Urteil vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 K 141/16

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Rechtsbehelfsbelehrung im Umsatzsteuerbescheid 2014 den Anforderungen der Abgabenordnung entspricht.

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Der Kläger erzielte im Streitjahr und in den vorhergehenden Jahren Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.

3

Am 09.09.2014 reichte der Kläger bei dem Beklagten einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung der Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit ein, mit dem er erklärte, eine Tätigkeit als ... aufgenommen zu haben.

4

Der Kläger gab für 2014 zunächst keine Umsatzsteuererklärung ab. Der Beklagte erinnerte den Kläger an die Abgabe der Umsatzsteuererklärung für 2014 mit Schreiben vom 25.01.2016 und einer Fristsetzung bis zum 22.02.2016.

5

Mit Bescheid für 2014 über Umsatzsteuer vom 01.04.2016 setzte der Beklagte - ohne einen Vorbehalt der Nachprüfung - die Umsatzsteuer auf ... € fest. Dabei schätzte er die Besteuerungsgrundlagen; er berücksichtigte Lieferungen und sonstige Leistungen zu 19 % i. H. v. ... € und Vorsteuerbeträge i. H. v. ... €.

6

Die Rechtsbehelfsbelehrung lautet wie folgt:
"Die Festsetzung der Umsatzsteuer kann mit dem Einspruch angefochten werden.
Der Einspruch ist bei dem vorbezeichneten Finanzamt oder bei der angegebenen Außenstelle schriftlich einzureichen, diesem/dieser elektronisch zu übermitteln und dort zur Niederschrift zu erklären.
... Die Frist für die Einlegung des Einspruchs beträgt einen Monat.
Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem Ihnen dieser Bescheid bekannt gegeben worden ist. Bei Zusendung durch einfachen Brief gilt die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bewirkt, es sei denn, dass der Bescheid zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. ...".

7

Ein Hinweis auf die E-Mail-Adresse des Beklagten findet sich in dem Umsatzsteuerbescheid für 2014 nicht.

8

Am 17.05.2016 reichte der Kläger die Umsatzsteuererklärung für 2014 ein, mit der er die Umsatzsteuer auf -... € berechnete.

9

Mit Bescheid vom 12.07.2016 lehnte der Beklagte den Antrag auf Änderung des Umsatzsteuerbescheides für 2014 vom 01.04.2016 mit der Begründung ab, dass der Antrag nur innerhalb der Einspruchsfrist erfolgen könne, die Frist jedoch am 04.05.2016 abgelaufen sei.

10

Mit Schreiben vom 27.07.2016, eingegangen am 01.08.2016, legte der Kläger, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, gegen den Ablehnungsbescheid vom 12.07.2016 Einspruch ein. Diesen begründete er damit, dass die Rechtsbehelfsbelehrung nicht korrekt und vollständig sei; die Rechtsbehelfsfrist beginne deshalb nicht zu laufen. Zugleich stellte der Kläger einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines Büroversehens der Prozessbevollmächtigten; diesen begründete er damit, dass "erst jetzt" festgestellt worden sei, dass es sich offensichtlich um ein EDV-Versehen handele. Versehentlich sei versäumt worden, in dem Einspruchsschreiben zur Einkommensteuer 2014, die mit Bescheid vom 01.04.2016 festgesetzt worden war, zugleich gegen den Umsatzsteuerbescheid 2014 Einspruch einzulegen. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid war am 06.05.2016 durch die Prozessbevollmächtigte eingelegt worden.

11

Mit Einspruchsentscheidung vom 30.08.2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 06.09.2016, eingegangen am 13.09.2016, Klage erhoben.

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Der Kläger trägt vor:

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Im Kopfzeilenbereich des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides vom 01.04.2016 befänden sich die Daten zur postalischen Zustellung, im Fußzeilentext die Kontoverbindung und ein Verweis auf die Homepage der Finanzbehörden. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei fehlerhaft. Sie solle den Adressaten über die Möglichkeit informieren, ob und wie eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung durch einen Rechtsbehelf angegriffen werden könne. Die Anspruchsgrundlage des § 356 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) solle dieses Recht des Steuerpflichtigen gewährleisten. Die vollständige Anschrift der Finanzbehörde solle entweder der Rechtsbehelfsbelehrung oder dem Verwaltungsakt entnommen werden können, damit der Beteiligte überhaupt wisse, an wen er den Einspruch richten müsse. Dies solle Fristversäumnisse oder Verzögerungen aufgrund einer fehlerhaften Adressierung des Einspruchs vermeiden helfen. Gleiches gelte für die Telefaxnummer.

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Wenn der Beklagte auf die digitale Einlegungsmöglichkeit verweise, müsse er in analoger Anwendung des § 356 Abs. 1 AO auch die E-Mail-Adresse dem Kläger zugänglich machen. Diese befinde sich jedoch nicht auf dem Verwaltungsakt. Der Kläger habe aus dem Verwaltungsakt heraus keine Möglichkeit, eine E-Mail an die zuständige richtige Behörde abzusetzen.

15

Hiervon zu unterscheiden sei die streitige Problematik, ob die Rechtsbehelfsbelehrung über die Einspruchseinlegung in elektronischer Form, also z. B. durch E-Mail, aufklären müsse. Der Wortlaut des § 356 Abs. 1 AO verlange nicht, dass der Beteiligte über die vorgeschriebene Form der Einspruchseinlegung zu belehren sei. Dementsprechend halte der BFH diese nicht für einen notwendigen Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung. Dies betreffe nur die Frage, ob auf die Möglichkeit des Einspruchs per E-Mail hingewiesen werden müsse, nicht aber den Punkt, wenn auf digitale Medien hingewiesen werde, aber dann die notwendigen Angaben dazu fehlten.

16

Der Verweis des Beklagten auf ein mögliches Auffinden der Adresse gehe fehl. § 356 AO verlange eine vollständige Rechtsbehelfsbelehrung. Was für Adressen gelte, müsse auch für E-Mails gelten. Die E-Mail-Adresse müsse im Verwaltungsakt aufgeführt werden. Der Zweck der Rechtsbehelfsbelehrung, die Sicherung des Rechtsschutzes des Beteiligten, gebiete auch eine Belehrung über die Form der Einspruchseinlegung. Deshalb könne die Rechtsbehelfsbelehrung nur dann als vollständig angesehen werden, wenn sie angebe, in welcher Form der Einspruch erhoben werden könne und wie und an welche Adresse. Würden Angaben in die Belehrung aufgenommen, müssten diese richtig, vollständig und unmissverständlich sein. Sei das nicht der Fall, müsse die Rechtsbehelfsbelehrung als unrichtig angesehen werden mit der Folge, dass die Einspruchsfrist nicht in Lauf gesetzt werde.

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Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werde hilfsweise aufrechterhalten. Insoweit werde auf die Einspruchsbegründung verwiesen.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 12.07.2016 über die Ablehnung des Antrags auf Änderung des Bescheids für 2014 über Umsatzsteuer vom 01.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.08.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Umsatzsteuer 2014 geändert auf -... € festzusetzen.

19

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

20

Der Beklagte trägt vor:
Ein Hinweis auf die betreffende E-Mail-Adresse des Beklagten im Umsatzsteuerbescheid für 2014, der am Freitag, dem 01.04.2016 zur Post gegeben worden sei, sei nicht erforderlich. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei umfassend und vollständig. Nach § 356 Abs. 1 AO gehörten die Bezeichnung der Behörde, bei der der Einspruch einzulegen sei, und deren Sitz sowie die Benennung der einzuhaltenden Frist zu den erforderlichen Angaben einer Rechtsbehelfsbelehrung. Erforderlich und ausreichend sei die amtliche Bezeichnung der Behörde sowie die Angabe des geographischen Ortes, an dem die Behörde räumlich untergebracht sei, und die Wiedergabe des abstrakten Gesetzestextes zum Fristbeginn und zur Länge der Frist. Diese Angaben ergäben sich vorliegend unstreitig direkt aus dem Bescheid.

21

Die weitergehende Angabe einer E-Mail-Adresse sei nicht erforderlich. Die Rechtsbehelfsbelehrung gebe den Wortlaut des § 357 Abs. 1 S. 1 AO wieder und erfülle damit die Formerfordernisse einer Belehrung über die Einlegung eines Einspruchs. Im Interesse rechtsunkundiger Beteiligter sei eine inhaltliche Überfrachtung zu vermeiden. Dies müsse insbesondere gelten, wenn Angaben zur Form gemacht würden, die schon dem Grunde nach nicht zwingender Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung seien. Selbst die Angabe der vollen postalischen Anschrift sei nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig nicht erforderlich.

22

Die fehlende Angabe einer E-Mail-Adresse gefährde nicht die rechtzeitige Einlegung eines Einspruchs. Vielmehr könne die Ermittlung der konkreten E-Mail-Adresse dem jeweils Betroffenen überlassen bleiben. Vom Rechtsunkundigen könne erwartet werden, sich gegebenenfalls durch Nachfrage, z. B. bei dem erlassenden Finanzamt oder einem Anwalt, Klarheit zu verschaffen.

23

Die hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, da eine unverschuldete Verhinderung der Einhaltung der Frist bislang nicht dargelegt sei. Da der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid rechtzeitig eingelegt worden sei, sei vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger bzw. der Bevollmächtigte auch in der Lage gewesen wäre, den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid rechtzeitig einzureichen.

24

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend damit einverstanden erklärt, dass die Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung entscheidet.

25

Dem Gericht haben die Umsatzsteuerakten Bd. I, die Bilanz- und Bilanzberichtsakten Bd. I, die Akten Allgemeines Bd. I und die Einkommensteuerakten Bd. I, jeweils zur Steuernummer ..., vorgelegen.

Entscheidungsgründe

26

Die Vorsitzende entscheidet im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 79a Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - an Stelle des Senats und gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

I.

27

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

28

Der Kläger ist durch den Bescheid vom 12.07.2016 über die Ablehnung des Antrags auf Änderung des Bescheids für 2014 über Umsatzsteuer vom 01.04.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.08.2016 nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Umsatzsteuerbescheid für 2014 zu ändern. Insbesondere ist die dem Bescheid für 2014 über Umsatzsteuer vom 01.04.2016 angefügte Rechtsbehelfsbelehrung nicht fehlerhaft; der Kläger wurde ordnungsgemäß belehrt.

29

Zutreffend hat der Beklagte den mit Einreichung der Umsatzsteuererklärung für 2014 gestellten Änderungsantrag abgelehnt, da der Kläger diesen erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gestellt hat (dazu unter 1.) und dem Kläger wegen der Versäumung der Rechtsbehelfsfrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war (dazu unter 2.).

30

1. Der Umsatzsteuerbescheid für 2014 vom 01.04.2016 steht nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO. Ein wirksamer Antrag auf Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO zugunsten des Steuerpflichtigen muss deshalb vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gestellt sein und das verfolgte Änderungsbegehren innerhalb der Einspruchsfrist seinem sachlichen Gehalt nach zumindest in groben Zügen zu erkennen geben (BFH Urteile vom 27.10.1993 XI R 17/93, BFHE 172, 493, BStBl II 1994, 439; vom 21.10.1999 I R 25/99, BFHE 190, 285, BStBl II 2000, 283; vom 20.12.2006 X R 30/05, BFHE 216, 31, BStBl II 2007, 503). Der Kläger hat den Änderungsantrag vom 17.05.2016 mittels Einreichung der Umsatzsteuererklärung für 2014 erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gestellt.

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a) Gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Einspruch gegen einen Verwaltungsakt innerhalb eines Monats nach dessen Bekanntgabe einzulegen. Dabei gilt gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages (§ 108 Abs. 3 AO).

32

Die Rechtsbehelfsfrist beginnt gemäß § 356 Abs. 1 AO nach Ergehen eines schriftlichen Verwaltungsakts allerdings nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form belehrt worden ist. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden, ist die Einlegung des Einspruchs binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig (§ 356 Abs. 2 S. 1 AO).

33

b) Der Umsatzsteuerbescheid für 2014 ist nach dem von dem Kläger unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten am Freitag, dem 01.04.2016, zur Post gegeben worden. Er gilt daher dem Kläger als am Montag, dem 04.04.2016, bekanntgegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

34

c) Die einmonatige Einspruchsfrist, innerhalb der der Antrag des Klägers auf Änderung des Umsatzsteuerbescheides für 2014 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO gestellt werden konnte, begann mit dem Tage der Bekanntgabe des Bescheids für 2014 über Umsatzsteuer (§ 355 Abs. 1 Satz 1 AO), da der Kläger über die Einlegung des Einspruchs mit der dem Umsatzsteuerbescheid 2014 beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung den Anforderungen des § 356 Abs. 1 AO entsprechend belehrt worden ist. Die Rechtsbehelfsbelehrung gibt den Wortlaut des § 357 Abs. 1 S. 1 AO zutreffend wieder und ist deshalb nicht "unrichtig" i. S. des § 356 Abs. 2 FGO.

35

aa) Unrichtig ist eine solche Belehrung, wenn sie in wesentlichen Aussagen unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch - bei objektiver Betrachtung - die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint (BFH Urteil vom 29.07.1998 X R 3/96, BFHE 186, 324, BStBl II 1998, 742; vgl. auch BVerwG Beschluss vom 27.02.1981 6 B 19/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1982, 181). Das ist hier zu verneinen.

36

Zu unterscheiden ist der notwendige Inhalt der Belehrung von solchen Angaben, die (nur) zweckmäßig sind. Im Interesse rechtsunkundiger Beteiligter ist eine inhaltliche Überfrachtung zu vermeiden und im notwendigen Umfang ohne Verkomplizierung zu belehren. Die Rechtsmittelbelehrung soll deshalb so einfach und klar wie möglich gehalten werden. Es ist ausreichend, wenn sie den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergibt und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns unterrichtet (vgl. BFH Urteil vom 07.03.2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 55 FGO Tz. 7). Danach ist die Rechtsbehelfsbelehrung zum Umsatzsteuerbescheid 2014 nicht etwa deswegen gemäß § 356 Abs. 2 S. 1 AO unrichtig erteilt worden, weil sie nicht die E-Mail-Adresse des Beklagten nennt.

37

bb) Der BFH hat mit Urteilen vom 20.11.2013 X R 2/12 (BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236) und vom 18.03.2014 VIII R 33/12 (BFHE 246, 1, BStBl II 2014, 922) entschieden, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung, die - wie im Streitfall - den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergibt, nicht "unrichtig" i. S. des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO ist. Durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften v. 25.7.2013 (BStBl I 2013, 926) ist in § 357 AO mit Wirkung vom 01.08.2013 ausdrücklich klargestellt worden, dass der Einspruch durch einfache E-Mail "elektronisch" eingelegt werden kann. Für die elektronische Einspruchseinlegung ergänzt § 87a AO die Regelung des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO. Sie setzt gemäß § 87a Abs. 1 Satz 1 AO voraus, dass der Empfänger - im Falle des Einspruchs also das Finanzamt - hierfür einen Zugang eröffnet.

38

Die Information darüber, dass der Einspruch elektronisch eingelegt werden kann, war ausreichend; nicht erforderlich war die Angabe der E-Mail-Adresse des Beklagten. Jeder Steuerpflichtige, der in Erwägung zieht, den Einspruch elektronisch einzulegen und hierfür ein entsprechendes technisches Equipment zu benutzen, ist auch in der Lage, auf die Internetseite des Beklagten zu gehen. Hier befindet sich unter den Kontaktinformationen nicht nur die Anschrift des Beklagten, die mit der auf dem Bescheid befindliche abzugleichen wäre, sondern unter anderem auch die E-Mail-Adresse des Beklagten.

39

d) Die einmonatige Einspruchsfrist endete daher gemäß § 365 Abs. 1 i. V. m. § 108 AO i. V. m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Ablauf des 04.05.2016. Der Änderungsantrag in Gestalt der Einreichung der Umsatzsteuererklärung 2014 ist am 17.05.2016 und damit nach Ablauf der Monatsfrist bei dem Beklagten eingegangen.

40

2. Dem Kläger war wegen der Versäumung der Rechtsbehelfsfrist, innerhalb der der Antrag auf Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2014 hätte gestellt werden können, auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

41

a) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 Abs. 1 S. 1 AO). Der Antrag ist bei Versäumung der Rechtsbehelfsfrist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zu seiner Begründung sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen, und die versäumte Rechtshandlung ist innerhalb der Antragsfrist nachzuholen (§ 110 Abs. 2 AO). Jedes Verschulden - also auch einfache Fahrlässigkeit - schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (vgl. BFH Beschluss vom 30.04.2013 IV R 38/11, BFH/NV 2013, 1117). Ein Verschulden des Vertreters ist dem Kläger nach § 110 Abs. 1 S. 2 AO zuzurechnen.

42

b) Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen und die Organisation des Bürobetriebs so gestalten, dass Fristversäumnisse vermieden werden (BFH Beschlüsse vom 27.07.2011 IV B 131/10, BFH/NV 2011, 1909; vom 17.11.2015 V B 56/15, BFH/NV 2016, 222). Wird - wie im Streitfall - Wiedereinsetzung wegen eines entschuldbaren Büroversehens begehrt, muss substantiiert und schlüssig vorgetragen werden, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d. h. dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind (vgl. BFH Urteil vom 18.06.2015 IV R 18/13, BFH/NV 2015, 1349). Zur Überwachung der Fristen bedarf es der Einrichtung eines Fristenkontrollbuchs oder einer gleichwertigen Einrichtung. Zudem ist im Rahmen einer abendlichen Erledigungskontrolle sicherzustellen, dass die Fristsachen ordnungsgemäß erledigt worden sind (BGH Beschluss vom 12.10.1998 II ZB 11/98, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1999, 670). Bei einer elektronischen Fristenkontrolle gelten keine geringeren Anforderungen (vgl. BFH Beschluss, Beschluss vom 30.04.2013 IV R 38/11, a. a. O.).

43

c) Danach hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Frist zur Einlegung des Einspruchs nicht ohne Verschulden versäumt. Sie hat nicht dargelegt, dass die Organisation des Bürobetriebs dergestalt beschaffen war, Fristversäumnisse grundsätzlich auszuschließen. Es kann dahinstehen, ob von der Prozessbevollmächtigten eine elektronische Fristenkontrolle durchgeführt wurde, die überhaupt geeignet war, die Einhaltung und Überwachung der Fristen sicherzustellen. Jedenfalls fehlte es im Streitfall an der Durchführung einer erforderlichen abendlichen Kontrolle der elektronisch erfassten Fristen. Dass die Büroorganisation ersichtlich nicht ausreichend beschaffen war, wird nicht zuletzt durch das Vorbringen der Prozessbevollmächtigten belegt, dass die Fristversäumnis "erst jetzt" (Schreiben vom 27.07.2016) von ihr entdeckt worden sei. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Kläger zuzurechnen.

II.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

45

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

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