Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 3 K 3169/20 E
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger erzielte im Jahr 2018 (Streitjahr) u.a. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft aus einem in Bundesland X belegenen Forstbetrieb. Das für die gesonderte Feststellung dieser Einkünfte zuständige Finanzamt A-Stadt erließ diesbezüglich am 24.07.2020 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2018. Festgestellt wurden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i.H.v. 118.226 Euro.
3Der Beklagte übernahm diese Besteuerungsgrundlagen in den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 18.09.2020. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 23.09.2020 Einspruch ein. Den Einspruch begründete er damit, dass die besonderen Steuersätze für die Kalamitätsnutzung gemäß § 34b des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht angewendet worden seien. Von den Einkünften aus Forstwirtschaft seien 111.733,76 Euro aus windbruchbedingten Notverkäufen entstanden. Davon unterlägen 73,31 % dem halben Steuersatz und 26,69 % dem viertel Steuersatz.
4Der Beklagte wies den Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 03.12.2020 als unbegründet zurück. Es seien nur Einwendungen vorgetragen worden, die sich gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Einkünften richteten. Es handele sich hierbei um einen Grundlagenbescheid. In den angefochtenen Folgebescheid, den Einkommensteuerbescheid, würden die Beträge lediglich übertragen. Bei der Einkommensteuerfestsetzung im Folgebescheid seien Einwände gegen die Richtigkeit des Grundlagenbescheides ausgeschlossen.
5Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der am 16.12.2020 erhobenen Klage weiter.
6Er trägt vor, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der besonderen Steuersätze gemäß § 34b EStG erfüllt seien, der Beklagte diese im angefochtenen Bescheid dennoch nicht anwende. Aus § 34b EStG ergebe sich nicht, dass sich die Erfüllung der Voraussetzungen aus einem Grundlagenbescheid ergeben müsse. Die Vorschrift sei durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1.11.2011 insgesamt neu gefasst worden, weshalb die BFH-Rechtsprechung aus der davor liegenden Zeit keine Relevanz mehr entfalte.
7Die Prüfung und Ermittlung der Kalamitätsnutzungen obliege der zuständigen Finanzbehörde i.S.v. § 34b Abs. 4 Nr. 2 EStG. Dies sei der Forstsachverständige der Finanzverwaltung des Bundeslandes X, der beim Finanzamt B-Stadt zu erreichen sei. Dieser Behörde habe er die Schäden unverzüglich gemeldet. Dem Beklagten habe er die Angaben zu den Kalamitätsnutzungen und die darauf anzuwendenden Steuersätze bereits mit der Einreichung der Einkommensteuererklärung 2018 am 04.06.2020 mitgeteilt. Auch das Aktenzeichen des Klägers bei dem Forstsachverständigen liege dem Beklagten vor. Es sei nicht ersichtlich, warum das Ergebnis der Prüfung des Forstsachverständigen nicht direkt beim Wohnsitzfinanzamt verarbeitet werden und stattdessen noch den Umweg über das Finanzamt A-Stadt nehmen solle.
8Der Beklagte habe die Einspruchsentscheidung nur mit § 180 der Abgabenordnung (AO) begründet, ohne dabei zwischen der einheitlichen und gesonderten Feststellung gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO und der einheitlichen und gesonderten Feststellung gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) AO zu differenzieren. Für ihn gelte der § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) AO. Der Beklagte hätte insofern nachfragen müssen. Während § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO nach dem Gesetzeswortlaut sowohl „Einkünfte“ als auch „mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen“ erfasse, beziehe sich § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) AO nur auf „Einkünfte“. Die Einkünfte seien vom Finanzamt A-Stadt auch zutreffend festgestellt worden, die Feststellung nach § 34b EStG sei als Besteuerungsgrundlage hingegen von § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) AO nicht erfasst.
9Wegen des „Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens ab dem Veranlagungszeitraum 2017“ habe er keine Kopie der Bescheinigung nach § 34b Abs. 4 EStG des Finanzamts B-Stadt eingereicht, sondern sie nur zur Vorlage bereitgehalten. Die Bearbeitung der Einkommensteuererklärung durch den Beklagten sei möglicherweise teilweise im Homeoffice des Sachbearbeiters erfolgt, woraus die fehlende Aufklärung resultieren könnte. Das „Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens ab dem Veranlagungszeitraum 2017“ sowie die „Homeoffice-Anordnung“ würden somit erheblich höhere Risiken für die Steuerpflichtigen bergen. Auch in der nun vorliegenden „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung“ vom Januar 2021 fänden sich keine Kompensationsregelungen zum Ausgleich von erhöhten Risiken, die damit verbunden seien, dass z.B. hoheitliche Maßnahmen nicht am Arbeitsplatz im Amt, sondern im, gesetzlich nicht mal nach Mindeststandards ausgestatteten, Homeoffice vorbereitet würden.
10Da er die Kalamitätsnutzung beim Beklagten angegeben habe, sei er seinen Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 1 AO vollumfänglich nachgekommen. Eine weitere Angabe der Kalamität in der Erklärung zur gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 2018 sei unterblieben, da dies als unzulässige Doppelbeantragung durch den Beklagten hätte ausgelegt werden können. Dass die beteiligten Finanzbehörden gerade dies zum Anlass nehmen würden, um es als mangelnde Mitwirkung seinerseits bzw. Fristversäumnis auszulegen, sei für ihn nicht erkennbar gewesen, weil keines der beteiligten Finanzämter seine vermeintliche „Unzuständigkeit“ bis zum Erlass des Einkommensteuerbescheides 2018 am 18.09.2020 ihm gegenüber kommuniziert habe. Es sei nach § 88 AO Aufgabe der Finanzbehörden, Sachverhalte aufzuklären.
11Der Kläger beantragt,
12den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 18.09.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.12.2020 dahingehend zu ändern, dass die erklärten besonderen Steuersätze gemäß § 34b EStG bei der Ermittlung der festzusetzenden Steuerbeträge angewendet werden;
13hilfsweise, die Revision zuzulassen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er trägt vor, dass entgegen der Auffassung des Klägers im Fall einer gesonderten und ggf. einheitlichen Feststellung gemäß §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) oder b) AO im Feststellungsverfahren auch über die nach § 34b EStG begünstigten Einkünfte zu entscheiden sei. Das für die Feststellung zuständige Finanzamt sei im Streitfall das Finanzamt A-Stadt. Die Anlage 34b (Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen nach § 34b EStG) sei auch Bestandteil der Feststellungserklärung 2018, die bei dem Finanzamt A-Stadt abzugeben gewesen sei. Inwieweit eine „Doppelbeantragung“, wie der Kläger meine, als steuerlich unzulässig zu Ungunsten des Klägers hätte ausgelegt werden können, vermöge er nicht zu erkennen. Der Kläger hätte gegen den Feststellungsbescheid 2018 vorgehen können und müssen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
19Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid 2018 vom 18.09.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.12.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).
20I. Der Beklagte hat in den angefochtenen Einkommensteuerbescheid zu Recht die im Bescheid des Finanzamts A-Stadt über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2018 vom 24.07.2020 festgestellten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i.H.v. 118.226 Euro übernommen, ohne die besonderen Steuersätze des § 34b EStG anzuwenden. Für die Anwendung dieser Steuersätze durch den Beklagten hätte es einer bindenden Feststellung durch das Finanzamt A-Stadt bedurft, dass und in welcher Höhe die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft steuerbegünstigte Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen i.S.v. § 34b EStG enthalten. Gesondert festgestellt wurden demgegenüber aber nur regulär zu besteuernde Einkünfte.
21Feststellungsbescheide sind gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für Steuerbescheide bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) AO sind Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gesondert festzustellen, wenn – wie im Streitfall – das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt nicht auch für die Steuern vom Einkommen zuständig ist.
22Bei dem Feststellungsbescheid des Finanzamts A-Stadt handelt es sich um einen solchen Bescheid, der für den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Feststellungen zu den Einkünften aus Land- und Fortwirtschaft Bindungswirkung entfaltet. Inhalt der im Grundlagenbescheid abschließend zu treffenden Feststellungen sind dabei auch die Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen i.S.d. § 34b EStG (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25.08.1960 IV 262/59 S, Bundessteuerblatt III 1960, 486; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 180 AO Rn. 407 i.V.m. Rn. 233; Stalbold in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 34b EStG Rn. 6). Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der gesonderten Feststellung: Der Regelung des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) AO liegt der Gedanke zugrunde, dass das Betriebsstättenfinanzamt über die örtlichen Verhältnisse besser informiert ist als das u.U. entferntere Wohnsitzfinanzamt. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob eine außerordentliche Holznutzung i.S.d. § 34b EStG vorliegt.
23Der Umstand, dass 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO nach dem Gesetzeswortlaut sowohl „Einkünfte“ als auch „mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen“ erfasst, wohingegen sich der im Streitfall einschlägige § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b) AO lediglich auf „Einkünfte“ bezieht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Besteuerungsgrundlagen, die bereits bei der Ermittlung der Einkünfte zu berücksichtigen sind, sind in beiden Varianten festzustellen. Der durch das Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21.12.1993 (BGBl. I 1993, 2310) aufgenommene Zusatz „und mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen“ in § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO wollte lediglich Besteuerungsgrundlagen, die nicht bereits bei der Ermittlung der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte zu berücksichtigen sind, erfassen (Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 180 AO Rn. 155, 163). Im Übrigen gelten für den Umfang der Feststellungen die für gesonderte und einheitliche Feststellungen i.S.d. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO maßgebenden Grundsätze sinngemäß, soweit sich nicht Einschränkungen daraus ergeben, dass die Einkünfte nur einer Person festgestellt werden (Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 180 AO Rn. 407).
24Die Berücksichtigung steuerbegünstigter Einkünfte nach § 34b EStG hätte damit nur durch Anfechtung des Feststellungsbescheides des Finanzamtes A-Stadt geltend gemacht werden können, mit dem – mit Bindungswirkung für den Folgebescheid – lediglich regulär zu besteuernde Einkünfte festgestellt wurden. Der Einkommensteuerbescheid als Folgebescheid kann insoweit wegen der Bindungswirkung des Grundlagenbescheides nicht mehr auf seine materielle Richtigkeit geprüft werden.
25Der Umstand, dass der Beklagte den Kläger nicht innerhalb der Einspruchsfrist gegen den Grundlagenbescheid darauf hingewiesen hat, dass ein Antrag auf Anwendung der besonderen Steuersätze nach § 34b EStG beim Betriebsstättenfinanzamt zu stellen ist, vermag hieran nichts zu ändern. Ebenso wenig vermögen die Mutmaßungen des Klägers die Annahme zu rechtfertigen, dass der Beklagte eine Verletzung seiner Amtsermittlungspflichten begangen hätte.
26II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
27III. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
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Referenzen
- § 88 AO 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 115 1x
- § 180 AO 3x (nicht zugeordnet)
- 1960 IV 262/59 1x (nicht zugeordnet)
- EStG § 34b Steuersätze bei Einkünften aus außerordentlichen Holznutzungen 13x
- FGO § 135 1x
- § 90 Abs. 1 AO 1x (nicht zugeordnet)
- § 182 Abs. 1 Satz 1 AO 1x (nicht zugeordnet)