Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 38/14

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Nacherhebung von Einfuhrabgaben.

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Die Klägerin ist Inhaberin eines Zolllagers. Sie überführte im Zeitraum Januar 2012 diverse Partien Mandarinenkonserven aus der Volksrepublik China (als Beendigung jeweiliger Zolllagerverfahren) in den freien Verkehr. Der Beklagte setzte daraufhin mit Einfuhrabgabenbescheid vom 01.02.2012 (AT/G/40/...) Einfuhrabgaben fest, u. a. ZollEU sowie Antidumpingzoll nach der Verordnung (EG) Nr. 1355/2008 des Rates vom 18.12.2008 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter Zitrusfrüchte (Mandarinen usw.) mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. Nr. L 305/35) - im Folgenden: VO (EG) Nr. 1355/2008 -. Bei der Ermittlung des Zollwerts wählte die Klägerin bei der Abfertigung zum freien Verkehr jeweils die Weiterverkaufsrechnung ihres Lagerkunden, der A KG (GmbH & Co.), in der bereits sämtliche Einfuhrabgaben einschließlich des Antidumpingzolls enthalten waren. Zugrunde gelegt wurde jeweils der Gesamtnettowarenwert der beigefügten Weiterverkaufsrechnungen abzüglich Zoll, Antidumpingzoll und innergemeinschaftlicher Kosten (Beträge für Umschlagentgelt und Containerumfuhr sowie für LKW-Fracht). Der Nachweis für die zwischen dem Lagerkunden und dem Kaufvertragspartner des Lagerkunden vereinbarte Lieferbedingung "DDP" (Delivered Duty Paid = geliefert, verzollt) wurde von der Klägerin im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den streitgegenständlichen Nacherhebungsbescheid vorgelegt.

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Mit Urteil vom 22.03.2012 (Rs. C-338/10, in: juris) erklärte der Europäische Gerichtshof die VO (EG) Nr. 1355/2008 für ungültig. Auf Antrag der Klägerin erstattete der Beklagte daraufhin mit Einfuhrabgabenbescheid vom 25.05.2012 Antidumpingzoll in Höhe von 64.433,28 EUR.

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Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 02.07.2012 setzte der Beklagte gegen die Klägerin zunächst 9.084,95 EUR ZollEU im Wege der Nacherhebung nach Art. 220 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. Nr. L 302/1, ber. ABl. 1993 Nr. L 79/84, ABl. 1996 Nr. L 97/38 und Nr. L 321/23, m. spät. Änd.) - im Folgenden: ZK - fest. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass die Zollwerte des vorgehenden Einfuhrabgabenbescheides auf der Grundlage innergemeinschaftlicher Kaufgeschäfte im Sinne von Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1, Satz 2, 2. Alt. der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 02.07.1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. Nr. L 253/1, ber. ABl. 1994 Nr. L 268/32, ABl. 1996 Nr. L 180/34, ABl. 1997 Nr. L 156/59, ABl. 1999 Nr. L 111/88, m. spät. Änd.) - im Folgenden: ZK-DVO - ermittelt worden seien. Da diese Kaufgeschäfte mit der Lieferbedingung "DDP" abgeschossen worden seien, seien bei der Ermittlung der Zollwerte gemäß Art. 33 Buchst. f) ZK die zu zahlenden Einfuhrabgaben (Einfuhrzoll und Antidumpingzoll) nicht in die Zollwerte einbezogen worden. Nach dem Wortlaut der Regelung sei bei der Berichtigung des tatsächlich gezahlten Preises auf die tatsächlichen gesetzlich geschuldeten Einfuhrabgaben abzustellen und nicht auf die von den Vertragsparteien erwarteten bzw. kalkulierten. Da die Antidumpingzölle nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22.03.2012 nicht zu erheben gewesen seien, könnten sie auch nicht im Rahmen des Art. 33 Buchst. f) ZK Berücksichtigung finden und mithin nicht vom tatsächlich gezahlten Preis abgezogen werden, so dass die Zollwerte neu zu berechnen seien.

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Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein, den sie damit begründete, dass sich aus Art. 33 Buchst. f) ZK nicht ergebe, dass der Antidumpingzoll vom Zollwert abzuziehen sei. Nach dem Wortlaut der Bestimmung habe der Antidumpingzoll "nicht in den Zollwert einbezogen" werden dürfen. Der Antidumpingzoll erhöhe den Zollwert unter den Voraussetzungen des Art. 33 ZK nicht. Infolgedessen könnten sein Wegfall und seine Erstattung nicht zu einer Erhöhung des Zollwerts führen. Dafür spreche auch die Kontrollüberlegung, dass, hätte es einen Antidumpingzoll von vornherein nicht gegeben, der Verkaufspreis und damit der auf dieser Grundlage angemeldete Zollwert entsprechend niedriger gewesen wären. Die Erstattung eines rechtswidrig erhobenen, nicht in den Zollwert einbezogenen Antidumpingzolls könne nicht zur nachträglichen Erhöhung des Zollwerts führen.

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Im Rahmen des Einspruchsverfahren wurde festgestellt, dass von dem sich im Nacherhebungsverfahren als normaler Rechnungsbestandteil darstellenden Antidumpingzoll bei retrograder Berechnung auch der auf diesen Rechnungsbestandteil entfallende Anteil an ZollEU abgezogen werden müsse und eine Neuberechnung zu einem Erstattungsanspruch der Klägerin führe. Mit Bescheid vom 13.03.2013 half der Beklagte - nach Vorlage des angeforderten Nachweises über die Vereinbarung der Lieferbedingung "DDP" - dem Einspruch teilweise ab und erstattete 1.122,67 EUR ZollEU unter Hinweis auf die Ermittlung und Neuberechnung der Zollwerte im Rahmen der Verkaufspreisverzollungen nach der retrograden Rechenmethode.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 24.01.2014 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 02.07.2012 - unter Berücksichtigung der mit Einfuhrabgabenbescheid vom 13.03.2013 erfolgten Erstattung und Teilabhilfe - im Übrigen in Höhe von 7.962,28 EUR ZollEU als unbegründet zurück. Der Anmelder könne aus der Reihe der Kaufgeschäfte wählen, welches der Zollwertermittlung zu Grunde gelegt werden solle, und dadurch die Höhe des Zollwerts beeinflussen. An die einmal getroffene Wahl sei der Anmelder nach Freigabe der Ware allerdings unumkehrbar gebunden. Daraus ergebe sich bereits, dass es für eine Ware nicht nur einen Zollwert gebe. Die Klägerin habe die Weiterverkaufsrechnungen ihres Lagerkunden mit den darin enthaltenen Einfuhrabgaben ausgewählt. Für die vorliegend maßgebliche Berechnung des Zollwerts als Bemessungsgrundlage für den Wertzoll bestimme Art. 33 ZK, dass Einfuhrabgaben nicht in den Zollwert einbezogen würden. Beinhalte die Rechnung des zur Ermittlung des Zollwerts gewählten Kaufgeschäfts Einfuhrabgaben, seien diese mithin zur Ermittlung des Zollwerts vom Rechnungspreis abzuziehen. Aufgrund des gewählten Kaufgeschäfts sei der dem damaligen Antidumpingzoll entsprechende Betrag der Höhe nach weiterhin in der von der Anmelderin vorgelegten Handelsrechnung enthalten, nunmehr, nachdem der Europäische Gerichtshof die Antidumpingverordnung für rechtswidrig erklärt habe, aber nicht mehr als Einfuhrabgabe geschuldet. Da nicht mehr als Einfuhrabgabe geschuldet, habe der Betrag nach dem Wortlaut der Norm nicht mehr vom ausgewiesenen Preis der vom Anmelder gewählten Handelsrechnung abgezogen werden können, im Ergebnis hätten sich damit die vom Rechnungsendpreis abzuziehenden Beträge verringert. Dadurch habe sich der rechnerisch zu ermittelnde Zollwert erhöht mit der Folge, dass die Klägerin tatsächlich einen höheren Betrag an Wertzoll geschuldet habe. Die erforderliche Korrektur des Zollwerts beruhe damit auf den Besonderheiten des von der Klägerin für die Zollwertermittlung gewählten Kaufgeschäfts. Es komme nicht darauf an, dass sich der Zollwert bei Wahl eines anderen Kaufgeschäfts zur Ermittlung des Zollwerts bei späterer Erstattung des Antidumpingzolls als günstiger erwiesen hätte. Der Europäische Gerichtshof habe mit Urteil vom 15.07.2010 (Rs. C-354/09) entschieden, dass bei Berechnungen wie der hier vorliegenden spätere Änderungen zu Lasten des Anmelders gingen, und habe diese Folge bei geänderter Berechnungsgrundlage erkannt und für richtig gehalten.

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Mit ihrer am 21.02.2014 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Bezugnahme auf ihre Einspruchsbegründung weiter.

9

Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 02.07.2012, korrigiert mit Einfuhrabgabenbescheid vom 13.03.2013, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.01.2014 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und verweist zur Begründung auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakten des Beklagten (2 Hefter).

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 02.07.2012, korrigiert mit Einfuhrabgabenbescheid vom 13.03.2013, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.01.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

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Der Beklagte hat zu Recht Einfuhrzoll nacherhoben. Rechtsgrundlage für die Nacherhebung ist Art. 220 Abs. 1 ZK. Danach hat die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrages oder des nachzuerhebenden Restbetrages zu erfolgen, wenn der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst ist. Für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zollnacherhebung ist der Beklagte beweisbelastet (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 30.08.2005, IV 337/02, in: juris).

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Vorliegend ist in der Person der Klägerin gem. Art. 201 Abs. 1 Buchst. a), Abs. 2 und 3, Unterabs. 1 Satz 1 ZK mit Annahme der Zollanmeldung im Rahmen der Beendigung des Zolllagerverfahrens eine entsprechende Zollschuld entstanden. Die Klägerin schuldete für die Überführung der streitgegenständlichen Waren gemäß Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 Buchst. c), 1. Anstrich ZK Einfuhrzoll, der als Wertzoll in Höhe eines Prozentsatzes des Werts der eingeführten Ware erhoben wird. Streitig ist insoweit allein der für die Berechnung des Einfuhrzolls zugrunde zu legende Zollwert. Da sich die bei Annahme der Zollanmeldung erfolgte Festsetzung des Zolls an einem zu niedrigen Zollwert orientierte, war der von der Klägerin geschuldete Zoll nachzuerheben.

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Der Zollwert bemisst sich grundsätzlich gemäß Art. 29 ZK nach dem Transaktionswert, d. h. nach dem für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union (vgl. zum Begriff des Verkaufs zur Ausfuhr, der auch den Verkauf nach der Ausfuhr, aber vor der Abfertigung zum freien Verkehr, auch - wie im Streitfall gegeben - in Bezug auf zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sich in einem Zollager befindlichen Waren, umfasst: Rinnert, in: Witte, Zollkodex, 6. Aufl. 2013, Art. 29 Rn. 22; vgl. auch Art. 147 Abs. 1, Unterabs. 1 Satz 2, 2. Alt. ZK-DVO) tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis, wobei Art. 32 ZK Hinzurechnungen und Art. 33 ZK Abzugsposten vorsieht. Für eine Ware, die - wie im Streitfall - in den zollrechtlich freien Verkehr überführt wird, ist bei der Bestimmung des Transaktionswerts, wie sich aus Art. 214 Abs. 1 ZK ergibt, auf den Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung abzustellen. Dabei ist der tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis gemäß Art. 29 Abs. 3 Buchst. a) Satz 1 ZK die vollständige Zahlung, die der Käufer an den Verkäufer für die eingeführten Waren entrichtet oder zu entrichten hat, und schließt alle Zahlungen ein, die als Bedingung für das Kaufgeschäft über die eingeführten Waren vom Käufer an den Verkäufer entrichtet werden oder zu entrichten sind.

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Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Rahmen der Zollwertberechnung im Nacherhebungsverfahren den aufgrund der Lieferbedingung "DDP" und zudem als gesonderten Rechnungsposten ausgewiesenen Kaufpreisbestandteil in Höhe des auf die eingeführte Ware - seinerzeit - nach der VO (EG) Nr. 1355/2008 zu erhebenden Antidumpingzoll nicht (mehr) zollwertmindernd nach Art. 33 Buchst. f) ZK, sondern als normalen Rechnungsbestandteil des nach Art. 29 ZK für die Zollwertberechnung zugrunde zu legenden Transaktionswerts behandelt hat.

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Einfuhrabgaben und andere in der Union auf Grund der Einfuhr oder des Verkaufs der Waren zu zahlende Abgaben entstehen erst, nachdem die Waren in das Zollgebiet der Union verbracht worden sind und gehören daher nicht zu den Erwerbskosten bis zum Ort des Verbringens in die Union und damit nicht zum Transaktionswert; dies ist der Hintergrund, dass, wenn sie im Rechnungsendpreis des Verkäufers enthalten sind, weil dieser die Waren verzollt und versteuert liefert, nach Art. 33 Buchst. f) ZK vom Rechnungsendpreis abzuziehen sind, vorausgesetzt sie sind getrennt ausgewiesen (vgl. Krüger, in: Dorsch, Zollrecht, Band 1, Stand: 156. Ergänzungslieferung November 2015, Art. 33 ZK Rn. 12). Die im Streitfall maßgebliche Antidumpingzollzahlung war bei der ursprünglichen Zollwertberechnung zu Recht gemäß Art. 33 Buchst. f) ZK als "nicht in den Zollwert einzubeziehende Aufwendungen und Kosten" berücksichtigt worden. Denn es handelte sich um eine - aufgrund der Rechtsgrundlage der VO (EG) Nr. 1355/2008 - tatsächlich zu zahlende Einfuhrabgabe und sie war getrennt von dem für die eingeführten Waren tatsächlich gezahlten bzw. zu zahlenden Preis ausgewiesen. Der Umstand, dass die Rechtsgrundlage für diese Einfuhrabgabe rückwirkend durch die Ungültigerklärung der VO (EG) Nr. 1355/2008 entfallen und - zudem - im Rahmen der Antragsfrist nach Art. 236 ZK eine Erstattung eben der konkret gezahlten Antidumpingzölle an die Klägerin erfolgt ist, führt dazu, dass sich diese Einfuhrabgabe rückwirkend auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung nicht mehr als eine zu zahlende Einfuhrabgabe i. S. v. Art. 33 Buchst. f) ZK darstellt. Die Voraussetzungen für einen Abzugsposten im Sinne dieser Vorschrift liegen damit nicht (mehr) vor, so dass der Zollwert, wie durch die Einfuhrabgabenbescheide des Beklagten vom 02.07.2012 und vom 13.03.2013 geschehen, durch Einbeziehung des ursprünglich gezahlten Antidumpingzolls um diesen Betrag entsprechend zu erhöhen war unter gleichzeitiger anteiliger Ermäßigung des Zollwerts aufgrund der infolge retrograder Neuberechnung des - als nunmehr erhöhter Abzugsposten nach Art. 33 Buchst. f) ZK - zu berücksichtigenden Einfuhrzolls, der nunmehr anteilig auch auf den einbezogenen Rechnungsposten, der dem ursprünglich veranschlagten Antidumpingzoll entspricht, entfällt.

18

Anders als die Klägerin meint, widerspricht der Wortlaut des Art. 33 Buchst. f) ZK, wonach die Einfuhrabgaben "nicht in den Zollwert einbezogen werden", dem gefundenen Ergebnis nicht. Zwar trifft es zu, dass danach die nicht einzubeziehenden Einfuhrabgaben den Zollwert nicht erhöhen dürfen, mithin nicht von einem eigentlich höheren Zollwert "abgezogen" werden. Wenn eine Einfuhrabgabe den Zollwert nach Art. 33 ZK wegen der "Nichteinbeziehung" "nicht erhöhen" durfte, so bedeutet das jedoch nicht, dass sie - jedenfalls im Fall der, wie hier, erfolgten Erstattung - gleichsam bleibende Auswirkungen in sonstiger Hinsicht, konkret: in Bezug auf eine einmal angestellte Zollwertberechnung, behalten muss. Im Gegenteil, da die Einfuhrabgabe, hier der Antidumpingzoll, in der Tat zu keinem Zeitpunkt den Zollwert "erhöht" hat, vielmehr die Einbindung des Antidumpingzolls in die Kaufpreis-Kalkulation, die wiederum Eingang in das Verkaufsgeschäft und die vorgelegte Handelsrechnung gefunden hat, Grundlage für einen gerade von vornherein niedriger anzusetzenden Zollwert war, kann und muss (erst) der Wegfall des Antidumpingzolls zollwerterhöhend wirken. Mithin darf eine Einfuhrabgabe den Zollwert nach Art. 33 Buchst. b) ZK lediglich dann "nicht erhöhen", wenn es sich auch tatsächlich um entsprechende Aufwendungen/Kosten handelt. Im vorliegenden Fall waren, wie bereits ausgeführt, die ursprünglich als Antidumpingzoll veranschlagten Aufwendungen im Rahmen des Nacherhebungsverfahrens aber gerade nicht mehr als solche anzusehen, sondern als Teil des zollwertbildenden Transaktionswerts. Dass, wie die Klägerin meint, angesichts der in der Vorschrift des Art. 33 Buchst. f) ZK angelegten Nichterhöhung des Zollwerts der spätere Wegfall und die Erstattung des Antidumpingzolls nicht zu einer Erhöhung des Zollwerts führen könnten, stellt sich damit als Zirkelschluss dar.

19

Das vorstehend gefundene Ergebnis führt auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Klägerin. Die Klägerin möchte hier offenbar auf den Gedanken des Vertrauensschutzes abstellen, indem sie anführt, dass, hätte es einen Antidumpingzoll von vornherein nicht gegeben, der Verkaufspreis und damit der auf dieser Grundlage angemeldete Zollwert entsprechend niedriger gewesen wäre, und daher die spätere Erstattung des Antidumpingzolls nicht zollwerterhöhend wirken dürfe. Der Europäische Gerichtshof hat für den Fall, dass bei einer zwischen den Kaufvertragsparteien vereinbarten und in der Zollanmeldung angegebenen Lieferung "DDP" es aufgrund eines Irrtums über den Präferenzursprung der Waren unterlassen wurde, den Betrag der Einfuhrabgaben anzugeben, entschieden, dass die Voraussetzung des Art. 33 ZK erfüllt sei, und in seiner Urteilsbegründung dazu weiter ausgeführt, dass, wenn in einer solchen Situation der Abzug von höheren als ursprünglich vom Verkäufer veranschlagten Einfuhrabgaben, die bei einer Nachprüfung festgesetzt würden, zu einer Verringerung des Zollwerts der eingeführten Waren führe, dieser Wert nicht als willkürlich oder fiktiv betrachtet werden könnte, sondern vielmehr als Niederschlag des tatsächlichen wirtschaftlichen Werts der Waren unter Berücksichtigung der konkreten Rechtsstellung der Vertragsparteien betrachtet werden müsste (Urteil vom 15.07.2010, Rs. C-354/09, in: juris, Rn. 40, 38). Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist mithin auf die tatsächlichen Einfuhrabgaben abzustellen und nicht auf die von den Vertragsparteien kalkulierten. Mögliche Fehlkalkulationen der Vertragsparteien können sich daher nicht auf die Zollwertermittlung auswirken. Ob der Rechnungspreis (hypothetisch) ein anderer gewesen wäre, wenn (von Anfang an) keine Antidumpingzölle zu erheben gewesen wären, wie von der Klägerin vorgetragen, kann dahin gestellt bleiben, da es darauf nach vorstehenden Ausführungen gerade nicht ankommen kann. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass hier auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass zwischen den Kaufvertragsparteien Kompensationen oder Vergütungsregelungen für den Fall einer nachträglichen Erstattung des Antidumpingzolls vertraglich vorgesehen gewesen wären, aufgrund derer man trotz Wegfall des Antidumpingzolls in der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung des zugrundeliegenden Verkaufsgeschäfts möglicherweise zu einem niedrigeren als dem von dem Beklagten zur Zollwertermittlung herangezogenen Rechnungspreis als Transaktionswert gelangen könnte.

20

Anhaltspunkte dafür, dass die Nacherhebung nach Art. 220 Abs. 2 ZK ausgeschlossen sein könnte, bestehen nicht.

21

Insbesondere liegt hier kein Fall des Art. 220 Abs. 2 Buchst. a) ZK vor. Danach erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn die ursprüngliche Entscheidung, keine Zölle oder einen niedrigeren als den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag buchmäßig zu erfassen, aufgrund von allgemeinen Vorschriften, die später durch eine gerichtliche Entscheidung für ungültig erklärt worden sind, gefasst worden ist. Zwar ist die teilweise buchmäßige Nichterfassung von Einfuhrabgaben, also hier von Einfuhrzoll auf den anteilig höheren Zollwert, darauf zurückzuführen, dass der ursprünglich in Abzug zu bringende Rechnungsposten des auf die Ware entfallenden Antidumpingzolls aufgrund der durch gerichtliche Entscheidung über die Ungültigkeit der VO (EG) Nr. 1355/2008 entfallenden Rechtsgrundlage für den Antidumpingzoll nicht mehr zollwertmindernd in Abzug zu bringen war. Die Entscheidung, den Einfuhrzoll ursprünglich niedriger festzusetzen, wurde jedoch nicht - unmittelbar - aufgrund der VO (EG) Nr. 1355/2008 gefasst, sondern vielmehr aufgrund der - unverändert Geltung beanspruchenden - Vorschriften der Art. 29, 33 Buchst. f) ZK, während die VO (EG) Nr. 1355/2008 lediglich die Voraussetzung dafür bildete, dass ein bestimmter Rechnungsposten der Kalkulation des Weiterverkaufspreises als Einfuhrabgabe bei der Zollwertberechnung mindernd geltend gemacht werden konnte. Damit beruhte die ursprüngliche Entscheidung über die niedrigere Festsetzung des Einfuhrzolls nur mittelbar auf der VO (EG) Nr. 1355/2008 und dementsprechend die spätere Nacherhebung von Einfuhrzoll auch nur mittelbar auf der Ungültigerklärung der VO (EG) Nr. 1355/2008, zumal unter Berücksichtigung des weiteren Umstandes der tatsächlich erfolgten Erstattung des Antidumpingzolls nach Maßgabe der Erstattungsvoraussetzungen nach Art. 236 ZK. Die spätere Ungültigerklärung der VO (EG) Nr. 1355/2008 kann damit ein Absehen von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. a) ZK nicht rechtfertigen. Dies entspricht auch dem der Vorschrift des Art. 220 Abs. 2 Buchst. a) ZK zugrunde liegenden Gedanken, das Vertrauen des Zollschuldners in die Gültigkeit der allgemeinen Vorschriften zu schützen, selbst wenn sie mit Wirkung ex tunc durch eine gerichtliche Entscheidung für ungültig erklärt werden sollten (dazu vgl. Alexander, in: Witte, Zollkodex, 6. Aufl. 2013, Art. 220 Rn. 4); Vertrauensschutz kann nur in Bezug auf solche allgemeinen Vorschriften bestehen, die den Zollschuldner grundsätzlich begünstigen, was bei der VO (EG) Nr. 1355/2008 jedoch gerade nicht der Fall ist. Dementsprechend führt die Ungültigerklärung der VO (EG) Nr. 1355/2008 zunächst einmal nicht zu einer Nacherhebung von Einfuhrabgaben, sondern vielmehr im Rahmen der Erstattungsvorschriften zu einem Erstattungsanspruch der Klägerin in Bezug auf den gezahlten Antidumpingzoll. Dass sich der Wegfall der VO (EG) Nr. 1355/2008 durch deren Ungültigerklärung im Fall der Zollwertberechnung angesichts der rechtlichen Konstruktion der Zollwertbemessungsvorschriften und aufgrund der konkret gewählten Kaufpreisgestaltung zugleich teilweise auch belastend für die Klägerin auswirkt, kann - zudem unter Berücksichtigung des der Klägerin konkret erstatteten Antidumpingzolls - auch in diesem Zusammenhang unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht zu beanstanden sein.

22

Hinsichtlich der Berechnung der geltend gemachten Einfuhrabgabenschuld im Übrigen drängen sich dem Gericht keine Bedenken auf, auch die Klägerin macht solche nicht geltend.

II.

23

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

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