Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 220/14

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Einreihung einer Warenzusammenstellung.

2

Die Klägerin, ein Technikverlag, beantragte mit Schreiben vom 29.01.2013 eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) für die aus der VR China importierte Ware "Das X Lernpaket - Elektronische Schaltungen" (im Folgenden: Lernpaket). Es besteht aus einem Steckboard (Steckbrett) mit 49 Elektronikbauteilen. Im Einzelnen handelt es sich um Transistoren, Dioden, LEDs, einen Schallwandler (Piezohörer), Widerstände, Kondensatoren, Schaltdraht und einen Batterieanschluss für eine nicht im Lieferumfang enthaltene 9-V-Batterie. Darüber hinaus enthält das Lernpaket ein 193-seitiges, von Y verfasstes Begleitbuch sowie eine CD-ROM. Auf der CD-ROM befinden sich drei Programme, die für die im Begleitbuch beschriebenen Experimente nötig sind. Im Einzelnen handelt es sich um die kostenlose Schaltungssimulationssoftware LTspiceIV, das PC-Oszilloskop OSZILIGHT sowie den PC-NF-Signalgenerator AFSIGNALGEN. Darüber hinaus ist auf der CD-ROM eine Formelsammlung abgelegt. Die Bestandteile des Lernpakets befinden sich in einem bunt bedruckten Pappkarton, der für den Einzelverkauf aufgemacht ist. Dort heißt es auszugsweise:
Moderne Elektronik ist ein wesentlicher Teil unseres Lebens. [...] Lernen Sie mit diesem Lernpaket die moderne Elektronik kennen. Lassen Sie sich von den Möglichkeiten virtueller Schaltungen faszinieren. Mit einem PC-Simulationsprogramm entwerfen, untersuchen und optimieren Sie zahlreiche Schaltungen aus allen Bereichen der Elektronik. Die zugehörigen Berechnungsformeln finden Sie im Anhang, so dass sie sich - falls nötig - fit machen können für Schule, Ausbildung und Studium. ... Die vielfältigen, schnell und einfach durchführbaren Versuche an virtuellen und realen elektronische Schaltungen bieten Ihnen neben Spaß und Unterhaltung eine gründliche, praxisorientierte Einführung. Interessierte erhalten nicht nur einen ersten Einstieg in das Hobby, sondern auch in die berufliche Elektronikentwicklung.
Auf dem Steckbrett können die mit dem Schaltungssimulationsprogramm entworfenen Schaltungen, darunter die 36 in der Anleitung dargestellten praktischen Experimente, aufgebaut werden.

3

Der Beklagte erteilte für das Lernpaket unter dem 30.05.2013 die vZTA-Nr. DE ...-1, mit der es in die Unterposition 9503 0070 KN eingereiht wurde. Die einzelnen Waren, die als Einzelstücke jeweils unterschiedlichen Positionen zugeordnet werden müssten, erhielten wegen ihrer Zusammenstellung und ihrer Aufmachung den Charakter von Spielzeug, weil das Lernpaket dem Nachspielen der Rolle eines Physikers diene.

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Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 06.06.2013 Einspruch ein. Bei dem Lernpaket handele es sich nicht um Spielzeug, da es nicht der Unterhaltung von Kindern oder der Zerstreuung Erwachsener diene. Es gehe ausschließlich um die Vermittlung von Wissen über elektronische Schaltungen. Es handle sich nicht um einen Experimentierkasten, der als Lehrspielzeug in die Unterposition 9503 0070 KN eingereiht werden könne.

5

Mit Schreiben vom 07.08.2013 nahm das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung Berlin (BWZ) Stellung: Auch wenn nach den Erläuterungen zu Kapitel 95 bzw. Position 9503 HS Spielzeug der Unterhaltung von Personen diene, handele es sich bei dem Lernpaket um Spielzeug in diesem Sinne. So sei beispielsweise nach den Erläuterungen zur Position 9503 HS (EZT-Nr. 50.0) ein Chemiegerätekasten (mit Reagenzgläsern, Glaskolben, Spiritusbrenner und Chemikalien) oder ein Nähkasten (mit Garn, Schere, Nadel und Fingerhut) als Spielzeug einzureihen. In beiden Fällen seien die einzelnen Waren keine Spielzeuge, würden aber durch die gemeinsame Aufmachung in ihrer Gesamtheit zu einer Ware zum Spielen. Auch aus EZT-Nr. 36.7 der Erläuterungen zu Position 9503 KN ergebe sich der Spielzeugcharakter des Lernpakets. Danach würden nämlich auch Lehrspielzeug und pädagogisches Spielzeug von der Position 9503 KN erfasst. Bei dem Lernpaket handele es sich nicht um einen Bausatz der Unterposition 9503 0039 KN. Ein solcher bestehe nämlich aus mehreren Einzelteilen, die sinnvoll aufeinander abgestimmt und dafür vorgesehen seien, zu einem Modell oder Gerät zusammengebaut zu werden. Etwas anderes sei ein Experimentierkasten, der auch aus mehreren Einzelteilen bestehen könne, die aber nicht zum Zusammenbauen eines einzigen Modells vorgesehen seien, sondern immer wieder neu für verschiedene Versuche zusammengebaut werden könnten. Mit dem Lernpaket könnten 36 verschiedene Experimente und 40 verschiedene virtuelle Schaltungen durchgeführt werden. Hierdurch entstehe kein bestimmtes Endprodukt.

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Mit Schreiben vom 19.11.2013 ergänzte die Klägerin ihre Einspruchsbegründung: Auch Chemiegerätekästen seien nur dann Spielzeug, wenn die Zusammenstellungen Spielzeugcharakter hätten. Das Lernpaket sei ein Baukasten der Unterposition 9503 0039 KN. Wenn man der Anleitung und der Bedien-Software folge, entstehe aus dem Baukasten ein Endprodukt mit wenigen Variationen, namentlich in Form von Steuerungsmessgeräten. Der Begriff des Bausatzes sei in der KN nicht erläutert. Allein die Erläuterung EZT-Nr. 34.0 zu den Unterpositionen 9503 0035/39 KN enthalte eine Definition. Streitig sei lediglich, ob die Einzelteile sinnvoll aufeinander abgestimmt seien. Über den Wortlaut der Erläuterung hinaus verlange der Beklagte, dass nur ein einziges Modell zusammengebaut werden könne. Es könne dahinstehen, ob diese einschränkende Auslegung gerechtfertigt sei. Das Lernpaket führe nämlich zu einem modularen Endprodukt einer Steuerungsmessanlage. Nach der Definition im Online-Lexikon Wikipedia könnten mit einem Bausatz nur ein oder einige wenige Modelle oder Geräte zusammengebaut werden. Die Endprodukte des Lernpakets reduzierten die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der elektrotechnischen Grundprinzipien auf wenige Beispiele und machten diese durch den praktischen Versuchsaufbau erlebbar.

7

Mit Schreiben vom 06.02.2014 nahm das BWZ ergänzend Stellung. Anders als die Klägerin meine, könne mit dem Lernpaket nicht nur ein Endprodukt in wenigen Variationen hervorgebracht werden. Ausweislich des Begleitbuches könnten 36 verschiedene Experimente und 40 verschiedene virtuelle Schaltungen durchgeführt werden, wobei die einzelnen Teile, die nicht immer alle benötigt würden, auf der Steckplatine immer wieder neu angeordnet würden. Somit entstehe kein bestimmtes Endprodukt.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 05.11.2014 wies der Beklagte den Einspruch unter Bezugnahme auf die Ausführungen des BWZ zurück.

9

Mit der am 05.12.2014 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie bezieht sich auf ihren vorgerichtlichen Vortrag und führt ergänzend aus: Der Schwerpunkt des Lernpakets liege beim Zusammenbauen und nicht beim Experimentieren. Wenn der Schwerpunkt bei der Vermittlung der elektrotechnischen Grundkenntnisse läge, würde das im Lernpaket enthaltene Handbuch ausreichen.

10

Nicht jeder Experimentierkasten habe Spielzeugcharakter. Dies gelte beispielhaft für bestimmte Chemiegerätekästen. Hier schließe es die Gefährlichkeit der enthaltenen Substanzen aus, dass sie zum Spielen geeignet oder kindgerecht seien. Es sei zwischen spielerischem und seriösem Anspruch des Baukastens zu unterscheiden.

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Hilfsweise sei das Lernpaket in die Position 8541 KN einzureihen, weil jeder einzelne Bestandteil der Ware in dieser Position Erwähnung finde. Letztlich spreche auch der Vergleich zu Bastelsets, die nicht als Spielzeug, sondern nach dem charakterbestimmenden Bestandteil eingereiht würden, für eine Einreihung des Lernpakets ins Kapitel 85 KN.

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Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten unter Aufhebung der vZTA Nr. DE ...-1 vom 30.05.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.11.2014 zu verpflichten, ihr eine vZTA zu erteilen, mit der "Das X Lernpaket - Elektronische Schaltungen" in die Unterposition 9503 0039 KN eingereiht wird,
2. hilfsweise, es als nichtflüchtige Halbleiterspeichereinrichtung in die Position 8541 KN,
3. weiter hilfsweise als elektronische integrierte Schaltung in die Unterposition 8542 3190 KN einzureihen.

13

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

14

Er verweist auf seinen bisherigen Vortrag und führt ergänzend aus: Auch wenn die Einzelteile des Lernpakets keine Spielzeuge im Sinne der Position 9503 KN seien, ergebe sich der Spielzeugcharakter der Ware aus der spezifischen Zusammenstellung ihrer Einzelteile. Der Schwerpunkt der Beschäftigung mit dem Lernpaket liege nicht - wie die Klägerin meine - beim Zusammenbauen der Schaltungen. Bei Durchführung der Experimente würden die einzelnen Teile auf der Steckplatine immer wieder neu angeordnet, wobei nicht immer alle Teile benötigt würden. Daraus gehe eindeutig hervor, dass die Unterhaltung des Spielzeugs sich nicht im Zusammenbauen des Endprodukts erschöpfe, sondern im Experimentieren liege.

15

Da Waren des Kapitels 95 KN durch die Anmerkung 1 p) zu Abschnitt XVI KN aus dem Abschnitt XVI KN, der die hilfsweise geltend gemachten Positionen umfasse, ausgewiesen seien, könnten die Hilfsanträge schon deshalb keinen Erfolg haben.

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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (Bl. 42 der Akte).

17

Das Gericht nimmt weiter Bezug auf das vorgelegte Einspruchsheft sowie das Protokoll des Erörterungstermins.

Entscheidungsgründe

I.

18

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung im schriftlichen Verfahren (§ 90 Abs. 2 FGO) und durch den Berichterstatter anstelle des Senats (§ 79a Abs. 3, 4 FGO).

II.

19

Die als Verpflichtungsklage zulässige Klage hat in der Sache weder mit dem Haupt- noch mit den Hilfsanträgen Erfolg. Die Ablehnung der beantragten vZTA ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO), weil sie keinen Anspruch auf antragsgemäße Erteilung der vZTA hat. Da es vorliegend um die Erteilung eines gebundenen Verwaltungsaktes geht, ist die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage anzuwenden (BFH, Urt. v. 06.08.2013, VII R 15/12, juris Rn. 10; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, 138. EL Okt. 2014, § 101 FGO Rn. 8 m. w. N.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, 226. EL Febr. 2014, § 101 FGO Rn. 25 m. w. N.). Damit richtet sich die Erteilung der vZTA nach Art. 33 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. EU L 269/1; Unionszollkodex - UZK) in Verbindung mit Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1754 vom 06.10.2015 (ABl. EU L 285/1; Kombinierte Nomenklatur - KN).

20

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen sowie in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der Kombinierten Nomenklatur festgelegt sind (EuGH, Urt. v. 20.11.2014, Rs. C-666/13, Rn. 24; Urt. v. 17.07.2014, Rs. C-480/13, Rn. 29 m. w. N.; BFH, Beschl. v. 28.04.2014, VII R 48/13, Rn. 29; Urt. v. 04.11.2003, VII R 58/02, Rn. 9; Urt. v. 30.07.2003, VII R 40/01, Rn. 12 - jeweils zitiert nach juris). Darüber hinaus sind die Erläuterungen zum Harmonisierten System (HS) und zur KN ein maßgebendes, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen (st. Rspr., siehe nur: EuGH, Urt. v. 20.11.2014 Rs. C-666/13, Rn. 25; Urt. v. 17.07.2014, Rs. C-480/13, Rn. 30 m. w. N.; Beschl. v. 19.01.2005, Rs. C-206/03, Rn. 26; BFH, Urt. v. 04.11.2003, VII R 58/02, Rn. 9; Urt. v. 30.07.2003, VII R 40/01, Rn. 12 - jeweils zitiert nach juris).

21

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch auf Einreihung des Lernpakets in die Unterposition 9503 0039 KN. Vielmehr ist das Lernpaket der Unterposition 9503 0070 KN zuzuweisen (dazu 1.). Es ist auch nicht in die hilfsweise geltend gemachten Unterpositionen einzureihen (dazu 2.).

22

1. Das Lernpaket ist in die Unterposition 9503 0070 KN einzureihen.

23

1.1 Bei dem Lernpaket handelt es sich um Spielzeug im Sinne der Position 9503 00 KN. Der Spielzeugbegriff wird weder im Harmonisierten System noch in der Kombinierten Nomenklatur definiert (so auch FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28.10.2010, 1 K 1138/08, EZT-Nr. 15.0 GE). Es ist somit unter Berücksichtigung der Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur und zum Harmonisierten System ein zollrechtlicher Spielzeugbegriff zu entwickeln.

24

Nach den Erläuterungen zum Kapitel 95 HS (EZT-Nr. 01.0) und zur Position 9503 HS (EZT-Nr. 19.0) sind Spielzeuge Waren, die im Wesentlichen zur Unterhaltung für Kinder oder Erwachsene bestimmt sind. Waren, die als Einzelstücke zu anderen Positionen gehören würden, erhalten aufgrund ihrer Zusammenstellung und ihrer Aufmachung den Charakter von Spielzeug (Erläuterungen zur Position 9503 HS, EZT-Nr. 50.0). Beispielhaft genannt werden Chemiegerätekästen, dies allerdings nur unter der Voraussetzung, "dass diese Zusammenstellungen Spielzeugcharakter haben" (Erläuterungen zur Position 9503 HS, EZT-Nr. 50.0).

25

Hieraus kann gefolgert werden, dass eine Ware dann ein Spielzeug ist, wenn die Beschäftigung damit selbstzweckhaft ist, d. h. keinen von außerhalb des Spielzeugs an den Spieler herangetragenen Anforderungen genügen muss. Nur unter dieser Voraussetzung kann sie im Wesentlichen unterhaltende Wirkung haben. Da nach den Erläuterungen zur Unterposition 9503 0070 KN (EZT-Nr. 36.7) auch Lehrspielzeug und pädagogisches Spielzeug Spielzeug ist, schließt es den Spielzeugcharakter nicht aus, dass die einzureihende Ware (auch) der Wissensvermittlung dient, solange dies (auch) auf unterhaltsame Weise erfolgt. Insofern ist Lehrspielzeug von Lehrmaterial abzugrenzen. Letzteres ist dazu bestimmt, von außen, etwa durch Arbeitgeber, Schule oder ein universitäres Curriculum, vorgegebene Inhalte zu erlernen oder den Wissenserwerb in einer Prüfung zu dokumentieren. Da Spielzeug nach den genannten Erläuterungen auch der Unterhaltung Erwachsener dienen kann, muss es nicht die typische Aufmachung von Kinderspielzeug haben. Im Hinblick auf das Niveau des vorausgesetzten Vorwissens darf sich (Lehr-)Spielzeug am Wissensstand von Erwachsenen orientieren. Wie sich aus dem Wortlaut der Unterposition 9503 0070 KN sowie den Erläuterungen ergibt, ist für die Einordnung einer Ware auf die Zusammenstellung und die Aufmachung abzustellen. Damit können auch Warenzusammenstellungen, die jeweils für sich betrachtet keinen Spielzeugcharakter haben, nach der konkreten Art ihrer Zusammenstellung und Aufmachung insgesamt Spielzeug im Sinne des Zolltarifs sein. Auch wenn die einzelnen Komponenten des Lernpakets (Elektronikbauteile, Begleitbuch und Software) für sich betrachtet keine Spielzeuge sind, handelt es sich ausgehend von diesen Maßstäben bei dem Lernpaket insgesamt um Spielzeug für Hobbyelektroniker. Hobbyelektronik bezeichnet das Elektronikbasteln in der Freizeit und allgemein die Hobby-Beschäftigung mit Elektronik, dabei insbesondere mit elektronischen Schaltungen, Baugruppen und Geräten (https://de.wikipedia.org/wiki/Hobbyelektronik).

26

Wie sich aus der Beschreibung des Lernpakets auf dem Karton sowie dem Begleitbuch ergibt, hat es den Zweck, das nötige Wissen zu vermitteln, um elektronische Schaltungen zu entwickeln und aufzubauen. Die Schaltungen werden zunächst mithilfe des Schaltungssimulationsprogramms, das sich auf der mitgelieferten CD-ROM befindet, virtuell simuliert und können anschließend auf dem Steckbrett nachgebaut werden. Damit, nämlich dem Nachbau von Experimenten mit Baukästen und der Programmierung von Mikrocontrollern, handelt es sich um typische Beschäftigungen von Hobbyelektronikern (https://de.wikipedia.org/wiki/Hobbyelektronik; Gliederungspunkt: Arbeitsfelder). Diese Wissensvermittlung erfolgt auf spielerische Weise. Der Unterhaltungswert liegt darin, dass es sich um "vielfältige[], schnell und einfach durchführbare[] Versuche" - so der Text auf der Rückseite des Kartons - handelt, die ein anschauliches, d. h. optisch oder akustisch wahrnehmbares Ergebnis haben (z. B. Doppelblinker oder Nebelhorn). Ohne äußeren Erfolgsdruck kann der oder die technisch Interessierte hierdurch Grundlagen der Elektrotechnik erlernen und anwenden. Die 36 Experimente sind nur beispielhaft angegeben. Die Kreativität des Hobbyelektronikers kann sich nicht zuletzt dadurch entfalten, dass mit dem Steuerungssimulationsprogramm und dem Steckbrett "auch jederzeit eigene Schaltungsideen schnell und unkompliziert" ausprobiert werden können (S. 11 des Begleitbuchs). Das Lernpaket bietet hierdurch - so der Text auf der Rückseite des Kartons - "Spaß und Unterhaltung".

27

Der spielerische Schwerpunkt des Lernpakets wird auch an anderer Stelle der Warenbeschreibung deutlich. Auf der Rückseite des Kartons wird darauf verwiesen, dass Interessierte "nicht nur einen ersten Einstieg in das Hobby [erhalten], sondern auch in die berufliche Elektronikentwicklung." Durch die an erster Stelle genannte Verwendung des Lernpakets für die Zwecke der Freizeitgestaltung wird der primär spielerische Charakter des Lernpaket verdeutlicht, zumal im davor stehenden Satz der Spaß und die Unterhaltung, die die Beschäftigung mit dem Lernpaket mit sich bringen können, hervorgehoben werden. Entsprechend sind die Anleitungen zum Durchführen der Experimente nicht im Stil eines Lehrbuchs verfasst, sondern der Verwender wird mit konkreten Praxisbezügen direkt angesprochen und zum Experimentieren aufgefordert. So heißt es z. B. im Experiment "Gitarren-Verzerrer simulieren und aufbauen" (S. 49 f. des Begleitbuchs):

28

Wer Gitarre spielt und nicht nur an klassischer Musik interessiert ist, braucht einen Gitarrenverzerrer. Nur damit ist typischer Rockmusik-Sound erzielbar. Zwar enthält die Software auf der Audiostation in dieser Hinsicht alles, was das Herz begehrt - der richtige Sound für CD-Aufnahmen ist damit sichergestellt. Was aber ist bei Live-Auftritten? Nur Hardware hilft hier preisgünstig und zuverlässig weiter. [...] Laden Sie die Schaltung in das Simulationsprogramm. [... ] Eine ganze Latte an Obertönen reichert den angeschlagenen Ton an, der damit enorm an Fülle gewinnt und einen individuellen Charakter erlangt. [...] Spielen Sie mit den Werten weiterer Bauteile [...] und untersuchen die Wirkung auf die erzeugte Klanganreicherung.

29

Hinzu kommt, dass diese Anleitung völlig ohne mathematische Formeln auskommt. Zwar ist eine Formelsammlung auf der CD-ROM beigefügt. Sie wird jedoch nur benötigt, "wenn Sie für Schule, Ausbildung oder Studium tiefer in das Thema eindringen möchten" (S. 5 des Begleitbuchs). Im Umkehrschluss wird damit deutlich, dass es nicht primär um die Vermittlung von Wissen geht, das in Prüfungen abgefragt werden soll. Ziel des Lernpakets ist es vielmehr nach seiner gesamten Aufmachung Interesse an elektrotechnischen Wirkmechanismen zu wecken. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob das Lernpaket in der Berufsausbildung, bei Fortbildungen oder im universitären Bereich tatsächlich eingesetzt wird.

30

Dass durch das Spielen mit dem Lernpaket Fähigkeiten von erheblichem praktischem Nutzen erworben werden, steht einer Einordnung als Spielzeug nicht entgegen. Es ist im Gegenteil gerade ein Charakteristikum von Lehrspielzeug, dass auf spielerische Weise Wissen vermittelt wird. Besonders die Hobbyelektronik erfordert und fördert handwerkliche Fähigkeiten und Fachwissen, die auch in Ausbildung oder Beruf nützlich sein können (https://de.wikipedia.org/ wiki/Hobbyelektronik; Gliederungspunkt: Bildungs- und Wirtschaftsaspekte).

31

1.2 Innerhalb der Position 9503 00 KN ist das Lernpaket nicht in die Unterposition 9503 0039 KN, sondern in die Unterposition 9503 0070 KN einzureihen.

32

Die Unterposition 9503 0039 KN erfasst "andere Bausätze und Baukastenspielzeug" als elektrische Eisenbahnen und maßstabgetreu verkleinerte Modelle zum Zusammenbauen (die von der Unterposition 9503 0030 KN erfasst sind) aus anderen Stoffen als Kunststoff. Nach den Erläuterungen zu den Unterpositionen 9503 0035/39 KN bestehen diese Waren aus zwei oder mehr Einzelteilen und werden zusammen in einer Verkaufsverpackung gestellt. Die Einzelteile sind sinnvoll aufeinander abgestimmt und alleine nicht zum Spielen geeignet. Es kann ein Bauplan des Bausatzes beigefügt werden. Die Unterposition 9503 0070 KN erfasst dagegen "anderes Spielzeug, aufgemacht in Zusammenstellungen oder Aufmachungen". Sie ist die Auffangposition für Waren, die keiner anderen Unterposition, etwa als "andere Bausätze und Baukastenspielzeug", zugeordnet werden können. Die Einreihung einer Ware in diese Unterposition ist daher nur möglich, wenn eine Einreihung in die speziellere Unterposition 9503 0039 KN ausscheidet (vgl. FG Hamburg, Urt. v. 10.02.2015, 4 K 123/14, juris Rn. 19). Dies ist vorliegend der Fall.

33

1.2.1 Das Lernpaket ist kein Bausatz und kein Baukastenspielzeug im Sinne der Unterpositionen 9503 0035/39 KN.

34

Zwar mag es der Einordnung als Baukastenspielzeug nicht entgegenstehen, dass die Anzahl der möglichen Anordnungen der Bauteile auf dem Mikrocontroller und dem Steckbrett nicht begrenzt ist. Denn auch mit technischen Baukastenspielzeugen oder einer Sammlung von Holzklötzen lassen sich unzählige verschiedene Modelle erstellen. Der Einordnung des Lernpakets als Bausatz oder Baukastenspielzeug steht jedoch entgegen, dass es nicht darum geht, die Bauteile so auf dem Mikrocontroller und dem Steckbrett zu arrangieren, dass sie eine bestimmte Gestalt annehmen. Es ist für die Durchführung der Programmierexperimente belanglos, wie etwa die Widerstände oder LEDs befestigt werden, solange der elektrische Kontakt hergestellt ist. Zwar verweist der Untertitel des Lernpakets "selbst entwickeln und aufbauen" darauf, dass die Bauteile in spezifischer Weise auf dem Steckbrett angeordnet werden sollen. Hierbei geht es aber nicht in erster Linie darum, dem Steckbrett eine bestimmte äußere Form zu geben. Entscheidend ist vielmehr, dass der Stromfluss in einer Weise hergestellt wird, dass eine bestimmte Funktion ausgeführt werden kann.

35

Selbst wenn der Mikrocontroller, das Steckbrett und die Elektronikbauteile einen Bausatz oder ein Baukastenspielzeug darstellen würden, gilt dies nicht für das Begleitbuch und die mitgelieferte Software. Das Begleitbuch, das - wenn es separat eingeführt werden würde - als Buch oder Broschüre in die Unterposition 4901 9900 KN einzureihen wäre, ist nicht nur ein Bauplan i. S. d. Erläuterungen zu den Unterpositionen 9503 0035/39 KN, der einem Bausatz oder Baukastenspielzeug beigefügt werden kann, ohne dass dieser Umstand an der Einreihung der übrigen Warenbestandteile etwas ändert. Die im Begleitbuch abgebildeten Fotos (z. B. Bilder 2.7, 2.12 oder 2.17) zeigen zwar die Anordnung der Elektronikbauteile auf dem Steckbrett und könnten so als Bauplan verstanden werden. Das Begleitbuch enthält jedoch Informationen, die weit über eine Aufbauanleitung hinausgehen. So finden sich Abbildungen des PC-Oszilloskops (z. B. Bilder 2.14-2.16), die grafische Darstellungen von Wellenzügen zeigen, die mit dem PC-Simulationsprogramm erzeugt wurden. Darüber enthält es Schaltpläne von Schaltungen. Schaltpläne sind keine Baupläne, weil es nicht um die äußere Gestalt der Schaltung geht. Sie sind eine abstrahierte Darstellung der Funktionen in Form definierter Symbole für die einzelnen Bauelemente und deren elektrische Verschaltung (https://de.wikipedia.org/wiki/Schaltplan). Hinzu kommt, dass der Hauptzweck des Lernpakets nicht im Aufbau einer vorgegebenen Schaltung auf dem Steckbrett besteht. Er liegt vielmehr in der Anwendung des PC-Schaltungssimulationsprogramms, des PC-Oszilloskops sowie des Programms zur Signalerzeugung. So wird beispielsweise im Kap. 2 ein einstufiger NF-Verstärker aufgebaut und simuliert. Das Begleitbuch regt dazu an, im PC-Simulationsprogramm die Folgen eines höheren Eingangssignals zu simulieren (S. 20 des Begleitbuchs). Außerdem soll eine Spektrenanalyse des Ausgangssignals durchgeführt werden (S. 21 des Begleitbuchs). Erst nachdem der Aufbau im Simulationsprogramm simuliert wurde, soll der Aufbau auf dem Steckbrett nachvollzogen werden (Bild 2.7). Sodann muss der PC-NF-Generator bemüht werden, um einen Ton zu erzeugen (S. 23 des Begleitbuchs).

36

Auch die Begleitsoftware ist ersichtlich nicht Teil eines Bausatzes oder eines Baukastenspielzeugs. Die drei Simulationsprogramme dienen der virtuellen Erstellung von Schaltungen oder machen elektrische Wellen sichtbar. Sie sind auch ein zentrales Element des Lernpakets. Im Begleitbuch (S. 20) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ohne das Beherrschen dieser Programme die im Begleitbuch erklärten Experimente nicht durchführbar seien. Auch die Formelsammlung, die nur relevant wird, wenn das Lernpaket zur Einübung von Ausbildungsinhalten genutzt wird, steht in keinem Zusammenhang mit der Erstellung eines Modells im Sinne der Unterposition 8503 0070 KN.

37

1.2.2 Das Lernpaket ist als Warenzusammenstellung aus Mikrocontroller, Steckbrett und Elektronikbauteilen einerseits und Begleitbuch nebst Software andererseits als ein "anderes Spielzeug, aufgemacht in Zusammenstellungen oder Aufmachungen" in die Unterposition 9503 0070 KN einzureihen. Dieses Einreihungsergebnis steht im Einklang mit den Erläuterungen zu dieser Unterposition (EZT-Nr. 36.7). Danach sind von dieser Unterposition Aufmachungen aus zwei oder mehr unterschiedlichen Waren, die in einer Verpackung für den Einzelverkauf angeboten und für eine spezielle Freizeitbeschäftigung oder Arbeit bzw. für bestimmte Personen oder Berufe typisch sind, wie bspw. Lehrspielzeug oder pädagogisches Spielzeug, erfasst. Vorliegend handelt es sich- wie dargelegt - um (Lehr-)Spielzeug für Hobbyelektroniker.

38

2. Die Klage hat auch mit den Hilfsanträgen keinen Erfolg. Da das Lernpaket - wie dargelegt - in die Position 9503 00 KN einzureihen ist, ist ausweislich der Anmerkung 1 p) zu Abschnitt XVI KN, die Waren des Kapitels 95 KN aus diesem Abschnitt (Kapitel 84-85 KN) ausweist, seine Einreihung in die Positionen 8523 KN oder 8542 KN von vornherein ausgeschlossen.

III.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

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