Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 4 K 1370/20 Z
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin handelt mit Ölen, Fetten und Margarinen. Das beklagte Hauptzollamt erteilte ihr mit Verfügung vom 1. Dezember 2014 die Bewilligung eines passiven Veredelungsverkehrs für die Herstellung von Erdnussöl der Unterposition 1516 20 96 der Kombinierten Nomenklatur (KN) als Veredelungserzeugnis bei der in der Schweiz ansässigen A. Als Ware der vorübergehenden Ausfuhr wurde rohes Erdnussöl der Unterposition 1508 10 90 KN bezeichnet. Die Veredelungsvorgänge bei der A umfassten die Raffination, Hydrierung, Nachraffination, Dämpfung und das Abfüllen des Erdnussöls. Nach der Bewilligung waren als Zollstellen für die Überführung der Waren der vorübergehenden Ausfuhr in das Verfahren das Hauptzollamt B – Zollamt C – sowie das beklagte Hauptzollamt – Zollamt D – zugelassen worden. Das Verfahren konnte bei jeder deutschen Zollstelle erledigt werden. Überwachungszollstelle war das beklagte Hauptzollamt.
3In dem Zeitraum von Juni 2015 bis zum September 2017 erwarb die Klägerin in den Niederlanden rohes Erdnussöl, das dort in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt worden war. Das rohe Erdnussöl wurde direkt von Rotterdam zur A in die Schweiz befördert. Dazu wurde das rohe Erdnussöl bei einer Zollstelle in den Niederlanden im Verfahren 1000 (endgültige Ausfuhr ohne vorangegangenes Verfahren) zur Ausfuhr angemeldet. Dadurch unterblieb eine Überführung des rohen Erdnussöls in das Verfahren der passiven Veredelung beim Zollamt C oder beim Zollamt D.
4Nach der Durchführung der Veredelungsvorgänge bei der A wurde das Erdnussöl von der Klägerin in dem Zeitraum vom 29. Juni 2015 bis zum 11. September 2017 im Verfahren 4000 (gleichzeitige Überlassung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr ohne vorangegangenes Verfahren) zur Überführung bzw. Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet. Dabei meldete sie als Zollwert des Erdnussöls die Kosten der Veredelungsvorgänge in der Schweiz an.
5Mit Wirkung ab dem 16. März 2018 änderte das beklagte Hauptzollamt die der Klägerin erteilte Bewilligung vom 1. Dezember 2014 dergestalt, dass die niederländische Zollstelle NL 000000 aufgenommen wurde, so dass die Waren der vorübergehenden Ausfuhr auch bei dieser Zollstelle zur Überführung in die passive Veredelung angemeldet werden konnten.
6Im Anschluss an eine Außenprüfung (Prüfungsbericht vom 2. November 2018) vertrat das beklagte Hauptzollamt die Auffassung, dass das rohe Erdnussöl nicht in das Verfahren der passiven Veredelung übergeführt worden sei, weil es nicht unter dem Verfahrenscode 2100 bei den in der Bewilligung vom 1. Dezember 2014 bezeichneten Zollstellen angemeldet worden sei. Für das aus der Schweiz eingeführte Erdnussöl habe die Klägerin deshalb nicht die für einen passiven Veredelungsverkehr vorgesehene Abgabenbegünstigung in Anspruch nehmen dürfen. Das beklagte Hauptzollamt setzte daher mit Bescheid vom 25. Juli 2018 gegen die Klägerin 571.192,24 € Zoll fest.
7Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Ferner ließ sie die Zollanmeldungen zur Ausfuhr des rohen Erdnussöls durch die niederländische Zollverwaltung dergestalt ändern, dass sie in Feld 2 der Anmeldungen als Ausführerin, in Feld 37 der Verfahrenscode 2100 (vorübergehende Ausfuhr im Rahmen der passiven Veredelung) und in Feld 44 ein Hinweis auf die ihr erteilte Bewilligung eines passiven Veredelungsverkehrs eingetragen wurden.
8Das beklagte Hauptzollamt setzte den nacherhobenen Zoll mit Bescheid vom 5. Dezember 2018 auf 551.163,80 € neu fest und erließ der Klägerin 20.028,44 € Zoll. Den Einspruch der Klägerin wies es mit Entscheidung vom 7. Mai 2020 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus: Die Klägerin habe für das aus der Schweiz eingeführte Erdnussöl keine teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben in Anspruch nehmen dürfen, weil das rohe Erdnussöl entgegen der ihr erteilten Bewilligung nicht beim Zollamt C oder D in das Verfahren der passiven Veredelung übergeführt worden sei. Die niederländische Zollstelle NL 000000 sei erst mit Wirkung ab dem 16. März 2018 in die Bewilligung aufgenommen worden. Die Änderungen der Ausfuhranmeldungen durch die niederländische Zollstelle seien unerheblich, weil diese in dem fraglichen Zeitraum in der Bewilligung noch nicht als Zollstelle für die Anmeldung der Waren der vorübergehenden Ausfuhr vorgesehen gewesen sei.
9Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Die niederländischen Zollstellen hätten die Ausfuhranmeldungen wirksam geändert. An diese Entscheidungen sei das beklagte Hauptzollamt gebunden. Die Änderung der Ausfuhranmeldungen durch die niederländischen Zollstellen sei auch rechtmäßig, weil das rohe Erdnussöl versehentlich unter einem unzutreffenden Verfahrenscode angemeldet worden sei. Für die Frage der Zuständigkeit der niederländischen Zollstelle komme es nicht darauf an, dass diese in die Bewilligung mit aufgenommen worden sei. Entscheidend sei vielmehr, dass sie die ursprünglichen Ausfuhranmeldungen angenommen habe. Durch die nachträgliche Änderung der Ausfuhranmeldungen seien die Ziele des Verfahrens der passiven Veredelung nicht gefährdet worden, weil kein Missbrauchstatbestand erfüllt worden sei. Sie hätte die ihr erteilte Bewilligung nach der Berichtigung der Ausfuhranmeldungen für die Einfuhr der Veredelungserzeugnisse nutzen können, so dass es für die Nacherhebung des Zolls an einer Rechtfertigung fehle. Zumindest sei Art. 86 Abs. 6 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Unionszollkodex - UZK -) im Streitfall analog anzuwenden. Hätte sie das veredelte Erdnussöl vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft bzw. der Union verbracht und keine Zollanmeldung abgegeben, wäre Art. 86 Abs. 6 UZK seinem Wortlaut nach unmittelbar anwendbar. Die Vorschrift müsse erst recht angewendet werden, wenn die Zollschuld nach Art. 77 UZK entstanden sei. Die Abgabenbegünstigung der passiven Veredelung müsse in analoger Anwendung des Art. 86 Abs. 6 UZK bei allen Verfehlungen gewährt werden, die ohne Folgen für das reibungslose Funktionieren des Verfahrens geblieben seien.
10Die Klägerin beantragt,
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1. den Einfuhrabgabenbescheid vom 5. Dezember 2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 2020 aufzuheben;
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2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung trägt es vor: Für eine ordnungsgemäße Überführung der Waren der vorübergehenden Ausfuhr in das Verfahren der passiven Veredelung in den Niederlanden und anschließender Einfuhr der Veredelungserzeugnisse nach Deutschland sei eine einzige Bewilligung erforderlich gewesen. Eine solche Bewilligung sei der Klägerin nicht erteilt worden. Eine analoge Anwendung des Art. 86 Abs. 6 UZK sei nicht möglich, weil die Zollschuld nach Art. 77 UZK entstanden sei und die Bedingungen für eine teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben nicht erfüllt seien.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die Klage ist unbegründet. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 5. Dezember 2018, der gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung Gegenstand des Einspruchs- und damit auch des Klageverfahrens geworden ist (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 1. April 1999 VII R 41/98 BFH/NV 1999, 1396), in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
19Rechtsgrundlage für die nachträgliche Festsetzung und Mitteilung des Zolls sind die Art. 101 Abs. 1, 102 Abs. 1 Unterabs. 1 UZK. Bei diesen Bestimmungen handelt es sich um Verfahrensvorschriften, die deshalb zum Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Einfuhrabgabenbescheids auch in den Fällen anzuwenden waren, in denen die Zollschuld vor dem 1. Mai 2016 (Art. 288 Abs. 2 UZK) entstanden ist (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften – EuGH –, Urteil vom 23. Februar 2006 Rs. C-201/04, Slg. 2006, I-2070 Randnr. 31, 36 – zu Art. 221 Abs. 1 ZK –).
20Die Zollschuld ist für den Zeitraum vom 29. Juni 2015 bis zum 29. April 2016 (Bl. 20 bis 28 des Heftes 1 der Verwaltungsakten) nach Art. 201 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Zollkodex - ZK -) durch die Annahme der Zollanmeldungen der Klägerin zur Überführung des aus der Schweiz eingeführten Erdnussöls in den zollrechtlich freien Verkehr entstanden.
21Die Klägerin konnte für das von ihr eingeführte Erdnussöl nicht die teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben nach Art. 145 ZK in Anspruch nehmen. Sie verfügte in dem fraglichen Zeitraum zwar über die gemäß Art. 147 Abs. 1 ZK erforderliche Bewilligung. Hiervon hat sie jedoch zunächst keinen Gebrauch gemacht. Die vollständige oder teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben für Veredelungserzeugnisse nach Art. 145 ZK setzt voraus, dass die Waren der vorübergehenden Ausfuhr in das Verfahren der passiven Veredelung übergeführt worden sind (BFH, Urteil vom 12. Juli 2011 VII R 13/10, BFHE 234, 83). Dies ist in dem in Rede stehenden Zeitraum nicht geschehen, weil das rohe Erdnussöl bei den Zollstellen in den Niederlanden im Verfahren 1000 (endgültige Ausfuhr ohne vorangegangenes Verfahren) zur Ausfuhr angemeldet worden ist. Richtigerweise hätte das rohe Erdnussöl unter dem Verfahrenscode 2100 (vorübergehende Ausfuhr im Rahmen der passiven Veredelung) angemeldet werden müssen (vgl. Anhang 38 zur Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – ZKDVO –).
22Die niederländische Zollverwaltung hat die Ausfuhranmeldungen zwar ganz überwiegend gemäß Art. 78 Abs. 3 ZK berichtigt (Bl. 51 ff. des Heftes 3 der Verwaltungsakten), indem sie unter anderem den zutreffenden Verfahrenscode 2100 eingetragen hat (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010 Rs. C-430/08 und C-431/08, ECLI:EU:C:2010:15 Randnr. 65). An diese Entscheidungen der niederländischen Zollverwaltung ist das beklagte Hauptzollamt auch gemäß Art. 26 UZK gebunden. Der Senat muss nicht entscheiden, ob – wie der Vertreter des beklagten Hauptzollamts in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat – eine Ausfuhranmeldung nicht von der niederländischen Zollverwaltung berichtigt wurde, weil sie dieser nicht vorlag (Bl. 51 des Heftes 3 der Verwaltungsakten). Die Klägerin kann die teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben auf Grund der Berichtigungen der Ausfuhranmeldungen jedenfalls deshalb nicht beanspruchen, weil die Voraussetzungen des Art. 150 Abs. 2 ZK nicht vorliegen.
23Die nach Art. 150 Abs. 2 ZK mögliche vollständige oder teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben für Veredelungserzeugnisse, obwohl eine der Bedingungen oder Verpflichtungen in Verbindung mit dem Verfahren der passiven Veredelung nicht erfüllt ist, setzt voraus, dass die Waren der vorübergehenden Ausfuhr in das Verfahren der passiven Veredelung übergeführt worden sind (BFH, Urteil vom 12. Juli 2011 VII R 13/10, BFHE 234, 83). Ist die erforderliche Überführung der Waren der vorübergehenden Ausfuhr in das Verfahren der passiven Veredelung irrtümlich unterblieben, konnte nach Art. 251 Nr. 1c Anstrich 2 und Art. 508 ZKDVO die für die Waren der vorübergehenden Ausfuhr abgegebene Zollanmeldung nachträglich für ungültig erklärt und durch eine Anmeldung zur passiven Veredelung zu ersetzen werden (BFH, Urteil vom 12. Juli 2011 VII R 13/10, BFHE 234, 83). Dementsprechend kann zugunsten der Klägerin im Streitfall davon ausgegangen werden, dass die nachträgliche Berichtigung der Ausfuhranmeldungen durch die niederländische Zollverwaltung Rückwirkung entfaltet, so dass das in die Schweiz ausgeführte rohe Erdnussöl als zum Verfahren der passiven Veredelung angemeldet anzusehen ist.
24Gleichwohl hat die Klägerin eine der Bedingungen oder Verpflichtungen in Verbindung mit dem Verfahren der passiven Veredelung nicht erfüllt, weil sie das rohe Erdnussöl entgegen der ihr erteilten Bewilligung nicht bei dem Zollamt C oder dem Zollamt D zur Ausfuhr angemeldet hat. Eine einzige Bewilligung (Art. 292 Abs. 5 und 6 ZKDVO) lag seinerzeit noch nicht vor. Das beklagte Hauptzollamt hat erst mit Wirkung ab dem 16. März 2018 die der Klägerin erteilte Bewilligung vom 1. Dezember 2014 dergestalt geändert, dass die niederländische Zollstelle NL 000000 aufgenommen wurde. Eine einzige Bewilligung war indes erforderlich, damit die teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben nach passiver Veredelung auch in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen der vorübergehenden Ausfuhr der unveredelten Waren gewährt werden konnte (Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 29. April 2014 7 K 2247/11, juris).
25Das Versäumnis, das rohe Erdnussöl nicht beim Zollamt C oder Zollamt D zur vorübergehenden Ausfuhr angemeldet zu haben, ist nicht ohne wirkliche Folgen für das reibungslose Funktionieren des Verfahrens der passiven Veredelung geblieben (Art. 150 Abs. 2 ZK). Dies erfordert, dass der Zollschuldner nachweist, dass die Versäumnisse keine wirklichen Folgen für das reibungslose Funktionieren des Zollverfahrens hatten. Ein derartiger Nachweis muss insbesondere die zweifelsfreie Feststellung ermöglichen, dass die Veredelungserzeugnisse aus den Waren der vorübergehenden Ausfuhr hergestellt worden sind (EuGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 Rs. C-411/01, Slg. 2003, I-11547 Randnr. 52).
26Im Allgemeinen mag zwar die Anmeldung der Waren der vorübergehenden Ausfuhr bei einer anderen als der in der Bewilligung bezeichneten Zollstelle ein Versäumnis sein, das ohne wirkliche Folgen für das reibungslose Funktionieren des Verfahrens der passiven Veredelung geblieben ist (vgl. Witte in ders., ZK, 6. Auflage, Art. 150 Randnr. 18b). Im Streitfall ist das rohe Erdnussöl indes nicht nur bei einer unzuständigen Zollstelle zur Ausfuhr angemeldet worden. Das rohe Erdnussöl ist bei Zollstellen in einem anderen Mitgliedstaat zur Ausfuhr angemeldet worden, ohne dass diese seinerzeit überhaupt Kenntnis davon erlangen konnten, dass es sich um Ware handelte, die in der Schweiz Veredelungsvorgängen unterzogen werden sollte. Auch das beklagte Hauptzollamt konnte – unbeschadet der späteren Berichtigung der Ausfuhranmeldungen gemäß Art. 78 Abs. 3 ZK – keine Überprüfung der Nämlichkeit der Waren der vorübergehenden Ausfuhr mit den Veredelungserzeugnissen vornehmen. Im Verfahren der passiven Veredelung muss indes überprüft werden können, dass die Waren der vorübergehenden Ausfuhr in ihrer Substanz in den Veredelungserzeugnissen enthalten oder aufgegangen sind (vgl. Witte in ders., UZK, 7. Auflage, Art. 259 Randnr 139; Beußel in Dorsch Zollrecht, Art. 259 Randnr. 21). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das beklagte Hauptzollamt oder die niederländische Zollbehörde nachträglich auf einen Nämlichkeitsnachweis verzichtet hat, wie die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht haben. Entscheidend ist vielmehr, dass ein derartiger Nachweis seinerzeit gar nicht verlangt wurde, weil das rohe Erdnussöl nicht bei dem in der Bewilligung bezeichneten Zollamt C oder Zollamt D zur Ausfuhr angemeldet worden ist.
27Anders als die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gemeint haben, wird durch eine Anwendung des Art. 150 Abs. 2 ZK in dem vom Senat für zutreffend gehaltenen Sinne nicht die Wirksamkeit und Verbindlichkeit (Art. 26 UZK) der Entscheidungen der niederländischen Zollbehörde, die Ausfuhranmeldungen zu berichtigen, in Frage gestellt. Eine Bindungswirkung können die Entscheidungen der niederländischen Zollverwaltung nur in dem Umfang entfalten, wie ihr Regelungsbereich reicht. Die niederländische Zollbehörde hat die Ausfuhranmeldungen indes nur dergestalt geändert, dass die Klägerin in Feld 2 der Anmeldungen als Ausführerin, in Feld 37 der Verfahrenscode 2100 (vorübergehende Ausfuhr im Rahmen der passiven Veredelung) und in Feld 44 ein Hinweis auf die der Klägerin erteilte Bewilligung eines passiven Veredelungsverkehrs eingetragen wurden. Demgegenüber hat die niederländische Zollbehörde nicht die der Klägerin vom beklagten Hauptzollamt erteilte Bewilligung vom 1. Dezember 2014 hinsichtlich der Bestimmung der Zollämter C und D als für die Annahme der Anmeldungen der Waren der vorübergehenden Ausfuhr zuständige Zollstellen geändert. Die niederländische Zollbehörde hat der Klägerin auch nicht nachträglich eine einzige Bewilligung (Art. 292 Abs. 5 und 6 ZKDVO) erteilt.
28Eine teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben gemäß Art. 145 ZK kann die Klägerin auch nicht in analoger Anwendung des Art. 212a ZK beanspruchen. Dabei kann offen bleiben, ob in Anbetracht der Regelung des Art. 150 Abs. 2 ZK überhaupt eine analoge Anwendung des Art. 212a ZK auf Fälle des Entstehens einer Zollschuld nach Art. 201 Abs. 1 Buchst. a ZK in Betracht kommen kann. Jedenfalls scheitert eine Anwendung des Art. 212a ZK zugunsten der Klägerin daran, dass in ihrem Verhalten eine offensichtliche Fahrlässigkeit lag. Bei der Prüfung der Frage, ob eine offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt, sind insbesondere die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung die Zollschuld begründet hat, sowie die Erfahrung und Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers zu berücksichtigen (EuGH, Urteile vom 11. November 1999 Rs. C-48/98, Slg. 1999, I-7877 Randnr. 56; vom 13. September 2007 Rs. C-443/05 P, Slg. 2007, I-7209 Randnr. 174; vom 20. November 2008 Rs. C-38/07 P, Slg. 2008,I-8599 Randnr. 40).
29Die Klägerin hat zwar vom beklagten Hauptzollamt unwidersprochen vorgetragen, dass sie vor der Beantragung der Bewilligung eines passiven Veredelungsverkehrs über keine Erfahrung in diesem Bereich verfügt habe (Bl. 40 GA). Gleichwohl hat sie offensichtlich nicht die Bedingungen der ihr erteilten Bewilligung zur Kenntnis genommen, nach denen ausschließlich das Zollamt C und das Zollamt D für die Anmeldung der Waren der vorübergehenden Ausfuhr zuständig waren. Hierbei handelte es sich nicht um komplexe Bedingungen der Bewilligung, welche die Klägerin auch ohne Erfahrung im Bereich der passiven Veredelung wahrnehmen und beachten konnte.
30Die Zollschuld ist für den Zeitraum vom 27. Mai 2016 bis zum 11. September 2017 (Bl. 28 bis 38 des Heftes 1 der Verwaltungsakten) nach Art. 77 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 UZK durch die Annahme der Zollanmeldungen der Klägerin zur Überlassung des aus der Schweiz eingeführten Erdnussöls in den zollrechtlich freien Verkehr entstanden.
31Die Klägerin kann für das von ihr eingeführte Erdnussöl nicht die teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben nach Art. 259 Abs. 1 UZK in Anspruch nehmen. Sie verfügte in dem fraglichen Zeitraum zwar über die gemäß Art. 211 Abs. 1 Buchst. a UZK erforderliche Bewilligung (Art. 251 Abs. 1 Buchst. b der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung des Zollkodex der Union). Hiervon hat sie jedoch zunächst keinen Gebrauch gemacht. Die vollständige oder teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben für Veredelungserzeugnisse nach Art. 259 Abs. 1 UZK setzt voraus, dass die Waren der vorübergehenden Ausfuhr in das Verfahren der passiven Veredelung übergeführt worden sind (BFH, Urteil vom 12. Juli 2011 VII R 13/10, BFHE 234, 83). Dies ist in dem in Rede stehenden Zeitraum zunächst nicht geschehen, weil das rohe Erdnussöl bei den Zollstellen in den Niederlanden im Verfahren 1000 (endgültige Ausfuhr ohne vorangegangenes Verfahren) zur Ausfuhr angemeldet worden ist. Richtigerweise hätte das rohe Erdnussöl unter dem Verfahrenscode 2100 (vorübergehende Ausfuhr im Rahmen der passiven Veredelung) angemeldet werden müssen (vgl. Anhang B Titel II zur Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union).
32Die niederländische Zollverwaltung hat die Ausfuhranmeldungen zwar unstreitig ganz überwiegend gemäß Art. 173 Abs. 3 UZK berichtigt (Bl. 51 ff. des Heftes 3 der Verwaltungsakten), indem sie unter anderem den zutreffenden Verfahrenscode 2100 eingetragen hat (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010 Rs. C-430/08 und C-431/08, ECLI:EU:C:2010:15 Randnr. 65). An diese Entscheidungen der niederländischen Zollverwaltung ist das beklagte Hauptzollamt auch gemäß Art. 26 UZK gebunden. Gleichwohl ändert dies nichts daran, dass die Klägerin das rohe Erdnussöl entgegen der ihr erteilten Bewilligung nicht beim Zollamt C oder beim Zollamt D zur vorübergehenden Ausfuhr angemeldet hat.
33Der Senat muss letztlich nicht entscheiden, ob Art. 86 Abs. 6 UZK analog in den Fällen anzuwenden ist, in denen die Zollschuld nach Art. 77 Abs. 1 Buchst. a UZK entstanden ist, weil der UZK keine dem Art. 150 Abs. 2 ZK vergleichbare Vorschrift enthält (vgl. Witte in ders., UZK, 7. Auflage, Art. 259 Randnr. 70, 82). Eine analoge Anwendung des Art. 86 Abs. 6 UZK kann jedenfalls allenfalls dann in Betracht kommen, wenn – wie im Rahmen des Art. 150 Abs. 2 ZK – die Versäumnisse ohne Folgen für das reibungslose Funktionieren des Verfahrens der passiven Veredelung geblieben sind. Dies ist indessen nicht der Fall. Insoweit gilt Entsprechendes wie zu Art. 150 Abs. 2 ZK.
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
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