Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 3 K 2483/20 E
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 2018 vom 28.07.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.09.2020 wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer i.H.v. 2.661 € als Werbungskosten berücksichtigt werden. Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist, in welcher Höhe Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zu berücksichtigen sind.
3Der nicht verheiratete Kläger war im Streitjahr 2018 als Vertriebsleiter nichtselbständig tätig. Zum 01.01.2018 mietete er zusammen mit B das Einfamilienhaus Straße 01 in Z-Stadt zu eigenen Wohnzwecken an. Das Objekt hat nach Angaben des Klägers eine Wohnfläche von 150 qm. Darin befinden sich u.a. zwei 15 qm große Zimmer, von denen das eine der Kläger und das andere seine Lebensgefährtin als Arbeitszimmer genutzt haben.
4In seiner Einkommensteuer-Erklärung 2018 machte der Kläger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer i.H.v. 2.661 € als Werbungskosten geltend. Es handelt sich hierbei um 10 % (15 qm von 150 qm) der auf das Haus entfallenden Kosten i.H.v. 26.607,23 € (Miete 24.000 €, Nebenkosten 1.800 €, Strom 624,83 €, Hausratversicherung 182,40 €).
5Der Beklagte kürzte die erklärten Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid 2018 vom 27.03.2020 auf 1.250 €. Im nachfolgenden Einspruchsverfahren legte der Kläger Bescheinigungen seines Arbeitsgebers vor. Der Beklagte schloss sich der Auffassung des Klägers, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Klägers bilde, daraufhin an und brachte mit Teilabhilfebescheid vom 28.07.2020 Werbungskosten für das Arbeitszimmer i.H.v. 1.330 € (50% von 2.661 €) zum Abzug. Im Übrigen wies er den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11.09.2020 als unbegründet zurück.
6Der Kläger hat sodann Klage erhoben.
7Er trägt vor, dass er mit der auf ihn entfallenden Hälfte der Mietzahlungen die Alleinnutzung seines Arbeitszimmers finanziert habe und nicht die Aufwendungen für zwei Arbeitszimmer jeweils zur Hälfte. Dass er und B nicht verheiratet gewesen seien, sei unerheblich. Die Abzugsfähigkeit von Werbungskosten richte sich nach dem objektiven Nettoprinzip und nicht nach dem Trauschein. Da er – der Kläger – die auf das von ihm genutzte Arbeitszimmer entfallenden Kosten allein getragen habe, seien diese bei ihm auch in voller Höhe abzugsfähig.
8Der Kläger beantragt,
9den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 28.07.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.09.2020 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer i.H.v. 2.661 € als Werbungskosten berücksichtigt werden.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen
12sowie für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
13Er ist der Auffassung, dass die Kosten nur insoweit abziehbar seien, als sie tatsächlich vom Kläger getragen worden seien. Befinde sich ein Arbeitszimmer in einer von Lebensgefährten gemeinsam angemieteten Wohnung, seien die anteilige Miete und die anteiligen Energiekosten beiden Mietern jeweils zur Hälfte zuzurechnen. Im Streitfall würden auf das Arbeitszimmer Kosten i.H.v. 2.661 € entfallen, welche der Kläger jedoch nur zur Hälfte bezahlt habe und welche deshalb bei ihm auch nur zur Hälfte als Werbungskosten abzugsfähig seien. Die Rechtsprechung zu Drittaufwand bei Ehegatten sei bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht anwendbar.
14Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegten Steuerakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16I. Die Klage ist zulässig und begründet.
17Der Einkommensteuerbescheid vom 28.07.2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die auf das von dem Kläger genutzte Arbeitszimmer entfallenden Kosten bei diesem nur zur Hälfte als Werbungskosten abzugsfähig sind.
181. Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt. Die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG).
19Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 und 3 EStG für einen der Höhe nach unbegrenzten Werbungskostenabzug liegen im Streitfall vor. Der Kläger, dem kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand, nutzte im Streitzeitraum in der von ihm angemieteten 150 qm großen Wohnung einen 15 qm großen Raum nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke und in diesem Arbeitszimmer befand sich der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten – wie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt wurde – kein Streit. Streitig ist vielmehr allein die Höhe des Werbungskostenabzugs.
202. Für die Beurteilung, in welchem Umfang Mietaufwendungen als Werbungskosten abzugsfähig sind, geltend die für die Abzugsfähigkeit von Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. Finanzierungsaufwendungen entwickelten Grundsätze entsprechend (BFH, Urteil vom 23.09.2009 – IV R 21/08, BStBl II 2010, 337). Diese stellen sich – jedenfalls bezogen auf Ehegatten – zusammengefasst wie folgt dar:
21a) Ein Werbungskostenabzug kommt maximal in der Höhe in Betracht, in der der Steuerpflichtige Aufwendungen getragen hat. Dies gilt auch bei Ehegatten. Denn die anteilig auf einen Ehegatten entfallenden und von diesem getragenen Aufwendungen mindern nicht die Leistungsfähigkeit des anderen (BFH, Urteil vom 06.12.2017 – VI R 41/15, BStBl II 2018, 355).
22b) Erwerben oder errichten Eheleute eine Eigentumswohnung zu Miteigentum, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass jeder von ihnen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entsprechend seinem Miteigentumsanteil getragen hat, und zwar unabhängig davon, wie viel er tatsächlich aus eigenen Mitteln dazu beigetragen hat. Sind die finanziellen Beiträge der Eheleute unterschiedlich hoch, dann hat sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich der Ehegatte, der aus eigenen Mitteln mehr als der andere beigesteuert hat, das Mehr seinem Ehegatten mit der Folge zugewandt, dass jeder von ihnen so anzusehen ist, als habe er die seinem Anteil entsprechenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten selbst getragen. Infolgedessen kann jeder Ehegatte Absetzung für Abnutzung (AfA) grundsätzlich nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil als Werbungskosten abziehen (vgl. BFH, Urteil vom 06.12.2017 – VI R 41/15, BStBl II 2018, 355 m.w.N.).
23c) Die Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Ehegatten nach Miteigentumsanteilen hat nicht zur Folge, dass die Kosten für ein Arbeitszimmer nur anteilig abzugsfähig sind. Denn ausschlaggebend für den Werbungskostenabzug ist nicht der Umfang des (Mit)Eigentums an einem Wirtschaftsgut, sondern ob der Steuerpflichtige Aufwendungen im beruflichen Interesse trägt. Im Hinblick auf das Nettoprinzip darf die Berücksichtigung beruflich veranlasster Aufwendungen nicht daran scheitern, dass sie im Zusammenhang mit der Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts stehen, das dem Steuerpflichtigen nicht gehört (BFH, Beschluss vom 23.08.1999 – GrS 1/97, BStBl II 1999, 778).
24d) Nutzt ein Miteigentümer im Rahmen seines Miteigentumsanteils einen Teil des Wirtschaftsguts (Arbeitszimmer) zur Einkünfteerzielung alleine, sind die von ihm getragenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorrangig diesem Raum zuzuordnen. Es ist davon auszugehen, dass er Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgewendet hat, um diesen Raum insgesamt zu nutzen. Zivilrechtlich nutzt der Miteigentümer den Raum nicht teils aus eigenem Recht und teils durch Überlassung zur Nutzung durch den oder die Miteigentümer, sondern er nutzt ihn insgesamt in Ausübung seines Rechts als Miteigentümer (§ 743 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Das gilt auch einkommensteuerrechtlich. Anders als sein Miteigentumsrecht bezieht sich sein Nutzungsrecht auf den ganzen Raum. Nutzt der Steuerpflichtige aber ein Arbeitszimmer in vollem Umfang aus eigenem Recht, dann sind auch die eigenen anteiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten als im Interesse dieser Nutzung aufgewendet anzusehen und damit als beruflicher Aufwand zu berücksichtigen (BFH, Beschluss vom 23.08.1999 – GrS 5/97, BStBl II 1999, 774 m.w.N.).
253. Übertragen auf Mietaufwendungen des nicht verheirateten Klägers ergibt sich aus den o.g. Grundsätzen Folgendes: Wird eine Wohnung von mehreren Personen angemietet und nutzt ein Mieter einen Raum zur Einkünfteerzielung alleine, dann sind die auf diesen Raum entfallenden Aufwendungen – in den von § 9 Abs. 5, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG gezogenen Grenzen – bei ihm in voller Höhe als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig, sofern der Nutzende Aufwendungen in mindestens dieser Höhe getragen hat. Eine nur hälftige Abzugsfähigkeit der tatsächlich vom Kläger getragen vollen Aufwendungen wäre mit dem Grundgedanken des objektiven Nettoprinzips unvereinbar (so im Ergebnis auch FG München, Gerichtsbescheid vom 02.03.2021 – 10 K 1251/18, EFG 2021, 1458).
264. Im Streitfall sind – was unstreitig ist – für die angemietete Wohnung Aufwendungen i.H.v. 26.607,23 € entstanden, wovon auf das Arbeitszimmer des Klägers 2.661 € (10%) entfallen. Diese Aufwendungen kann der Kläger in voller Höhe als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machen, da er sich zu mehr als 2.661 € an den Kosten der gemeinsamen Wohnung beteiligt hat. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung nachgewiesen, dass er und seine Lebensgefährtin die Miete und die anderen Wohnungskosten zu gleichen Teilen getragen haben.
275. Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.
28II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision wurde nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Frage der Höhe des Werbungskostenabzugs von Aufwendungen für das ausschließlich von einem Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft genutzte Arbeitszimmer in einer gemeinsam angemieteten Wohnung ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden.
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Referenzen
- VI R 41/15 2x (nicht zugeordnet)
- FGO § 115 1x
- FGO § 100 1x
- IV R 21/08 1x (nicht zugeordnet)
- 10 K 1251/18 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 135 1x
- EStG § 4 Gewinnbegriff im Allgemeinen 5x