Urteil vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 K 127/16

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Anwendung des § 42 der Abgabenordnung in der bis zum 28.12.2007 geltenden Fassung (AO) anlässlich eines Verkaufs von Gesellschaftsanteilen sowie über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Zinsen zur Körperschaftsteuer.

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Die Klägerin ist Organträgerin der A Verwaltungsgesellschaft mbH (A); der Ergebnisabführungsvertrag wurde am 18.11.2002 geschlossen und am 08.12.2014 geändert. Die A ihrerseits ist zu 94,9996 % Anteilseignerin der B GmbH und zugleich ihre Organträgerin; der Ergebnisabführungsvertrag wurde am 19.11.2002 geschlossen und am 08.12.2014 geändert.

3

Die B GmbH übertrug gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) nach Maßgabe des Ausgliederungsplanes vom 24.08.2004 sowie des Zustimmungsbeschlusses ihrer Gesellschafterversammlung vom 24.08.2004 einen Teil ihres Vermögens (den Teilbetrieb "C") als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung auf die dadurch neu gegründete D GmbH mit Sitz in E als übernehmenden Rechtsträger. Der notariell beurkundete Gesellschaftsvertrag der D GmbH datiert ebenfalls vom 24.08.2004. Das Vermögen - der Teilbetrieb "C" - wurde zu seinen steuerlichen Buchwerten übertragen. Die Ausgliederung des Teilbetriebs "C" der B GmbH wurde am ... 2004 in das Handelsregister der B GmbH als ausgliedernde Gesellschaft eingetragen und somit wirksam. Mit der B GmbH wurde ein Beherrschungs- und Ergebnisübernahmevertrag vom 27.08.2004 abgeschlossen, dem die Gesellschafterversammlungen am 04.08.2004 zustimmten. Die B GmbH war bis zum Jahr 2008 alleinige Anteilseignerin der D GmbH. Im August 2008 wurde die D GmbH in F GmbH umbenannt und am 01.09.2015 als übertragender Rechtsträger mit der G GmbH, eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der in H, J, ansässigen K, mit Sitz in E verschmolzen.

4

Am 09.11.2007 legte die 100 %-ige Tochtergesellschaft der K, die L GmbH & Co. KG (L KG), die in 2008 in M GmbH & Co. KG umbenannt wurde, der B GmbH ein verbindliches Kaufpreisangebot ("Final Offer") für den Erwerb der Anteile an der D GmbH vor. Grundlage für dieses Angebot war nach einer (Käufer-) Due-Diligence der Erwerberin die Annahme eines Unternehmenswerts von ... €. Das Kaufpreisangebot belief sich daher, unter Berücksichtigung von Verbindlichkeiten der D GmbH i. H. v. ... € zum 30.06.2007, auf ... € (...).

5

Alsdann entstand mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom 20.11.2007 die N GmbH, im September 2008 umbenannt in O GmbH, dadurch, dass die D GmbH als übertragender Rechtsträger gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG einen Teil ihres Vermögens, den Geschäftsbereich "C", zur Neugründung der N GmbH rückwirkend zum 01.10.2007 ausgliederte.

6

Ebenfalls mit Vertrag vom 20.11.2007 wurde der Ergebnisabführungsvertrag zwischen der B GmbH und der D GmbH - vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von 5 Jahren im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (KStG) - zum 30.12.2007 aufgehoben.

7

Anschließend schlossen die B GmbH als Veräußerer ("Seller") und die L KG als Erwerber ("Purchaser") sowie die K als Bürge ("Guarantor") am 23.11.2007 einen notariell beurkundeten Anteilskaufvertrag ("Share Sale and Purchase Agreement") über die Gesellschaftsanteile an der D GmbH. Der vorläufige Kaufpreis (Preliminary Purchase Price) von ... € folgte in seiner Höhe grundsätzlich dem Angebot vom 09.11.2007 und berechnete sich aus dem Unternehmenswert abzüglich einer Nettoverbindlichkeit zum 30.06.2007 i. H. v. ... € (...). Der endgültige Kaufpreis sollte die zum - für den 30.06.2008 avisierten - Erwerbszeitpunkt (Closing Date) bestehenden endgültigen Nettoverbindlichkeiten berücksichtigen (...).

8

Ebenfalls mit Vertrag vom 23.11.2007 schlossen die P als Übertragender ("Transferor") einerseits und die L KG als Erwerber ("Purchaser") sowie die K als Bürge ("Guarantor") andererseits einen Darlehensübernahmevertrag ("Loan Acquisition and Assumption Agreement"). In diesem Vertrag wird Bezug genommen auf den zwischen der B GmbH und der L KG am selben Tag abgeschlossenen Anteilskaufvertrag, mit dem die L KG von der B GmbH, welche eine Konzerngesellschaft der P ist, alle Anteile an der D GmbH erwirbt (...). Zu diesem Zweck werde die P der D GmbH ("Borrower") einen Betrag von bis zu ... € zur Verfügung stellen. Mit dem Darlehensübernahmevertrag werden alle Rechte und Pflichten aus einem zwischen der P und der D GmbH abzuschließenden Darlehensvertrag, insbesondere der Anspruch der P auf Rückzahlung der ausgereichten Darlehenssumme, auf die L KG übertragen (...). Zugleich verpflichtet sich die L KG, der P bis zum Closing Date den von der P an die D GmbH ausgereichten Betrag nebst Zinsen zurückzuzahlen (...). Der von der L KG an die P zurückzuzahlende Betrag setzt sich aus dem noch offenen Darlehensbetrag am Closing Date des Anteilskaufs zuzüglich der bis zum Closing Date entstandenen und noch nicht beglichenen Zinsen zusammen (...). Ausweislich des Kontoauszugs der P vom 31.07.2008 erfolgte die Rückzahlung von der L KG an die P - über die K - am 01.07.2008 i. H. v. ... €.

9

Am 17.12.2007 schloss die P als Darlehensgeber ("Lender") mit der D GmbH als Darlehensnehmer ("Borrower") einen Darlehensvertrag ("Loan Agreement") mit einer Kreditlinie bis zu ... € (...), die bis zum 31.12.2007 i. H. v. ... € in Anspruch genommen wurde. Vertragsgemäß sollte die Tilgung des ausgereichten Darlehens bis zum November 2008 erfolgen (...). Entsprechend erhöhten sich die Verbindlichkeiten der D GmbH in ihrer Bilanz zum 31.12.2007 um ... €. Bei diesem Darlehen handelte es sich um das dem Darlehensübernahmevertrag vom 23.11.2007 zu Grunde liegende.

10

Am 18.12.2007 trafen die B GmbH und die D GmbH folgende Vereinbarung:
 "D GmbH leistet an B GmbH am 20. Dezember 2007 eine Abschlagszahlung auf den an B GmbH für das Geschäftsjahr 2007 gemäß dem zwischen B GmbH und D GmbH bestehenden Gewinnabführungsvertrag voraussichtlich abzuführenden Gewinn in Höhe von ... €.
Die Abschlagszahlung erfolgt in der Erwartung, dass der von D GmbH gemäß Gewinnabführungsvertrag für das Geschäftsjahr 2007 abzuführende Gewinn für diese Abschlagszahlung ausreicht.
Sollte die sich für das Geschäftsjahr 2007 gemäß Gewinnabführungsvertrag ergebende Gewinnabführung niedriger als die geleistete Abschlagszahlung sein, sind sich die Parteien einig, dass nur ein Betrag, welcher dem gemäß Gewinnabführungsvertrag für das Geschäftsjahr 2007 abzuführenden Gewinn entspricht als Abschlagszahlung verbucht werden soll und der den abzuführenden Gewinn übersteigende Betrag der Abschlagszahlung der B GmbH als verzinsliches Darlehen seitens der D GmbH gewährt wird, welches ab dem Tag der Valutastellung der Abschlagszahlung mit einem Zinssatz von 4 % p. a. zu verzinsen ist. Der Darlehensbetrag ist auf Verlangen der D GmbH oder der B GmbH mit einem Vorlauf von mindestens 5 Werktagen zum Ende eines Monats zurückzuzahlen. Die Zinszahlung erfolgt rückwirkend je Quartal, erstmalig zum 31.03.2008, spätestens mit Rückzahlung des Darlehensbetrags."

11

Am 20.12.2007 entrichtete die D GmbH den vereinbarten Betrag i. H. v. ... € an die B GmbH. In Anbetracht der am 20.11.2007 vereinbarten Aufhebung des Ergebnisabführungsvertrages vom 27.08.2004 mit Wirkung zum 30.12.2007 behandelte die D GmbH die vereinbarte Abführung des Betrages von ... € an die B GmbH als verdeckte Gewinnausschüttung.

12

Bis zum Closing Date am 30.06.2008 erfolgten mit Datum vom 21.12.2007, vom 07.03.2008, vom 09.06.2008, vom 25.06.2008 und vom 30.06.2008 insgesamt fünf Addenda zum Anteilskaufvertrag vom 23.11.2007. Im vierten Addendum vom 25.06.2008 vereinbarten die Vertragsparteien B GmbH und L KG schließlich einen von der L KG zu entrichtenden vorläufigen Kaufpreis ("Preliminary Purchase Price") von ... € inkl. Umlaufvermögen (Reference Working Capital) von ... €; die Nettoverbindlichkeiten (Reference Net Debt) waren mit -... € bemessen (...). Dabei wurde die B GmbH von Herrn Dr. Q vertreten; die Vollmacht hierzu hatte er von dem Geschäftsführer der B GmbH aufgrund der Vereinbarung vom 28.05.2008 erhalten. Am 01.07.2008 entrichtete die L KG - über die K - an die B GmbH den Betrag i. H. v. ... €.

13

Im Übrigen wird auf die vorbezeichneten Verträge nebst Addenda Bezug genommen.

14

Die Klägerin erklärte für ihre Organgesellschaft B GmbH im Veranlagungszeitraum 2008 einen steuerbilanziellen Verlust i. H. v. ... €. In diesen floss ein Verlust aus der Veräußerung der Anteile an der D GmbH i. H. v. ... € ein, der sich unter Anwendung von § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 KStG wie folgt ergab:

                 

Kaufpreis

 ... €

Nachträgliche Kaufpreiskorrektur (lt. Erklärung)

-... €

Gesamtkaufpreis

 ... €

abzgl. steuerlicher Buchwert

-... €

Veräußerungsverlust

-... €.

15

Mit Bescheiden für 2008 über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils vom 10.05.2010, wurden das Einkommen bzw. der Gewerbeertrag der Klägerin unter Berücksichtigung eines ihr zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaften gemäß § 14 KStG i. H. v. ... € berücksichtigt; die Körperschaftsteuer wurde auf ... € und der Gewerbesteuermessbetrag auf ... € festgesetzt. Ebenfalls mit Bescheid vom 10.05.2010 wurde der steuerliche Einlagekonto gemäß § 27 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 S. 3 KStG auf ... € festgestellt. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO. Diese Bescheide wurden mit Bescheiden vom 05.05.2011 gemäß § 164 Abs. 2 AO geändert; für die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos erfolgten dabei keine betragsmäßigen Änderungen.

16

In der Zeit vom 01.09.2010 bis zum 30.10.2015 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 statt, die mit dem Bericht vom 10.12.2015 abgeschlossen wurde.

17

Die Betriebsprüfung ging davon aus, dass ein Kaufpreis für die Übernahme der D GmbH von ... € der angemessene Preis für den Anteilserwerb sei. Die Gestaltung, die vom Angebotseingang am 09.11.2007 bis zum 23.11.2007 vorgenommen worden sei, sei allein zu dem Zweck erfolgt, den Kaufpreis in steuerlicher Hinsicht zu minimieren und durch künstliche Aufspaltung zu einem steuerlich vorteilhaften Ergebnis zu gelangen. Diese Vorgehensweise sei einem Gesamtplan gefolgt und als Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO steuerlich nicht anzuerkennen. Vielmehr seien die steuerlichen Konsequenzen so zu ziehen, als ob die B GmbH ihre Anteile an der D GmbH direkt zu einem Kaufpreis von ... € an die L KG veräußert hätte.

18

Mit Bescheiden für 2008 über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag, jeweils vom 04.02.2016, wurden die Prüfungsergebnisse entsprechend berücksichtigt. Der Beklagte berechnete den steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn aus dem der Klägerin zuzurechnenden Einkommen der B GmbH gemäß § 8b Abs. 2 und Abs. 4 KStG wie folgt:

                 

Kaufpreis (lt. ... Vertrag vom 23.11.2007,

        

viertes Addendum vom 25.06.2008)

 ... €

übernommene Forderung (lt. Loan AA vom 23.11.2007)

 ... €

nachträgliche Korrektur des Kaufpreises (lt. Erklärung)

-... €

Veräußerungspreis

 ... €

Buchwert (lt. Firma)

-... €

Veräußerungsgewinn (lt. Bp)

 ... €

Veräußerungsverlust (bisher)

 ... €

Saldo Änderungsbetrag

 ... €

Korrektur 5 % von ... €

-... €

Einkommenserhöhung in 2008

 ... €.

19

Dabei wurde berücksichtigt, dass für 2007 5 % der fremdfinanzierten Gewinnausschüttung i. H. v. ... €, mithin ... €, dem Einkommen der Klägerin hinzugerechnet und der Besteuerung unterworfen worden waren. Dieser Betrag wurde bei der Ermittlung des Einkommens für 2008 gegengerechnet. Der so ermittelte Betrag der Einkommenserhöhungen 2008 von ... € ist der Höhe nach unstreitig. Die Körperschaftsteuer wurde auf ... € und der Gewerbesteuermessbetrag auf ... € festgesetzt. Das steuerliche Einlagenkonto wurde auf ... € festgestellt.

20

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 01.03.2016, beim Beklagten eingegangen am 02.03.2016, gegen diese Bescheide Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 28.07.2016 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.

21

Am 22.08.2016 hat die Klägerin Klage erhoben.

22

Die Klägerin trägt vor:

        

Die Umstrukturierungsmaßnahmen hätten sich in folgenden vier Schritten vollzogen:

        

1. Der Geschäftsbetrieb der D GmbH sei ausgegliedert worden auf die zuvor neu gegründete N GmbH mit notariellen Beschluss vom 20.11.2007 unter steuerlicher Buchwertfortführung und handelsrechtlicher Aufdeckung der stillen Reserven und Ausweis eines Ausgliederungsgewinns i. H. v. ... €.

        

2. Mit Vertrag vom 20.11.2007 sei der Ergebnisabführungsvertrag zwischen der D GmbH und der B GmbH vom 20.11.2007 mit Wirkung zum 30.12.2007 aufgehoben worden.

        

3. Zur Abführung des handelsrechtlichen Gewinns aus der Ausgliederung und dem operativen Geschäft i. H. v. ... € sei gemäß Vereinbarung vom 18.12.2007 auf die Abführungsverbindlichkeit am 20.12.2007 eine Abschlagszahlung i. H. v. ... € entrichtet worden.

        

4. Zur Finanzierung der Gewinnabführung an die B GmbH sei ein Darlehen bei der P i. H. v. ... € aufgenommen worden.

23

Infolge dieser Maßnahmen im Vorfeld der Veräußerung der Anteile an der D GmbH sei es rechtlich und wirtschaftlich zu einer substantiellen Veränderung des Kaufgegenstandes gekommen. Dieser habe nach der Reorganisation nicht mehr in der Beteiligung an einer weitgehend mit Eigenkapital finanzierten operativen Gesellschaft bestanden, sondern in der Beteiligung an einer hoch fremdkapitalisierten Holdinggesellschaft einerseits und einer Darlehensforderung gegen diese Gesellschaft andererseits.

24

Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, weil ein Verstoß gegen § 42 AO nicht vorliege. Der Beklagte gehe unzutreffend davon aus, dass die steuerlichen Konsequenzen der Veräußerung gemäß § 42 AO unter Außerachtlassung der von der Klägerin im Vorfeld umgesetzten Maßnahmen und der sich daraus ergebenden zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Struktur gezogen werden könnten. Richtigerweise könne eine Besteuerung nur auf der Basis des tatsächlichen Lebenssachverhalts, der von ihr, der Klägerin, weder lediglich formal noch auf einem unangemessenen Weg geschaffen worden sei, erfolgen. Die Hinzurechnung eines Betrages von ... € zum Veräußerungsgewinn und die insoweit erfolgte Erhöhung der steuerlichen Bemessungsgrundlage für den Veranlagungszeitraum 2008 führe zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide.

25

Dabei sei § 42 AO in der Fassung, die bis zum 31.12.2007 in Kraft gewesen sei, anzuwenden.

26

Im Streitfall komme es mit Blick auf den erhobenen Missbrauchsvorwurf ausschließlich auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 42 Abs. 1 S. 1 AO an, da es aufgrund des spezialgesetzlichen Wertungsvorrangs bereits an einem Missbrauchsvorwurf in diesem Sinne fehle.

27

Die Rechtsfigur des Gesamtplans sei nicht eigenständig zu prüfen; sie stelle kein eigenständiges Rechtsinstitut dar, sondern diene als indizielles Argumentationsmuster lediglich der Ausfüllung des § 42 AO.

28

Nach den vom BFH entwickelten Kriterien sei ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Sinne der für 2007 geltenden Fassung des § 42 AO gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt werde, die im Hinblick auf die erstrebte finale dauerhafte Struktur, d. h. das erstrebte Ziel, unangemessen sei, der Steuerminderung diene und nicht durch beachtliche außersteuerliche Gründe gerechtfertigt werden könne.

29

Missbräuchlich könne eine Gestaltung nur dann sein, wenn das Gesetz für das Erreichen eines Ziels erkennbar eine andere Gestaltung als typisch voraussetze und die Vermeidung dieser vorgesehenen anderen Gestaltung der Steuerumgehung diene. Diese Zusammenhänge seien in § 5 Abs. 2 der Deutschen Reichsabgabenordnung vom 13.12.1919 (RAO) noch ausdrücklich erwähnt gewesen.

30

Ziel im Sinne des § 42 AO sei die durch die umgesetzten Maßnahmen bzw. Schritte erreichte finale Zielstruktur. Als solche komme jede rechtliche Struktur in Betracht, an der dauerhaft festgehalten werde. Ob diese dauerhafte Struktur wirtschaftlich "vernünftig" sei, spiele dabei keine Rolle. § 42 AO ermächtige die Steuerbehörden nicht, das wirtschaftliche Verhalten der Beteiligten auf seine Angemessenheit hin zu überprüfen. Es müsse vielmehr jede auf Dauer angelegte zivilrechtliche Struktur bei der steuerlichen Beurteilung berücksichtigt werden. Eine Gestaltung erweise sich nur dann als lediglich formale Maßnahme, wenn diese von vornherein nur kurzfristig angelegt sei oder in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert werde.

31

Damit sei bei einer Prüfung des § 42 AO in einem ersten Schritt das Ziel, das heißt die nicht lediglich formale Zielstruktur, zu ermitteln. Alsdann sei zu untersuchen, ob diese auf einem unangemessenen Weg erreicht worden sei, d. h. ob eine unangemessene Gestaltung vorliege. Ob die erreichte Zielstruktur an sich wirtschaftlich sinnvoll bzw. "angemessen" sei oder nicht, sei für Zwecke der Prüfung des § 42 AO dagegen nicht von Relevanz.

32

Ein Missbrauch liege dann vor, wenn der Steuerpflichtige auf einem ungewöhnlichen Weg einen Erfolg zu erreichen versuche, der nach den Wertungen des Gesetzgebers auf diesem Weg nicht erreichbar sein solle.

33

Sollte ein komplexer Weg gewählt worden seien, um eine finale Struktur zu erreichen, die auch einfacher erreichbar gewesen wäre, sei zusätzlich zu prüfen, ob die Gestaltung den Wertungen des Gesetzgebers entspreche. Nur wenn dies nicht der Fall sei, stelle der gewählte, vergleichsweise komplexere Weg eine unangemessene Gestaltung dar. Aus der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 07.12.2010 IX R 40/09) folge, dass eine gewählte Gestaltung auch dann nicht unangemessen sei, wenn die Zielstruktur bei oberflächlicher Betrachtung zwar durch eine einfachere Gestaltung erreichbar gewesen wäre, die rechtliche Gestaltung auf dem Weg dorthin aber mit den Wertungen des Gesetzes in Einklang stehe und sich in der Zukunft aufgrund der Gestaltung sodann andere steuerliche Konsequenzen ergäben.

34

Nach der Rechtsprechung des BFH sei eine rechtliche Gestaltung ferner dann nicht unangemessen, wenn zur Erreichung des Ziels zwar ein einfacherer Weg gangbar gewesen wäre, dieser aber zur Anwendung einer spezialgesetzlichen Missbrauchsvorschrift geführt hätte, deren Wortlaut und deren Gesetzesbefehl den tatsächlich gewählten Weg nicht erfasste. Diesen Grundsatz habe der BFH im Hinblick auf die Existenz von § 12 Abs. 3 S. 2 des Umwandlungssteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UmwStG) und § 8 Abs. 4 KStG für den Fall der Verlustnutzung nach Verschmelzung zweier GmbHs klar und deutlich zum Ausdruck gebracht.

35

Danach könne im Fall von spezialgesetzlich typisierten Missbrauchsvorschriften, die auch dann eingreifen, wenn tatsächlich kein Missbrauch vorliege, eine unangemessene Gestaltung nur dann vorliegen, wenn der entsprechenden spezialgesetzlichen Vorschrift der allgemeine Gesetzesbefehl entnommen werden könne, dass Missbräuche auch außerhalb des durch ihren Wortlaut beschriebenen Anwendungsbereiches unterbunden werden sollten. Wenn dies nicht der Fall sei, bleibe kein Raum für die Anwendung des § 42 AO.

36

Vor diesem Hintergrund sei mit Blick auf den vorliegenden Sachverhalt zu prüfen, ob die Regelungen des § 8b Abs. 4 KStG i. V. m. § 21 UmwStG generell oder nur in Fällen tatsächlicher Missbräuche eingreifen können und - falls von einem generellen Eingreifen auszugehen wäre - ob diesen Vorschriften der Gesetzesbefehl entnommen werden könne, dass sie auch über ihren Wortlaut hinaus Missbräuche verhindern sollen.

37

Selbst wenn eine rechtliche Gestaltung nach den vorstehenden Grundsätzen als unangemessen anzusehen sei, führe dies gleichwohl nur dann zum Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten, wenn es für die konkret gewählte Gestaltung keinen außersteuerlichen Grund geben sollte. Im vorliegenden Fall habe die gewählte Gestaltung der im Transaktionsmarkt üblichen Praxis entsprochen, derzufolge bei Anteilsveräußerungen regelmäßig auch gesonderte Finanzierungsstrukturen etabliert würden. Da die Gestaltung im Streitfall indes nicht unangemessen im Sinne des § 42 AO sei, bedürfe es einer zusätzlichen Rechtfertigung durch außersteuerliche Gründe von vorneherein nicht.

38

Im Streitfall könne die konkrete Abwicklung des Verkaufs der Anteile an der D GmbH unter keinem denkbaren Gesichtspunkt als missbräuchlich im Sinne des § 42 AO angesehen werden. Die der steuerlichen Beurteilung zugrunde zu legende rechtliche Gestaltung sei im Streitfall auf dem denkbar einfachsten Weg erreicht worden; damit komme es weder auf die Prüfung der Unangemessenheit noch auf das Vorliegen außersteuerlicher Gründe an.

39

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeute dies, dass die tatsächliche finale Struktur zum Zeitpunkt des Vollzuges der Kaufverträge gewesen sei, dass die L KG Inhaber der Anteile an der D GmbH sowie der gegen die D GmbH gerichteten Forderung gewesen sei. Die D GmbH wiederum habe die Beteiligung an der N GmbH gehalten, welche zuvor im Rahmen einer Ausgliederung das operative Geschäft der D GmbH übernommen habe. Diese Struktur sei auch das Ziel im Sinne des § 42 AO gewesen, da sie in ihrer wirtschaftlichen Konsequenz nicht lediglich formal errichtet worden sei und auch heute noch bestehe. Insbesondere betreibe die N GmbH das "C"-Geschäft nach wie vor selbst. Somit sei auch die Ausgliederung dauerhaft. Die D GmbH sei auch weiterhin Holdinggesellschaft der N GmbH.

40

Dieser rechtliche und wirtschaftliche Sachverhalt könne bei der steuerrechtlichen Beurteilung nicht mit der Begründung negiert werden, dass eine im Vorfeld der Anteilsübertragung überwiegend mit Fremdkapital vorgenommene Refinanzierung der D GmbH unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten keinen Sinn ergebe. § 42 AO betreffe ausdrücklich nur den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts, weshalb das wirtschaftliche Verhalten der Beteiligten grundsätzlich nicht auf seine Angemessenheit beurteilt werden dürfe. Ob eine am Markt in Erscheinung tretende Gesellschaft eine Verbindlichkeit in Höhe von ca. ... € habe oder nicht, sei zweifelsohne ein sehr bedeutender wirtschaftlicher Sachverhalt. Aus der Beachtlichkeit der Fremdfinanzierung folge zugleich, dass auch die mit dieser in Zusammenhang stehende Gewinnabführung der D GmbH an die B GmbH als wirtschaftlicher Vorgang für die Zwecke der Besteuerung der gesamten Transaktion nicht unberücksichtigt bleiben könne.

41

Wenn der Beklagte demgegenüber davon ausgehe, dass der Verkauf der D GmbH gegen Zahlung von ca. ... € an den Veräußerer die wirtschaftliche Zielsetzung gewesen sei, negiere er in rechtlich unzulässiger Weise die tatsächliche rechtliche und wirtschaftliche Gestaltung und beginne die Prüfung des § 42 AO von vorneherein am falschen Ausgangspunkt. Denn maßgeblich sei nicht die wirtschaftliche Zielsetzung, sondern die tatsächlich erreichte Zielstruktur. So habe auch der BFH in seinem Urteil vom 04.12.2014 (IV R 28/11) entschieden, dass es einem Steuerpflichtigen grundsätzlich unbenommen bleibe, das angestrebte wirtschaftliche Ergebnis durch entsprechende zivilrechtliche Vereinbarungen möglichst steueroptimierend zu gestalten. § 42 AO erlaube mithin lediglich, die Schritte auf dem Weg zu einer tatsächlichen Zielstruktur steuerlich einer anderen Beurteilung zu unterwerfen, wenn der gewählte Weg unangemessen gewesen sein sollte. Er erlaube nicht, die tatsächliche Zielstruktur durch eine andere real nicht existierende zu ersetzen, sofern die tatsächliche Struktur sich im Ergebnis nicht lediglich als formale Maßnahme erweise.

42

Entgegen der Sichtweise des Beklagten könne die tatsächliche Zielstruktur vorliegend auch nicht mit der Begründung außer Acht gelassen werden, dass diese als Vorbereitung für den Verkauf eines Teilbetriebs errichtet worden und damit aus Sicht des Verkäufers nicht auf Dauer angelegt sei. Der BFH verwende das Merkmal der Dauerhaftigkeit in erster Linie zur Abgrenzung gegenüber solchen Strukturen bzw. rechtlichen Schritten, die sich bei einer Gesamtbetrachtung aufheben und damit eine lediglich formale Maßnahme darstellen. Die im vorliegenden Fall umgesetzten Schritte könnten nicht einfach wegen des Anteilsverkaufs als lediglich formale Maßnahme angesehen werden. Andernfalls wäre jede im Vorfeld eines Unternehmensverkaufs erfolgte Umstrukturierung bei der steuerlichen Beurteilung der sich für den Veräußerer ergebenden Folgen von vornherein zu negieren; die damit bei der Besteuerung erfolgende vollständige Lösung von den tatsächlichen (zivilrechtlichen und wirtschaftlichen) Lebenssachverhalten würde offensichtlich einen Verstoß gegen die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und das in Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verankerte Willkürverbot beinhalten.

43

Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass entsprechend der Dogmatik des § 42 AO die Rechtsfolge der Norm bei Akzeptanz des vom Beklagten behaupteten Zieles wäre, dass die steuerlichen Konsequenzen so gezogen werden müssten, wie wenn das behauptete Ziel auf direktem Wege erreicht worden wäre. Der direkte Weg mit Blick auf dieses Ziel wäre die Veräußerung der Anteile gewesen. Eben diese Anteilsveräußerung aber habe aufgrund der vorangegangenen Gewinnabführung zu einem (steuerlich unbeachtlichen) Verlust geführt. Um zu einem steuerpflichtigen Gewinn zu kommen, müsste der Beklagte daher zusätzlich negieren, dass das "C"-Geschäft der D GmbH auf die N GmbH unter handelsrechtlicher Gewinnrealisierung ausgegliedert worden und es tatsächlich zu einer Abführung gekommen sei. Diese Betrachtungsweise passe mit der Realität aber schlicht nicht zusammen. Sie würde unzutreffend negieren, dass die D GmbH nur noch eine Holdingfunktion besitze und dass es die Fremdfinanzierung tatsächlich gebe. Eine solche Betrachtung lasse sich indes aus § 42 AO nicht ableiten. Aus diesem Grunde könne die von dem Beklagten in den Raum gestellte "wirtschaftliche Zielsetzung" nicht das Ziel im Sinne der Prüfung des § 42 AO sein. Diese sei vielmehr die zuvor dargestellte finale Zielstruktur, die eben auch die Fremdfinanzierung der D GmbH beinhalte.

44

Im Streitfall sei die finale dauerhafte Zielstruktur auch auf einem angemessenen Weg erreicht worden. Vergleiche man vorliegend die Ausgangslage (D GmbH als operative Gesellschaft mit nur unwesentlichen Verbindlichkeiten) mit der finalen Zielstruktur (Verkauf einer hoch fremdfinanzierten Holdingstruktur sowie einer Darlehensforderung), sei festzustellen, dass diese auf dem einfachsten Weg erreicht worden sei. Denn einfacher als im Rahmen einer Ausgliederung des Geschäftsbetriebs nach § 123 UmwG hätte die finale Holdingstruktur nicht geschaffen werden können. Und auch insoweit, als die zu beurteilende Zielstruktur die Gewinnausschüttung an die B GmbH sowie die Darlehensfinanzierung der D GmbH beinhalte, sei kein anderer einfacherer Weg ersichtlich, auf dem eben diese Struktur alternativ hätte erreicht werden können.

45

Ergänzend und vorsorglich werde zur Angemessenheitsprüfung unter Berücksichtigung der maßgeblichen Wertungen des Gesetzgebers Folgendes ausgeführt:
Die gewählte Gestaltung habe in ihrem strukturellen Kern dazu geführt, dass die B GmbH anstelle eines (nach § 8b Abs. 4 Nr. 1 KStG i. V. m. § 21 UmwStG ungemildert steuerpflichtigen) Veräußerungsgewinns eine (nach § 8b Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 KStG im Ergebnis nur im Umfang von 5 % besteuerte) Dividende vereinnahmt habe. Entgegen der Auffassung der Betriebsprüfung begründe diese Gestaltung indes keinen Steuervorteil, der gesetzlich nicht vorgesehen sei.

46

Wenn eine Gesellschaft, an der einbringungsgeborene Anteile bestehen, vor der Veräußerung dieser Anteile ihre Gewinnrücklagen ausschütte, sei dies unter keinem denkbaren Gesichtspunkt missbräuchlich. Denn dass infolge einer solchen Ausschüttung der Veräußerungspreis - und damit auch der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn - um den Betrag der Ausschüttung reduziert werde und der Gesellschafter anstelle dessen eine zu 95 % steuerfreie Dividende in entsprechender Höhe beziehe, entspreche den Wertungen des Gesetzgebers. § 42 AO könne deshalb nicht dazu führen, dass eine Dividende für Zwecke der Besteuerung in einen Kaufpreis für Anteile umqualifiziert werde.

47

Der rechtliche Rahmen, innerhalb dessen sich die Gewinnausschüttung und Anteilsveräußerung bewegten, beinhalte detaillierte spezialgesetzliche Regelungen, die der Verhinderung von Missbräuchen dienten. Der Umstand, dass im Nachgang auf steuerneutrale Einbringungen nach § 20 UmwStG nur die Besteuerung von konkret erzielten Veräußerungsgewinnen, nicht aber die von Dividenden der spezialgesetzlichen Missbrauchsvermeidungsregelung des § 8b Abs. 4 KStG unterliege, lasse eine gesetzgeberische Wertung erkennen, die auch im Rahmen der Anwendung des § 42 AO zu berücksichtigen sei.

48

Für die Beurteilung des streitgegenständlichen Sachverhalts sei ausschließlich die im alten System der Besteuerung von einbringungsgeborenen Anteilen zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers von Bedeutung, derzufolge Dividenden uneingeschränkt steuerfrei seien und die Veräußerung von einbringungsgeborenen Anteilen im Sinne einer spezialgesetzlichen Missbrauchsvermeidung nur bei Vorliegen eines Veräußerungsgewinns Besteuerungsfolgen auslösen solle.

49

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verdrängten spezialgesetzliche Missbrauchsvorschriften den allgemeinen Tatbestand des § 42 AO grundsätzlich in all den Fällen, in denen die Missbrauchsvorschriften allgemein wirkten und nicht auf echte Missbrauchsfälle reduziert sein. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn der Missbrauchsnorm die allgemeine Wertentscheidung dahingehend entnommen werden könne, dass ihr Gesetzesbefehl allgemein gelten solle.

50

Für § 8b Abs. 4 KStG gelte insoweit nichts anderes als in dem durch den BFH am 12.07.2012 entschiedenen Fall. § 8b Abs. 4 KStG wirke unabhängig davon, ob ein Missbrauch vorliege oder nicht. Hintergrund der Regelung sei, dass verhindert werden solle, dass an sich steuerpflichtige Veräußerungen von Teilbetrieben oder Betrieben durch steuerneutrale Einbringung in eine Kapitalgesellschaft unter Inanspruchnahme von § 8b Abs. 2 KStG letztlich steuerfrei gestaltet werden könnten. Die Norm komme aber auch in Fällen zur Anwendung, die nicht missbräuchlich seien. Umgekehrt komme die Vorschrift nur dann zur Anwendung, wenn ihr Tatbestand tatsächlich erfüllt sei; eine Umgehung des Gesetzes sei insoweit nicht möglich. Vor diesem Hintergrund stehe die Behauptung des Beklagten, § 8b Abs. 4 KStG sei teleologisch unter Berücksichtigung von § 42 AO dahingehend auszulegen, als ob die Veräußerung der Anteile an der D GmbH zum ursprünglich vereinbarten Wert an die L KG stattgefunden hätte, diametral im Gegensatz zu den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen.

51

Dem entspreche auch, dass soweit ersichtlich noch nie eine im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Vorgaben erfolgte Ausschüttung oder Abführung von Gewinnen einer Kapitalgesellschaft von der Rechtsprechung oder der Finanzverwaltung als missbräuchlich gewertet worden sei. Wie die Rechtsprechung zum so genannten "Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren" bestätige, gelte dies auch für die anschließende Umwandlung der Dividendenverbindlichkeit in ein Darlehen.

52

Eine Gegenüberstellung der von ihr, der Klägerin, und dem Beklagten vorgetragenen Auffassungen zeige, dass es im vorliegenden Fall entscheidend darauf ankomme, welcher Sachverhalt bzw. welche Zielstruktur der im Rahmen von § 42 AO vorzunehmenden Prüfung der Angemessenheit der Gestaltung als Ausgangspunkt zugrunde zu legen sei.

53

Der nach § 42 AO zu würdigende Sachverhalt umfasse sowohl die im Vorfeld der Anteilsveräußerung erfolgte Ausgliederung des operativen Geschäftsbetriebs der D GmbH auf die N GmbH als auch die darlehensfinanzierte Ausschüttung des Ausgliederungsgewinns an die B GmbH. Dieser Sachverhalt bilde in seiner Gesamtheit die zwingend zu beachtende und damit der steuerlichen Beurteilung zugrunde zu legende Zielstruktur. § 42 AO indiziere keine Überprüfung der wirtschaftlichen Angemessenheit dieser Zielstruktur, sondern frage lediglich danach, ob diese auf einem unangemessenen, unnötig komplizierten Weg erreicht worden sei. Da dies im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht der Fall gewesen sei, sei die gewählte rechtliche Gestaltung nicht als unangemessen zu beurteilen.

54

Wenn der Beklagte die Prüfung des § 42 AO auf die Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile an der D GmbH beschränken wolle, führe diese Annahme im Ergebnis dazu, dass bei der steuerlichen Beurteilung des Streitfalls substantielle Teile des verwirklichten Sachverhalts unberücksichtigt blieben. Hierbei werde übersehen, dass diese Sachverhaltselemente erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Wirkungen entfaltet hätten, die nicht lediglich formaler Natur seien (die verkaufte Gesellschaft sei nach Umsetzung dieser Schritte eine reine Beteiligungsholding, das operative Geschäft der D GmbH befinde sich in einer neuen Tochtergesellschaft, diese gebe es wirklich und sie bestehe auf Dauer, es sei eine Verbindlichkeit begründet worden und es sei eine Ausschüttung usw. erfolgt).

55

Denn würde man annehmen, dass sich die Besteuerung grundsätzlich nur an dem tatsächlich gewollten Ergebnis zu orientieren habe, hätte eine ganze Reihe von Urteilen des BFH zu § 42 AO (z. B. vom 18.12.2013 I R 25/12, vom 12.07.2012 I R 23/11 und vom 25.11.2009 I R 72/08) anders ausfallen müssen. In all diesen Fällen sei es gerade nicht das vom Steuerpflichtigen offensichtlich "gewollte" Ergebnis, welches der Besteuerung zu Grunde gelegt worden sei, sondern der tatsächlich umgesetzte und mit entsprechenden wirtschaftlichen Folgen verbundene Lebenssachverhalt.

56

Nichts anderes ergebe sich aus dem Urteil des BFH vom 22.01.2013, auf welches der Beklagte in diesem Zusammenhang verweise. Folgerichtig und konsequent sehe der BFH diesem Urteil die vertraglichen Rechtsbeziehungen in den Fällen der Überkreuzvermietung als bloß formale Anknüpfung an das Zivilrecht an, die keinen Einfluss auf die Besteuerung des wirtschaftlichen Sachverhalts haben könne.

57

Richte man die Prüfung der Angemessenheit nach einer unter Beachtung dieser Grundsätze ermittelten Zielstruktur aus, könne § 42 AO im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelangen, da sie, die Klägerin, diese Struktur auf dem direkten und einfachsten zur Verfügung stehenden Weg erreicht habe.

58

Das mit dieser Gestaltung einhergehende steuerliche Ergebnis stehe auch im Einklang mit dem Regelungsgefüge des § 8b KStG a. F., der Dividenden uneingeschränkt von der Steuer befreit, aber die Veräußerung von einbringungsgeborenen Anteilen im Hinblick auf hierdurch ausgelöste Gewinne der Besteuerung unterworfen habe.

59

Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 04.02.2016 über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.07.2016, dahingehend zu ändern, dass das zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft um den vom Beklagten hinzugerechneten Veräußerungsgewinn in Höhe von ... € gemindert wird.

60

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

61

Der Beklagte trägt vor:

62

Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Zu Recht sei er, der Beklagte, unter Anwendung von § 42 AO zu dem Ergebnis gelangt, dass dem steuerlich erklärten Gewinn ... € (... € abzgl. 5 %) gemäß § 8b Abs. 2 und Abs. 4 KStG hinzuzurechnen seien. Die von der Klägerin gewählte Gestaltung, die sie erst nach Erhalt der Kaufofferte der L KG vorgenommen habe, habe allein dem Zweck gedient, die gesetzlich geschuldete Steuer zu vermeiden. Das gewählte Gestaltungsmodell stelle eine Umgehung des Steuerrechts dar, mit dem ein gesetzlich nicht vorgesehener steuerlicher Vorteil habe erlangt werden sollen.

63

Die Klägerin habe im Jahr 2007 ihren Geschäftsbereich "C" an einen fremden Dritten veräußern wollen. Die L KG habe als Kaufinteressent ein Due-Diligence-Verfahren zur Ermittlung des Wertes durchgeführt und an dessen Ende ein verbindliches Kaufpreisangebot i. H. v. ... € abgegeben. Bei direkter Veräußerung sämtlicher Anteile an der D GmbH, bzw. auch bei einem Asset Deal, hätte die Klägerin durch die Aufdeckung der stillen Reserven den Kaufpreis grundsätzlich vollständig der Steuer zu unterwerfen gehabt. Hätte nämlich die L KG die Anteile der D GmbH von der B GmbH, so wie beabsichtigt und in der Kaufofferte angeboten, zu einem Preis von ... € erworben, so wäre der Tatbestand des § 8b Abs. 4 KStG unmittelbar anwendbar gewesen und hätte die nach Abs. 2 vorgesehene Steuerbefreiung der Anteilsveräußerung ausgeschlossen. Diese zunächst hypothetisch hergeleitete Steuerpflicht nach § 8b Abs. 4 KStG habe die Klägerin durch das von ihr gewählte Gestaltungsmodell, das im Ergebnis einer Prüfung anhand des § 42 AO jedoch nicht standhalte, vermieden.

64

Zwar werde § 42 AO grundsätzlich gesperrt, wenn eine spezielle Missbrauchsvorschrift vorhanden sei. Im Streitfall treffe dies jedoch nicht auf die spezielle Missbrauchsregelung des § 8b Abs. 4 KStG zu. Denn der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) gehe zutreffend davon aus, dass allein das Vorliegen einer einzelgesetzlichen Regelung, die der Verhinderung von Steuerumgehungen diene, die Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 S. 3 i. V. m. Abs. 2 AO nicht ausschließe. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass die Sperre nur greifen könne, wenn nicht schon durch die Gestaltung die Missbrauchsvorschrift selbst umgangen werde. In Letzterem Fall sei der Anwendungsbereich des § 42 AO erneut eröffnet.

65

Dies sei für den Steuerbürger nicht unbillig. Sei bei Vorliegen einer Missbrauchsvorschrift der Tatbestand klar umrissen und für den Steuerpflichtigen eindeutig nachvollziehbar, so obliege es bei der Umgehung dem Fiskus, das Vorliegen der Voraussetzungen im Einzelfall nachzuweisen.

66

Auch der BFH (Urteil vom 15.12.1999 I R 29/97) gehe davon aus, dass der Anwendungsbereich der Spezialvorschrift nicht die Anwendung des § 42 AO verdränge. Vielmehr sei die Rechtsfolge der Anwendung von § 42 AO nicht dieselbe wie bei Anwendung von § 8b Abs. 4 KStG; die Folge sei vielmehr die Anwendung von § 8b Abs. 2 und 4 KStG daselbst. Denn der BFH sehe die Sperrwirkung bei Rechtsfolgenlücken einer Spezialvorschrift, die nicht durch § 42 überbrückt werden könnten. Im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt gehe es jedoch nicht um eine Ausdehnung der Anwendung von § 8b Abs. 4 KStG. Vielmehr knüpfe die Anwendung schon im Vorwege bei dem Gewinnbegriff von § 8b Abs. 2 KStG an. Es gehe somit nicht um eine erweiternde Auslegung der Spezialvorschrift, sondern um die Korrektur der gestalterischen Umgehung der Spezialvorschrift. Damit führe die Anwendung des § 42 AO im vorliegenden Fall weder zu einer Erweiterung des Tatbestands von § 8b Abs. 4 KStG noch zu einer Änderung der Rechtsfolge; nur in diesen beiden Fällen aber gelte der Grundsatz "lex specialis derogat legi generali".

67

§ 42 AO sei damit in der bis zum 28.12.2007 gültigen Fassung neben § 8b Abs. 4 KStG a. F. anwendbar; darüber hinaus lägen auch seine Voraussetzungen vor.

68

Ziel des § 42 AO alter wie neuer Fassung sei es, Steuerausfälle durch missbräuchliche Steuerumgehungen zu verhindern und eine gleichmäßige Besteuerung herzustellen. Zu diesem Zweck sollten Umgehungen des materiellen Steuerrechts unter Anwendung von § 42 AO dahingehend korrigiert werden, dass die umgangene Steuervorschrift wieder zur Anwendung gelange. Allerdings sei nicht jede Gestaltung missbräuchlich. Der Gestaltungsmissbrauch könne auch nicht generell definiert werden, sondern müsse anhand der Umstände des Einzelfalls geprüft und festgestellt werden. Maßgebend dafür sei die Feststellung eines wirtschaftlichen Zwecks, den der Steuerpflichtige mit der gewählten Gestaltung habe erreichen wollen, und eine sich daran anschließende Betrachtung des dafür gewählten rechtlichen Weges der Umsetzung und dessen Angemessenheit. Daraus ergebe sich eine Mittel-Zweck-Relation als Prüfungsmaßstab.

69

Der BFH bringe in seinem Urteil vom 21.08.2012 VIII R 32/09 zum Ausdruck, dass die Absicht der Steuerersparnis als alleiniges Ziel im Sinne einer Zieldefinition grundsätzlich nicht zur Unangemessenheit führe. Stattdessen sei die Gestaltung dann unangemessen, wenn diese keinem wirtschaftlichen Zweck diene. Die Klägerin meine nun, im zu beurteilenden Fall sei eine Zieldefinition dahingehend vorzunehmen, dass es allein auf die durch die Gestaltung erreichte Zielstruktur ankomme, dass dabei die erreichte Holdingstruktur, die durch das seitens der P gewährte Darlehen hoch fremdfinanziert sei, in den Fokus sei zu nehmen, dass die Bewertung anhand von § 42 AO nur noch den Weg dahin betrachten dürfe und das von der Klägerin definierte und letztlich zivilrechtlich auch erreichte Ziel als unumstößlich voraussetzen müsse.

70

Dieser Zieldefinition sei nicht zu folgen. Letztlich sei es der Klägerin allein darauf angekommen, die mit der Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile einhergehende Steuerlast zu vermeiden. Dies habe sie durch eine Umgehung des § 8b Abs. 4 KStG erreichen wollen.

71

Maßgebend für die Prüfung der Angemessenheit einer Gestaltung sei die Feststellung des Prüfungsmaßstabs. Dieser Maßstab ergebe sich aus einer Zweck-Mittel-Relation. Es sei also ein Zweck zu ermitteln, den der Steuerpflichtige mit der kritisch betrachteten Gestaltung erreichen wolle. Bei der Ermittlung dieses Zwecks komme es auf die wirtschaftlichen Grundlagen an. Betrachtet werde ein wirtschaftlicher Lebenssachverhalt. Vom verfolgten wirtschaftlichen Zweck sei das tatsächlich erreichte Resultat zu trennen. So sei die von der Klägerin dargestellte Zieldefinition nichts anderes als das Ergebnis ihrer Gestaltung. Darauf komme es aber bei der Betrachtung der Zweck-Mittel-Relation nicht an. Denn maßgebend für die Beurteilung anhand des Maßstabs von § 42 AO sei nicht die Betrachtung des tatsächlich erreichten Ergebnisses, sondern des wirtschaftlich erstrebten Ziels. Dieses sei nicht mit dem tatsächlichen Ergebnis zu verwechseln. Vielmehr gehe es um den wirtschaftlichen Vorgang, der hinter dem Steuertatbestand stehe. Mit § 42 AO sollten Steuergestaltungen umgedeutet werden, mit deren Hilfe der Steuerpflichtige die Rechtswirkungen eines Steuergesetzes zu umgehen versuche. In den Fokus der Betrachtung könne daher nicht ein erreichtes Ergebnis der Gestaltung gelangen; vielmehr müsse der jeweilige umgangene Steuertatbestand beleuchtet werden. Dafür sei es erforderlich, dass der wirtschaftliche Hintergrund in seiner Ganzheit betrachtet werde.

72

Zutreffend verweise die Klägerin in diesem Zusammenhang auf das Urteil des BFH vom 04.12.2014 IV R 28/11, in dem dieser auf das wirtschaftliche Ziel des Klägers, nicht jedoch auf das tatsächlich erreichte Ergebnis verweise, und es dem Kläger im Grundsatz unbenommen lasse, dieses auf die von ihm gewählte zivilrechtliche Weise zu erreichen. Der BFH stelle nicht auf eine Zielstruktur ab. Natürlich stehe es dem Steuerpflichtigen frei, seine Verhältnisse frei im Wirtschaftsleben zu gestalten; die Grenze bilde dabei der Gestaltungsmissbrauch.

73

Auch der BFH teile die Auffassung der Klägerin nicht, da er andernfalls einen Gestaltungsmissbrauch bei - beispielsweise - Überkreuzvermietungen nicht mehr annehmen könnte. In diesen Fällen werde eben nicht nur das Ergebnis, die Zielstruktur, der gegenseitigen Mietverträge betrachtet, das in der Regel auf einfachsten Weg durch gegenseitigen Mietvertragsabschluss zustande komme, sondern der wirtschaftliche Hintergrund für diese Überkreuzvermietung beleuchtet.

74

Fokussiere man auf das wirtschaftliche Ziel, also darauf, was der Steuerpflichtige tatsächlich gewollt habe, so sei ein Abgleich von Weg und Ziel durchaus denkbar. Dabei seien Beweisregeln zu beachten. Der Fiskus könne dem Steuerpflichtigen nicht ein wirtschaftliches Ziel unterstellen, das er nicht mit Fakten belegen könne. Vielmehr bedürfe es für die Behauptung eines wirtschaftlichen Ziels belastbarer Nachweise, beispielsweise in Form eines unwiderruflichen Kaufangebots, das am Ende entsprechender Verhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer stehe.

75

In einem zweiten Schritt sei zu untersuchen, ob die gewählte steuerliche Gestaltung unangemessen sei. Der Maßstab zur Überprüfung der Angemessenheit sei entsprechend dem Urteil des BFH vom 18.12.2013 I R 25/12 dem umgangenen Gesetz und den flankierenden (speziellen) Missbrauchsvorschriften zu entnehmen.

76

Demnach sei anhand des § 8b Abs. 2 und 4 KStG a. F. zu prüfen, welche Zielrichtung nach Vorstellung des Gesetzgebers verfolgt worden sei. Im Grundsatz blieben Gewinne im Zusammenhang mit der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften für die veräußernde Körperschaft nach § 8b Abs. 2 KStG bei der Ermittlung des Einkommens außen vor. § 8b Abs. 4 KStG a. F. habe vorgesehen, dass die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen demgegenüber dann steuerverstrickt sein solle, wenn diese einbringungsgeboren im Sinne des § 21 UmwStG seien. Ausnahmen von diesem Grundsatz habe der Gesetzgeber ausschließlich in den in § 8b Abs. 4 S. 2 KStG a. F. geregelten Fällen vorgesehen. Der Gesetzgeber habe folglich gesehen, dass der Grundsatz der Steuerverstrickung bei der Anteilsveräußerung seinerseits begrenzt gelten müsse, und dementsprechend Schranken normiert. Über diese Schranken hinaus habe der Gesetzgeber keinen Weg gesehen, um die Besteuerung einbringungsgeborener Anteile zu vermeiden. Der Sinn der steuerbegünstigten Einbringung eines Teilbetriebs liege darin, Umstrukturierungen im Konzern steuerneutral zu belassen. Für diesen Vorteil der freien Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des Konzerns sei im Gegenzug die Besteuerung bei anschließender Veräußerung außerhalb des Konzerns sicherzustellen gewesen. Dies sei durch die Vorschrift des § 8b Abs. 4 KStG a. F. erfolgt. Der gesetzliche Rahmen sehe also bei der Umwandlung steuerliche Begünstigungen für den Umwandelnden vor, um ihm eine konzerninterne Gestaltung zu ermöglichen. Ohne die Wahlrechte des Umwandlungssteuergesetzes müssten bei der Umstrukturierung stille Reserven gehoben werden. Das Steuerrecht wolle die Hebung solcher stillen Reserven jedoch nur in dem Fall, in dem ein fremder Dritter involviert sei. Die Steuerbegünstigung solle sozusagen am Werkstor enden.

77

Ein Gestaltungsmissbrauch zeige sich im Einzelfall unter anderen daran, dass sich der verwirklichte Lebenssachverhalt nur als formale Umsetzung einer anderweitigen wirtschaftlichen Absicht darstelle. Würden also Rechtsgeschäfte abgeschlossen, die sich gegenseitig aufheben, so könne darin ein Missbrauch von Gestaltungen liegen. Das gleiche gelte in den Fällen, in denen ein wirtschaftlich einheitlicher Vorgang künstlich aufgespalten werde in mehrere Schuldverhältnisse, die sich im Ergebnis aber gegenseitig aufheben bzw. zum selben Ergebnis führen. Dabei müsse in einem Konzernfall von einander nahestehenden Personen der Gesamtwille betrachtet werden. Stelle sich die zivilrechtliche Aufspaltung eines geplanten Rechtsgeschäfts als formale Maßnahme dar, sei diese steuerrechtlich ggf. als einheitliche Maßnahme zu bewerten.

78

Sofern die Überprüfung der Gestaltung zu dem Ergebnis gelange, dass diese unangemessen sei, werde in einem weiteren Schritt die Frage beleuchtet, ob durch diesen Gestaltungsmissbrauch das Steuergesetz umgangen werde. Dabei gehe es um einen Vergleich zwischen der erklärten Steuer unter Berücksichtigung der unangemessenen Gestaltung einerseits und der Steuer, die ohne Umgehung des Rechts entstanden wäre. Die Umgehung führe demnach kausal zu einer niedrigeren oder zu keiner Steuer.

79

In der Rechtsfolge werde aus steuerlicher Sicht der Umgehungserfolg ex tunc neutralisiert. Damit komme es trotz fortbestehender Wirksamkeit der zivilrechtlichen Verhältnisse zu einer steuerlichen Fiktion eines anderen Sachverhalts. Dieser fingierte Sachverhalt werde sodann der Besteuerung unterworfen.

80

§ 42 AO komme dann nicht zur Anwendung, wenn für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe vorhanden seien. Es obliege der Klägerin, solche geltend zu machen und zu beweisen. Der Steuerpflichtige komme beim Vortrag außersteuerlicher Gründe seinem Obligo dann nicht nach, wenn er unspezifische Aspekte benenne. Es komme darauf an, dass diese Gründe ein bestimmtes Gewicht haben und dass sie nachvollziehbar und logisch seien. Allein vorgeschobene oder im Verhältnis zu den Folgen unerhebliche Gründe reichten nicht aus. Dabei sei auch unerheblich, dass die Folge der Gestaltung womöglich auf Dauer eintrete. Zwar könne die Kurzfristigkeit einer Maßnahme ein Indiz für den Gestaltungsmissbrauch sein; dies sei jedoch nicht zwingend und dürfe auch nicht mit der tatsächlich eingetretenen Folge vermengt werden.

81

Gemessen an diesen Voraussetzungen erweise sich die von der Klägerin gewählte und hier zu beurteilende Gestaltung als missbräuchlich im Sinne des § 42 AO. Der wirtschaftliche Zweck, den die Klägerin mit der gewählten Gestaltung zu erreichen versucht habe, sei die Veräußerung der Anteile an der D GmbH gewesen. Es sei nicht zutreffend, dass vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund das erreichte Ergebnis mit der Schaffung einer hoch fremdfinanzierten Holdingstruktur als Ziel gewertet werde. Maßgebend sei vielmehr der wirtschaftliche Tatbestand der Veräußerung sämtlicher Anteile an der D GmbH an die L KG.

82

Bei der Frage, ob die Klägerin zur Verwirklichung des wirtschaftlichen Tatbestands der Anteilsveräußerung eine unangemessene Gestaltung gewählt habe, sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin beabsichtigt habe, die Besteuerung des Gewinns in Höhe von insgesamt ... € aufgrund der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile innerhalb der 7-Jahresfrist von § 8b Abs. 4 KStG a. F. dadurch zu umgehen, dass sie nach Eingang der verbindlichen Kaufofferte eine weitere Umwandlung vorgenommen, den Geschäftsbereich "C"-Betrieb aus der D GmbH entnommen und ihn gegen Gewährung neuer Anteile in die N GmbH eingelegt habe. Dabei habe sie handelsrechtlich die stillen Reserven gehoben und diese an die B GmbH ausgeschüttet. Liquidität dafür habe sie sich durch ein konzerninternes Darlehen, das die D GmbH von P erhalten habe, beschafft. Auf Konzernebene habe es sich dabei um ein praktisch neutrales Geschäft gehandelt.

83

Schließlich ergebe sich bei einer Gesamtschau des in zeitlich und sachlich engem Zusammenhang gewährten Darlehens der P an die D GmbH, dass ein fremder Dritter ein solches Schuldverhältnis in dieser Form nicht eingegangen wäre. Das Darlehen sei zu einem Zinssatz auf Basis des 3-Monats EURIBOR zzgl. 0,2 % ohne Sicherheiten gewährt worden. Der Betrag sei spätestens bis zum 30.11.2008 zurückzuzahlen gewesen; es handele sich folglich um eine kurzfristige Verbindlichkeit von unter einem Jahr. Weiterhin habe die B GmbH im April 2008 eine Einlage in die Kapitalrücklage der D-GmbH i. H. v. ... €, wovon ... € mit dem Anspruch auf Ergebnisabführung aufgerechnet worden seien, da andernfalls eine Überschuldung der D GmbH gedroht habe, geleistet. Dieses Ergebnis sei bei Gewährung des Darlehens bereits absehbar gewesen. Dass es sich bei der P und der D GmbH als Konzernunternehmen um nahestehende Personen gehandelt habe, habe die P zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung gewusst, ebenso, dass die D GmbH überhaupt nicht in der Lage sein würde, das Darlehen zum vereinbarten Zeitpunkt zurückzuführen, ja, dass es zu einer Überschuldung kommen würde, so dass der Ausfall ohne die erbrachte Einlage definitiv gewesen wäre. Auch das Jahresergebnis der D GmbH hätte mit ca. ... € im Jahr 2007 nicht annähernd dazu ausgereicht, das Darlehen zurückzuführen. Die Rückführung sei nur möglich gewesen durch die Veräußerung des Darlehens und der Anteile an der D GmbH an die L KG.

84

Es komme auch nicht entsprechend der Auffassung der Klägerin auf die so bezeichnete "substantielle Veränderung des Kaufgegenstandes" an. Diese veränderte Struktur habe für die Erwerberin grundsätzlich nicht von Bedeutung sein können, habe sie doch vorab eine verbindliche Kaufofferte für die vorherige Struktur abgegeben. Es spiele auch keine Rolle, ob die nach der Umstrukturierung entstandene Struktur heute noch bestehe. Denn aus Sicht der Klägerin sei die Umstrukturierung wirtschaftlich nur aus steuerlicher Sicht sinnvoll gewesen. Der Darlehensübernahmevertrag und der Anteilskaufvertrag vom jeweils selben Tag (23.11.2007) nähmen insoweit aufeinander Bezug, als der Abschluss des einen Vertrags nicht ohne den des jeweils anderen denkbar sei. Die Verträge seien damit derart miteinander verflochten, dass sie praktisch als condicio sine qua non bezeichnet werden könnten. Durch diese Verquickung werde deutlich, dass die Trennung von Kaufpreis für die Anteile einerseits und Darlehensvertrag andererseits aus Sicht der Klägerin nur eine formale Maßnahme gewesen sei, die sich im wirtschaftlichen Ergebnis auf den Verkaufsvorgang praktisch nicht ausgewirkt habe. Eine isolierte Veräußerung von Anteilen an der D GmbH oder des Darlehens wäre aus wirtschaftlicher Sicht nicht zielführend gewesen. Dabei sei die Veräußerung von Anteilen an der D GmbH und des Darlehens unter einheitlicher Kontrolle des XXX-Konzerns, also durch nahestehende Personen erfolgt. Der Konzern beherrsche die einzelnen Teilschritte in ihrer Gesamtheit.

85

Auf diese Weise habe die Klägerin gezielt und in rechtlich unangemessener Weise die Wirkung von § 8b Abs. 2 und 4 KStG a. F. umgangen. Die künstliche Beeinflussung des Veräußerungsgewinns durch ein fremdunübliches Darlehen stelle eine unangemessene Umgehung des Rechts dar. Die Besteuerung der einbringungsgeborenen Anteile habe damit vermieden werden sollen. Mit dieser Gestaltung habe die Klägerin den direkten Weg der Anteilsveräußerung vermieden. Die Gestaltung sei kostenintensiv und damit für die Klägerin unökonomisch gewesen, denke man sich den dadurch entstandenen steuerlichen Vorteil weg. Obschon es der Klägerin grundsätzlich freistehe, ihre wirtschaftlichen Sachverhalte so zu gestalten, wie es ihr beliebe, finde diese Freiheit ihre Grenze in der Überschreitung der Steuergesetze und den darin zum Ausdruck kommenden Gestaltungsrahmen. Nach alledem habe die Klägerin eine missbräuchliche Gestaltung des Rechts vorgenommen.

86

Dieser Gestaltungsmissbrauch diene allein der Umgehung der Besteuerung. Dies ergebe sich aus einer Betrachtung der Differenz zwischen der klägerseits erklärten Steuer und der durch die Betriebsprüfung festgestellten Steuer. Die Klägerin habe mit ihrer Gestaltung allein die Absicht verfolgt, den Veräußerungsgewinn künstlich zu verringern und somit die Besteuerung zu umgehen; daher sei die Steuer zunächst zu niedrig festgesetzt worden. Sofern man eine Umgehungsabsicht für erforderlich erachte, habe die Klägerin die Gestaltung allein zum Zweck der Steuerumgehung genutzt. Es sei ihr gerade darauf angekommen, die Wirkung von § 8b Abs. 2 und 4 KStG a. F. zu umgehen.

87

In Anbetracht der ausgehandelten verbindlichen Kaufofferte werde auch infrage gestellt, dass die Klägerin einen außersteuerlichen Grund für die gewählte Gestaltung gehabt habe. Es sei fernliegend, dass eine derartige Gestaltung dann im Transaktionsmarkt üblich sei, wenn sie mit weiteren Gestaltungskosten verbunden sei, die außer einer Steuerumgehung keinerlei Vorteile für den Veräußerer mit sich bringe und auch vom Erwerber nicht eingefordert worden sei. Hinzu komme, dass die Aussage, diese Gestaltung durch den Veräußerer sei im Vorwege einer solchen Transaktion im entsprechende Markt üblich, eine bislang nicht belegte Behauptung sei, die im Übrigen in Anbetracht der tatsächlichen Vorgänge auch nicht wahrscheinlich sei.

88

In der Rechtsfolge entstehe der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entstanden wäre. Der Gestaltung werde demzufolge der eigentliche wirtschaftliche Zweck zugrunde gelegt, so wie er auch Gegenstand der Kaufofferte seitens der L KG gewesen sei.

89

Sofern entgegen der hier vertretenen Auffassung § 42 AO nicht zur unmittelbaren Anwendung gelangen sollte, sei in einem zweiten Schritt zu prüfen, inwieweit § 8b Abs. 4 KStG a. F. nach seinem Telos anzuwenden wäre. Dabei sei der tatsächlich verwirklichte Lebenssachverhalt - im Sinne eines Gesamtplans - als Einheit zu betrachten und unter die vermeintlich umgangene Norm zu subsumieren.

90

Zwar habe die Figur des Gesamtplans in der jüngeren Rechtsprechung des BFH eine kritische Ausgestaltung erfahren. Eine Gestaltung sei anhand des Maßstabs der umgangenen Steuernorm zu bewerten. Dabei sei der tatsächlich verwirklichte Lebenssachverhalt - im Sinne eines Gesamtplans - als Einheit zu betrachten und unter die vermeintlich umgangene Norm zu subsumieren. Darüber hinaus könne es dem Verständnis der Innentheorie folgend zu einer teleologischen Auslegung der umgangenen Norm kommen, sofern der Wortlaut der umgangenen Norm grundsätzlich erfüllt sei. Grundlage sei dabei die zivilrechtliche Umsetzung. Diese sei allerdings im Lichte des Gestaltungsmissbrauchs zu interpretieren.

91

Der BFH nutze den Begriff der Gesamtplanrechtsprechung nicht mehr, würdige aber den Sachverhalt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nehme eine Gesamtwürdigung des Einzelfalls vor. Danach könne die zivilrechtlich formale Position zu einer steuerlich abweichenden Würdigung führen, wenn eine Auslegung des Steuerrechts dies gebiete.

92

In seiner Entscheidung vom 16.04.2014 (I R 2/12) stelle der BFH auf die Gesamtumstände des Einzelfalls ab und komme ohne Nutzung des Wortes "Gesamtplan" zu einer entsprechenden Anwendung desselben, wobei dieser Begriff durch denjenigen des "Gesamtvertragskonzept" ersetzt werde. Selbst wenn man die Rechtsprechung zum Gesamtvertragskonzept kritisch sehe, so komme doch auch sie im vorliegenden Fall zum gleichen Ergebnis wie eine reine Anwendung von § 42 AO. Stelle man auf den Begriff des in § 8b Abs. 2 KStG geregelten Gewinns ab und lege diesen anhand des verwirklichten Lebenssachverhalts unter Berücksichtigung des Gesamtvertragskonzept aus, so gelange man zu dem Ergebnis, dass der bislang erklärte Gewinn in der von der Betriebsprüfung modifizierten Weise der Besteuerung zugrunde zu legen sei. In der Folge habe er, der Beklagte, den Gewinn zutreffend erhöht. Demnach komme eine teleologische Auslegung nach dem Gesamtvertragskonzept ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Gewinn im Sinne von § 8b Abs. 2 KStG das gewährte Darlehen der P umfasse.

93

Im Übrigen wird auf die von den Beteiligten in diesem Verfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

94

Am 03.05.2017 hat ein Erörterungstermin und am 27.06.2017 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden; auf die Niederschriften über diese Termine wird Bezug genommen.

...

Entscheidungsgründe

I.

95

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

96

Die Klägerin ist durch die Festsetzung der Körperschaftsteuer für 2008 und durch die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für 2008, jeweils mit Bescheiden vom 04.02.2016 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.07.2016, nicht in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das der Klägerin zuzurechnende Einkommen der B GmbH als Organgesellschaft wurde von dem Beklagten zu Recht um den Veräußerungsgewinn in Höhe von ... € erhöht.

97

Der Klägerin wurde von dem Beklagten zu Recht ein von der B GmbH als ihrer Organgesellschaft erzielter und um ... € erhöhter Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der D GmbH gemäß § 14 KStG zugerechnet.

98

1. Der Gewinn der B GmbH aus der Veräußerung der Anteile an der D GmbH an die L KG war der Besteuerung der Klägerin gemäß § 14 KStG zugrunde zu legen.

99

a) Die Klägerin war im Streitjahr Organträgerin der B GmbH i. S. d. § 14 KStG. Sie war über die A mittelbar an der B GmbH beteiligt. Die Beteiligungen wurden zu jeweils mehr als 90 % gehalten; ihnen lagen wirksame Gewinnabführungsverträge zugrunde, die auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen waren und während ihrer gesamten Geltungsdauer durchgeführt wurden. Damit war der Klägerin das von der B GmbH als Organgesellschaft selbstständig ermittelte Einkommen zwingend zuzurechnen.

100

b) Das der Klägerin als Organträgerin nach § 14 KStG zuzurechnende Einkommen der B GmbH beinhaltet auch den Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der D GmbH.

101

aa) Gemäß § 8b Abs. 2 S. 1 KStG bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören, außer Ansatz.

102

Im Streitfall schloss die B GmbH mit der L KG am 23.11.2007 einen notariell beurkundeten Anteilskaufvertrag (Share Sale and Purchase Agreement) über die Gesellschaftsanteile an der D GmbH. Als Erwerbsstichtag (Closing Date) wurde der 30.06.2008 vereinbart.

103

bb) Der von der B GmbH im Streitjahr erzielte Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der D GmbH ist gleichwohl bei der Ermittlung des Einkommens, das an die Klägerin abzuführen ist, nicht außer Ansatz zu lassen.

104

Denn gemäß § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22.12.2003, der im Streitjahr gemäß § 34 Abs. 7a KStG weiter anzuwenden ist, unterliegen Gewinne aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG i. V. m. § 16 EStG, § 8 Abs. 1 KStG grundsätzlich der Besteuerung. Gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG sind einbringungsgeborene Anteile solche, die der Veräußerer durch eine Sacheinlage (§ 20 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 bis 4 UmwStG) unter dem Teilwert erworben hat.

105

Im Streitfall hatte die B GmbH ihren Teilbetrieb D GmbH als übertragender Rechtsträger gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) zur Neugründung der D GmbH ausgegliedert, indem sie ihr Vermögen insoweit zum Buchwert in die D GmbH einbrachte. Das bedeutet, dass im Fall der Veräußerung der Anteile an der D GmbH durch die B GmbH an die L KG der Gewinn aus der Veräußerung nicht außer Ansatz zu lassen sondern zu versteuern ist.

106

cc) Im Streitfall liegen auch nicht die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung des § 8b Abs. 4 S. 2 Nr. 1 KStG vor.

107

Danach gilt Satz 1 dieser Vorschrift nicht, wenn der in Absatz 2 bezeichnete Vorgang später als sieben Jahre nach der Einbringung stattfindet.

108

Die Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile fand im Streitjahr nicht später als sieben Jahre (sog. Sperrfrist) nach der Einbringung statt. Bei den von der B GmbH im Streitjahr 2008 zum Verkauf gelangten Anteilen an der D GmbH handelt es sich um einbringungsgeborene Anteile, die im Jahr 2004 erworben worden waren. Der hieraus erzielte Veräußerungsgewinn unterlag daher der Besteuerung. Denn die tatbestandlich einschlägige Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 2 KStG gilt bei der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile gerade nicht. Die in § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 KStG geregelte Rückausnahme (Veräußerung nach Ablauf der siebenjährigen Sperrfrist) greift nicht ein, weil die Frist von sieben Jahren zum Verkaufsstichtag (30.06.2008) noch nicht abgelaufen war. Danach bleibt der Veräußerungsgewinn nicht außer Ansatz.

109

2. Der Beklagte hat auch zu Recht bei der Bemessung des Einkommens der B GmbH nicht lediglich den aus der Anteilsveräußerung resultierenden von der L KG unmittelbar an die B GmbH gezahlten Betrag in Höhe von ... € zu Grunde gelegt, sondern auch den weiteren - der Höhe nach nicht streitigen - Betrag von ... € (insgesamt ... €). Denn die bei dem Verkauf und der Abtretung der Anteile an der D GmbH gewählten Gestaltungen stellen einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i. S. d. § 42 AO dar.

110

a) Im Streitfall wird der Rückgriff auf § 42 AO nicht durch § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 KStG gesperrt.

111

aa) Eine rechtliche Gestaltung ist unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH Urteil vom 18.12.2013 I R 25/12, BFH/NV 2014, 904 m. w. N.).

112

Ob ein Ziel nach den Wertungen des Gesetzgebers nicht erreichbar sein soll, kann § 42 Abs. 1 AO selbst nicht entnommen werden; dieser enthält keinen normativen Maßstab für die Beurteilung der Angemessenheit. Die Angemessenheit ist vielmehr dem "umgangenen" Gesetz und den flankierenden (speziellen) Missbrauchsvorschriften zu entnehmen. Hat der Gesetzgeber ein missbrauchsverdächtiges Feld durch eine Spezialvorschrift abgesteckt, legt er für diesen Bereich die Maßstäbe fest und sichert eine einheitliche Rechtsanwendung, die Gestaltungssicherheit gewährleistet (Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 42 AO Rn. 20b). Sind in einem konkreten Einzelfall die Voraussetzungen der speziellen Missbrauchsbestimmungen nicht erfüllt, darf die Wertung des Gesetzgebers nicht durch eine extensive Anwendung des § 42 Abs. 1 AO unterlaufen werden (vgl. BFH Urteile vom 13.12.1989 I R 118/87, BFHE 159, 455, BStBl II 1990, 474; vom 23.10.1996 I R 55/95, BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90; vom 20.03.2002 I R 63/99, BFHE 198, 506, BStBl II 2003, 50; vom 12.07.2012 I R 23/11, BFHE 238, 344; Drüen in Tipke/ Kruse, a. a. O., § 42 AO Rn. 20). Verbleiben Rechtsfolgelücken, ist es allein Aufgabe des Gesetzgebers, der mittels der speziellen Missbrauchsbekämpfungsnormen die Grenzen des Missbrauchs gezogen hat, diese zu schließen (BFH Urteil vom 15.12.1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz 25). Hieran hat sich durch die Einfügung des § 42 Abs. 2 AO, nach dem § 42 Abs. 1 AO anwendbar ist, wenn seine Anwendbarkeit gesetzlich nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, nichts geändert (BFH Urteil vom 18.12.2013 I R 25/12, a. a. O.).

113

bb) Im Streitfall steht die Existenz von § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 KStG der Annahme einer unangemessenen Gestaltung nicht entgegen.

114

Diese Vorschrift schließt die Befreiung von Veräußerungsgewinnen nach § 8b Abs. 2 KStG aus, soweit in veräußerten Anteilen stille Reserven verhaftet sind, die bei vorausgehenden Einbringungs- oder Erwerbsvorgängen nicht besteuert wurden. Die dazu in § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG vorgesehenen Ausnahmen von Abs. 2 dieser Vorschrift (Sperren) sollen verhindern, dass nicht von § 8b KStG begünstigte Vermögenswerte ohne Gewinnrealisierung in eine Kapitalgesellschaft eingebracht und sodann mittelbar bzw. unmittelbar gewinnrealisierend, aber steuerfrei veräußert werden, sofern nicht Sonderfälle von im Sinne der in § 8b Abs. 4 S. 2 KStG geregelten Rückausnahmen vorliegen. § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 KStG ist als typisierende Missbrauchsregelung zu verstehen (vgl. Menck in Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, § 8b KStG, 92. Auflage; Bericht zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts, der dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestags im Rahmen der Verabschiedung des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000 vorgelegt worden war - Der Betrieb 2001, XII - Seite 18).

115

Zwar kommt der allgemeinen abgabenrechtlichen Missbrauchsnorm des § 42 AO im Anwendungsbereich einer speziellen Missbrauchsvorschrift keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BFH Urteile vom 15.12.1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527; vom 18.12.2013, BFH/NV 2014, 904). Trotz Vorliegens einer typisierenden Missbrauchsregelung kann die allgemeine Missbrauchsvorschrift des § 42 AO jedoch ausnahmsweise eingreifen, wenn die Spezialvorschrift ihrerseits missbraucht wird (vgl. Druen in Tipke/Kruse, a. a. O., § 42 Rn. 20b; Peter P Fischer, FR 2000, 451). § 42 AO kann danach zwar infolge des Umstandes, dass bei der Steuerumgehung ein so nicht verwirklichter Sachverhalt mit der Rechtsfolge des umgangenen Steuergesetzes belegt wird, nicht jede Steuervermeidung, aber eine qualifizierte Steuervermeidung erfassen (Crezelius, Steuer und Wirtschaft, 1995, 313).

116

Das ist vorliegend der Fall. Die rechtlichen Gestaltungen dienten gezielt dazu, den Anwendungsbereich des § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 KStG zu umgehen und einen Sachverhalt im Vorfeld des Anwendungsbereiches dieser Norm so zu gestalten, dass die Wirkung dieser körperschaftsteuerlichen Missbrauchsregelung mit ihren materiellen Typisierungen der Veräußerung von einbringungsgeborenen Anteilen minimiert wurde. Daher führt die Anwendung des § 42 AO nicht zu einer Erweiterung der Rechtsfolge (vgl. BFH vom 15.12.1999 I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527). Auch die Auffassung der Klägerin, dass für die Beurteilung der Sperrwirkung des § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 KStG noch nie eine im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Vorgaben erfolgte Ausschüttung oder Abführung von Gewinnen einer Kapitalgesellschaft von der Rechtsprechung oder der Finanzverwaltung als missbräuchlich gewertet worden sei und dies auch für die anschließende Umwandlung der Dividendenverbindlichkeit in ein Darlehen gelte, ändert nichts daran, dass im Streitfall die rechtlichen Gestaltungen der Umgehung des Regelungsbereichs der speziellen Missbrauchsvorschrift dienten und nicht lediglich eine Ausschüttung von Gewinnen als rechtsmissbräuchlich zu werten ist.

117

b) Im vorliegenden Streitfall findet § 42 AO in der bis zum 28.12.2007 geltenden Fassung Anwendung.

118

aa) § 42 AO i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) vom 20.12.2007 ist seit dem 01.01.08 für Kalenderjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.07 beginnen (Art. 97 § 7 Satz 1 EGAO i. d. F. des JStG 2008, BGBl. I 07, 3150, 3172). Für vor dem 01.01.2008 liegende Kalenderjahre ist § 42 AO in der am 28.12.2007 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden (Art. 97 § 7 Satz 2 EGAO).

119

Der Senat legt Art. 97 § 7 Satz 1 EGAO i. d. F. des JStG 2008 dahingehend aus, dass für die zeitliche Anwendungsregel auf die Verwirklichung des Lebenssachverhalts, vor allem also die (vertragliche) Gestaltung, und nicht auf seine steuerliche Wirkung abzustellen ist. Eine sachgerechte Auslegung nach den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots muss an den verwirklichten (Teil-)Akt der Gestaltung mit der Erfüllung der relevanten Tatbestandsmerkmale und nicht an den Eintritt der Rechtsfolgen anknüpfen. In diesem Zeitpunkt muss der Steuerpflichtige mit Missbrauchsabsicht handeln (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vorbemerkungen zur Neufassung durch das JStG 2008 § 42 (seit 01.01.2008) Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, Rn. 7; Mack/Wollweber DStR 08, 185; Neu/Schiffers/Watermeyer GmbHR 07, 924, 927).

120

bb) Die maßgebliche Gestaltung der Verträge für die Übertragung der Anteile an der D GmbH auf die L KG erfolgte im Jahr 2007. Im Folge-, dem Streitjahr, wurden zwar ergänzend fünf Addenda zum Anteilskaufvertrag vom 23.11.2007 vereinbart. Diese dienten indes der Konkretisierung der bis zum 28.12.2007 grundsätzlich getroffenen Vereinbarungen und änderten nicht die Gesamtstruktur der bis zu diesem Zeitpunkt geschlossenen Verträge. Das gilt auch für die Höhe des vereinbarten Kaufpreises. Zwar vereinbarten die Vertragsparteien B GmbH und L KG abweichend von dem am 23.11.2007 abgeschlossenen Anteilskaufvertrag, mit dem ein vorläufiger Kaufpreis (Preliminary Purchase Price) von ... € (Unternehmenswert i. H. v. ... € abzüglich Nettoverbindlichkeit von ... €) vereinbart worden war, im vierten Addendum vom 25.06.2008 einen von der L KG an die B GmbH zu entrichtenden vorläufigen Kaufpreis ("Preliminary Purchase Price") von ... €. Dieser Änderung des vorläufigen Kaufpreises lagen jedoch der zwischen der P und der L KG vereinbarte Darlehensübernahmevertrag vom 23.11.2007, der zwischen der P und der D GmbH vereinbarte Darlehensvertrag vom 17.12.2007 und die Vereinbarung zwischen der B GmbH und D GmbH vom 18.12.2007 zu Grunde, in deren Folge ein Betrag i. H. v. ... € von der D GmbH an die B GmbH entrichtet wurde, der von der L KG über die P an die D GmbH floss. Diese vertraglichen Vereinbarungen waren sämtlich vor Ablauf des 28.12.2007 geschlossen worden.

121

c) Danach kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 S. 1 und 2 AO).

122

aa) Ein Gestaltungsmissbrauch ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH Urteile vom 12.07.2012 I R 23/11, BFHE 238, 344; vom 21.08.2012 VIII R 32/09, BFHE 239, 31, BStBl II 2013, 16; vom 22.01.2013 IX R 18/12, BFH/NV 2013, 1094; vom 09.10.2013 IX R 2/13, BFHE 244, 247, BStBl II 2014, 527; vom 08.03.2017 IX R 5/16, DB 2017, 1304).

123

bb) Eine Rechtsgestaltung ist unangemessen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären. Entscheidend ist, ob der Steuerpflichtige, dessen Steuerschuld zu beurteilen ist, die vom Gesetzgeber bei seiner Regelung vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht und hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen oder ob er vielmehr auf einem ungewöhnlichen Weg einen Erfolg zu erreichen versucht, der nach den Wertungen des Gesetzgebers auf diesem Weg nicht erreicht werden soll. Maßgebend sind die gesamten Umstände des Einzelfalls (BFH Urteile vom 01.04.1993 V R 85/91, V R 86/91, BFH/NV 1994, 64; vom 07.07.1998 VIII R 10/96, BFHE 186, 534, BStBl II 1999, 729; vom 09.10.2013 IX R 2/13, a. a. O.).

124

cc) Darüber hinaus sind gemäß § 41 Abs. 2 AO Scheingeschäfte und Scheinhandlungen für die Besteuerung unbeachtlich.

125

Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn sich die Vertragsbeteiligten über den Scheincharakter des Rechtsgeschäfts einig sind, was bereits daran offenkundig werden kann, dass sie die notwendigen Folgerungen aus dem Vertrag bewusst nicht gezogen haben (BFH Urteil vom 28.01.1997 IX R 23/94, BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655).

126

Im Streitfall stellt die Übertragung der Gesellschaftsanteile an der D GmbH auf die L KG zu einem über den direkt entrichteten Kaufpreis hinausgehenden Betrag im Umfang des Due-Diligence-Preises allerdings deshalb schon kein Scheingeschäft dar, weil die L KG den in dieser Höhe vereinbarten Betrag tatsächlich - wenn auch über einen Umweg - entrichtet hat.

127

d) Nach den vorgenannten Grundsätzen stellen die von der Klägerin gewählten Gestaltungen und die von ihren Konzerngesellschaften abgeschlossenen und durchgeführten Verträge in Gestalt des zwischen der P und der L KG abgeschlossenen Darlehensübernahmevertrages vom 23.11.2007, des zwischen der P und der D GmbH abgeschlossenen Darlehensvertrages vom 17.12.2007 und des zwischen der D GmbH und der B GmbH abgeschlossenen Vertrages über eine Abschlagszahlung vom 18.12.2007 eine Steuerumgehung durch die missbräuchliche Anwendung von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts durch Wahl einer den wirtschaftlichen Vorgängen unangemessenen rechtlichen Gestaltung zum Zwecke der Steuervermeidung dar.

128

aa) (Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts) § 42 AO erfasst die rechtsmissbräuchliche Gestaltung zum Zwecke der Verwirklichung einer begünstigenden Rechtsvorschrift ebenso wie die zur Vermeidung einer Besteuerung gestaltete formale Rechtslage (vgl. BFH Urteil vom 16.01.1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541; Beschluss vom 03.02.1993 I B 90/92, BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426).

129

Im Streitfall hätte eine vertragliche Gestaltung, dergemäß ein dem vereinbarten Wert der Anteile an der D GmbH entsprechender Kaufpreis von der L KG an die B GmbH zu zahlen gewesen wäre, zur Folge gehabt, dass dieser gesamte Betrag dem der Klägerin gemäß § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 KStG zuzurechnenden Einkommen ihrer Organgesellschaft zugrunde zu legen gewesen wäre. Denn dieser Betrag hätte den Gewinn aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG i. V. m. § 16 EStG, § 8 Abs. 1 KStG erhöht.

130

Durch die nach Abgabe des verbindlichen Kaufpreisangebots vom 09.11.2007 gestalteten Verträge - den Darlehensübernahmevertrages vom 23.11.2007, den Darlehensvertrag vom 17.12.2007 und den Vertrag über eine Abschlagszahlung vom 18.12.2007 - wurde das wirtschaftliche Ergebnis, die Übertragung der Anteile an der D GmbH zu einem deren Wert entsprechenden Kaufpreis, mittels rechtlicher Gestaltung dadurch herbeigeführt, dass - neben der unmittelbaren Entrichtung eines geringen Teils des Kaufpreises - der ganz überwiegende Teil des Kaufpreises durch eine Zahlung der L KG als Erwerberin der Anteile an die P erfolgte, die diesen an die D GmbH weiterreichte, die ihn wiederum der B GmbH als Veräußerer der Anteile in der steuerlichen Form einer verdeckten Gewinnausschüttung zukommen ließ.

131

bb) (Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten) Diese rechtliche Gestaltung wirtschaftlicher Vorgänge zur Entrichtung des Kaufpreises auf der Grundlage des nach einer Due-Diligence-Prüfung erfolgten verbindlichen Kaufpreisangebots vom 09.11.2007 ist rechtsmissbräuchlich i. S. d. § 42 AO.

132

aaa) (Missbräuchliche Anwendung) Die Organgesellschaft der Klägerin, die B GmbH, hat die gewählten Gestaltungsmöglichkeiten missbraucht.

133

Missbrauch i. S. d. § 42 AO ist die Wahl einer den wirtschaftlichen Vorgängen unangemessenen rechtlichen Gestaltung zum Zwecke der Steuervermeidung (vgl. BFH Urteile vom 05.02.1992 I R 127/90 , BFHE 166, 356, BStBl II 1992, 532; vom 16.01.1996 IX R 13/92, BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214; vom 16.09.2004 IV R 11/03, BFHE 207, 274, BStBl II 2004, 1068; Beschlüsse vom 03.02.1993 I B 90/92, BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426; vom 03.02.1993 I B 90/92, BFHE 170, 197, BStBl II 1993, 426; Drüen in Tipke/Kruse a. a. O. Rn. 30). Voraussetzung eines Missbrauchs ist danach, dass die rechtliche Gestaltung unangemessen ist.

134

Das wirtschaftliche Verhalten des Steuerpflichtigen ist dagegen nicht auf seine Angemessenheit zu beurteilen (BFH Urteile vom 30.11.1989 IV R 97/86, BFH/NV 91, 432; vom 16.01.1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541, 253). Dient die Gestaltung einem wirtschaftlichem Zweck, scheidet eine Angemessenheitskontrolle aus (BFH Urteile vom 16.09.2004 IV R 11/03, BFHE 207, 274, BStBl II 2004, 1068; vom 18.07.2001 I R 48/97, BFHE 196, 128; vom 14.07.2004 I R 9/03, BFHE 207, 142). Der Steuerpflichtige kann sein wirtschaftliches Verhalten im Rahmen der Rechtsordnung frei wählen und gestalten. Das Steuerrecht schränkt die wirtschaftliche Freiheit nicht ein, es respektiert sie und knüpft an sie an (vgl. Tipke/Kruse a. a. O. Rn. 30-31).

135

Im Streitfall haben die Vertragsparteien am 23.11.2007 einen Anteilskaufvertrag abgeschlossen, der die B GmbH verpflichtete, die Anteile an der D GmbH auf die L KG zu übertragen, und die L KG verpflichtete, den vereinbarten Kaufpreis für den Wert der Anteil zu entrichten. Für die Beurteilung der Missbrauchsvorschrift des § 42 AO kommt es allein auf die rechtliche Gestaltung an. Diese weist im Streitfall Besonderheiten in den ergänzenden Zahlungsvereinbarungen zur Entrichtung des dem Wert der Anteile entsprechenden Kaufpreises auf. Sie bestehen in dem Abschluss des Darlehensübernahmevertrages vom 23.11.2007, des Darlehensvertrages vom 17.12.2007 und des Vertrages über die Entrichtung der Abschlagszahlung vom 18.12.2007.

136

bbb) (Unangemessene rechtliche Gestaltung) Diese von den Vertragsparteien gewählte rechtliche Gestaltung ist unangemessen i. S. d. § 42 AO.

137

(1) Eine Gestaltung ist unangemessen im Sinne des § 42 AO, wenn sie keinem wirtschaftlichen Zweck dient, mithin ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund nicht erkennbar ist (vgl. BFH Urteile vom 17.01.1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vom 18.07.2001 I R 48/97, BFHE 196, 128; vom 08.03.2017 IX R 5/16, DB 2017, 1304). Eine unangemessene Gestaltung insbesondere dann gegeben, wenn sie der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BFH Urteile vom 23.02.1988 IX R 157/84, BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604; vom 14.01.1992 IX R 33/89, BFHE 167, 55, BStBl II 1992, 549; vom 14.05.1992 V R 56/89, BFHE 168, 472, BStBl II 1992, 859; vom 13.10.1992 VIII R 3/89, BFHE 169, 336, BStBl II 1993, 477; vom 14.10.1993 V R 36/89, BFHE 173, 450, BStBl II 1994, 427; vom 25.01.1994 IX R 97, 98/90, BFHE 174, 386, BStBl II 1994, 738; vom 16.01.1996 IX R 13/92, BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214; vom 19.08.1999 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43; vom 19.02.2002 IX R 32/98, BFHE 198, 288, BStBl II 2002, 674; vom 24.08.2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340; vom 17.12.2003 IX R 7/98, BFH/NV 04, 1270; vom 14.06.2005 VIII R 37/03, DStRE 06, 117). Maßgeblich ist, ob verständige Beteiligte die Gestaltung in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung gewählt hätten (BFH Urteile vom 23.08.1984 V R 17/78, BFHE 141, 572, BStBl II 1984, 856; vom 18.10.1990 IV R 36/90, BFHE 162, 321, BStBl II 1991, 205; vom 17.01.1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vom 09.11.2006 V R 43/04, BFHE 215, 379, BStBl II 2007, 344; Tipke/Kruse a. a. O. Rn. 33).

138

Die Rechtsordnung ist nach traditioneller Sicht darauf ausgerichtet, für alle wirtschaftlichen Vorgänge möglichst einfache Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Darum ist i. d. R. der einfachste rechtliche Weg zu dem, was wirtschaftlich gewollt ist, die dem wirtschaftlichen Vorgang angemessene rechtliche Gestaltung (BFH Urteile vom 19.08.1999 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43; vom 01.02.2001 IV R 3/00, BFHE 194, 13, BStBl II 2001, 520 [523]; a. A. Fischer in Hübschmann / Hepp / Spitaler, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, § 42 Tz. 98). Angemessene Gestaltungen sind einfach, zweckmäßig, übersichtlich und "ökonomisch". Unangemessene Rechtsgestaltungen sind zumeist umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt (vgl. BFH Urteile vom 19.08.1999 I R 77/96, a. a. O.; vom 01.02.2001 IV R 3/00, a. a. O.), unökonomisch, unnatürlich, absonderlich, z. T. überflüssig, widersinnig oder undurchsichtig (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 30.06.2005 5 K 796/01, EFG 05, 1813), unvernünftig und unpraktikabel (BFH Urteil vom 17.01.1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607). Angemessene Gestaltungen gehen ihr Ziel auf einem geraden Weg an, unangemessene Gestaltungen bewegen sich oft auf aus sich heraus nicht erklärbaren Umwegen (Tipke/Kruse a. a. O. Rn. 34). Bereits Max Lion (Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht - VJSchrStuFR - 1927, 132, 164) beschrieb zu § 5 RAO vom 13.12.1919, der eine allgemeine Vorschrift zur Bekämpfung der Steuerumgehung enthielt und auf den auch die Klägerin hinweist, den typischen Umgehungsvorgang wie folgt: Dem, der das Steuergesetz umgehen wolle, komme es in der Regel darauf an, möglichst in dieselbe Position zu gelangen, in die er auf dem vom Steuergesetz unmittelbar ins Auge gefassten Weg gelangen würde, also tunlichst den gleichen Tatbestand herbeizuführen, nicht nur einen ähnlichen. Mit der bloßen Ähnlichkeit sei ihm oft nicht gedient, und bei verfeinerter Umgehungsmethode sehe man, dass dann, wenn ein entfernterer Weg mit bloßer Ähnlichkeit gewählt sei, durch vielfache Neben- und Seitenverträge die Unterschiede zum eigentlich gesetzten Tatbestand wieder beseitigt oder wirkungslos gemacht werden sollten. Das Ziel sei eben tunlichst derselbe Tatbestand. Und so liefen die Umgehungen im Allgemeinen darauf hinaus, denselben Tatbestand zwar inhaltlich-wirtschaftlich zu schaffen, ihn jedoch äußerlich als einen anderen erscheinen zu lassen (darauf verweisend auch Drüen in Tipke/Kruse a. a. O. Rn. 34).

139

Zwar ist kein Steuerpflichtiger verpflichtet, den Sachverhalt so zu gestalten, dass ein Steueranspruch entsteht. Vielmehr steht es ihm frei, die Steuer zu vermeiden und eine Gestaltung zu wählen, die eine geringere Steuerbelastung nach sich zieht. Das Bestreben, Steuern zu sparen, allein macht eine rechtliche Gestaltung nicht unangemessen (BFH Beschluss vom 29.11.1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, BStBl II 1983, 272; vom 03.02.1998 IX R 38/96, BFHE 185, 379, BStBl II 1998, 539; vom 07.03.2001 X R 192/96, BFHE 196, 414, BStBl II 2002, 126; vom 18.07.2001 I R 48/97, BFHE 196, 128; vom 10.12.2003 IX R 44/98, BFH/NV 04, 1265; vom 17.12.2003 IX R 56/03, BFHE 205, 70, BStBl II 2004, 648; vom 25.08.2009 IX R 60/07, BFHE 226, 252, BStBl II 2009, 999). Dies gilt auch dann, wenn die Gestaltung allein aus einer steuerlichen Motivation heraus gewählt worden ist (BFH Urteile vom 22.08.1951 IV 246/50 S, BFHE 55, 449; vom 16.01.1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541; vom 10.09.1992 V R 104/91, BFHE 169, 258, BStBl II 1993, 253). Sie muss jedoch überhaupt einen vernünftigen wirtschaftlichen Grund haben (BFH Urteile vom 17.01.1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vom 04.10.2006 VIII R 7/03, BFHE 215, 183, BStBl II 2009, 772). Von mehreren angemessenen Gestaltungsmöglichkeiten darf der Steuerpflichtige die steuerlich günstigste wählen. Die vom Steuerpflichtigen gewählte Rechtsgestaltung darf jedoch nicht ausschließlich der Steuerminderung dienen (BFH Urteil vom 09.11.2006 IV R 21/05, BFHE 216, 57, BStBl II 2010, 230). Ist ein wirtschaftlicher Grund nicht zu erkennen, wenn man den Zweck der Steuerersparnis wegdenkt, ist die Gestaltung unangemessen (Drüen in Tipke/Kruse a. a. O. Rn. 39).

140

(2) Im Streitfall diente die rechtliche Gestaltung zur Entrichtung des Kaufpreises für den Anteilserwerb erkennbar keinem wirtschaftlichen Zweck. Ein plausibler außersteuerlicher Grund für die von der B GmbH gewählte Gestaltung ist nicht erkennbar. Sie diente einzig der Steuerminderung und war durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht gerechtfertigt. Verständige Beteiligte hätten die rechtliche Gestaltung in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht gewählt. So wurde die schlichte Erfüllung der Zahlungsverpflichtung aus dem Anteilskaufvertrag von der L KG über diverse Vertragsgestaltungen aufgeteilt und führte auf Umwegen durch die erst nach Abschluss des Anteilskaufvertrages gewählte rechtliche Gestaltung zu dem von den Beteiligten beabsichtigten Ergebnis der Entrichtung des Kaufpreises im Wert der Due-Diligence-Prüfung, die Grundlage für die Bemessung des Kaufpreises war. Der (Um-)Weg, der hierzu beschritten wurde, führte von der L KG, die den ganz überwiegenden Teil des Kaufpreises an die im Konzernverbund mit der B GmbH und der D GmbH tätige P entrichtete, die wiederum die D GmbH bediente, damit diese den Betrag schließlich der Verkäuferin der Anteile, der B GmbH, zukommen lassen konnte. Auf diese Weise wurde der ehemals vertraglich vereinbarte, nach dem Vierten Addendum aber nicht mehr als Kaufpreis geregelte Betrag von den Vertragsparteien nicht dem Gewinn der B GmbH aus dem Anteilsveräußerungsvertrag zugeordnet und der Besteuerung nach § 8b Abs. 4 KStG bei der Klägerin entzogen.

141

Diese im Streitfall gewählte Rechtsgestaltung war entgegen der Auffassung der Klägerin gerade nicht der denkbar einfachste Weg; sie war auch nicht mehr zweckmäßig und übersichtlich. Sie war außergewöhnlich umständlich und gekünstelt; sie war undurchsichtig und nicht der ehrliche Ausdruck dessen, was wirtschaftlich veranstaltet werden sollte. So wurden - wie bereits Max Lion ausführte - nicht der vom Gesetz unmittelbar ins Auge gefasste Weg beschritten, sondern Neben- und Seitenverträge geschlossen, die dem Umgehungsvorgang dienten.

142

Die hierzu geschlossenen Verträge wurden in engem zeitlichen Zusammenhang in einer ungewöhnlichen Reihenfolge geschlossen. Zunächst - am 23.11.2007 - wurde zwischen der Erwerberin der Anteile, der L KG, und der zum Konzern der Klägerin gehörenden und in S ansässigen P ein Darlehensübernahmevertrag geschlossen, mit dem sich die L KG verpflichtete, die Rückzahlung eines Darlehens zu übernehmen, das vertraglich noch nicht begründet worden war. Dieser Vertrag wurde also am selben Tage abgeschlossen wie der Anteilskaufvertrag. Mit dem Darlehensübernahmevertrag wurden insbesondere Pflichten aus einem nicht bestehenden und noch abzuschließenden Darlehensvertrag zwischen der P und der D GmbH auf die L KG übertragen, insbesondere der noch zu begründende Anspruch der P auf Rückzahlung einer noch auszureichenden Darlehenssumme (...). In diesem Darlehensübernahmevertrag wird auch Bezug genommen auf den zwischen der B GmbH und der L KG am selben Tag abgeschlossenen Anteilskaufvertrag (...). Zudem wird darauf Bezug genommen, dass die P der D GmbH ("Borrower") einen Betrag von bis zu ... € zur Verfügung stellen werde, mithin in Höhe des Betrages, der dem vereinbarten Wert der erworbenen Anteile entspricht. Der Zusammenhang mit dem Anteilskaufvertrag kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass sich die L KG verpflichtete, der P bis zum Closing Date des Anteilskaufvertrages den Betrag von bis zu ... € nebst Zinsen zu zahlen (...).

143

Wenige Tage später am 17.12.2007 wurde der Darlehensvertrag zwischen der P und der D GmbH über den Betrag von bis zu ... € geschlossen. Das vereinbarte "Darlehen" wurde bis zum 31.12.2007 i. H. v. ... € in Anspruch genommen. Die D GmbH als Darlehensnehmerin zahlte das an sie ausgereichte Darlehen nicht an die P als Darlehensgeberin zurück. Aufgrund des zuvor abgeschlossenen Darlehensübernahmevertrages war geregelt, dass die D GmbH den von ihr in Empfang genommenen Betrag nicht zurückzuzahlen hatte. Vielmehr war die L KG verpflichtet, den an die D GmbH ausgereichten Betrag zuzüglich Zinsen bis zum Closing Date des Anteilskaufvertrages an die P zu entrichten.

144

Schließlich diente die zwischen der B GmbH und der D GmbH getroffene Vereinbarung vom 18.12.2007 dazu, den von der P ausgereichten Betrag an die Veräußerin der Anteile durchzureichen. Hier bestand - abgesehen von dieser Vereinbarung - kein sonstiger wirtschaftlicher oder rechtlicher Grund zu Weiterleitung dieses Betrages an die B GmbH. Der ehemals zwischen der B GmbH und D GmbH vereinbarte Ergebnisabführungsvertrag war mit Wirkung zum 30.12.2007 aufgehoben worden, so dass ein Gewinn der D GmbH für 2007 nicht abzuführen war. Entsprechend behandelte die D GmbH die Zahlung des von der P erhaltenen Betrages an die B GmbH als verdeckte Gewinnausschüttung. Wenn in diesem Zusammenhang von der Klägerin auf die "Refinanzierung der D GmbH" abgestellt wird, so ist zu berücksichtigen, dass der Vertrag über die Leistung der Abschlagszahlung vom 18.12.2007 zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, in dem die geänderte Vereinbarung über die Zahlung des Kaufpreises für den Anteilserwerb bereits vorlag und die Beteiligten davon ausgingen, dass der oben dargestellte Übertragungsweg vollzogen werden sollte. Dabei stand für die Beteiligten außer Frage, dass eine Abführung des Gewinns der D GmbH für 2007 nicht mehr in Betracht kam.

145

§ 42 AO erfasst gerade solche Fälle, in denen vom Gesetz gewährte Rechtspositionen genutzt werden, die Nutzung aber nur dem Zweck der Steuerminderung dient. Wenn der Steuerpflichtige - wie im Streitfall - eine rechtliche Gestaltung wählt, die zwar für sich genommen zulässig ist, aber im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen des Steuerpflichtigen (hier: Veräußerung der Anteile an der D GmbH zu einem der Due-Diligence-Prüfung entsprechenden Kaufpreis) steht, die zusammengenommen mit außersteuerlichen Gründen nicht erklärbar sind, sondern allein der Absicht dienen, die Steuerschuld zu vermindern oder ihr Entstehen hinauszuschieben, so soll dies nach Wortlaut und Sinn des § 42 AO steuerrechtlich wirkungslos bleiben (vgl. BFH Urteil vom 16.12.2003 VIII R 89/02, BFH/NV 2004, 936).

146

Dass die D GmbH den ... Betrieb wiederum in die neu gegründete N GmbH ausgliederte, hat auf die Frage des Missbrauchs bei der rechtlichen Gestaltung der Anteilsveräußerung keine Auswirkung. Nach Erwerb der Anteile war die L KG mittelbar - über die D GmbH - an der N GmbH beteiligt. Die Ausgliederung stand im freien wirtschaftlichen Ermessen der beteiligten Gesellschaften und unterliegt insoweit auch nicht der Überprüfung im Rahmen einer Missbrauchsvorschrift. Sie ist entgegen der Auffassung der Klägerin damit auch nicht Bestandteil der im Umfeld des § 42 AO zu überprüfenden rechtlichen Gestaltung; die finale Holdingstruktur spielt bei der Beurteilung dessen folglich keine Rolle.

147

(3) Anders als die Klägerin meint (q. v. Schritt 3), stellte die Zahlung der ... € von der D GmbH an die B GmbH auch nicht einer Abschlagszahlung auf die Erfüllung einer Abführungsverbindlichkeit dar. Eine Abführungsverbindlichkeit hätte erst mit Ablauf des zum 31.12.2007 endenden Wirtschaftsjahres entstehen können. Die bereits vertragliche geregelte Übernahme dieser Zahlungsverpflichtung durch die L KG entsprechend dem Darlehensübernahmevertrag vom 23.11.2007 schloss es aus, dass die Vertragsparteien B GmbH und D GmbH den Ergebnisabführungsvertrag vor Ende des Wirtschaftsjahres nicht beendigen würden. Zwar war in dieser Höhe ein handelsbilanzieller Gewinn der D GmbH aus der Ausgliederung des "C"-Geschäftes in die N GmbH entstanden. Die Zahlung dieses Betrages durch die L KG über die D GmbH war der Ausgleich für den Erhalt einer entsprechend werthaltigen Gesellschaft. Infolgedessen diente abweichend von der Auffassung der Klägerin (q. v. Schritt 4) die Ausreichung des Betrages von ... € von der P an die D GmbH im Ergebnis nicht der Finanzierung einer Abführung des Gewinns der D GmbH für 2007 an die B GmbH.

148

Der Senat folgt auch nicht der Auffassung der Klägerin darin, dass es infolge dieser Maßnahmen im Vorfeld der Veräußerung der Anteile an der D GmbH rechtlich und wirtschaftlich zu einer substantiellen Veränderung des Kaufgegenstandes gekommen sei und dieser nach der Reorganisation nicht mehr in der Beteiligung an einer weitgehend mit Eigenkapital finanzierten operativen Gesellschaft bestanden habe, sondern in der Beteiligung an einer hoch fremdkapitalisierten Holdinggesellschaft einerseits und einer Darlehensforderung gegen diese Gesellschaft andererseits.

149

Zu einer substantiellen Veränderung des Kaufgegenstandes ist es im Streitfall deshalb nicht gekommen, da es sich abweichend von der Auffassung der Klägerin bei der D GmbH nicht um eine hoch fremdkapitalisierte Holdinggesellschaft handelte. Zwar hatte diese mit der P am 17.12.2007 einen Darlehensvertrag geschlossen über einen Betrag von bis zu ... €; am 31.12.2007 waren auch ... € von der P an die D GmbH ausgezahlt worden. Eine Rückzahlung dieses Betrages von der D GmbH an die P jedoch war von Anfang an nicht beabsichtigt. Denn noch vor Abschluss dieses Darlehensvertrages hatte sich die L KG gegenüber der P verpflichtet, den von dieser an die D GmbH auszureichenden Betrag zu zahlen. Diese Zahlung erfolgte vertragsgemäß zum Stichtag der dinglichen Übertragung der Anteile an der D GmbH von der B GmbH auf die L KG am 30.06.2008 und wurde dem Konto der P am 01.07.2008 gutgeschrieben.

150

Der handelsrechtliche Gewinn der D GmbH aufgrund der Ausgliederung des "C"-Geschäfts auf die N GmbH war auch infolge der Aufkündigung des Ergebnisabführungsvertrages vor Ablauf des Wirtschaftsjahres 2007 nicht mehr an die B GmbH abzuführen. Damit erwarb die L KG mit Ablauf des Closing Date Anteile an einer entsprechend werthaltigen Gesellschaft, und die B GmbH hatte über die Gestaltung der Darlehensverträge einschließlich der verdeckten Gewinnausschüttung des Betrages von ... € von der D GmbH den ursprünglich vereinbarten Kaufpreis unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Due-Diligence-Prüfung tatsächlich erhalten.

151

Nach alledem ist ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund für die Zahlung des vereinbarten Wertes der Anteile an der D GmbH von der L KG an die B GmbH mittels des Umweges über die P und die D GmbH nicht zu erkennen, wenn man den Zweck der Steuerersparnis wegdenkt. Danach wählte die Organgesellschaft der Klägerin, die B GmbH, eine rechtliche Gestaltung, die unangemessen war.

152

ccc) (Missbrauchsabsicht) Die B GmbH handelte als Organgesellschaft der Klägerin auch in Missbrauchsabsicht.

153

(1) § 42 AO erfordert des Weiteren, dass die unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt worden sein muss, um das Steuergesetz zu umgehen. Der Steuerpflichtige muss mit Umgehungsabsicht (in "fraudem legis") gehandelt haben. Die Steuerumgehungsabsicht ist ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das nicht unmittelbar feststellbar ist; vielmehr kann auf dieses von objektiv feststellbaren Umständen rückgeschlossen werden (vgl. BFH Urteile vom 06.03.1985 II R 240/83, BFHE 143, 393, BStBl II 1985, 494; vom 05.03.1986 I R 201/82, BFHE 146, 158, BStBl II 1986, 496; vom 23.02.1988 IX R 157/84, BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604; vom 14.06.2005 VIII R 37/03, DStRE 06, 117; Drüen in Tipke/Kruse, a. a. O., Rn. 44; a. A. BFH Urteile vom 10.09.1992 V R 104/91, BFHE 169, 258, BStBl II 1993, 253; vom 10.09.1992 V R 104/91, BFHE 169, 258, BStBl II 1993, 253; Fischer in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, a. a. O., Tz. 271 f.).

154

Die Absicht, das Steuergesetz zu umgehen, ist für jede Steuerart gesondert nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, zu beurteilen (vgl. BFH BStBl. 93, 700; BFH/NV 02, 1286). Ist der Tatbestand des § 42 AO im Übrigen erfüllt, so lässt sich die Umgehungsabsicht regelmäßig im Wege des Indizienbeweises feststellen (vgl. BFH Urteile vom 05.02.1992 I R 127/90, BFHE 166, 356, BStBl II 1992, 532; vom 14.01.1992 IX R 33/89, BFHE 167, 55, BStBl II 1992, 549; vom 10.09.1992 V R 104/91, BFHE 169, 258, BStBl II 1993, 253; vom 14.06.2005 VIII R 37/03, a. a. O.). Kann der Steuerpflichtige für eine von ihm gewählte Gestaltung keine plausible Erklärung abgeben, so spricht das für die Umgehungsabsicht.

155

(2) Die B GmbH handelte bei der Veräußerung ihrer Geschäftsanteile mit der Absicht der Steuerumgehung. Bei einer den wirtschaftlichen Verhältnissen unangemessenen Gestaltung spricht eine tatsächliche Vermutung für die Missbrauchsabsicht des Steuerpflichtigen, wenn für diese Gestaltung - wie im Streitfall - wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (BFH Urteil vom 28.01.1992 VIII R 7/88, BFHE 167, 273, BStBl II 1993, 84). Die B GmbH als Organgesellschaft der Klägerin kannte alle Umstände der Vertragsgestaltung. Sie hatte den Anteilsveräußerungsvertrag vom 23.11.2007 abgeschlossen und auch das Vierte Addendum unterzeichnet, mit dem der Kaufpreis für die Anteilsveräußerung auf den gemeinen Wert abzüglich des von der D GmbH ausgeschütteten Betrages reduziert worden war. Das Vierte Addendum war durch den von dem Geschäftsführer der B GmbH bevollmächtigten Dr. Q für die B GmbH unterzeichnet worden. Schließlich traf die B GmbH mit der D GmbH am 18.12.2007 eine Vereinbarung, mit der sich die D GmbH verpflichtete, am 20.12.2007 eine Zahlung i. H. v. ... € an die B GmbH zu leisten. Damit floss ihr der Kaufpreis für die Veräußerung der Anteile an der D GmbH zu, der dem gemeinen Wert der Anteile entsprach. Anhaltspunkte dafür, dass der Verkauf gleichwohl nicht mit dem Ziel der Steuerumgehung erfolgte, hat die Klägerin als Organträgerin der B GmbH nicht substantiiert vorgetragen. Umstände, die gegen eine Umgehungsabsicht sprechen könnten, sind auch aus den Akten nicht ersichtlich.

156

ddd) (Steuerumgehung) Im Streitfall stellt die von der Organgesellschaft der Klägerin gewählte Gestaltung auch eine Steuerumgehung dar.

157

(1) Gemäß § 42 Abs. 1 S. 1 AO kann durch den Missbrauch das Steuergesetz nicht umgangen werden. Eine Steuerumgehung i. S. des § 42 AO 1977 liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Steuerrechtlich unangemessen ist eine Gestaltung, die den Gesetzeszweck verfehlt und nur darauf abzielt, einen durch den Begünstigungszweck nicht mehr gedeckten steuerlichen Vorteil zu erlangen. Allerdings ist eine steuerliche Gestaltung nicht bereits deswegen unangemessen, weil der Steuerpflichtige mit ihr die Absicht verfolgt, Steuern zu sparen (BFH Urteil vom 07.03.2001 X R 192/96, BFHE 196, 414, BStBl II 2002, 126).

158

Das Ergebnis der Umgehung muss darin bestehen, dass durch die unangemessene Gestaltung keine oder eine niedrigere Steuerschuld entsteht als durch die dem wirtschaftlichen Vorgang angemessene Gestaltung (vgl. BFH Urteil vom 01.12.1982 I R 43/79, BFHE 140, 129, BStBl II 1985, 2).

159

(2) Im Streitfall diente die Gestaltung der Abspaltung des Veräußerungserlöses in Höhe des aufgrund der (Käufer-) Due-Diligence der Erwerberin ermittelten Wertes der übertragenen Anteile an der D GmbH abzüglich des aufgrund des Vierten Addendums vereinbarten Kaufpreises i. H. v. ... € und Zahlung dieses Betrages von der L KG als Erwerberin über die P und die D GmbH an die B GmbH als Veräußerin ausschließlich dazu, dass in Höhe des Betrages von ... € die Steuerpflicht gemäß § 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 KStG umgangen wurde. Insoweit wird auf die Ausführungen zu I. 1. a) Bezug genommen.

160

eee) Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Dementsprechend war - unabhängig von der zivilrechtlichen Wirksamkeit der unangemessenen Gestaltung - auch der Betrag von ... € (... € abzüglich des dem Einkommen der Klägerin bereits gemäß § 8b Abs. 5 KStG hinzugerechneten Betrags von ... € - 5 % -), der über die D GmbH an die B GmbH gezahlt wurde, der Besteuerung zu unterwerfen.

II.

161

1. Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

162

2. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

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