Änderung, da die Auswirkungen auf der Ebene der Gesamthand insoweit neutral seien. Eine „Eröffnung der Bestandskraft über den angefochtenen zulässigen § 129 AO-Berichtigungsrahmen“ bestehe nicht.
24Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Steuerakten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
25Entscheidungsgründe
26Die Klage ist unbegründet.
27Die Ablehnung des Antrags auf Änderung der festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Jahr 2013 auf Grundlage von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO war rechtmäßig. Es bestand kein Anspruch auf Herabsetzung der bereits bestandskräftig festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach dieser Vorschrift.
281. Dem klägerischen Begehren konnte das FA nicht mit einer Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO entsprechen. Dem stand der Feststellungsbescheid vom 02.06.2017 entgegen, mit dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die A-GmbH & Co. KG für das Streitjahr bereits bestandskräftig festgestellt worden waren und dessen Bestandskraft nicht durch den erst nach Ablauf der hierfür maßgeblichen Einspruchsfrist gestellten Antrag auf schlichte Änderung vom 26.03.2019 durchbrochen werden konnte.
29a) Für die A-GmbH & Co. KG waren die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2013 bereits mit Bescheid vom 02.06.2017 bestandskräftig festgestellt worden.
30Werden abweichend von § 157 Abs. 2 AO die Besteuerungsgrundlagen gesondert nach den §§ 179 ff. AO festgestellt, stellen die so festgestellten Besteuerungsgrundlagen unabhängig davon, ob sie einzeln oder zusammen mit anderen Besteuerungsgrundlagen in einem Feststellungsbescheid festgestellt werden, jeweils selbstständige Regelungen dar, die eigenständig angefochten werden und die ebenso eigenständig in Bestandskraft erwachsen können (Bundesfinanzhof –BFH– Urteile vom 21.02.2017 VIII R 46/13, Bundessteuerblatt –BStBl.– II 2017, 745; vom 28.06.2006 XI R 31/05, BStBl. II 2007, 378). Wird der Feststellungsbescheid nicht innerhalb der für ihn geltenden Einspruchsfrist nach § 355 AO mittels Einspruchs angefochten, wird er unanfechtbar, also formell bestandskräftig. Die in dem Feststellungsbescheid festgestellten Besteuerungsgrundlagen werden dann zugleich materiell bestandskräftig – also für Finanzbehörde und Feststellungsbeteiligte verbindlich – und sind einer Änderung nur noch zugänglich, wenn der Bescheid mit einer Nebenbestimmung nach §§ 164, 165 AO versehen ist oder wenn andere Änderungsvorschriften nach der AO oder den Einzelsteuergesetzen eine Durchbrechung der Bestandskraft zulassen.
31Durch den Bescheid vom 02.06.2017 hat das FA in Umsetzung der Ergebnisse der zuvor durchgeführten Betriebsprüfung neben anderen Besteuerungsgrundlagen auch die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2013 auf 30.013.807,62 Euro gesondert und einheitlich nach Maßgabe der § 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) AO festgestellt. Diese Feststellung ist in Bestandskraft erwachsen und der Bescheid ist unanfechtbar geworden. Denn zugleich mit Erlass des Feststellungsbescheids vom 02.06.2017 wurde der bis dahin gemäß § 164 AO bestehende Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben und innerhalb der für diesen Feststellungsbescheid maßgeblichen Einspruchsfrist wurde weder ein Änderungsantrag gestellt noch – anders als gegen den Gewerbesteuermessbescheid vom 22.05.2017 – ein Einspruch eingelegt.
32Durch die weitere Änderung mit Bescheid vom 25.06.2018 auf Grundlage von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erfolgte keine Aufhebung der eingetretenen Bestandskraft der mit Bescheid vom 02.06.2017 getroffenen Feststellungen, weil diese Änderung lediglich zu einer punktuellen Durchbrechung der Bestandskraft zwecks Umsetzung eines Grundlagenbescheids – des geänderten Gewerbesteuermessbescheids vom 25.06.2018 – diente (vgl. BFH-Urteile vom 21.01.2014 IX R 38/13, BStBl. II 2016, 580; vom 25.06.1991 IX R 57/88, BStBl. II 1991, 821).
33Auch die spätere Berichtigung gemäß § 129 AO mit Bescheid vom 08.03.2019 machte die bestandskräftige Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb keiner weiteren Änderung zugänglich. Die einfache Berichtigung nach § 129 AO wirkte sich schon an sich nicht auf die zuvor mit Bescheid vom 02.06.2017 sowie mit Bescheid vom 25.06.2018 materiell bestandskräftig festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus. Denn zunächst berührt eine Berichtigung nach § 129 AO den Regelungsgehalt des berichtigten Bescheids schon nicht (vgl. zur Wirkung einer Berichtigung auf die materielle Bestandskraft BFH-Urteil vom 10.10.2002 VI R 13/01, BStBl. II 2003, 156). Überdies berührte die Berichtigung gemäß § 129 AO im Bescheid vom 08.03.2019 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die A-GmbH & Co. KG nicht. Denn die Berichtigung diente lediglich der Korrektur einer offenbaren Unrichtigkeit, nämlich der Angleichung der für die Klägerin zu 2. in deren Feststellungsteil festgestellten anzusetzenden steuerpflichtigen Einkünfte vor Anwendung von § 15a EStG und nach Anwendung von § 15a EStG.
34b) Mit dem am 26.03.2019 gestellten Antrag auf Änderung des Bescheids vom 08.03.2019 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO konnte keine Minderung der bereits bestandskräftig festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2013 zugunsten der A-GmbH & Co. KG herbeigeführt werden. Der Änderungsvorschrift kommt keine die Bestandskraft durchbrechende Wirkung bei einer begehrten Änderung zugunsten eines Steuerpflichtigen zu. Der für die begehrte Minderung notwendige Antrag wurde nicht innerhalb der Einspruchsfrist für den Bescheid vom 02.06.2017 gestellt. Nicht maßgeblich für die begehrte Änderung ist die Einspruchsfrist des Bescheids vom 08.03.2019.
35(1) Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO darf ein nicht Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder Verbrauchsteuern betreffender Steuerbescheid, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden, soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird; dies gilt jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der Einspruchsfrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat oder soweit die Finanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft. Sind die Voraussetzungen von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO erfüllt, ist dem Änderungsbegehren im Regelfall nachzukommen, weil das grundsätzlich eingeräumte Ermessen bei Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Änderung dann reduziert ist (BFH-Urteile vom 11.10.2017 IX R 2/17, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs–BFH/NV– 2018, 322; vom 19.05.2020 X R 22/19, BFH/NV 2020, 1241). Über § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung und damit die Regelungen der §§ 172 ff. AO sinngemäß auch für Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.
36Die im Streitfall einzig der gerichtlichen Prüfung unterliegende Vorschrift des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO unterscheidet somit im Ausgangspunkt danach, ob eine Änderung zuungunsten oder zugunsten des Steuerpflichtigen verfolgt wird. Während eine Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen auf Antrag oder Zustimmung hin erfolgen kann und außer der Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung keinen zeitlichen Grenzen unterliegt, ist eine Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen fristengebunden. Ihr muss nämlich gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) Halbsatz 2 AO eine Zustimmung oder ein Antrag des Steuerpflichtigen innerhalb der Einspruchsfrist vorausgehen. Durch die Vorschrift wird also zum einen der Finanzbehörde die verfahrensrechtliche Möglichkeit gegeben, bei einem Antrag vor Ablauf der Einspruchsfrist eine einvernehmliche Bescheidänderung sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Steuerpflichtigen vorzunehmen, wohingegen sie nach Ablauf der Einspruchsfrist nur noch zu einer (einvernehmlichen) Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen berechtigt ist. Zum anderen wird dem Steuerpflichtigen ermöglicht, nach Ergehen eines Bescheids eine Änderung ohne Einlegung eines Einspruchs zu veranlassen, dies jedoch nach Ablauf der Einspruchsfrist nur noch zu seinen Ungunsten. Denn die Änderung eines Bescheids nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) AO stellt nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine alternative Möglichkeit zu dem Einspruchsverfahren nach den §§ 346 ff. AO dar, durch die ein Steuerpflichtiger eine Änderung eines Bescheids nach dessen Ergehen ohne Einleitung eines förmlichen Verfahrens herbeiführen kann (BFH-Urteile vom 27.09.1994 VIII R 36/89, BStBl. II 1995, 353; vom 27.10.1993 XI R 17/93, BStBl. II 1994, 439, jeweils mit Verweis auf die Gesetzesbegründung zu § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) der Abgabenordnung 1977 i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetz 1986 vom 19.12.1985 – StBereinG 1986 –, BT-Drucks 10/4513, S. 16). Eine Erweiterung der Rechtsposition des Steuerpflichtigen gegenüber der Einlegung eines Einspruchs ist mit der Möglichkeit eines Änderungsantrags indes nicht verbunden, weshalb sowohl für einen Änderungsantrag als auch für einen Einspruch die Einspruchsfrist zu beachten ist. Insbesondere kann ein Änderungsantrag also nicht zu einer Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen führen, wenn der Antrag nach Ablauf der Einspruchsfrist gestellt wurde. Denn mit Ablauf der Einspruchsfrist wird der Bescheid bestandskräftig und ist jedenfalls keiner Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen auf Grundlage von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO mehr zugänglich; es kommt dann lediglich eine Änderung zu dessen Ungunsten in Betracht.
37(2) Diese Maßgaben erfüllt der erst am 26.03.2019 gestellte Antrag nicht. Der Antrag auf Änderung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr 2013 zugunsten der A-GmbH & Co. KG wurde nicht innerhalb der für den bestandskräftigen Bescheid vom 02.06.2017 geltenden Einspruchsfrist gestellt. Nicht maßgeblich war die Einspruchsfrist für den Bescheid vom 08.03.2019.
38aa) Anders als die den Antrag stellende Vertreterin der A-GmbH & Co. KG offenbar aus dem Wortlaut von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO folgert, konnte mit dem am 26.03.2019 gestellten Antrag keine Minderung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2013 herbeigeführt werden, auch wenn der Änderungsantrag innerhalb der für den Bescheid vom 08.03.2019 geltenden Einspruchsfrist gestellt wurde. Hierdurch konnte die Bestandskraft des Bescheids vom 02.06.2017, in dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bereits bestandskräftig festgestellt worden waren, nicht durchbrochen werden. Die begehrte Minderung der Einkünfte sollte zugunsten der A-GmbH & Co. KG erfolgen und hätte dafür innerhalb der Einspruchsfrist für den Bescheid vom 02.06.2017 geltend gemacht werden müssen.
39Dass in Fällen, in denen nach Eintritt der Unanfechtbarkeit eines Feststellungsbescheids ein Änderungs- oder Berichtigungsbescheid mit eigenständiger Einspruchsfrist ergeht und ein innerhalb dieser Einspruchsfrist gestellter Änderungsantrag nicht zu einer Änderung der vorherigen bestandskräftigen Feststellungen zugunsten des Steuerpflichtigen führen kann, mag sich nicht eindeutig aus dem Wortlaut der Änderungsvorschrift ergeben. Denn der Wortlaut des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO bezeichnet als zeitliche Grenze für eine Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen lediglich, dass der Antrag oder die Zustimmung „vor Ablauf der Einspruchsfrist“ gestellt bzw. erteilt werden muss. Damit regelt die Norm noch nicht ausdrücklich, welche Einspruchsfrist – diejenige des wegen Unanfechtbarkeit schon bestandskräftigen gewordenen Bescheids oder diejenige des Änderungsbescheids – maßgeblich ist. Dass deshalb indes nicht die Möglichkeit besteht, innerhalb der für den Änderungsbescheid geltenden Einspruchsfrist auch Änderungen zugunsten des Steuerpflichtigen zu beantragen, die die schon bestandskräftig gewordenen Regelungen betreffen, folgt aus dem Prinzip der Bestandskraft von Verwaltungsakten, das in der Änderungsvorschrift des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO zum Ausdruck kommt.
40Wie die in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO angeordnete Fristengebundenheit eines Antrags auf schlichte Änderung im Falle eines Änderungsbescheids zu verstehen ist, verdeutlicht die Entwicklung der Korrekturnorm. Die Vorschrift erlaubte der Finanzbehörde schon in Gestalt der Vorgängerregelungen in § 76 der Reichsabgabenordnung 1919 und diesem folgend § 94 der Reichsabgabenordnung 1934 (vgl. v. Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 260. Lieferung 10.2020, § 172 AO Rn 5) eine Änderung unanfechtbar gewordener Bescheide stets nur zulasten des Steuerpflichtigen (mit dessen Einverständnis). Eine Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen bei einer Antragstellung erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des zu ändernden Bescheids ließ die Vorschrift hingegen noch nie zu.
41Den Vorgängerregelungen folgend bestimmte auch bereits § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) der Abgabenordnung 1977 in ihrer bis zum 31.12.1986 geltenden Fassung, dass eine Änderung bei den nicht Zölle oder Verbrauchsteuern betreffenden Steuerbescheiden möglich ist, „falls der Steuerpflichtige zustimmt oder soweit einem Antrag des Steuerpflichtigen der Sache nach entsprochen wird; ist jedoch der Steuerbescheid bereits unanfechtbar geworden, so gilt dies nur zuungunsten des Steuerpflichtigen“.
42Diese Gesetzesregelung hatte für eine Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen zur Voraussetzung, dass der gesamte Änderungsvorgang vor Eintritt der Unanfechtbarkeit abgeschlossen sein musste. Es mussten also sowohl der Antrag als auch die Umsetzung der Änderung in dem Änderungsbescheid vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist erfolgt sein. Um diese zeitliche Beschränkung zugunsten der Steuerpflichtigen abzumildern, wurde die Vorschrift durch das StBereinG 1986 mit Wirkung ab dem 01.01.1987 umformuliert. Die Änderung von nicht Zöllen oder Verbrauchsteuern betreffenden Steuerbescheiden war hiernach dann möglich, „soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird; dies gilt jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat“. Nach der Gesetzesbegründung wurde die Vorschrift lediglich sprachlich gestrafft und die Änderung des 2. Halbsatzes sollte es nunmehr zulassen, einen Bescheid zugunsten des Steuerpflichtigen auch dann noch zu ändern, wenn zwar die Rechtsbehelfsfrist abgelaufen und der Bescheid dadurch unanfechtbar geworden ist. Voraussetzung sollte jedoch noch immer sein, dass der Beitrag des Steuerpflichtigen– also die Zustimmung oder Antragstellung – vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist erfolgt ist (BT-Drucks 10/4513, S. 16; v. Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 260. Lieferung 10.2020, § 172 AO Rn 107). Lediglich die Umsetzung der Änderung durch die Finanzbehörde durfte also auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit erfolgen. Durch die Gesetzesänderung sollte in vielen Fällen auf die Durchführung eines förmlichen Rechtsbehelfsverfahrens verzichtet werden können. Ausdrücklich wurde festgehalten, dass im Übrigen keine Änderung des bis dahin geltenden Rechts eintreten soll (vgl. BT-Drucks 10/4513, S. 17).
43Mit dem Grenzpendlergesetz vom 24.06.1994 (BGBl. I 1994, S. 1395) wurde in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO 1977 sodann mit Wirkung ab dem 01.01.1996 der Begriff „Rechtsbehelfsfrist“ durch den Begriff „Einspruchsfrist“ ersetzt. Hierdurch wurde der Abschaffung der Beschwerde als dem bis dahin neben dem Einspruch einzig verfügbaren außergerichtlichen Rechtsbehelf Rechnung zu tragen. Es handelte sich lediglich um eine redaktionelle Änderung (BT-Drucks. 12/7427, S. 38 zu Art. 4 Nr. 15 des Grenzpendlergesetzes). Auch die durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 vom 22.12.1999 (BGBl. I 1999, S. 2601) geänderte Fassung von Halbsatz 2 in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO, wonach die Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen auch möglich sein soll, soweit die Finanzbehörde einem Einspruch oder einer Klage abhilft, führte zu keiner Erweiterung der rechtskraftdurchbrechenden Wirkung einer schlichten Änderung, die nach Ablauf der Einspruchsfrist nach wie vor nur eine Änderung zulasten des Steuerpflichtigen erlaubt, wenn er nicht vorher innerhalb der Einspruchsfrist einen Antrag gestellt oder seine Zustimmung erteilt hat.
44Für den Streitfall folgt aus der dargestellten Reichweite einer Bestandskraftdurchbrechung nach Maßgabe von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO, dass entweder ein Einspruch oder ein Änderungsantrag innerhalb der Einspruchsfrist für den Bescheid vom 02.06.2017 hätte erfolgen müssen, um eine Änderung der in diesem Bescheid festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugunsten der A-GmbH & Co. KG zu erreichen. Dass der Änderungsantrag vom 26.03.2019 innerhalb der Einspruchsfrist für den auf § 129 AO gestützten Berichtigungsbescheid vom 08.03.2019 gestellt wurde, war für die verfolgte Minderung der Einkünfte nicht erheblich. Denn dieser Berichtigungsbescheid enthielt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die A-GmbH & Co. KG in identischer Höhe wie der Bescheid vom 02.06.2017, mit dem diese Besteuerungsgrundlagen bereits zuvor bestandskräftig festgestellt worden waren. Eine Änderung der festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb wäre mit der Antragstellung vom 26.03.2019 lediglich zuungunsten der A-GmbH & Co. KG – mit deren Einverständnis – möglich gewesen, nicht hingegen zu ihren Gunsten.
45bb) Eine Änderung der mit Bescheid vom 02.06.2017 bestandskräftig festgestellten Besteuerungsgrundlagen – der Einkünfte aus Gewerbebetrieb – zugunsten der Feststellungsbeteiligten auf Grundlage von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO widerspräche auch der Bedeutung der Norm, die in der angeordneten Fristengebundenheit für die Zustimmung bzw. den Antrag des Steuerpflichtigen zum Ausdruck kommt.
46Hintergrund der Fristengebundenheit ist es, zu verhindern, dass die Bestandskraft unterlaufen wird (Rüsken, in: Klein, AO, 15. Auflage 2020, § 172 Rn 40 mit Verweis auf BFH-Urteil vom 27.09.1994 VIII R 36/89, BStBl. II 1995, 353). Auch sollen hierdurch die Regeln über das förmliche Einspruchsverfahren nicht konterkariert werden, weil dem Steuerpflichtigen keine über das Einspruchsverfahren hinaus gehende Rechtsposition eingeräumt werden soll (vgl. v. Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 260. Lieferung 10.2020, § 172 AO Rn 145). Beides würde bei einer dem Änderungsantrag vom 26.03.2019 folgenden Herabsetzung der bestandskräftig festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2013 missachtet. Nicht nur käme es zu einem Unterlaufen der Bestandskraft des Feststellungsbescheids vom 02.06.2017, weil die dort bereits bestandskräftig festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb nachträglich gemindert würden. Auch die Bestandskraft des nach Maßgabe von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheids vom 25.06.2018 würde missachtet, weil auch in diesem Bescheid die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in gleicher Höhe wie in dem Bescheid vom 02.06.2017 festgestellt worden sind und auch gegen den Bescheid vom 25.06.2018 kein Einspruch eingelegt wurde, sondern lediglich die mit § 129 AO und § 174 AO begründeten Änderungsanträge gestellt wurden.
47Darüber hinaus würden die Kläger bei einem erfolgreichen Änderungsantrag letztlich so gestellt, als sei gegen die festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb in dem Bescheid vom 02.06.2017 fristgerecht ein Änderungsantrag gestellt oder ein Einspruch eingelegt worden. Beides wurde jedoch versäumt. Nur gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2013 vom 22.05.2017 wurden mittels Einspruchs die Einwendungen gegen die Höhe des Gewinns aus Gewerbebetrieb erhoben. Dieser Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid konnte jedoch keine Auswirkungen auf die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2013 haben. Denn anders als von § 35b Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) vorgesehen, wonach ein Gewerbesteuermessbescheid von Amts wegen aufzuheben oder zu ändern ist, wenn der Einkommensteuerbescheid, der Körperschaftsteuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung oder Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb berührt, existiert für den umgekehrten Fall einer Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb in einem Gewerbesteuermessbescheid keine derartige Anpassungsverpflichtung für einen Einkommensteuerbescheid, Körperschaftsteuerbescheid oder Feststellungsbescheid.
48cc) Dass der bestandskräftige Feststellungsbescheid vom 02.06.2017 nicht auf Grundlage von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO zugunsten der Kläger geändert werden konnte, verdeutlicht sich zudem an der Unzulässigkeit einer späteren betragsmäßigen Erweiterung eines zunächst fristgerechten Änderungsantrags.
49So ist im Falle eines fristgerecht vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellten Änderungsantrags eine betragsmäßige Erweiterung des Antrags zugunsten des Steuerpflichtigen nach Ablauf der Einspruchsfrist ausgeschlossen (BFH-Urteile vom 27.10.1993 XI R 17/93, BStBl. II 1994, 439; vom 20.12.2006 X R 30/05, BStBl II 2007, 503; BFH-Beschluss vom 13.10.1994 IV B 39/94, juris; von Wedelstädt, in: Gosch/Hoyer, AO/FGO, 158. Lieferung Stand 01.06.2019, § 172 AO Rn 146.5; v. Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 260. Lieferung 10.2020, § 172 AO Rn 137). Dies folgt maßgeblich aus der bestandskraftschützenden Wirkung von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO. Da eine punktuelle Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen einen Antrag/Zustimmung vor Ablauf der Einspruchsfrist voraussetzt und die nicht von der begehrten Änderung erfasste Regelung des Bescheids im Übrigen mit Ablauf der Einspruchsfrist in Bestandskraft erwächst, würde eine nachträgliche Ergänzung dazu führen, dass die bereits bestandskräftigen Regelungen einer Änderung zugänglich gemacht werden, obwohl sie von dem Steuerpflichtigen zuvor nicht angegriffen worden sind. Aus diesem Grund ist – anders als im Einspruchsverfahren, bei dem der Eintritt der materiellen Bestandskraft vollständig und umfassend hinausgeschoben wird und bei dem deshalb bis zum Abschluss sämtliche Einwendungen vorgebracht werden können – im Antragsverfahren nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO der Antragsteller gezwungen, vor Ablauf der Einspruchsfrist seine Einwendungen vollständig geltend zu machen. Werden weitere Einwendungen erst nach Ablauf der Einspruchsfrist und damit nach Eintritt der formellen und materiellen Bestandskraft geltend gemacht, betreffen sie insoweit bereits bestandskräftige Regelungen und sind zurückzuweisen.
50Für den Streitfall folgt daraus, dass die gewünschte Änderung der mit Feststellungsbescheid vom 02.07.2017 bestandskräftig festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb erst Recht nicht erfolgen kann, wenn und weil hierzu und auch zu dem nachfolgenden geänderten Feststellungsbescheid vom 25.06.2018 schon überhaupt gar kein Änderungsantrag gestellt wurde.
51dd) Das zwischen den Beteiligten im Wesentlichen streitige Argument einer analogen Anwendung von § 351 Abs. 1 AO im Antragsverfahren nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO und die Bedeutung der in § 177 AO getroffenen Aussage für den Umfang der Änderungsbefugnis sind für den Streitfall unerheblich. Denn die Einschränkung, dass eine Änderung der festgestellten Besteuerungsgrundlagen – Einkünfte aus Gewerbebetrieb – zugunsten der Kläger nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO deshalb nicht herbeigeführt werden kann, weil die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bereits materiell bestandskräftig festgestellt und der sie feststellende Bescheid unanfechtbar geworden ist, ergibt sich aus der Änderungsvorschrift selbst und ohne Rückgriff auf § 351 Abs. 1 AO.
522. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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- 2020 X R 22/19 1x (nicht zugeordnet)
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- § 172 AO 3x (nicht zugeordnet)
- EStG § 15 Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1x
- § 172 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 AO 1x (nicht zugeordnet)
- 2017 IX R 2/17 1x (nicht zugeordnet)
- 2006 X R 30/05 1x (nicht zugeordnet)
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- 1993 XI R 17/93 2x (nicht zugeordnet)
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- 2014 IX R 38/13 1x (nicht zugeordnet)
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