Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 41/15

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Erstattung von Energiesteuer im Billigkeitswege.

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Die Klägerin ist Inhaberin einer Sammelerlaubnis, mit der ihr u.a. die Erlaubnis zur Herstellung von Energieerzeugnissen unter Steueraussetzung sowie zur Lagerung von Energieerzeugnissen unter Steueraussetzung erteilt worden ist mit jeweils u.a. zugelassener Betriebsstätte A. Eine der im Rahmen des Steuerlagers der Klägerin des Weiteren zunächst zugelassenen Betriebsstätten war die Bunkerstation B GmbH & Co. (im Folgenden: B) in C, die die Klägerin mit Warenbewegungen innerhalb ihres Steuerlagers auf dem Wasserweg versorgte und von der aus die Klägerin aufgrund vertraglicher Vereinbarung die Fähren D GmbH & Co. KG (im Folgenden: D) mit steuerbefreitem Schiffsbetriebsstoff, Schweröl der Unterposition 2710 1963 der Kombinierten Nomenklatur, sog. Marine Fuel Oil (MFO), bebunkerte, indem das MFO in Tankwagen gefüllt und über diese an die Fähren abgegeben wurde. Vor dem Hintergrund der konzerninternen Entscheidung, dass Energieerzeugnisse ausschließlich in Doppelhüllentankern transportiert werden sollten, es solche in der benötigten Größe für die Versorgung der Bunkeranlage aber noch nicht gab, nahm die Klägerin die Bunkerstation B aus ihrem Betriebsstättenverzeichnis und stellte das Verfahren dahin gehend um, dass die B die bestehenden Verträge mit der D zur Bebunkerung der Fähren übernahm und die Klägerin der B das MFO verkaufte, das diese ab A abzunehmen hatte. Mit der Organisation der Transporte beauftragte die B die E GmbH (im Folgenden: E-GmbH). Die E-GmbH stimmte den Transport mit der Klägerin ab und beauftragte die F GmbH (im Folgenden: F-GmbH), bzw. in einem Fall einen anderen Reeder, als Subunternehmer mit dem Transport des MFO von der A in das Tanklager der B, wobei diese Transporte aus Gründen der Verkürzung des Rechnungsweges durch die F-GmbH direkt der B in Rechnung gestellt wurden. In den Versandanzeigen der Klägerin war jeweils die B als Rechnungsempfänger und als Warenempfänger und jeweils die E-GmbH als steuerlicher Empfänger angegeben. In der vorbezeichneten Weise wurden im Zeitraum 17.04.2008 bis 14.07.2008 mit ... Lieferungen insgesamt ... kg MFO von der Klägerin an die B geliefert. Der B war in diesem Zeitraum weder eine Bewilligung als Steuerlagerinhaber noch eine Verteilererlaubnis für das MFO erteilt - letztere wurde der B erst am 15.07.2008 erteilt. Die E-GmbH war hingegen im Zeitraum der streitgegenständlichen MFO-Lieferungen Inhaberin einer Verteilererlaubnis nach § 24 Abs. 2 Satz 3, § 27 Abs. 1 Energiesteuergesetz (EnergieStG) für das MFO, die F-GmbH wiederum war nicht Inhaberin einer entsprechenden Verteilererlaubnis.

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Mit Schreiben vom 25.06.2008 beantragte die Klägerin - neben den im Rahmen gewährten rechtlichen Gehörs angebrachten Einwendungen gegen die von dem Beklagten beabsichtigte Festsetzung von Energiesteuer für das im Zeitraum 17.04.2008 bis 14.07.2008 an die B gelieferte MFO - hilfsweise, von einer Steuerfestsetzung nach § 163 AO abzusehen und verwies zur Begründung auf Nr. 6 zu § 163 AO i.V.m. Nr. 7.1.5 zu § 227 AO der Dienstvorschrift zur Anwendung der Abgabenordnung im Bereich der Zollverwaltung (im Folgenden: AO-DV Zoll).

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Mit Steuerbescheid vom 30.11.2009 forderte der Beklagte von der Klägerin ... € für die vorstehend genannte Liefermenge MFO Energiesteuer an mit der Begründung, dass der tatsächliche Warenempfänger des MFO nicht im Besitz einer gültigen Erlaubnis zum Bezug unversteuerter Energieerzeugnisse gewesen sei und damit gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG die Steuer durch Entfernung des MFO aus dem Steuerlager entstanden sei. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen den Steuerbescheid vom 30.11.2009 insoweit erhobene Klage vor dem Finanzgericht Hamburg blieb ohne Erfolg (Urteil vom 24.02.2015, 4 K 41/13). Des Weiteren lehnte der Beklagte mit gleichem Steuerbescheid vom 30.11.2009 den Antrag auf Absehen von der Festsetzung der Energiesteuer aus Billigkeitsgründen ab unter Verweis darauf, dass das Verhalten der Klägerin nicht entschuldbar sei. Für den weiteren Steuerschuldner, die B, sei die Energiesteuer hingegen nach § 163 AO abweichend auf null Euro festgesetzt worden.

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Gegen die Ablehnung des Antrags auf abweichende Festsetzung der Energiesteuer aus Billigkeitsgründen legte die Klägerin Einspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass ihr Verhalten entschuldbar sei, weil es keine besonderen Anhaltspunkte für ein grob fahrlässiges oder gar vorsätzliches Handeln gebe und nicht ihre Stellung als erfahrene Wirtschaftsbeteiligte per se zum Ausschluss von der Billigkeit führen dürfe, sondern die Würdigung des Einzelfalls zu berücksichtigen sei. Sie, die Klägerin, verfüge über eine unbeanstandete EDV-technische Erlaubnisscheinverwaltung, nach der es systemtechnisch sichergestellt sei, dass unversteuerte Lieferungen aus ihren Steuerverkehren nur dann erfolgen könnten, wenn eine gültige Erlaubnis des Empfängers, d.h. des Verfügungs-/Dispositionsberechtigen, vorliege. Dennoch ließen sich Arbeitsfehler oder Fehler aufgrund irrtümlicher Rechtsanwendung nicht gänzlich vermeiden. Auch hier seien die Lieferungen nicht ohne Erlaubnis, sondern gegen gültige Erlaubnis der E-GmbH erfolgt, wobei steuerlicher Warenempfänger im Energiesteuerrecht der steuerliche Verfügungsberechtigte der Energieerzeugnisse, die E-GmbH, und nicht der Rechnungsempfänger sei. Aufgrund ihrer, der Klägerin, rechtlich fundierten Subsumtion seien die Lieferungen daher korrekt erfolgt. Es liege keine von vornherein ohne Vorlage einer Erlaubnis erfolgte Lieferung vor, sondern allenfalls ein entschuldbarer Rechtsirrtum, zumal es sich nicht um eine einfache, sich jedem unmittelbar erschließende, sondern um einen komplizierte rechtliche Beurteilung handele. Zudem sei die gewählte steuerliche Abwicklung auch von der mit energiesteuerrechtlichen Sachverhalten vertrauten E-GmbH als rechtlich zulässig angesehen worden. Zweifel an der Richtigkeit ihrer, der Klägerin, Rechtsaufassung seien nicht angebracht gewesen, so dass eine vorherige Abstimmung mit der Zollverwaltung nicht angezeigt gewesen sei. Durch die telefonische Mitteilung am 09.07.2008 sei sie, die Klägerin, lediglich darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass der Beklagte Zweifel an der Zulässigkeit der steuerlichen Abwicklung habe. Diesen Hinweis habe sie, die Klägerin, zum Anlass genommen, ihre Rechtsauffassung noch einmal zu überprüfen. Diese Prüfung und ein Informationsaustausch mit der E-GmbH hätten keine begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens ergeben. Erst nach Eingang der entsprechenden schriftlichen Mitteilung des Beklagten vom 14.07.2008 am 17.07.2008 sei die Belieferung der B gegen Erlaubnis der E-GmbH umgehend eingestellt worden. Zudem sei sie, die Klägerin, gleich zu behandeln mit der B, deren Antrag auf abweichende Festsetzung der Energiesteuer stattgegeben worden sei, und die in gleicher Weise wie sie, die Klägerin, auf die Zulässigkeit der steuerlichen Abwicklung durch die E-GmbH vertraut habe. Bei der vorliegenden Besteuerung von Schiffsbetriebsstoffen wegen der Abgabe an einen gegebenenfalls formal nicht berechtigten Verteiler trotz durchgehender Gewährleistung der steuerlichen Überwachung und Kontrolle sowie der nachweislich formal und materiell steuerfrei zulässig erfolgten Endverwendung handele es sich zudem um einen atypischen Sachverhalt, bei dem die Besteuerung dem Zweck der §§ 8 Abs. 1 Satz 1 und 2, 27 EnergieStG zuwiderlaufe. Die Besteuerung habe damit die Wirkung einer strafähnlichen Sanktion für ein ordnungswidriges Verhalten und sei unverhältnismäßig. Eine nachträgliche Belastung des steuerbegünstigten Verwenders, der D, mit der Energiesteuer sei nach den zivilrechtlichen Verträgen nicht möglich und die D als einzig möglicher Entlastungsberechtigter nach § 52 Abs. 2 EnergieStG sei aus verschiedensten Erwägungen nicht bereit, einen entsprechenden Entlastungsantrag zu stellen.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 24.10.2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Persönliche Billigkeitsgründe seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Sachliche Billigkeitsgründe seien in der Regel nur gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des in Betracht kommenden Steuergesetzes angenommen werden könne, dass die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage im Falle ihrer ausdrücklichen Regelung im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden worden wäre. Nach Nr. 7.1.5 Satz 3 AO-DV Zoll zu § 227 AO i.V.m. Nr. 6 AO-DV Zoll zu § 163 AO dürfe eine Vergünstigung insbesondere gewährt werden, wenn die Steuer dadurch entstanden sei, dass Steuerlagerinhaber oder Inhaber einer Verteilererlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung verbrauchsteuerpflichtige Erzeugnisse an Abnehmer abgegeben hätten, denen eine Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung noch nicht erteilt gewesen sei, die diese Erlaubnis jedoch binnen drei Monaten nach der vorzeitigen Lieferung erhalten hätten. Voraussetzung sei, dass die Erzeugnisse unverzüglich in die steuerlichen Anschreibungen des Lieferers aufgenommen worden seien und Zweifel, dass sie zu dem begünstigten Zweck verwendet worden seien oder verwendet würden, nicht bestünden. Diese Voraussetzungen seien als erfüllt anzusehen. Eine Vergünstigung dürfe aber nur gewährt werden, soweit das Verhalten auch entschuldbar sei. Das Verhalten der Klägerin sei jedoch nicht entschuldbar. Dem Vortrag der Klägerin, sie sei einer steuerlichen Fehlinterpretation unterlegen, könne nicht gefolgt werden. B sei sowohl Waren- als auch Rechnungsempfängerin. Eine Fehlinterpretation dieser steuerlichen Tatsache liege fern. Hätte die Klägerin wirklich sichergestellt, dass unversteuerte Lieferungen aus ihren Steuerverkehren nur gegen Vorlage einer gültigen Erlaubnis des Empfängers erfolgen könnten, hätte es zu dem Verfahrensfehler nicht kommen können. Es habe hier offensichtlich an Sicherungsmechanismen gemangelt, denn die E-GmbH sei laut Vertrag mit B nur Dispositeur zur Versorgung des Tanklagers B und keinesfalls steuerlicher Empfänger. Auch von der E-GmbH sei in ihren Abholscheinen B als Empfänger der Ware benannt worden. Die Klägerin gehöre ... und verfüge schon von daher über umfangreiche Erfahrungen und fundierte Kenntnisse im Energiesteuerbereich. Für die Klägerin sei insbesondere der Handel mit steuerpflichtigen Energieerzeugnissen ein wesentlicher Bestandteil des Kerngeschäfts, somit sei sie mit allen denkbaren Verfahrensmöglichkeiten im Energiesteuerrecht schon aus rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertraut. An Personen- oder Sachmitteln zur Informationsbeschaffung im Bereich des Energiesteuerrechts mangele es aufgrund umfangreicher, langjähriger Netzwerke in der Mineralölwirtschaft ohnehin nicht. Auch die Systematik des auf Drängen der Mineralölwirtschaft normierten Streckengeschäfts als eine vereinfachte Art der Abwicklung des steuerbegünstigten Verteilens von Energieerzeugnissen sei der Klägerin zweifelsfrei bekannt. Das Verhalten der Klägerin erscheine auch schon deshalb nicht als entschuldbar, weil Ausgangspunkt für die Umstellung der Geschäftsabwicklung nicht ein Handelsengpass, eine wirtschaftliche Notsituation bzw. ein Arbeitsfehler eines einzelnen Mitarbeiters gewesen sei, sondern die Vorgabe des Mutterkonzerns, nur noch Doppel-Hüllen-Tanker in Einsatz zu bringen. In Kenntnis der geplanten Änderung der Vertriebswege der steuerpflichtigen Erzeugnisse hätte sich die Klägerin beim Hauptzollamt im Vorwege um Informationen zur steuerrechtlichen Lage bemühen müssen. Zudem habe die Klägerin nicht einmal den telefonischen Hinweis des Hauptzollamts auf das vorschriftswidrige Verhalten als Indiz für ein steuerliches Fehlverhalten gewertet. Seitens der Klägerin sei billigend in Kauf genommen worden, die energiesteuerrechtlichen Verfahrensvorschriften zu verletzen, um damit eventuelle Konventionalstrafen der Kunden, Verlust der Geschäftsbeziehungen zur D bzw. Abmahnungen innerhalb des Konzerns zu verhindern.

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Mit ihrer am 22.11.2011 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter: Sie habe in der Vorgehensweise, dass die E-GmbH im Auftrag der B ab der Entnahme aus dem Steuerlager die Verfügungsmacht über das MFO habe erhalten und die früher von ihr, der Klägerin, durchgeführte Logistik, auch in steuerlicher Hinsicht habe übernehmen sollen, keine steuerlichen Probleme gesehen, weil das Öl von ihr, der Klägerin, zum Zweck der steuerbegünstigten Verwendung durch die dazu berechtigte D an einen dazu berechtigten Verteiler abgegeben worden sei. Sie habe sich am 16.04.2008 an das HZA S gewandt und um Bestätigung gebeten, dass die E-GmbH berechtigt sei, das MFO zu beziehen. Die E-GmbH ihrerseits habe sich bereits Ende März 2008 bei dem Außenprüfer des Beklagten Herrn G erkundigt, ob diese Verfahrensweise in Anlehnung an eine früher schon einmal so gehandhabte Verfahrensweise zulässig sei, worauf Herr G dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mündlich zugestimmt habe. Daraufhin habe die E-GmbH bei der Mitarbeiterin des Beklagten Frau H angefragt, ob das MFO über ihre Verteilererlaubnis verteilt werden könne. Auch diese habe, wie mündlich mitgeteilt, keine Bedenken gehabt. Erst Anfang der Kalenderwoche 25.06.-01.07.2008 habe Herr G der E-GmbH mitgeteilt, dass es sich hier um keine Streckenlieferung handele und sie sich ihre Verteilererlaubnis um die Lagerstätte der B ergänzen lassen müsse. Auf den schriftlichen Erweiterungsantrag der E-GmbH habe Frau H noch am 14.07.2008 um Vorlage weiterer Unterlagen und Informationen gebeten, am 16.07.2008 sei der Antrag abgelehnt worden. Am 09.07.2008 habe Frau H ihr, der Klägerin, telefonisch mitgeteilt, dass sie Zweifel an der Zulässigkeit der neu praktizierten Vorgehensweise habe. Daraufhin habe sie, die Klägerin, unverzüglich angeordnet, dass ab sofort keine Lieferungen an B aufgrund der Verteilererlaubnis der E-GmbH mehr vorgenommen werden dürften, und habe dies mit der E-GmbH abgestimmt. Zwei Lieferungen, nämlich diejenige vom 10.07.2008, 14 Uhr, und diejenige vom 14.07.2008, 6 Uhr, habe die E-GmbH zu diesem Zeitpunkt bereits disponiert gehabt, sie hätten offensichtlich nicht mehr gestoppt werden können. Sie, die Klägerin, habe davon erst erfahren, nachdem die Schiffe bereits unterwegs gewesen seien. Außerdem sei der telefonische Warnhinweis des Beklagten vom 09.07.2008 als die Mitteilung von "Zweifeln" aufgefasst worden. Sie, die Klägerin, habe sich sehr wohl die Umstellung des Verfahrens zollamtlich absichern lassen. Denn die E-GmbH habe sich, in enger Abstimmung mit dem Beklagten, rechtzeitig um eine Bestätigung der Verfahrensweise bemüht. Es gebe keinen Sinn und keine Rechtspflicht, dass sie, die Klägerin, sich ihrerseits selbst nochmals mit dem Beklagten in Verbindung setze, um dieselben Fragen zu stellen. Nur ein Warnhinweis, die neue Verfahrensweise könne rechtlich zweifelhaft sein und man solle sie bis zur endgültigen Klärung hinausschieben, hätte weitergehende Abstimmungsprozeduren mit dem Beklagten auslösen können. Ihr, der Klägerin, Verhalten sei damit entschuldbar. Unabhängig davon sei sogar evident, dass sie mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt habe, weil ihre Rechtsauffassung, dass die Abgabe des MFO an die E-GmbH berechtigt gewesen sei, richtig, jedenfalls sehr gut vertretbar sei. Es sei keine Steuer entstanden und wenn doch, habe sie, die Klägerin, in jedem Fall gutgläubig gehandelt. Es sei insoweit auf ihren Vortrag zur Begründung des Einspruchs gegen die Energiesteuerfestsetzung zu verweisen. Maßstab sei Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. Nr. L 9, S. 12, im Folgenden: RL 2008/118/EG), wonach der Verbrauchsteueranspruch ausschließlich mit der rechtmäßigen oder rechtswidrigen Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr entstehe. Das MFO habe sich auf dem Weg zur D nicht im freien Verkehr befunden, weil die E-GmbH als Erlaubnisinhaber vom Steuerlager der Klägerin bis zur Bunkerstation der B es unter ihrer Obhut gehabt habe und dies in den steuerrechtlichen Anschreibungen ordnungsgemäß erfasst worden sei. Sollte also in der Abgabe an die E-GmbH eine Unterbrechung der Steueraufsicht liegen, wäre diese wegen der zweckgerechten Verwendung des MFO durch die D steuerunschädlich. Entscheidend für §§ 8 Abs. 1 Satz 2, 24, 27 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG sei, dass das MFO zwar nicht unmittelbar, wohl aber, was ausreiche, mittelbar an einen berechtigten Endverwender abgegeben worden sei, ohne zwischenzeitlich in den freien Verkehr i.S.d. Art. 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 lit. b) RL 2008/118/EG gelangt zu sein. Zudem seien die geltend gemachten Steuern objektiv systemwidrig und unbillig. Das Erfordernis einer Entschuldbarkeit sei im Verbrauchsteuerrecht entbehrlich. Entscheidend für einen sachlichen Billigkeitsgrund sei der gesetzliche Besteuerungstatbestand, der in seiner konkreten Anwendung einen Überhang produzieren müsse. Sei nun aber der gesetzliche Besteuerungstatbestand, wie stets im Verbrauchsteuerrecht und speziell im Energiesteuerrecht, objektiv gefasst, könne die Gut- bzw. Bösgläubigkeit des Steuerschuldners grundsätzlich keine Rolle spielen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 27.11.1979, VII R 70/77, zur Biersteuer) sei die Entschuldbarkeit kein den objektiv gegebenen Überhang einengendes Tatbestandsmerkmal, vielmehr gebe es neben dem objektiven noch einen subjektiven Überhang, der eine sachliche Billigkeitsmaßnahme nach §§ 163, 227 AO rechtfertige. Damit sei Nr. 7.1.5 Satz 3 AO-DV Zoll zu § 227 AO i.V.m. Nr. 6 AO-DV Zoll zu § 163 AO nicht vereinbar. Sei, wie hier, die fragliche Verwendung steuerfrei und die in der fehlenden Verteilererlaubnis liegende Unterbrechung der Steueraufsicht geheilt worden, seien die Ziele der Verbrauchbesteuerung offenkundig erreicht. Sehe man sich aus Kontrollgründen nicht in der Lage, die folgenlos gebliebene Unterbrechung der Steueraufsicht durch Auslegung des Steuerentstehungstatbestandes zu bereinigen, müsse dies im Billigkeitswege geschehen, ohne dass es auf subjektive Gegebenheiten beim Steuerschuldner ankommen könne. Verschuldensmomente könnten billigkeitsrechtlich eine Rolle spielen, wenn die durchgeführte Besteuerung zwar noch objektiv im gesetzlichen Besteuerungszweck liege, aber besondere Umstände beim Steuerschuldner die Erhebung der Steuer doch als unbillig erscheinen ließen. Hier aber könne die Entstehung der Energiesteuern mit dem Gesetzeszweck des § 27 Abs. 1 EnergieStG nicht begründet werden. Hätte sie, die Klägerin, die geltend gemachten Steuern an die D weiterbelastet, hätte die D einen Entlastungsanspruch nach § 52 Abs. 2 EnergieStG gehabt. Diese sei aber weder bereit, diesen Entlastungsanspruch selbst geltend zu machen, noch ihn abzutreten. Damit sei auch unter diesem Gesichtspunkt belegt, dass das Energiesteuergesetz objektiv einen nicht gewollten Überhang vorsehe. Der Entlastungsanspruch belege, dass dem Staat die vom Beklagten geltend gemachten Steuern objektiv nicht zustünden. Dies sei im Billigkeitswege zu korrigieren. Zudem sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 13.12.1994, 2 BvR 89/91, zur Mineralölsteuer) die Besteuerung der Abgabe an einen nichtberechtigten Steuerlagerinhaber oder Verteiler bei einer sich anschließenden Verwendung als Kraftstoff, die versteuert werde, eine strafähnliche Sanktion für ein ordnungswidriges Verhalten, die durch das Anliegen, das Steueraufkommen durch eine Doppelbesteuerung zu sichern, nicht mehr gerechtfertigt werden könne. Diese Fallgestaltung zeige eine Parallele zum vorliegenden Fall, bei dem die Verwendung nach § 27 Abs. 1 EnergieStG steuerfrei sei. Zusammenfassend sei die Besteuerung einer bloßen Unterbrechung der Steueraufsicht im Energiesteuerrecht jedenfalls im Billigkeitswege zu beseitigen, falls sich dem Verfahrensverstoß eine den Steuerzielen der Energiesteuer entsprechende Verwendung anschließe und die Sicherung des Steueraufkommens zu keiner Zeit gefährdet gewesen sei. In Bezug auf den nach dem Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 24.02.2015, 4 K 41/13, bestandskräftigen Energiesteuerbescheid vom 30.11.2009 sei vorzutragen: Bestandskräftige Entscheidungen dürften im Billigkeitswege korrigiert werden, wenn sie eindeutig falsch seien und die Bestandskraft nicht auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen zurückzuführen sei. Das sei hier der Fall. Der Steuerbescheid und die Entscheidungen des Finanzgerichts Hamburg vom 24.02.2015 sowie des Bundesfinanzhofs vom 21.10.2015, VII B 39/15, seien eindeutig falsch. Dies belegten zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 02.06.2016, C-355/14 - Polihim-SS - und Urteil vom 0206.2016, C-418/14 - ROZ-SWIT -), die hier anwendbar seien. Denn allein der jeweilige Verbrauch des verbrauchsteuerpflichtigen Energieerzeugnisses entscheide über die Besteuerung (so Polihim) oder über die Anwendung des Steuersatzes (so ROZ-SWIT). Damit sei die Besteuerung einer bloßen Verletzung einer Steueraufsichtsmaßnahme unvereinbar, hier der Verstoß gegen die Verteilererlaubnispflicht. Eine solche Besteuerung von bloßen Verfahrensverstößen ohne Auswirkung auf den steuerbegünstigten Verbrauch widerspreche offensichtlich dem Charakter der Energiesteuer als Verbrauchsteuer sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Steueraufsichtsmaßnahmen sollten das Steueraufkommen sicherstellen, seien aber kein Selbstzweck. Ordnungsverstöße seien also solche zu behandeln, also zu bebußen, aber nicht mit dem Steuerschuldrecht zu sühnen. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Mehrwertsteuerrecht - dem allgemeinen Verbrauchsteuerrecht - sei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zwischen formellen und materiellen Steuerbefreiungsvorschriften zu unterscheiden und es könne nur der Verstoß gegen eine materielle Steuerbefreiungsvorschrift zum Verlust der Steuerfreiheit führen. Die gleiche Rechtsfrage stelle sich unter dem Rechtsregime der RL 2008/118/EG und sei auch vorliegend von Bedeutung. Steueraufsichtsmaßnahmen im besonderen Verbrauchsteuerrecht, wie hier die Pflicht, sich eine Verteilererlaubnis einzuholen, dienten der Sicherstellung des gesetzlichen Steuerbefreiungszwecks und der Verhinderung von Steuermissbrauch, sie seien aber nicht selbst Rechtsgrund für die Steuerbefreiung, hier der Verwendung von MFO in der gewerblichen Seeschifffahrt. Es sei unerheblich, ob die Frage, ob eine Energiesteuer nach der RL 2008/118/EG auch dann entstehen könne, wenn das Energieerzeugnis nachweislich wie vom Gesetz vorgeschrieben steuerbegünstigt verwendet worden sei, im Verfahren gegen den Steuerbescheid oder in einem Billigkeitsverfahren gestellt werde, denn es gehe auch bei der Frage nach der sachlichen Billigkeit darum, dass der Steuerbescheid auf einer übermäßigen Interpretation des Art. 7 Abs. 1 RL 2008/118/EG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 lit. c) der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. Nr. L 283, S. 51, im Folgenden: RL 2003/96/EG) beruhe. Die Bestandskraft des Steuerbescheides sei auch nicht auf ein Verschulden der Klägerin zurückzuführen, da bislang nicht die Möglichkeit bestanden habe, die sachlich richtige Anwendung des Unionsrechts gegenüber dem Europäischen Gerichtshof geltend zu machen. Ferner sei auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 02.06.2016 (C-226/14 und C-228/14 - Eurogate Ditribution GmbH) und vom 01.06.2017 (C-571/15 - Wallenborn Transports SA) zu verweisen. Übertrage man die darin für die Einfuhrumsatzsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer getroffenen Feststellungen auf die besondere Verbrauchsteuer, könnten Unregelmäßigkeiten auf der Verteilerebene keine Steuererhebung nach sich ziehen. Zusammenfassend ergebe sich aus der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass der Verstoß gegen Steueraufsichtsmaßnahmen auf der Verteilerebene unter folgenden Voraussetzungen eine reine Ordnungswidrigkeit sei, die keine steuerschuldrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehe: Erstens, die materiellen Steuerbefreiungsvorschriften für die Verwendung lägen objektiv und nachweislich vor, und, zweitens, den Verkäufen liege kein steuerlicher Missbrauch zugrunde. Beides sei hier der Fall. Der Umstand der physischen Sachherrschaft des Zwischenhändlers sei demgegenüber nachrangig, weil verbrauchsteuerpflichtige Erzeugnisse nach ihrer tatsächlichen Verwendung besteuert würden und die Sachherrschaft kein Anhaltspunkt für Steuermissbrauch sei. Es sei daher anzuregen, den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV anzurufen und ihm folgende Frage zu stellen: "Entsteht der Energiesteueranspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2008/118/EG, wenn sich der Entnahme der verbrauchsteuerpflichtigen Ware aus dem Verfahren der Steueraussetzung eine Verwendung unmittelbar oder mittelbar anschließt, die nachweislich nach Art. 14 Abs. 1 lit. c) RL 2003/96/EG von der Steuer befreit ist, und wenn damit keine Steuerumgehung bzw. Steuerhinterziehung verbunden ist?"

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Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 30.11.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.10.2011 zu verpflichten, ihr Energiesteuer in Höhe von ... EUR zu erstatten.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Für eine ermessensgerechte Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme im Festsetzungsverfahren sei in jedem Fall zu prüfen, ob eine Billigkeitsmaßnahme bei objektiver Betrachtung des Falls geboten und aufgrund des Verhaltens des Abgabenschuldners gerechtfertigt sei. Für einzelne Fallgestaltungen sei in der AO-DV Zoll als die Verwaltung bindende Anweisung geregelt, dass diese dem Grunde nach einer Billigkeitsmaßnahme zugänglich seien, und es seien gegebenenfalls gesondert zu erfüllende Bedingungen aufgenommen worden. So liege der Fall hier, denn die Verwaltungsvorschrift zu § 227 AO sehe u.a. vor, dass eine Vergünstigung nur gewährt werden dürfe, soweit das Verhalten entschuldbar sei. Das Verhalten der Klägerin sei aber nicht entschuldbar. Die Klägerin mache geltend, dass sie seitens des Beklagten nicht rechtzeitig und nicht mit der gebotenen Intensität darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass ihr Vorgehen vorschriftswidrig gewesen sei, und dass die von ihrem Vertragspartner fernmündlich bei einem Außenprüfer des Beklagten eingeholte und unter einem Prüfungsvorbehalt erteilte Auskunft ihr gegenüber Vertrauensschutz entfalte. Mit der Entscheidung der Klägerin, nach Aufgabe der Bunkerstation B als Lagerstätte der Klägerin das MFO künftig an die B zu verkaufen, damit diese damit Schiffe der D beliefere, sei keine Umstellung der Art der Bebunkerung verbunden gewesen. B sei nicht im Besitz einer entsprechenden Verteilererlaubnis gewesen. Die Klägerin mache auch nicht geltend, sich beim Hauptzollamt S - Zentrale Verbrauchsteuern - danach erkundigt zu haben. Gleichwohl habe die Klägerin das Energieerzeugnis an B verkauft. B sei in den Versandanzeigen als Rechnungs- und Warenempfängerin eingetragen gewesen. Die E-GmbH, die im Besitz einer Verteilererlaubnis sei, habe das Produkt zu B befördert und habe ebenfalls als Dienstleister bei den steuerlichen Anschreibungen gewirkt. Den von der Klägerin im Laufe des gerichtlichen Verfahrens zur Verfügung gestellten weiteren Unterlagen sei zu entnehmen, dass B der E-GmbH entgegen den Ausführungen in der Klagebegründung keine Verfügungsmacht über das MFO eingeräumt habe. Das bloße Führen steuerlicher Anschreibungen als Dienstleister im Rahmen eines Auftragsverhältnisses bedeute nicht die Übernahme der steuerlichen Verantwortung. B habe das angelieferte Produkt selber gelagert. B habe Eigentum und unmittelbaren Besitz an dem Produkt gehabt. B habe die Vereinbarung über die Belieferung der D übernommen und das Produkt an die Fähren abgegeben. Alles das sei der Klägerin bekannt gewesen. Die Klägerin wolle ihre Pflichten dadurch erfüllt gesehen haben, dass sie sich vergewissert habe, dass der mit dem Transport des MFO zu B beauftragte Dienstleister im Besitz einer Verteilererlaubnis gewesen sei, und wolle trotz ihrer, der Klägerin, langjährigen Erfahrung im Energiesteuerrecht in der dargestellten Konstruktion des "Ausleihens" einer dem Dienstleister erteilten höchstpersönlichen Erlaubnis an den tatsächlich Verfügungsberechtigten kein Problem gesehen haben. Träten bei steuerrechtlicher Bewertung eines Sachverhalts Zweifel auf oder ergäben sich Fragen, wäre es zur Absicherung des eingenommenen Standpunktes geboten gewesen, dem Beklagten die geplante zukünftige Abwicklung darzulegen, damit die steuerrechtlichen Auswirkungen rechtzeitig geklärt werden könnten. Dieser Sachverhalt sei dem zuständigen Sachgebiet des Beklagten vor dem 17.04.2008 nicht vollständig mitgeteilt worden. Die telefonische Anfrage der E-GmbH bei Frau H und die hierzu erteilte Zustimmung in der 16. Kalenderwoche hätten sich lediglich darauf bezogen, ob der E-Erlaubnisschein für das zu liefernde Erzeugnis verwendet werden könne. Zum Verfahren selbst seien keine Angaben gemacht worden. Auch komme es nicht darauf an, welche Anfragen mit welchen Informationen die E-GmbH fernmündlich an den im Steueraufsichtsdienst tätigen Zollbeamten G gerichtet habe, denn diese Frage sei nur mit einem Prüfungsvorbehalt beantwortet worden. Die von der Klägerin behauptete enge Abstimmung mit dem Beklagten habe also tatsächlich nicht stattgefunden. Damit habe der Beklagte auch keine "Warnhinweise" geben müssen. Im Übrigen habe die Klägerin in ihrer Anzeige von Änderungen im Betriebsstättenverzeichnis vom 02.07.2008 auch nur angezeigt, dass beim Werk der B der Lagerumschlagsvertrag aufgelöst worden sei. Erst auf Nachfrage habe sie die Rahmenvereinbarung mit der B am 03.07.2008 vorgelegt. Hinweise auf die E-GmbH als Dienstleister enthalte die Rahmenvereinbarung gerade nicht, vielmehr sei ausdrücklich geregelt, dass im Falle der Nichtbefahrbarkeit der ... oder des ... die Klägerin der B mindestens ein Tankschiff benennen werde, dessen Eigentümer/Charterer bereit sei, den Transport zu akzeptablen Bedingungen durchzuführen. Wie dieses Konstrukt mit einem anderen Beförderer als der E-GmbH hätte gelebt werden sollen, erschließe sich mit Blick auf die bei Vertragsschluss fehlende Verteilererlaubnis der B nicht. Auch dass die D nicht bereit gewesen sei, eine Versteuerung des MFO zu akzeptieren, um anschließend selber eine Entlastung zu beantragen, führe nicht zu einer anderen Bewertung. In § 52 EnergieStG sei geregelt, unter welchen Bedingungen eine Entlastung vorgenommen werden könne und wer anspruchsberechtigt sei. Ein Abweichen von dieser Regelung würde dem klaren Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen. Soweit die Klägerin unter Verweis auf die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die sachliche Prüfung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung im Billigkeitsverfahren begehre, sei dies nur möglich, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch sei und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar gewesen sei, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren. Hier fehle es bereits an einer offensichtlich und eindeutig unrichtigen Steuerfestsetzung. Das Finanzgericht Hamburg habe zu Recht die Steuerentstehung gemäß § 8 Abs. 1 EnergieStG bejaht. Das MFO sei nach dem Verlassen der Raffinerie nicht unmittelbar an ein Seeschiff abgegeben worden. Aufgrund der Unterbrechung des Transports durch Lagerung in einem Landtank habe für das Finanzgericht Hamburg keine Veranlassung bestanden, den Vorgang im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Im Beschwerdeverfahren habe sich der Bundesfinanzhof ebenfalls mit der Frage auseinandergesetzt, ob die von der Klägerin als klärungsbedürftig erachteten Fragen im Revisionsverfahren zu klären wären und dies verneint. Darüber hinaus habe der Bundesfinanzhof den deutlichen Hinweis eingestellt, dass es sich bei den Verwender- und Verteilerverfahren um nationale Verfahren handele, die im Unionsrecht nicht geregelt seien und bei deren Ausgestaltung die Mitgliedstaaten frei seien. Die nunmehr angeführte neueste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs führe ebenfalls nicht zu einer anderen Betrachtungsweise. Im Polihim-Urteil sei ein Energieerzeugnis über einen Zwischenhändler gehandelt, das Energieerzeugnis selber jedoch körperlich aus einem Steuerlager unmittelbar an einen berechtigten Endverbraucher geliefert worden. Im ROZ-SWIT-Urteil sei über die Höhe des anzuwendenden Steuersatzes für ein Energieerzeugnis gestritten worden, das unmittelbar an den Verbraucher abgegeben worden sei, es allerdings bei dem abgebenden Unternehmen an einer Anschreibung gemangelt habe. Damit sei jeweils ein anderer Sachverhalt entschieden worden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakte des Beklagten und der beigezogenen Verfahrensakte 4 K 41/13 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Die Ablehnung des Erstattungsantrags mit Bescheid vom 30.11.2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.10.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 101 Satz 1 FGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr beantragte Erstattung der mit Energiesteuerbescheid vom 30.11.2009 festgesetzten und bereits gezahlten Energiesteuer in Höhe von ... EUR im Wege einer Billigkeitsentscheidung.

13

Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend § 227 AO in Betracht. Danach können Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet werden. Die Entscheidung über einen Erlass bzw. eine Erstattung im Billigkeitswege ist, wie sich schon aus der Formulierung "können" in § 227 AO ergibt, eine Ermessensentscheidung (vgl. auch Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971, GmS-OGB 3/70, in: juris). Behördliche Ermessensentscheidungen kann das Gericht nach § 102 FGO grundsätzlich nur daraufhin überprüfen, ob eine Ermessensüber- oder -unterschreitung oder ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 23.09.2004, V R 58/03; Urteil vom 07.05.1981, VII R 64/79, jeweils in: juris), und zwar grundsätzlich bezogen auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BFH, Urteil vom 26.07.1972, I R 158/71, in: juris; für den in Erstattungsfällen aus persönlichen Billigkeitsgründen maßgeblichen Zeitpunkt der Abgabenentrichtung vgl. BFH, Urteil vom 24.09.1976, I R 41/75, in: juris). Die gerichtliche Prüfung hat sich - anders ausgedrückt - mit Ausnahme des Falles der Ermessensreduzierung auf nur eine mögliche ermessensfehlerfreie Entscheidung (sog. Ermessensreduzierung auf null, vgl. dazu etwa BFH, Urteil vom 21.01.1992, VIII R 51/88; Urteil vom 26.10.1994, X R 104/92, jeweils in: juris) auf die Prüfung zu beschränken, ob die Ablehnung des begehrten Steuererlasses bzw. der begehrten Steuererstattung unter dem Gesichtspunkt von Recht und Billigkeit vertretbar war, d.h. ob den Verwaltungsbehörden daraus ein Vorwurf gemacht werden kann, dass sie am gesetzlichen Steuertatbestand festgehalten haben. Das Gericht muss die Ablehnung des Erlasses bzw. der Erstattung bestätigen, wenn die Entscheidung ohne Verstoß gegen die Grundsätze von Recht und Billigkeit unter Abwägung der Interessen des Steuergläubigers am Einzug der nach dem Gesetz entstandenen und festgesetzten Steuern einerseits und der Verhältnisse des Steuerschuldners andererseits so getroffen werden konnte, wie sie getroffen wurde. Dem Gericht steht es nicht zu, an die Stelle der nach Recht und Billigkeit vertretbaren Verwaltungsentscheidungen als Ausfluss eigenen Ermessens eine ebenso gut mögliche, für den Steuerpflichtigen günstigere Entscheidung zu setzen (vgl. BFH, Urteil vom 19.01.1965, VII 22/62 S; Urteil vom 24.03.1981, VIII R 117/78; Urteil vom 09.09.1993, V R 45/91, jeweils in: juris).

14

Die Versagung der begehrten Erstattung der Energiesteuer hat der Beklagte ermessensfehlerfrei abgelehnt. Nach den vorstehenden Grundsätzen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte zu dem Schluss gekommen ist, dass die Erstattung von Energiesteuer aus Billigkeitsgründen nicht geboten ist. Da die Kriterien für einen Steuererlass nach § 227 AO wegen sachlicher oder persönlicher Unbilligkeit dieselben sind wie für eine abweichende Steuerfestsetzung wegen sachlicher oder persönlicher Unbilligkeit nach § 163 AO (vgl. Loose, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Band II, Stand: 151. Ergänzungslieferung März 2018, § 163 AO Rn. 8 m.w.N. aus der Rspr.) und Billigkeitsgründe sachlicher oder persönlicher Art, wie noch auszuführen sein wird, vorliegend nicht gegeben sind, hat der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.11.2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.10.2011 die abweichende Festsetzung der Energiesteuer und damit auch die - nunmehr - begehrte Erstattung der Energiesteuer jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgelehnt (zum Verhältnis der beiden Rechtsinstitute vgl. Loose, a.a.O., § 163 AO Rnrn. 21, 30; zur Vorzugswürdigkeit der Prüfung einer Billigkeitsmaßnahme nach § 227 AO nach Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung vgl. FG des Saarlandes, Urteil vom 19.01.1999, 1 K 133/97, in: juris, unter Verweis auf BFH, Urteil vom 29.11.1991, III R 191/90, in: juris).

15

Insbesondere hat der Beklagte fehlerfrei festgestellt, dass im Falle der Klägerin keine hinreichenden Billigkeitsgründe ersichtlich sind. Da die Klägerin keine persönlichen Billigkeitsgründe, also solche, die sich aus den persönlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen ergeben, geltend macht, kann Gegenstand der im vorliegenden Fall vorzunehmenden Prüfung nur die Frage eines Erlasses aus sachlichen Billigkeitsgründen sein.

16

Sachliche Billigkeitsgründe sind gegeben, wenn die Besteuerung im Einzelfall mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist. Das ist dann der Fall, wenn und soweit nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte, oder wenn angenommen werden kann, dass die Steuerbelastung den Wertungen des Gesetzgebers widerspricht (BFH, Urteil vom 27.05.2004, IV R 55/02; Urteil vom 13.05.1998, II R 98/97, jeweils in: juris). Erfüllt ein Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand, läuft aber die Besteuerung den Wertungen des Gesetzgebers zuwider, so kann ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein. Bei der Beurteilung müssen die Umstände außer Betracht bleiben, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt (BFH, Urteil vom 21.07.1993, X R 104/91, in: juris). Die Billigkeitsmaßnahme muss sich auf einen atypischen Fall beschränken. Bei der Billigkeitsprüfung müssen auch andere Rechtsnormen berücksichtigt sowie allgemeine Rechtsgrundsätze und verfassungsmäßige Wertungen einbezogen werden, wie zum Beispiel das Gleichheitsgebot und die Grundsätze von Treu und Glauben (vgl. BFH, Urteil vom 26.10.1994, X R 104/92, in: juris). Die Erlassentscheidung verlangt eine Gesamtbeurteilung desjenigen Rechts, das für die Verwirklichung des in Frage stehenden Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich ist. Dass prinzipiell alle für die konkrete Erlasslage ursächlichen Faktoren mit zu berücksichtigen sind, folgt aus der gesetzgeberischen Anordnung in § 227 AO, die Billigkeitsprüfung auf die "Einziehung nach Lage des einzelnen Falls" zu beziehen, sowie aus der allgemeinen Zwecksetzung dieser Vorschrift, Ergebnisse des allgemeinen Gesetzesvollzugs ausnahmsweise dann zu korrigieren, wenn diese den Wertungen der Einzelfallgerechtigkeit nicht standhalten (BFH, Urteil vom 26.10.1994, X R 104/92, in: juris, m.w.N.). Da § 227 AO eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Befreiungsvorschrift nicht ersetzen kann (vgl. BFH, Urteil vom 10.05.1972, II 57/64, in: juris), soll ein Erlass nur in solchen Fällen zulässig und geboten sein, die bei Erlass des Gesetzes nicht vorausgesehen und deren Härten nicht in Kauf genommen worden wären. Hat der Gesetzgeber die Härten gesehen und in Kauf genommen, so soll keine Unbilligkeit bestehen (BFH, Urteil vom 11.07.1996, V R 18/95; Urteil vom 25.01.1996, IV R 91/94; FG Bad.-Württ., Urteil vom 16.04.2004, 14 K 292/98, jeweils in: juris).

17

Sachliche Billigkeitsgründe liegen im Streitfall nicht vor, und zwar weder unter Berücksichtigung der unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und damit der Beachtung des Gleichheitssatzes auch bei der gerichtlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen heranzuziehenden AO-DV Zoll (dazu 1.) noch unter dem Aspekt, dass das Festhalten an der Energiesteuerschuld der Klägerin dem Willen des Gesetzgebers widerspricht (dazu 2.), noch unter dem von der Klägerin - hilfsweise - angeführten Gesichtspunkt der behaupteten eindeutigen und offensichtlichen Rechtswidrigkeit der zugrunde liegenden bestandskräftigen Energiesteuerfestsetzung vom 30.11.2009 nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zum allgemeinen Verbrauchsteuer- bzw. Energiesteuerrecht (dazu 3.).

1.

18

Sind Ermessensrichtlinien erlassen, überprüfen die Finanzgerichte auch, ob sich die Behörde an die Richtlinie gehalten hat, ob die erlassene Ermessensrichtlinie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält, und ob die Behörde von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, denn die Verwaltung ist in geeigneten Fällen zum Erlass von Verwaltungsvorschriften berechtigt, die das Ermessen der nachgeordneten Behörden lenken und binden (vgl. BFH, Urteil vom 11.04.2006, VI R 64/02, in: juris). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind die in den Billigkeitsrichtlinien für die Zollbehörden entwickelten Grundsätze, da sie den Niederschlag von Rechtsgedanken enthalten, die eine jahrzehntelange Ermessensausübung auf dem Gebiet der Zölle und Verbrauchsteuern aus dem Wesen dieser Abgaben hervorgebracht hat, unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und damit der Beachtung des Gleichheitssatzes auch bei der gerichtlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen als Material für die Rechtsfindung nicht ohne Bedeutung (BFH, Urteil vom 07.05.1981, VII R 64/79, in: juris, m.w.N.). Eine solche Richtlinie ist in Bezug auf sachliche Billigkeitsgründe in der AO-DV Zoll zu § 227 AO enthalten. Nach Nr. 7.1.5 AO-DV Zoll zu § 227 AO kann der Umstand, dass die Steuer dadurch entstanden ist, dass Steuerlagerinhaber oder Inhaber einer Verteilererlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung verbrauchsteuerpflichtige Erzeugnisse an Abnehmer abgegeben haben, denen eine Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung noch nicht erteilt war, die diese Erlaubnis jedoch binnen drei Monaten nach der vorzeitigen Lieferung erhalten haben, eine Billigkeitsmaßnahme hinsichtlich einer Verbrauchsteuerschuld rechtfertigen; Voraussetzung ist, dass die Erzeugnisse unverzüglich in die steuerlichen Anschreibungen des Lieferers aufgenommen worden sind und Zweifel, dass sie zu dem begünstigten Zweck verwendet worden sind oder verwendet werden, nicht bestehen; eine Vergünstigung darf nur gewährt werden, soweit das Verhalten entschuldbar ist.

19

Es bestehen keine Zweifel daran, dass diese Ermessenrichtlinie die gesetzlichen Grenzen einhält und daher bei der Entscheidung des Streitfalls herangezogen werden kann. Insbesondere ist, anders als die Klägerin meint, die einschränkende Voraussetzung, dass eine Vergünstigung nach Maßgabe von Nr. 7.1.5 AO-DV Zoll zu § 227 AO nur gewährt werden darf, soweit das Verhalten entschuldbar ist, nicht zu beanstanden. Die Klägerin verweist darauf, dass bei einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Steuerentstehung als Ausdruck eines eine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigenden objektiven Überhangs kein Raum für subjektive Elemente wie Verschuldensfragen sei. Der Klägerin ist zuzugeben, dass dieser Gedanke zwar im Ansatz zutreffend ist, allerdings nur insoweit, als billigkeitsbegründend eben allein auf eine vom Gesetzgeber (verschuldensunabhängig) vorgesehene, aber unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gleichwohl objektiv nicht gewollte Steuerentstehung abgestellt wird, was in Bezug auf den Streitfall unabhängig von Vorgaben der AO-DV Zoll zu § 227 AO nachfolgend unter 2. noch näher auszuführen sein wird. Im Rahmen der ermessenslenkenden AO-DV Zoll zu § 227 AO hingegen bleibt es der Finanzverwaltung unbenommen, Umstände, die eine Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Billigkeitsgründen rechtfertigen können, vom Umfang des Verschuldens abhängig zu machen, um einen typisierten Sachverhalt im Einzelfall als einen sachlichen Billigkeitsgrund anzuerkennen. Vor dem Hintergrund, dass in Nrn. 7.1.1 bis 7.1.7 AO-DV Zoll zu § 227 AO Umstände, die eine Billigkeitsmaßnahme hinsichtlich einer Verbrauchsteuerschuld rechtfertigen können, genannt werden, ohne dass dies, worauf Nr. 7.1. AO-DV Zoll zu § 227 AO ausdrücklich hinweist, eine abschließende Aufzählung wäre, bleibt auch nach der Ermessenrichtlinie hinreichend Ermessensspielraum, um eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Steuerentstehung als Ausdruck eines eine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigenden objektiven Überhangs des Verbrauchsteuergesetzes unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Antragstellers als sachlichen Billigkeitsgrund einzustufen, vgl. auch Nr. 5.2. AO-DV Zoll zu § 227 AO. Das bedeutet, dass, wenn gewisse Bedingungen, die von der Ermessensrichtlinie für die Bejahung eines die Billigkeitsmaßnahme rechtfertigenden typisierten Sachverhalts genannt werden, nicht erfüllt werden, zwar insoweit eine Billigkeitsmaßnahme ausscheidet, jedoch gleichwohl eine Billigkeitsmaßnahme unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, soweit diese einen sachlichen Billigkeitsgrund - ggf. aus. weiteren, neben den ausdrücklich benannten Umständen zu berücksichtigenden Aspekten - zu tragen vermögen, durchaus möglich bleibt.

20

Dies vorweggeschickt, ist festzustellen, dass der Beklagte eine Billigkeitsmaßnahme nach Maßgabe der hier allein in Betracht kommenden Nr. 7.1.5 AO-DV Zoll zu § 227 AO zu Recht versagt hat.

21

Im vorliegenden Fall sind zwar die in der Ermessenrichtlinie unter Nr. 7.1.5 AO-DV Zoll zu § 227 AO genannten ersten beiden Bedingungen unstreitig erfüllt: Erstens hat ein Steuerlagerinhaber - hier die Klägerin - verbrauchsteuerpflichtige Erzeugnisse an einen Abnehmer, dem eine Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung noch nicht erteilt war, der diese Erlaubnis jedoch binnen drei Monaten nach der vorzeitigen Lieferung erhalten hat - hier die B in Bezug auf eine entsprechende Verteilererlaubnis -, abgegeben, und zweitens sind die Erzeugnisse unverzüglich in die steuerlichen Anschreibungen des Lieferers aufgenommen worden und Zweifel, dass die Erzeugnisse zu dem begünstigten Zweck verwendet worden sind - hier durch die D als Schiffsbetriebsstoff - bestehen nicht.

22

Demgegenüber ist die weitere in der Ermessensrichtlinie genannte Bedingung, dass das Verhalten der Klägerin entschuldbar ist, nicht erfüllt. Der Beklagte ist in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass das Verhalten der Klägerin nicht entschuldbar ist.

23

Der Begriff des nicht entschuldbaren Verhaltens ist mit dem Begriff des Verschuldens gleichzusetzen. Das Verschulden hat sich im vorliegenden Fall zu beziehen auf die für die Steuerentstehung maßgebliche Entfernung von Energieerzeugnissen aus dem Steuerlager nach § 8 Abs. 1 EnergieStG nach der zum Zeitpunkt der Vornahme der streitgegenständlichen Lieferungen gültigen Fassung des Gesetzes vom 15.07.2006 (BGBl. I S. 1534) - im Folgenden: EnergieStG a.F., soweit abweichende Regelungen enthaltend -, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren oder ein Zollverfahren nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG a.F. anschließt, oder dass die Energieerzeugnisse zum Ge- oder Verbrauch innerhalb des Steuerlagers entnommen werden (Entnahme in den freien Verkehr, Satz 1), bzw. ohne dass sich an die Entnahme in den freien Verkehr ein Verfahren der Steuerbefreiung, § 24 Abs. 1 EnergieStG, anschließt (Satz 2). Ausgehend von allgemeinen Rechtsgrundsätzen liegt Verschulden bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit vor. Mangels anderslautender Anhaltspunkte kann von einem vorsätzlichen Verhalten der Klägerin in Bezug auf das Nichtvorliegen eines sich an die Entnahme des MFO aus ihrem Steuerlager anschließenden Verfahrens der Steuerbefreiung im Sinne des § 24 Abs. 1 EnergieStG - nur ein solches der Steuerentstehung nach § 8 Abs. 1 EnergieStG a.F. entgegenstehendes Verfahren kommt vorliegend, auch aus Sicht der Klägerin, überhaupt in Betracht - nicht ausgegangen werden. Das Verhalten der Klägerin stellt sich jedoch als fahrlässig dar, d.h. sie hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, als sie das MFO aus ihrem Steuerlager entnahm und aufgrund der Vertragsbeziehung zwischen ihr und der B an die B abgab und dabei - irrigerweise - davon ausging, dass sich unter Einbeziehung der von B beauftragten E-GmbH als Dispositeur der abgerufenen MFO-Lieferungen eine steuerfreie Verteilung des MFO nach §§ 24 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG angeschlossen habe. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

24

Anlass der zur streitgegenständlichen Energiesteuerentstehung führenden Vorgehensweise bei der Abgabe des MFO an die B unter Einbindung der E-GmbH war eine konzerninterne Vorgabe, nach der die bisher praktizierte Auslieferung des MFO an die seinerzeit als Betriebsstätte der Klägerin zugelassene Bunkerstation B in C durch konzerneigene Schiffe wegen neuer sicherheitstechnischer Vorgaben des Konzerns nicht mehr möglich war, so dass die Klägerin das MFO nicht mehr selbst transportieren und daher das MFO, statt an die D, nunmehr an B abgeben und den Transport des MFO der B bzw. der von B für diese Zwecke beauftragten E-GmbH überlassen wollte. Die mit der Umstellung der Verfahrensweise einhergehenden Folgen und Risiken waren damit allein dem regulären Geschäfts- und Risikobereich der Klägerin zuzuordnen, und nicht etwa die Folge unvorhersehbarer oder besonders ungewöhnlicher Umstände. Bei der Klägerin handelt es sich um ... und um eine im Handel mit Energieerzeugnissen und zudem auch als Verteiler von steuerfreien Schiffsbetriebsstoffen langjährig tätige Firma, die zudem in einen in diesem Bereich international tätigen Konzern eingebunden ist. Sie ist dementsprechend gehalten und auch ohne weiteres in der Lage, sich über die für ihre Tätigkeit einschlägigen energiesteuerrechtlichen Vorschriften hinreichend zu informieren, sei es durch Einholung externen Rechtsrates, sei es durch ein entsprechendes Auskunftsersuchen beim Beklagten.

25

Die der Klägerin dementsprechend obliegenden Sorgfaltspflichten bei der Abklärung der energiesteuerrechtlichen Zulässigkeit der neuen Verfahrensweise im Zusammenhang mit der Abgabe des MFO hat sie verletzt, indem sie sich allein auf ihre eigene steuerrechtliche Einschätzung und die der E-GmbH verlassen hat und dabei von einer unzutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen ist.

26

Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe das Vorgehen mit der steuerlich erfahrenen E-GmbH abgestimmt und sich in diesem Zusammenhang zudem auf Aussagen von Mitarbeitern des Beklagten dahin gehend, dass das Vorgehen grundsätzlich steuerrechtlich zulässig sei, gestützt und daher nicht sorgfaltswidrig gehandelt, überzeugt dies nicht.

27

Inwieweit die von B beauftragte E-GmbH ihrerseits davon ausging oder aufgrund von etwaigen Auskünften von Mitarbeitern des Beklagten davon ausgehen durfte, dass die Klägerin das MFO aus ihrem Steuerlager entnehmen und an B abgeben konnte, ohne dass dafür Energiesteuer anfiel, ist für die Sorgfaltspflichtverletzung der Klägerin irrelevant. Wie ausgeführt, betrifft die Klärung der energiesteuerrechtlichen Lage in erster Linie die Klägerin, die die ordnungsgemäße Abwicklung ihrer neu gestalteten vertraglichen Beziehungen mit B wegen des Verkaufes des MFO sicherstellen muss. Im Übrigen sind die Angaben, aufgrund derer die E-GmbH von der steuerrechtlichen Zulässigkeit des gewählten Verfahrensmodells ausging, wenig belastbar. Der von der Klägerin angeführte Verweis auf eine angeblich in der Vergangenheit durch die E-GmbH schon einmal in ähnlicher Weise praktizierte und von den Zollbehörden akzeptierte Verfahrensweise bleibt vage und ist von der Klägerin in keiner Weise näher substantiiert worden. Soweit der im Steueraufsichtsdienst des Beklagten tätige Herr G der E-GmbH gegenüber Ende März 2008 telefonisch geäußert haben soll, dass keine Bedenken gegen die beabsichtigte Verfahrensweise bestünden, entlastet dies die Klägerin ebenfalls nicht. Denn - unabhängig von dem nicht näher bekannten genauen Inhalt - ist diese Äußerung auch nach eigenen Angaben der Klägerin unter dem Vorbehalt einer Nachprüfung erfolgt und kann daher schon deshalb im Ergebnis nicht zu einem zugunsten der Klägerin verminderten Sorgfaltspflichtmaßstab führen.

28

Ebenso wenig rechtfertigen der von der Klägerin behauptete Umstand, dass die E-GmbH zudem bei der Mitarbeiterin des Beklagten Frau H angefragt habe, ob das MFO über ihre Verteilererlaubnis verteilt werden dürfe, und diese keine Bedenken gehabt habe, sowie der weitere Umstand, dass die Klägerin ihrerseits beim Hauptzollamt S zuvor die Bestätigung eingeholt hat, dass die E-GmbH zum Bezug des MFO berechtigt ist, keine der Klägerin günstigere Beurteilung. Denn die bestehende Verteilererlaubnis der E-GmbH führt nicht dazu, dass die B, die ihrerseits keine Verteilererlaubnis hatte, zum steuerfreien Bezug des MFO berechtigt gewesen wäre, nur weil die Abwicklung des Transportes durch die E-GmbH veranlasst wurde.

29

Weitergehende Anfragen an die Zollbehörden unter Offenlegung der gesamten Umstände der beabsichtigten neuen Verfahrensweise, insbesondere also auch der entsprechenden vertraglichen Abreden zwischen der Klägerin und der B sowie zwischen der B und der E-GmbH, haben weder die Klägerin noch die E-GmbH gestellt, und zwar weder im Vorfeld der streitgegenständlichen MFO-Lieferungen noch während der Lieferphase selbst. Der Beklagte hat, ohne dass die Klägerin dem entgegengetreten wäre, dargelegt, dass er erstmals durch den Antrag der E-GmbH vom 26.06.2008 auf Zulassung der Bunkerstation der B als einer weiteren Lagerstätte Kenntnis von den durch die E-GmbH an die Bunkerstation B ausgeführten Lieferungen erhalten und weitere Informationen zu dem zugrunde liegenden vertraglichen Konstrukt in der Folge nur "stückchenweise" bekommen hatte. Dies bestätigt auch der Inhalt der Sachakten des Beklagten: Im Antrag der E-GmbH vom 26.06.2008 auf Zulassung der Bunkerstation B als weitere Lagerstätte, telefonisch mit Frau H vorbesprochen am 26.06.2008 und schriftlich eingegangen am 01.07.2008, ist erwähnt, dass die E-GmbH für die Bunkerstation B die Versorgung mit Schweröl aus der Raffinerie der Klägerin koordiniert, seit dem 18.04.2004 die Tagesberichte unter ihrer Erlaubnisscheinnummer führt und der Antrag auf Zulassung erst jetzt erfolgt, weil die E-GmbH bisher davon ausging, dass es sich um eine Streckenanschreibung handelt. Sodann erhielt der Beklagte mit Schreiben des Beklagten vom 02.07.2008 die Mitteilung, dass die Bunkerstation B aus dem Betriebsstättenverzeichnis der Klägerin zu streichen sei; auf Nachfrage des Beklagten nach dem Datum der Abmeldung äußerte sich die Klägerin mit E-Mail vom 03.07.2008 und verwies auf die zwischen der Klägerin und B getroffene Beendigung des Depotvertrags rückwirkend zum 01.05.2008 gemäß Punkt 15 der beigefügten Vereinbarung zwischen der Klägerin und B vom 17.06./20.06.2008. Weitergehende Erläuterungen zur neuen Verfahrensweise zur Auslieferung des MFO an die B unter Einbindung der E-GmbH erfolgten seitens der Klägerin nicht. Auch aus der der E-Mail vom 03.07.2008 beigefügten Vereinbarung zwischen der Klägerin und B, in der sich unter Punkten 3 und 5 Regelungen zur Abnahme und zur Lieferung des MFO finden, ergeben sich keinerlei Hinweise auf die beabsichtigte Einbindung der E-GmbH als Dienstleister. Erst nachdem der Beklagte die E-GmbH per E-Mail vom 09.07.2008 auf Zweifel hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit der beantragten Zulassung der weiteren Lagerstätte hingewiesen und weitere Informationen angefordert hatte, erhielt der Beklagte mit E-Mail der E-GmbH vom 09.07.2008 weitere Informationen seitens der E-GmbH, aus denen sich einige Einzelheiten zu dem Verkauf des MFO an die B sowie den von der E-GmbH im Zusammenhang mit der Auslieferung des MFO ausgeführten Tätigkeiten ergaben. Daraufhin meldete der Beklagte telefonisch sowohl bei der Klägerin noch am 09.07.2008 als auch bei der E-GmbH am 10.07.2008 Zweifel hinsichtlich der praktizierten Vorgehensweise an und wies darauf hin, dass die Lieferungen nicht gegen den Erlaubnisschein der E-GmbH erfolgen dürften bzw. die B eine Verteilererlaubnis beantragen müsse. Da die E-GmbH an ihrem Antrag auf Zulassung einer weiteren Lagerstätte unter Hinweis auf die Regelungen zum Streckengeschäft festhielt, bat der Beklagte mit E-Mail vom 14.07.2008 um Angaben und Nachweise dazu, dass vertragliche Lieferbeziehungen zwischen der E-GmbH und der Klägerin vorliegen. Nachdem die E-GmbH hierauf mit E-Mail vom 15.07.2008 verneinend geantwortet hatte, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16.07.2008 den Antrag auf Zulassung einer weiteren Lagerstätte bei der Bunkerstation B ab. Zeitgleich mit der allein wegen des aufrechterhaltenen Antrags auf Zulassung einer weiteren Lagerstätte nochmals veranlassten Anfrage bei der E-GmbH wies der Beklagte mit Schreiben vom 14.07.2008, abgesandt am 15.07.2008, die Klägerin aber bereits darauf hin, dass der Erlaubnisschein der E-GmbH die B nicht zum steuerfreien Bezug des MFO berechtige und daher für die durch die Entnahme des MFO aus dem Steuerlager entstandene Energiesteuer eine Steuerfestsetzung beabsichtigt sei.

30

Angesichts dieser Sachlage kann keine Rede davon sein, dass, wie die Klägerin behauptet, das zur Steuerentstehung führende Vorgehen der Klägerin in enger Abstimmung mit dem Beklagten erfolgt und daher ein Auskunftsersuchen beim Beklagten nach der Zulässigkeit der Verfahrensweise nicht angezeigt gewesen sei bzw. dass ein ausdrücklicher Warnhinweis des Beklagten an die Klägerin, das Vorgehen bis zur endgültigen Klärung der Zulässigkeit einzustellen, erforderlich gewesen wäre, um weiteren Abstimmungsbedarf mit dem Beklagten auszulösen. Vielmehr hatte der Beklagte aufgrund der sich durch entsprechende Nachfragen seinerseits erst nach und nach vervollständigenden Sachverhaltshinweise frühestens am 09.07.2008 hinreichende Kenntnis von der zugrunde zu legenden Sachlage. Dementsprechend bestand bei objektiver Betrachtung weder für die Klägerin noch für die E-GmbH Anlass, davon auszugehen, der Beklagte habe Kenntnis von der Vorgehensweise gehabt, geschweige denn diese in irgendeiner Form vorläufig gebilligt. Umgekehrt bestand auch für den Beklagten bis zum 09.07.2008 kein Anlass, an die Klägerin heranzutreten, um etwaige Zweifel an der Vorgehensweise der Klägerin darzulegen. Erst nach erlangter hinreichender Kenntnis der Sachlage am 09.07.2008 war es dem Beklagten überhaupt möglich, Zweifel an der Vorgehensweise zu hegen und diese der Klägerin mitzuteilen, was er dann im Übrigen auch umgehend durch telefonischen Hinweis vom 09.07.2008 sowie nachfolgend durch Schreiben vom 14.07.2008 getan hat.

31

Die Klägerin kann des Weiteren nicht damit durchdringen, ihr Verhalten sei deshalb nicht fahrlässig gewesen, weil die Rechtslage im Zusammenhang mit der Abgabe des MFO an die B unter Einbindung der E-GmbH schwierig zu beurteilen gewesen und ihre Rechtsauffassung, dass die Abgabe des MFO an die E-GmbH berechtigt gewesen sei, richtig oder jedenfalls sehr gut vertretbar sei, weil es für ein der Steuerentstehung entgegenstehendes, sich anschließendes Verfahren der Steuerbefreiung nach §§ 24 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG ausreiche, dass das MFO mittelbar an die D als berechtigten Endverwender abgegeben worden sei, ohne zwischenzeitlich in den freien Verkehr im Sinne der Art. 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 lit. b) RL 2008/118/EG gelangt zu sein. Wie der Senat in seinem Urteil vom 24.02.2015 (4 K 41/13) ausgeführt hat, erfolgte die Abgabe des MFO allein an die weder im Besitz einer Verwendererlaubnis noch einer Verteilererlaubnis stehende B, nicht hingegen an die E-GmbH, und die erst nachfolgende steuerfreie Verwendung des MFO durch die D führte nicht - auch nicht im Wege einer wertungsmäßigen Betrachtung unter Auslegung des Begriffs des steuerrechtlich freien Verkehrs nach Maßgabe etwaiger unionsrechtlicher Vorgaben - zum Nichtentstehen der Energiesteuer. Letztlich unabhängig davon, wie sich die Besitzverhältnisse an dem MFO im unmittelbaren Anschluss an die Entnahme des MFO aus dem Steuerlager darstellten, erlangte die B jedenfalls spätestens mit dem Umpumpen des MFO in das Tanklager der Bunkerstation der B unmittelbare Sachherrschaft über das MFO und die Energiesteuer war bereits mit der Entnahme des MFO aus dem Steuerlager entstanden (vgl. in diesem Sinne auch BFH, Beschluss vom 21.10.2015, VII B 39/15, mit welchem die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 24.02.2015 als unbegründet zurückgewiesen wurde). Angesichts dieser nach den nationalen energiesteuerrechtlichen Vorgaben klaren Sach- und Rechtslage bleibt mithin kein Raum für einen eine Sorgfaltspflichtverletzung ausschließenden entschuldbaren Rechtsirrtum der Klägerin.

32

Vor dem Hintergrund, dass aufgrund der vorstehend geschilderten Umstände das Vorgehen der Klägerin betreffend die Entnahme des MFO aus dem Steuerlager zwecks Abgabe an die B von Anfang an als fahrlässig anzusehen und folglich das Verhalten der Klägerin in Bezug auf sämtliche MFO-Lieferungen insgesamt nicht entschuldbar ist, kommt es nicht auf die Frage an, ob - zumindest - das Verhalten der Klägerin hinsichtlich der letzten beiden streitgegenständlichen MFO-Lieferungen vom 10.07.2008 und vom 14.07.2008, die nach dem Telefonat vom 09.07.2008, in welchem die Klägerin durch die Mitarbeiterin des Beklagten auf Zweifel an der Zulässigkeit der Verfahrensweise hingewiesen worden war, stattfanden, als fahrlässig anzusehen ist und wie sich ein für nur einzelne MFO-Lieferungen feststellbares Verschulden auf eine mögliche Billigkeitsmaßnahme in Bezug auf die übrigen MFO-Lieferungen auswirken müsste.

33

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass sich die Klägerin, wie diese im Klageverfahren vorträgt, darum bemüht habe, die in der Folgezeit des Telefonats vom 09.07.2008 am 10.07.2008 und 14.07.2008 erfolgten MFO-Lieferungen über eine entsprechende Abstimmung mit der E-GmbH noch zu verhindern, was ihr nur deshalb nicht gelungen sei, weil sich die von der E-GmbH bereits disponierten Lieferungen nicht mehr hätten stoppen lassen, auch nicht umgekehrt zu einer teilweisen Entschuldbarkeit des Verhaltens der Klägerin in Bezug auf diese zwei MFO-Lieferungen führt. Denn selbst wenn sich die Klägerin bei der E-GmbH darum bemüht haben sollte, die noch anstehenden Lieferungen umgehend nach dem Telefonat vom 09.07.2008 zu stoppen - was durch die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, die sich allein auf interne Vorgänge der Klägerin (...) sowie eine zeitlich ohnehin erst nach dem Datum des Telefonats liegende Order der E-GmbH vom 11.07.2008 für die Lieferung vom 14.07.2008 (...) beziehen, letztlich nicht nachgewiesen ist und zudem angesichts des gegenteiligen Vortrags in der Einspruchsbegründung der Klägerin, dem zufolge sie nach dem Telefonat vom 09.07.2008 nach Rücksprache mit der E-GmbH zunächst an ihrer bisherigen gemeinsamen Rechtsauffassung festgehalten und erst nach der schriftlichen Mitteilung des Beklagten vom 14.07.2008 den Lieferstopp verfügt haben will, ohnehin zweifelhaft ist - hatte sie mit der Entnahme des MFO aus ihrem Steuerlager mit dem Ziel der vertragsgemäßen Abgabe des MFO an die B jeweils die entscheidende Veranlassung zur Ausführung der beiden Lieferungen bereits gegeben. Dass sich die einzelnen Lieferungen möglicherweise im Nachhinein nicht haben stoppen lassen, lässt ein Verschulden in Bezug auf die Entnahme aus dem Steuerlager nicht entfallen.

34

Schließlich rechtfertigt sich eine Billigkeitsmaßnahme nach Nr. 7.1.5 AO-DV Zoll zu § 227 AO zugunsten der Klägerin auch nicht unter dem Gebot der Gleichbehandlung mit B. Dass die Energiesteuerschuld gegen B aus sachlichen Billigkeitsgründen nach Nr. 7.1.5 AO-DV Zoll zu § 227 AO i.V.m. Nr. 6 AO-DV Zoll zu § 163 AO abweichend auf null Euro festgesetzt wurde, ist den Einzelfallumständen geschuldet, die für die Beurteilung der Entschuldbarkeit des Verhaltens der B maßgebend sind. Diese Umstände weichen von den für die Beurteilung der Entschuldbarkeit des Verhaltens der Klägerin maßgeblichen Umständen, insbesondere in Bezug auf die Stellung der Klägerin als ein großes und im Handel mit Energieerzeugnissen erfahrenes Unternehmen und die allein seitens und im Interesse der Klägerin veranlasste Umstellung der Verfahrensweise der Abgabe des MFO, maßgeblich ab.

2.

35

Das Gericht vermag auch nicht zu erkennen, dass das Festhalten an der Energiesteuerschuld der Klägerin dem Willen des Gesetzgebers widerspricht.

36

Zunächst ist festzustellen, dass - was auch zwischen den Beteiligten aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Finanzgerichts Hamburg vom 24.02.2015 (4 K 41/13) letztlich unstreitig ist - die Energiesteuer, deren Erstattung die Klägerin begehrt, in der Person der Klägerin als Steuerlagerinhaberin dadurch entstanden ist, dass die Klägerin das MFO im Rahmen der insgesamt ... Lieferungen im Zeitraum vom 17.04.2008 bis zum 14.07.2008 durch das Einfüllen in die zum Transport eingesetzten Schiffe aus ihrem Steuerlager entfernt hat, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren oder ein Zollverfahren nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG a.F. angeschlossen hat bzw. ohne dass das MFO zum Ge- oder Verbrauch innerhalb des Steuerlagers entnommen wurde, und sich der dadurch erfolgten Entnahme in den freien Verkehr auch kein Verfahren der Steuerbefreiung nach § 24 Abs. 1 EnergieStG angeschlossen hat, §§ 4 Nr. 3, 8 Abs. 1 EnergieStG, § 8 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG a.F. Insbesondere war die B, die nach der Entnahme aus dem Steuerlager jedenfalls spätestens mit dem Umfüllen des MFO in die Tanks der Bunkerstation B unmittelbaren Besitz an dem MFO erlangte, zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrerseits weder Steuerlagerinhaberin, so dass eine Beförderung unter Steueraussetzung nach den §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 Nr. 1EnergieStG nicht vorlag, noch war sie zur steuerfreien Verwendung des MFO zu dem - hier insoweit allein in Frage kommenden - steuerfreien Zweck nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG oder zu einer diesem Verwendungszweck entsprechenden steuerfreien Verteilung des MFO berechtigt im Sinne von § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 Sätze 1 und 2 EnergieStG.

37

Zu Recht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass sich im vorliegenden Fall durch die auf der Grundlage des genannten Sachverhaltes gegenüber der Klägerin geltend gemachte Energiesteuer keinerlei Rechtsfolgen realisieren, die vom Gesetzeszweck der §§ 4 Nr. 3, 8 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 24 Abs. 1, Abs. 2, 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG nicht gedeckt sind.

38

Der Energiesteuertatbestand des § 8 Abs. 1 EnergieStG ist erfüllt. Das Fehlen einer Steuerlagererlaubnis bzw. einer Verwender- oder Verteilererlaubnis in der Person der B hat nach der Systematik der vorstehend genannten Vorschriften des Energiesteuergesetzes die Steuerentstehung zur Folge, und zwar sowohl in der Person des Steuerlagerinhabers, aus dessen Steuerlager die Energieerzeugnisse entnommen wurden, also in der Person der Klägerin, vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG a.F., als auch, wie hier bei einer Abgabe zu steuerfreien Zwecken an einen Nichtberechtigten, in der Person des Nichtberechtigten, also in der Person der B, vgl. § 8 Abs. 2 Satz 4 EnergieStG, die Gesamtschuldner sind, vgl. § 8 Abs. 2 Satz 5 EnergieStG. Die Steuerentstehung gilt unabhängig davon, ob das betreffende Energieerzeugnis zu einem späteren Zeitpunkt einer steuerfreien Verwendung, hier nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG, tatsächlich zugeführt wurde (so auch ausdrücklich Soyk, in: Friedrich/Soyk, Energiesteuern, Kommentar, Band I, Stand: 45. Ergänzungslieferung April 2018, § 8 EnergieStG Rn. 29). Davon ausgehend gibt es keinen Anhaltspunkt, dass eine Entnahme eines Energieerzeugnisses aus dem Steuerlager und dessen Abgabe an einen nicht zu steuerfreien Zwecken verwendungs- oder verteilungsberechtigten Empfänger nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zur Steuerentstehung führen soll.

39

Dies gilt auch unter Einbeziehung der weiteren Regelungssystematik des Energiesteuergesetzes unter Berücksichtigung der im Streitfall gegebenen besonderen Umstände.

40

Die in § 52 Abs. 1 EnergieStG getroffene Regelung, nach der auf Antrag eine Steuerentlastung für nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse, die zu den in § 27 EnergieStG genannten Zwecken verwendet worden sind, gewährt wird, deutet, anders als die Klägerin meint, gerade nicht darauf hin, dass wegen der nachfolgenden Verwendung des MFO zu steuerfreien Zwecken ein Energiesteueranspruch vom Gesetzgeber nicht (mehr) gewollt sei. Den im Energiesteuergesetz geregelten Entlastungstatbeständen ist gemein, dass für eine Steuerentlastung eine Steuer auf Energieerzeugnisse entstanden sein muss, vgl. § 45 EnergieStG (vgl. auch Bongartz, in: Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, Stand: 14. Ergänzungslieferung November 2017, § 45 EnergieStG Rn. 2; Möhlenkamp, in: Möhlenkamp/Milewski, Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2012, § 45 EnergieStG Rn. 3; Henseler, in: Friedrich/Soyk, Energiesteuern, Kommentar, Band I, Stand: 45. Ergänzungslieferung April 2018, § 45 EnergieStG Rn. 4). Die Verknüpfung zwischen Steuerentstehung und Steuerentlastung lässt sich mit dem Sinn der Steuerentlastung erklären, der darin besteht, die steuerliche Belastung einer verbrauchsteuerrechtlichen Ware aus bestimmten fiskalpolitischen Gründen (wieder) aufzuheben, etwa weil die Ware einer fiskalpolitisch förderungswürdigen Verwendung zugeführt wird (Henseler, a.a.O., § 45 EnergieStG Rn. 4). Der Rechtsgrund, die Verwirklichung eines Steuerentstehungstatbestandes, fällt nicht nachträglich weg, sondern es tritt ein weiterer Umstand hinzu, der die Rückgängigmachung der Besteuerung rechtfertigt (Bongartz, a.a.O., § 45 EnergieStG Rn. 2). Aus dem Sinn und Zweck des Steuerentlastungsanspruchs ergibt sich, dass die Rückgängigmachung der steuerlichen Belastung nur zu rechtfertigen ist, wenn die Erhebung der Steuer gesichert ist. Das Bedürfnis nach einer hinreichenden Sicherung der Steuererhebung ist besonders in den Fällen der Steuervergütung evident, da hier Steuerschuldner und Entlastungsberechtigter nicht personenidentisch sind und daher die zumindest abstrakte Gefährdung des Steueraufkommens besteht (Henseler, a.a.O., § 45 EnergieStG Rn. 18). Vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Steuerentlastung ist mithin festzustellen, dass die Entlastungsregelungen des Energiesteuergesetzes gerade nicht dazu führen, dem Staat den Energiesteueranspruch als solchen abzusprechen, sondern nur auf die aufgrund bestimmter fiskalpolitischer Erwägungen gerechtfertigte Begünstigung des jeweils konkret Entlastungsberechtigten zielen. Der Gesetzgeber hat in § 52 Abs. 2 EnergieStG geregelt, dass entlastungsberechtigt - nur - derjenige ist, der die Energieerzeugnisse verwendet hat. Damit hat der Gesetzgeber in § 52 Abs. 1 und 2 EnergieStG klar vorgegeben, dass die Steuerentlastung von besonderen Voraussetzungen - nachweisliche Versteuerung, Antrag, Antragsberechtigung - abhängig ist, die über den bloßen Umstand der tatsächlichen Verwendung des Energieerzeugnisses zu den in § 27 EnergieStG genannten Zwecken hinausgehen. Insbesondere hat der Gesetzgeber aufgrund der Erfordernisse der Antragsgebundenheit und der Antragsberechtigung gesehen, dass es Fallkonstellationen geben kann, in denen die Versteuerung trotz Verwendung des Energieerzeugnisses zu einem steuerbegünstigten Zweck im Ergebnis aufrechterhalten bleibt, und ein solches Ergebnis auch gewollt. Ähnlich liegt es im Streitfall. Die - für den Fall der Weiterbelastung der Energiesteuer von der Klägerin auf die D - entlastungsberechtigte D war nicht bereit, die Versteuerung zu tragen und dafür eine Entlastung in Anspruch zu nehmen. Die Verwirklichung des Steuerentstehungstatbestandes in Bezug auf die streitgegenständlichen MFO-Lieferungen als fortdauernder Rechtsgrund für die Versteuerung bleibt davon unberührt. Damit bleibt es bei einer nach den Zwecksetzungen und der Regelungssystematik des Energiesteuergesetzes gewollten Belastung der Klägerin mit der entstandenen Energiesteuer, die - dies sei der Vollständigkeit halber mit Blick auf die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Doppelbesteuerung erwähnt - übrigens auch keine eine Billigkeitsmaßnahme möglicherweise erlaubende Doppelbesteuerung darstellt.

41

Auch der Umstand, dass der Verbleib des letztlich zu steuerfreien Zwecken verwendeten MFO durch die Anschreibungen der E-GmbH als Inhaberin einer Verteilererlaubnis bis zum Umpumpen des MFO in die Bunkerstation B nachvollziehbar gewesen und insofern, wie die Klägerin meint, die Steueraufsicht des Beklagten nicht beeinträchtigt gewesen sei, führt nicht dazu, dass die Energiesteuerfestsetzung gegen die Klägerin nicht dem Willen des Gesetzgebers entspräche. Der Steueraufsicht unterliegt u.a., wer Energieerzeugnisse vertreibt, lagert, befördert oder verwendet, vgl. § 61 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG. Der Sicherstellung der Steueraufsicht im Zusammenhang mit der Abgabe von Energieerzeugnissen, die nach § 27 EnergieStG steuerfrei verwendet werden dürfen, dienen u.a. gerade die Regelungen über die Verwender- und Verteilererlaubnis nach § 24 EnergieStG. Die Auslieferung des MFO an die B unter Einbindung der eine Verteilererlaubnis innehabenden E-GmbH kann aber nicht gleichgesetzt werden mit einer Auslieferung an einen zur steuerfreien Verwendung bzw. Verteilung berechtigten Empfänger. Die Klägerin hat das MFO aufgrund der vertraglichen Vereinbarung mit B an die B abgegeben, welche gerade keine Verteilererlaubnis hatte. Die Versorgung der Fähren der D und die dortige steuerfreie Verwendung des MFO gemäß §§ 24 Abs. 2 Satz 1, 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 EnergieStG, § 55 EnergieStV, Anlage 1 Nr. 3 zu § 55 EnergieStV, wiederum haben sich erst nach der Aufnahme des MFO in das Tanklager der Bunkerstation B angeschlossen. Dass bis zur Verschaffung des unmittelbaren Besitzes der B an dem MFO zwischenzeitlich die E-GmbH als Dispositeur eingebunden war, ändert nichts an der Tatsache, dass eine Steueraufsicht jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Umpumpens des MFO in die Bunkerstation B nicht mehr gewährleistet war. Dass, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, der Beklagte zu Steueraufsichtszwecken jederzeit auf das in der Bunkerstation B gelagerte MFO hätte zugreifen können, u.a. weil die B dies geduldet hätte, ist letztlich eine reine Spekulation der Klägerin und lässt sich im Übrigen auch der Vereinbarung zwischen der Klägerin und der B vom 17.06./20.06.2008 nicht entnehmen. Abgesehen davon wären derartige Steueraufsichtsmaßnahmen auch nicht zielführend, weil ab dem Zeitpunkt des Umpumpens des MFO in die Bunkerstation B das MFO der alleinigen Verfügungsgewalt der B und allen damit möglicherweise verbundenen Risiken, einschließlich einer nicht steuerfreien Verwendung, unterlag. Angesichts der damit festzustellenden eindeutigen Zäsur der während des Transportes des MFO zu B - dies zugunsten der Klägerin einmal unterstellt - möglicherweise noch gewährleisteten Steueraufsicht (anders, wegen der maßgeblichen Verfügungsgewalt der B über das MFO auch schon während des Transportes, der erkennende Senat in seinem Urteil vom 24.02.2015, 4 K 41/13, Urteilsabdruck S. 23), entspricht die Energiesteuerentstehung der vom Gesetzgeber gewollten Risikobelastung des Steuerlagerinhabers bei der Entfernung von Energieerzeugnissen aus seinem Steuerlager.

3.

42

Eine Erstattung aus Billigkeitsgründen ist auch nicht wegen einer eindeutigen und offensichtlichen Rechtswidrigkeit der zugrunde liegenden bestandskräftigen Energiesteuerfestsetzung nach Maßgabe unionsrechtlicher Vorgaben zum allgemeinen Verbrauchsteuer- bzw. Energiesteuerrecht gerechtfertigt.

43

Die Energiesteuer, um deren Erlass aus Billigkeitsgründen es vorliegend geht, ist durch Bescheid vom 30.11.2009 - nach erfolgloser Klage beim Finanzgericht Hamburg (Urteil vom 24.02.2015, 4 K 41/13) und erfolgloser Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (Beschluss vom 21.10.2015, VII B 39/15) - im Ergebnis bestandskräftig festgesetzt worden. Nach ständiger Rechtsprechung können bestandskräftig festgesetzte Steuern im Billigkeitsverfahren nur dann sachlich nachgeprüft werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren (vgl. nur BFH, Beschluss vom 05.06.2009, V B 52/08, in: juris, m.w.N.). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (BFH, Urteil vom 13.01.2005, V R 35/03, in: juris, m.w.N.).

44

Die Voraussetzungen, unter denen eine sachliche Nachprüfung der festgesetzten Energiesteuer im Billigkeitsverfahren eröffnet ist, sind im Streitfall nicht gegeben.

45

Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die Energiesteuerfestsetzung dem zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Unionsrecht eindeutig und offensichtlich entgegensteht.

46

Die Energiesteuerfestsetzung ist nicht unionsrechtswidrig und damit zugleich auch nicht eindeutig und offensichtlich unionsrechtswidrig. Dass die Energiesteuerfestsetzung nicht gegen Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25.02.1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. Nr. L 76, S. 1, im Folgenden: RL 92/12/EWG), der Vorgängervorschrift zu Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2008/118/EG, verstößt, hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 24.02.2015, 4 K 41/13, ausgeführt. Die Energiesteuerfestsetzung ist auch nicht deshalb unrichtig, weil sie, wie die Klägerin unter Verweis auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom 02.06.2016, C-355/14, und vom 02.06.2016, C-418/14, meint, gegen Art. 14 Abs. 1 lit. c) RL 2003/96/EG i.V.m. Art. 6 RL 92/12/EWG verstößt bzw. Systematik und Zweck der RL 2003/96/EG, wonach die Energieerzeugnisse nach ihrer tatsächlichen Verwendung besteuert werden, zuwiderläuft und zudem unverhältnismäßig ist, weil ein bloßer Verfahrensverstoß ohne Auswirkung auf den steuerbegünstigten Verbrauch nicht mit einer Energiesteuerfestsetzung geahndet werden dürfe. Art. 14 Abs. 1 lit. c) RL 2003/96/EG sieht vor, dass die Mitgliedstaaten unter den Voraussetzungen, die sie zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung solcher Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Missbrauch festlegen, Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Schifffahrt in Meeresgewässern der Gemeinschaft mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Schifffahrt von der Steuer befreien. Art. 21 Abs. 4 RL 2003/96/E bestimmt, dass die Mitgliedstaaten ferner vorsehen können, dass die Steuer auf u.a. Energieerzeugnisse entsteht, wenn festgestellt wird, dass eine Voraussetzung für den Endverbrauch, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für die Gewährung eines ermäßigten Steuersatzes oder einer Steuerbefreiung vorgesehen ist, nicht oder nicht mehr erfüllt wird. Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 lit. a) RL 92/12/EWG sieht - vergleichbar zu Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 lit a) RL 2008/118/EG - vor, dass die Verbrauchsteuer mit der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr entsteht und jede auch unrechtmäßige Entnahme der Ware aus dem Verfahren der Steueraussetzung als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr gilt. Systematik und Zweck der RL 2003/96/EG beruhen auf dem Grundsatz, dass die Energieerzeugnisse nach ihrer tatsächlichen Verwendung besteuert werden (EuGH, Urteil vom 02.06.2016, C-418/14, in: juris). Aus Art. 14 Abs. 1 RL 2003/96/EG ergibt sich, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten die Aufgabe überträgt, die Voraussetzungen für die in dieser Bestimmung aufgeführten Befreiungen festzulegen, um die korrekte und einfache Handhabung solcher Befreiungen sicherzustellen und Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Missbrauch zu verhindern. Bei der Ausübung dieser Befugnis müssen die Mitgliedstaaten die allgemeinen Rechtsgrundsätze beachten, die Bestandteil der Rechtsordnung der Union sind und zu denen u.a. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört (EuGH, Urteil vom 02.06.2016, C-355/14, in: juris). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 02.06.2016, C-418/14, entscheiden, dass die RL 2003/96/EG und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer innerstaatlichen Regelung entgegenstehen, wonach bei nicht fristgerechter Vorlegung einer monatlichen Zusammenstellung der Erklärungen der Erwerber der Verbrauchsteuersatz für Kraftstoffe auf den verkauften Heizstoff angewandt wird, obwohl festgestellt wurde, dass an der Bestimmung dieses Erzeugnisses für Heizzwecke keine Zweifel bestehen. In seinem Urteil vom 02.06.2016, C-355/14, hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Art. 14 Abs. 1 lit. a) RL 2003/96/EG in Verbindung mit Art. 7 RL 2008/118/EG einer innerstaatlichen Regelung entgegensteht, nach der die nationalen Behörden die Verbrauchsteuerbefreiung für Energieerzeugnisse, die, nachdem sie von einem zugelassenen Lagerinhaber an einen Zwischenerwerber verkauft wurden, von diesem Zwischenerwerber an einen Endverbraucher weiterverkauft werden, der sämtliche Anforderungen des nationalen Rechts für eine Befreiung von der Verbrauchsteuer erfüllt und dem diese Waren von dem zugelassenen Lagerinhaber aus dessen Steuerlager unmittelbar geliefert werden, allein deshalb versagen, weil der Zwischenerwerber, der vom zugelassenen Lagerinhaber als Warenempfänger ausgewiesen wird, nicht die Eigenschaft eines nach nationalem Recht zum Empfang verbrauchsteuerbefreiter Energieerzeugnisse berechtigten Endverbrauchers hat. Anders als in den beiden genannten Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, bei denen das Energieerzeugnis jeweils unmittelbar an einen zur steuerbefreiten Verwendung berechtigten Empfänger abgegeben worden war und es lediglich an der nach nationalem Recht geforderten Erfüllung einzelner Formerfordernisse oder Verfahrensvorgaben, die in der Person des Abgebenden oder eines nicht am unmittelbaren Erwerb beteiligten Zwischenerwerbers erfüllt sein müssen, fehlte, sind die Energieerzeugnisse im Streitfall gerade nicht unmittelbar an einen zur steuerbefreiten Verwendung berechtigten Empfänger abgegeben worden. Die Energiesteuerfestsetzung im Streitfall ist dadurch wesentlich gekennzeichnet, dass die Energieerzeugnisse aus einem Steuerlager entfernt und an einen zur steuerfreien Verwendung oder Verteilung nicht berechtigten Empfänger abgegeben worden sind und damit die nach den nationalen Bestimmungen ausgestaltete Steueraufsicht unterbrochen worden ist. Es handelt sich beim Nichtvorliegen der Verteilererlaubnis der B mithin, entgegen der Auffassung der Klägerin, nicht um einen bloßen Verfahrensverstoß, sondern um die Nichteinhaltung der für die Gewährung einer Steuerbefreiung erforderlichen materiellen Voraussetzungen. Ungeachtet des Umstandes, dass das Energieerzeugnis später einer steuerbefreiten Verwendung zugeführt wurde, ist damit der Steuerentstehungstatbestand auch in Ansehung der genannten unionsrechtlichen Bestimmungen gerechtfertigt.

47

Für die von der Klägerin angeregte Klärung der Frage, ob der Energiesteueranspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2008/118/EG entsteht, wenn sich der Entnahme der verbrauchsteuerpflichtigen Ware aus dem Verfahren der Steueraussetzung eine nach Art. 14 Abs. 1 lit. c) RL 2003/96/EG steuerbefreite Verwendung mittelbar anschließt und damit keine Steuerumgehung bzw. Steuerhinterziehung verbunden ist, im Wege eines an den Europäischen Gerichtshof gerichteten Vorabentscheidungsersuchens, besteht bereits deshalb kein Anlass, weil angesichts der vorstehenden Ausführungen jedenfalls die streitgegenständliche Energiesteuerfestsetzung nicht gegen Unionsrecht verstößt. Ob, davon abgesehen, ein Vorabentscheidungsersuchen auch deshalb nicht angezeigt wäre, weil etwaige Zweifel hinsichtlich der Auslegung von unionsrechtlichen Bestimmungen über die Entstehung des Energiesteueranspruchs anlässlich der Prüfung einer die eindeutige und offensichtliche Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Steuerfestsetzung voraussetzenden Billigkeitsentscheidung von vornherein keine entscheidungserhebliche Vorlagefrage begründen können, braucht vorliegend nicht geklärt zu werden.

48

Darüber hinaus bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es der Klägerin nicht zumutbar war, sich gegen eine etwaige Fehlerhaftigkeit des Steuerbescheides als solchen unter dem Gesichtspunkt einer behaupteten Unionsrechtswidrigkeit der Energiesteuerfestsetzung rechtzeitig zu wehren. Die Klägerin hat vielmehr alle Rechtsbehelfe gegen die Steuerfestsetzung ausgenutzt. Die Steuerfestsetzung ist nach erfolgloser Klage beim Finanzgericht und erfolgloser Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof bestandskräftig geworden. Dass, abweichend von der Rechtsauffassung der Klägerin, weder das Finanzgericht noch der Bundesfinanzhof Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der Energiesteuerfestsetzung mit unionsrechtlichen Bestimmungen gehabt haben und die von der Klägerin für streitentscheidend gehaltene Frage zur Unionsrechtswidrigkeit einer Energiesteuerentstehung bei mittelbarer Abgabe an einen zur steuerbefreiten Verwendung berechtigten Empfänger dem Europäischen Gerichtshof daher nicht zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde, stellt keinen Umstand dar, der begründen würde, dass es der Klägerin unzumutbar gewesen wäre, sich gegen die vermeintlich unionsrechtswidrige Energiesteuerfestsetzung zu wehren. Die Anfechtungsklage gegen den Steuerbescheid stellt gerade den Rahmen dar, in dem die Klägerin sich über den Weg der Anregung eines Vorabentscheidungsersuchens gegen die behauptete Unionsrechtswidrigkeit der Energiesteuerfestsetzung hätte wehren können und in dem sie die letztinstanzlich durch den Bundesfinanzhof getroffene Entscheidung gegebenenfalls im Wege der Verfassungsbeschwerde hätte angreifen müssen. Dass seinerzeit die von der Klägerin nunmehr eingeführten Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom 02.06.2016 noch nicht ergangen waren, ist dabei ohne Belang.

II.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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