Urteil vom Finanzgericht Hamburg (1. Senat) - 1 K 134/12
Tatbestand
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Streitig ist, ob die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger im Jahr 2005 in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren.
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Der Kläger ist ... der A AG und wurde nach mehreren anderen Auslandsaufenthalten für seinen Arbeitgeber mit Entsendevertrag vom ... 2002 ab ... 2002 nach B in Irland entsandt. Die Kläger zogen gemeinsam nach Irland und kehrten am ... 2007 nach Deutschland zurück; in dieser Zeit waren sie in Deutschland nicht gemeldet. In Irland schlossen sie zunächst einen Mietvertrag über ein Haus bis zum 29.02.2006 ab, der bis 31.08.2007 verlängert wurde. Das den Klägern gehörende Einfamilienhaus X-Straße ... in C wurde während der Tätigkeit des Klägers in Irland zunächst von den auch zuvor dort wohnenden studierenden Söhnen der Kläger D und E bzw. später von dem Sohn D mit seiner damaligen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau F bewohnt; der Sohn E zog Ende 2004/Anfang 2005 wegen ... nach G. Der Sohn D und seine Lebensgefährtin zogen im Juli 2007 in eine eigene Wohnung in C, Y-Straße ... Die Kläger kamen im Streitjahr lediglich für den Zeitraum Weihnachten/Jahreswechsel nach Deutschland und übernachteten dabei nicht im Haus X-Straße ..., sondern im Hotel XY in ... H, wo sie auch Familie und Freunde trafen. Auch in den anderen Jahren des Irlandaufenthaltes der Kläger kamen sie allenfalls für die Zeit Weihnachten/Jahreswechsel nach Deutschland und übernachteten in dem Hotel XY.
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Die Kläger gaben in ihrem Schriftverkehr mit dem Beklagten auch ab dem Jahr 2002 jeweils ihre Adresse in C, X-Straße ... an. Auch in den Einkommensteuererklärungen für 2005 und 2006 wurde dieser Wohnort angegeben. Der Kläger erzielte im Streitjahr in Irland Arbeitslohn i. H. v. 130.000 €. Nachdem zunächst im Hinblick auf das Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland die Einkünfte des Klägers aus seiner dortigen Tätigkeit in Deutschland nicht der Besteuerung unterlagen, wurde nach Einführung des § 50d Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für das Jahr 2005 nur noch der bereits in Irland der Besteuerung unterworfene Teil des Arbeitslohns von 14.786 € als steuerfrei behandelt und wurden Einkünfte des Klägers i. H. v. 115.214 € als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bei der Festsetzung der Einkommensteuer für 2005 mit Bescheid vom 20.07.2009 einbezogen. Daneben hatten die Kläger lediglich negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Einkommensteuer wurde auf 25.358 € festgesetzt. Die Kläger legten am 03.08.2009 Einspruch ein und verneinten eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland für das Streitjahr 2005. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 26.06.2012 als unbegründet zurück.
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Mit der am 29.06.2012 beim Beklagten und nach Weiterleitung durch diesen am 05.07.2012 beim Finanzgericht eingegangenen Klage begehren die Kläger eine Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2005 auf der Grundlage einer nur beschränkten Steuerpflicht und damit ohne Einbeziehung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit. Sie tragen vor, die Verwendung ihrer C Anschrift im Schriftverkehr mit dem Beklagten sei auf einen Fehler ihres Prozessbevollmächtigten zurückzuführen. Dieser sei sich der Bedeutung des Wohnsitzes für die Besteuerung der Kläger erst später bewusst geworden. Die Kläger behaupten, ihr Sohn D und seine Lebensgefährtin hätten die Möbel seiner Lebensgefährtin genutzt und deshalb die Möbel der Kläger im Keller und Obergeschoss untergebracht. Sie hätten als einzige Schlüssel zum Haus gehabt. Ihre Situation sei der von Fremdmietern vergleichbar gewesen. So hätten sie auch für die laufenden Kosten des Hauses mit Ausnahme der Grundsteuer aufkommen müssen. Außerdem hätten sie sich um das Haus gekümmert. Größere Reparaturen seien in der Zeit nicht angefallen. Auch haushaltsnahe Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen seien nicht bezogen worden.
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Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 20.07.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.06.2012 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 0 € herabgesetzt wird.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Auffassung, die Kläger hätten auch im Streitjahr ihren Wohnsitz in C gehabt. Den Familienwohnsitz hätten sie nicht im Hinblick auf den Auslandsaufenthalt in Irland aufgegeben, sondern hier beibehalten. Eine Aufgabe des inländischen Wohnsitzes sei nicht belegt. Die Nutzung der Wohnung durch die Söhne der Kläger bzw. durch den Sohn D und seine Lebensgefährtin sei mit einer Fremdvermietung nicht vergleichbar.
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Der Rechtsstreit ist mit Beschluss vom 20.05.2014 dem Einzelrichter übertragen worden.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen D. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung nebst Beweisaufnahme vom 18.06.2014 und auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 29.01.2014 wird Bezug genommen.
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Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten IV und Rechtsbehelfsakten I zur die Kläger betreffenden Steuernummer .../.../... vorgelegen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Beklagte hat zu Unrecht Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit in Irland im Streitjahr in die Besteuerung einbezogen; die Kläger sind hierdurch in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)).
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Die Kläger waren im Streitjahr im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 1 EStG. Sie hatten hier weder ihren Wohnsitz gemäß § 8 der Abgabenordnung (AO) noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt gemäß § 9 AO und waren daher nur beschränkt steuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 4 EStG mit ihren inländischen Einkünften im Sinne des § 49 EStG, zu denen in Irland erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nicht gehören (siehe § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Ohne die Einbeziehung der in Irland erzielten Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit ist die Einkommensteuer für 2005 mangels anderer der Besteuerung unterliegenden positiver Einkünfte der Kläger auf 0 € festzusetzen.
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Ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten die Kläger im Streitjahr ausschließlich in Irland. Ein Wohnsitz im Inland hat nicht bestanden.
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Einen Wohnsitz hat gemäß § 8 AO jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Melderechtliche Angaben sind dabei unerheblich. Unter Heranziehung der neueren Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 20.11.2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564; Beschluss vom 17.05.2013 III B 121/12, BFH/NV 2013, 1381) begründet bei einem ins Ausland versetzten Arbeitnehmer die Beibehaltung einer eingerichteten Wohnung im Inland nicht mehr eine Vermutung für das Fortbestehen eines inländischen Wohnsitzes (so in BFH Beschluss vom 27.09.1999 I B 83/98, BFH/NV 2000, 673). Vielmehr wird bei einem auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalt ein inländischer Wohnsitz durch kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubszwecken, Berufszwecken oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, nicht beibehalten oder begründet. Bei einem ins Ausland entsandten Arbeitnehmer gelten insoweit keine anderen Maßstäbe als bei einem längeren Auslandsaufenthalt eines Kindes. Erforderlich ist zumindest ein zwischenzeitliches Wohnen in der bisherigen Wohnung.
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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe steht nach Durchführung der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Kläger im Streitjahr im Inland keinen Wohnsitz hatten. Die Kläger haben zwar ihr Einfamilienhaus X-Straße ... behalten und waren nicht etwa durch eine Vermietung dieses Hauses an einer Nutzung gehindert. Sie hätten das Haus jederzeit wieder nutzen können. Dem stand nicht entgegen, dass ihre Söhne bzw. ihr Sohn D und seine Lebensgefährtin das Haus nutzten. Diese Nutzung setzte im Wesentlichen die vorherige Nutzung der früheren Kinderzimmer und der gemeinschaftlich zu nutzenden Räume wie Wohnzimmer, Küche und Bad fort und hätte die Kläger nicht an einer eigenen Nutzung des Hauses und insbesondere ihres Schlafzimmers gehindert. Hier wäre allenfalls in geringem Umfang ein Verrücken von Möbelstücken erforderlich gewesen. Auch einen Hausschlüssel hätten die Kläger ohne weiteres auf Anforderung erhalten können. Die Kläger haben damit in ihrem Haus eine Wohnung innegehabt, die sie auch im Hinblick auf eine spätere Rückkehr beibehalten wollten. Allerdings haben die Kläger die Wohnung weder im Streitjahr noch in den Veranlagungszeiträumen davor und danach genutzt. Vielmehr sind sie lediglich besuchsweise nach Deutschland gekommen im Zeitraum Weihnachten/Jahreswechsel und haben dabei nicht etwa in ihrem Haus, sondern in einem Hotel übernachtet. Weitere Aufenthalte im Inland unter Nutzung ihres Hauses lassen sich nicht feststellen. Es fehlt damit an dem für die Bejahung eines Wohnsitzes wesentlichen Element einer Benutzung (bzw. zumindest einer Benutzungsabsicht bezüglich) der Wohnung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Kosten sind nicht gemäß § 137 FGO den Klägern aufzuerlegen, obwohl sie erst im Klageverfahren ihre Lebens- und Wohnsituation nachvollziehbar geschildert haben. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei einer entsprechenden Schilderung bereits spätestens im Einspruchsverfahren der Beklagte zu Gunsten der Kläger entschieden hätte, da der Beklagte auch nach Durchführung der Beweisaufnahme beim Antrag auf Abweisung der Klage geblieben ist.
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Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.
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Referenzen
- 1999 I B 83/98 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 115 1x
- FGO § 137 1x
- FGO § 135 1x
- EStG § 1 Steuerpflicht 2x
- EStG § 49 Beschränkt steuerpflichtige Einkünfte 2x
- § 8 AO 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 AO 1x (nicht zugeordnet)
- 2013 III B 121/12 1x (nicht zugeordnet)
- 2008 III R 53/05 1x (nicht zugeordnet)