Urteil vom Finanzgericht Hamburg (1. Senat) - 1 K 92/18
Tatbestand
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Die Kläger lebten seit dem ... 2001 nicht getrennt in eingetragener Lebenspartnerschaft. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.07.2017 (BGBl. S. 2787- Eheöffnungsgesetz -) wurde die eingetragene Lebenspartnerschaft der Kläger auf ihre entsprechenden Erklärungen in eine Ehe umgewandelt.
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Ziel ihrer Klage ist die gemeinsame Veranlagung zur Einkommensteuer für die Jahr 2001 bis 2012. Für diese Jahre wurden sie bisher durch bestandskräftige Bescheide getrennt veranlagt. Wegen der Bescheiddaten wird Bezug genommen auf die Übersicht in der Rechtsbehelfsakte des Klägers zu 2.
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Mit gemeinsamem Schreiben vom ... 2017 beantragten die Kläger die Aufhebung ihrer Bescheide für die Jahre 2001 bis 2012 und die Zusammenveranlagung gemäß §§ 26, 26b Einkommensteuergesetz (EStG). Die vorgelegte Eheurkunde des Standesamts ... weist als Tag der Eheschließung den ... 2017 aus und als Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft den ... 2001.
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Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30.11.2017 unter Hinweis auf die Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide ab. Die Veranlagungsjahre bis einschließlich 2011 seien außerdem festsetzungsverjährt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe festgestellt, dass eine Beseitigung der Ungleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare nur in noch nicht bestandskräftigen Fällen zu erfolgen habe und der Gesetzgeber sei dem gefolgt. Im Übrigen stelle weder die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Steuernorm durch das BVerfG noch die Ausübung eines Wahlrechts eine neue Tatsache im Sinne der Änderungsvorschriften dar.
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Hiergegen erhoben die Kläger gemeinsam unter dem 02.12.2017 - rechtzeitig - Einspruch. Die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe sei ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO).
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Mit gleichlautenden Einspruchsentscheidungen vom 26.03.2018 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück. Der Beklagte bezog sich auf den Inhalt des Ablehnungsbescheids und vertiefte dessen Begründung. Aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des BVerfG vom 07.05.2013 (2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377, BGBl I 2013, 1647) vom 15.07.2013 (BGBl I, S. 2397 - Änderungsgesetz vom 15.07.2013 -) seien die Regelungen des Einkommensteuergesetzes zu Ehegatten und Ehen zwar grundsätzlich auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden, jedoch nur in Fällen, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden sei. Die Beschränkung der rückwirkenden Anwendung von Zusammenveranlagung/Splittingverfahren auf nicht bestandskräftige Veranlagungen entspreche der Vorgabe des BVerfG in dem genannten Beschluss und sei sachgerecht. Die Wirkungen der Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe seien nach Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte beschränkt. Es handele sich bei der Umwandlung nicht um ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, sondern (lediglich) um eine Rückbeziehung.
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Die Einspruchsentscheidung gegenüber dem Kläger zu 1) wurde am Tag ihres Erlasses zur Post gegeben, die gegenüber dem Kläger zu 2) ausweislich des Vermerks in der Rechtsbehelfsakte erst am 26.04.2018. Beide Einspruchsentscheidungen sind ihren Adressaten zugegangen.
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Die Kläger haben am 04.04.2018 beim Finanzgericht Hamburg Klage erhoben.
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Nach der Regelung in Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz seien Eheleute einer umgewandelten Lebenspartnerschaft so zu behandeln, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten. Dabei handele es sich auch nach der Gesetzesbegründung um ein rückwirkendes Ereignis. Die Einkommensteuerbescheide seien daher nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO antragsgemäß zu ändern. Der Beschluss des BVerfG vom 07.05.2013 stehe dem nicht entgegen.
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Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 30.11.2017 und der Einspruchsentscheidungen vom 26.03.2018 sowie der Einkommensteuerbescheide der beiden Kläger für die Jahre 2001 bis 2012 zu verpflichten, die Kläger für die Jahre 2001 bis 2012 zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Die streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheide seien wegen ihrer Bestandskraft nicht zu ändern. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sei nicht anzuwenden. Die nachträgliche Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe stelle zwar ein Ereignis im Sinne dieser Norm dar. Es habe jedoch keine steuerliche Rückwirkung. Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz setze den Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft mit dem Tag der Eheschließung gleich und es liege somit eine bloße Rückbeziehung vor. Auch das BVerfG habe mit Beschluss vom 07.05.2013 entschieden, dass Lebenspartnerschaften nur dann zusammen zu veranlagen seien, wenn die bisherigen Veranlagungen noch nicht bestandskräftig entschieden worden seien. Dass die mit Änderungsgesetz vom 15.07.2013 geschaffene Neuregelung des § 2 Abs. 8 EStG auf noch nicht bestandskräftige Steuerveranlagungen beschränkt sei, verstoße weder gegen Verfassungs- noch gegen Europarecht.
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Dem Gericht lagen außer den Schriftsätzen der Beteiligten nebst Anlagen die Rechtsbehelfsakten des Beklagten für die Änderungsanträge vor, jeweils für jeden der beiden Kläger. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 31.07.2018 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Kläger erheben zulässigerweise als Streitgenossen (§ 59 Finanzgerichtsordnung - FGO - in Verbindung mit §§ 59 ff. ZPO) Klage, um die von ihnen begehrte Zusammenveranlagung für die Streitjahre zu erreichen.
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Die Klage ist auch im Übrigen als Verpflichtungsklage zulässig und begründet. Die Ablehnung der beantragten Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 101 Satz 1 FGO.
1.
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Die Kläger sind als Eheleute gemäß §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen. Diese Vorschriften sind auf die Kläger anwendbar und ihre Voraussetzungen sind erfüllt.
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Die Kläger sind Ehegatten. Beide sind unbeschränkt steuerpflichtig und nicht dauernd getrennt lebend.
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Diese Voraussetzungen lagen während bzw. im Laufe der streitigen Veranlagungszeiträume bei den Klägern vor. Insbesondere sind sie materiell-rechtlich seit dem ... 2001 Ehegatten. Am ... 2001 begründeten die Kläger eine Lebenspartnerschaft, die am ... 2017 nach § 20a Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) in der Fassung des Eheöffnungsgesetzes in eine Ehe umgewandelt wurde. Nach dieser Vorschrift wird eine Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt, wenn zwei Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner gegenseitig persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Ehe auf Lebenszeit führen zu wollen. Folge der Umwandlung ist, dass die Kläger von dem Tag an, an dem sie seinerzeit ihre Lebenspartnerschaft begründet haben - hier dem ... 2001 - Ehegatten sind. Zur Wirkung der Umwandlung bestimmt Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz, dass nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Lebenspartner weiterhin der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft maßgebend bleibt. Nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe haben die Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner also die gleichen Rechte und Pflichten, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten (so wörtlich die Begründung des dem Gesetz zugrundeliegenden Gesetzentwurfs, BT-Drs. 18/6665).
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Ehegatten haben gemäß § 26 EStG ein Wahlrecht, ob sie einzeln oder zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden wollen. Die Kläger haben am ... 2017 beantragt, für die Streitjahre zusammen zur Einkommensteuer veranlagt zu werden. Sofern Ehegatten ihr Wahlrecht nicht aktiv ausüben, sind sie gemäß § 26 Abs. 3 EStG zusammen zu veranlagen. Damit sind die Kläger in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen.
2.
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a) Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
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Was unter einem rückwirkenden Ereignis zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher bestimmt. Aus dem Wortsinn und dem Zweck der Korrekturvorschrift ergibt sich Folgendes: Das Ereignis muss nachträglich - d. h. nach Erlass des aufzuhebenden oder zu ändernden Bescheides (BFH-Urteil vom 26.10.1988 II R 55/86, BFHE 154, 493, BStBl II 1989, 75; BFH-Urteil vom 12.07.1989 X R 8/84, BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957) - eingetreten sein; es muss den Sachverhalt verändern und dabei derart in die Vergangenheit zurückwirken, dass ein Bedürfnis besteht, eine schon endgültige (bestandskräftig getroffene) Regelung i. S. der §§ 118, 155 AO an die Sachverhaltsänderung anzupassen (BFH-Urteil vom 12.07.1989 X R 8/84 in BFHE 157, 484, BStBl II 1989, 957; BFH-Urteil vom 27.09.1988 VIII R 432/83, BFHE 155, 83, 89, BStBl II 1989, 225, 228, m. w. N.). Der Begriff "Ereignis" umfasst alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge; dazu rechnen nicht nur solche mit ausschließlich rechtlichem Bezug, sondern auch tatsächliche Lebensvorgänge. Ein solches Ereignis wirkt steuerlich in die Vergangenheit, wenn an Stelle des zuvor verwirklichten nunmehr der veränderte Sachverhalt der Besteuerung zu unterwerfen ist. Ein nachträgliches Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung muss demgemäß zu einer Änderung des Sachverhalts führen, den die Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt hat, und nicht nur zu einer veränderten rechtlichen Beurteilung des nämlichen Sachverhalts (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19.07.1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897; BFH-Urteil vom 09.08.1990 X R 5/88, BFHE 162, 355, BStBl II 1991, 55). Inwieweit einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, also bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, ist den Normen des materiellen Steuerrechts zu entnehmen (BFH-Urteil vom 12.07.2017 II R 45/15, BFHE 258, 232, BStBl II 2017, 1120, m. w. N.). Zu diesen Normen gehören auch die Vorschriften, welche die zeitliche Geltung bestimmter abgabenrechtlicher Regelungen festlegen. Ob und inwieweit es zweckmäßig, erlaubt und geboten ist, bestandskräftige Steuerbescheide in eine Rückwirkungsanordnung einzubeziehen, kann im Interesse des durch Bestandskraft und Rechtskraft gesicherten Vertrauensschutzes nicht abstrakt und allgemein, sondern nur von Fall zu Fall, für jede Gesetzesänderung gesondert entschieden werden (BFH-Urteil vom 09.08.1990 X R 5/88, BFHE 162, 355, BStBl II 1991, 55; BFH-Urteil vom 12.07.2017 I R 86/15, BFHE 259, 200, BStBl II 2018, 138, m. w. N.).
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In der bloßen rückwirkenden Änderung steuerrechtlicher Vorschriften ist grundsätzlich deshalb kein rückwirkendes Ereignis zu sehen, weil sich dadurch der dem Steuertatbestand zugrunde liegende Lebenssachverhalt nicht ändert. Eine rückwirkende Änderung steuerrechtlicher Vorschriften gestaltet nicht den bereits bestandskräftig geregelten Einzelfall i. S. der §§ 118, 155 AO (den Sachverhalt), sondern wirkt lediglich auf die rechtlichen Grundlagen eines solchen Steuerverwaltungsakts ein (BFH-Urteil vom 09.08.1990 X R 5/88, BFHE 162, 355, BStBl II 1991, 55; BFH-Urteil vom 12.07.2017 I R 86/15, BFHE 259, 200, BStBl II 2018, 138, m. w. N.).
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Die gesetzgeberische Entscheidung muss im Gesetzestext selbst Ausdruck finden; insbesondere müssen etwaige gesetzgeberische Rückwirkungsanordnungen eindeutig sein. Die Einbeziehung bestandskräftig (oder rechtskräftig) abgeschlossener Fälle in die Rückwirkung muss sich deshalb unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, entweder aus dem Zusammenwirken einer speziellen Korrekturregelung und einer entsprechenden materiellen Rückwirkungsanordnung oder aber dadurch, dass die spezialgesetzliche Rückwirkungsanordnung die Durchbrechung der Bestandskraft (bzw. der Rechtskraft) ausdrücklich mit einschließt (BFH-Urteil vom 09.08.1990 X R 5/88, BFHE 162, 355, BStBl II 1991, 55; BFH-Urteil vom 12.07.2017 I R 86/15, BFHE 259, 200, BStBl II 2018, 138, m. w. N.).
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Etwas anderes gilt allerdings in den Fällen, in denen die rückwirkende Änderung außersteuerrechtlicher Normen dazu führt, dass ein bestandskräftig geregelter Einzelfall (Sachverhalt) nachträglich umgestaltet wird (BFH-Urteil vom 09.08.1990 X R 5/88, BFHE 162, 355, BStBl II 1991, 55, m. w. N.; BFH, Urteil vom 22.09.1999 XI R 98/97, BFHE 190, 13, BStBl II 2000, 115, jeweils m. w. N.).
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b) Das Eheöffnungsgesetz ist ein außersteuerliches Gesetz und damit grundsätzlich geeignet, Rückwirkung im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu entfalten. Maßgeblich ist insoweit die Inkrafttretens-Regel des Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz. Die am ... 2017 vorgenommene Umwandlung der Lebenspartnerschaft der Kläger in eine Ehe ist wegen dieser Vorschrift ein im Hinblick auf den Zeitpunkt der Begründung der Lebenspartnerschaft am ... 2001 nachträglich eingetretenes Ereignis (vgl. zur Rückwirkung eines Gesetzes über das Bestehen einer Ehe und den Zeitpunkt ihrer Geltung auch das BFH-Urteil vom 21.12.1960 II 244/56 U, BFHE 72, 203, BStBl III 1961, 77).
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Der erkennende Senat misst Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz zudem die in § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO die vorausgesetzte Rückwirkungsregelung bei. Die abweichende Meinung des Beklagten, die auch in dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 14.06.2018 für ein "Gesetz zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Eheoeffnung_BegleitG.html vertreten wird, hält der erkennende Senat nicht für zutreffend.
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aa) Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz bestimmt, dass nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Lebenspartner der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft maßgebend ist.
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Eine Beschränkung enthält diese Vorschrift nicht. In der Erläuterung des dann verabschiedeten Gesetzesentwurfs heißt es wörtlich:
"Nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe haben die Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner die gleichen Rechte und Pflichten, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten. Damit wird die bestehende Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerinnen und Lebenspartner mit Ehegatten ... rückwirkend beseitigt. Dies bedeutet, dass bestimmte sozial- und steuerrechtliche Entscheidungen neu getroffen werden müssen."
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Damit ist ausdrücklich, ohne jede Einschränkung und somit eindeutig gesagt, dass der Gesetzgeber eine rückwirkende Beseitigung von Ungleichbehandlungen gewollt hat. Der letzte Satz des Zitats gibt zudem zu erkennen, dass man sich im Gesetzgebungsverfahren bewusst gewesen ist, dass infolge dessen auch bereits getroffene Entscheidungen zu ändern sein werden. Dieser Zusatz wäre überflüssig gewesen, wenn ausschließlich noch nicht bestandskräftige Verwaltungsakte hätten erfasst sein sollen.
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bb) Im Hinblick auf die Argumentation des Beklagten ist darauf hinzuweisen, dass es für die hier maßgebliche Auslegung des Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz weder auf die Entscheidung des BVerfG vom 07.05.2013 (2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377, BGBl I 2013, 1647) noch das daraufhin ergangene Änderungsgesetz vom 15.07.2013 ankommt. In seinem Beschluss erkannte das BVerfG, dass die damaligen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstießen, als sie zwar Ehegatten, nicht aber eingetragenen Lebenspartnern die Wahl der Zusammenveranlagung und die damit verbundene Anwendung des Splittingtarifs ermöglichten.
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Der Gesetzgeber reagierte auf diesen Beschluss mit dem Änderungsgesetz vom 15.07.2013. Es wurde dem § 2 EStG die Vorschrift in Absatz 8 angefügt, nach der die Regelungen des Einkommensteuergesetzes zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden sind. Zugleich wurde in der Anwendungsvorschrift § 52 EStG der Absatz 2a (zwischenzeitlich im Rahmen einer generellen Straffung des § 52 EStG durch Art. 2 Nr. 34 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014, BGBl I 2014, 1266, gestrichen; eine Veränderung zu dem bis dahin explizit geregelten Anwendungszeitpunkt sollte damit nicht eintreten, vgl. BR-Drs. 184/14 vom 02.05.2014, S. 73f) eingefügt, der bestimmt, dass der neue § 2 Abs. 8 EStG (nur) in den Fällen anzuwenden ist, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.
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Damit hatte der Gesetzgeber die mit der Entscheidung des BVerfG für die Frage der Zusammenveranlagung von Lebenspartnern notwendig gewordenen Konsequenzen bereits vollständig gezogen. Der Beschluss des BVerfG kann daher nicht mehr für eine einschränkende Auslegung des später eigenständig verabschiedeten Eheöffnungsgesetzes herangezogen werden. Es kann daher dahinstehen, ob das BVerfG den Gesetzgeber überhaupt, wie der Beklagte meint, für die Folgenbeseitigung auf nicht bestandskräftige Verwaltungsakte beschränkt hat. Es sei allerdings angemerkt, dass diese Ansicht nicht unzweifelhaft ist, denn in der Entscheidung des BVerfG heißt es u. a., die Verpflichtung des Gesetzgebers, den festgestellten Verfassungsverstoß rückwirkend zu beseitigen, erfasse zumindest (!) alle noch nicht bestandskräftigen Entscheidungen.
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cc) Nach Ansicht des erkennenden Senats sperrt das Änderungsgesetz vom 15.07.2013 mit seiner Beschränkung auf nicht bestandskräftige Steuerbescheide auch nicht eine weitergehende Regelung im Eheöffnungsgesetz.
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Ausweislich der Gesetzesbegründung zu Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz sollten mit dieser Vorschrift noch bestehende Ungleichbehandlungen beseitigt werden. Da jedoch das Änderungsgesetz vom 15.07.2013 die Ungleichbehandlung im Rahmen der Einkommensteuer bereits beseitigt hatte bzw. aus Sicht des Gesetzgebers jedenfalls beseitigt haben sollte, bestand bei Schaffung des Eheöffnungsgesetzes insoweit keine Ungleichbehandlung mehr. Gleichwohl geht das Änderungsgesetz vom 15.07.2013 jedenfalls schon deswegen dem Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz nicht als eine Art lex specialis für den Bereich der Einkommensteuer vor, weil das Änderungsgesetz die Rechtsstellung von Steuerpflichtigen in Lebenspartnerschaft regelt, zu denen aber Paare wie die Kläger nach und aufgrund der Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft in eine Ehe gerade nicht (mehr) gehören.
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dd) Für eine Änderung der Bescheide nach von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufgrund des Eheöffnungsgesetzes ist nicht erforderlich, dass das Eheöffnungsgesetz eine ausdrückliche Regelung der Frage einer Änderung von bestandskräftigen Bescheiden enthält.
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Der erkennende Senat vermag nicht festzustellen, dass das Konzept der Bestandskraft ein in dem Sinne tragendes Prinzip des deutschen Rechts oder jedenfalls des Abgabenrechts ist, dass es für eine Änderung bestandskräftiger Bescheide einer ausdrückliche Anordnung der Durchbrechung der Bestandskraft im Änderungsgesetz bedarf (vgl. auch BFH-Urteil vom 09.08.1990 X R 5/88, BFHE 162, 355, BStBl II 1991, 55, m. w. N.; BFH-Urteil vom 22.09.1999 XI R 98/97, BFHE 190, 13, BStBl II 2000, 115).
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(1) Das BVerfG hat sich verschiedentlich zur Wirkung der Bestandskraft geäußert und dabei an die Vorschrift des § 79 Abs. 2 Satz 1 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) angeknüpft.
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§ 79 BVerfGG regelt die Folgen, wenn das BVerfG eine Norm oder ihre Auslegung für mit dem Grundgesetz unvereinbar oder für nichtig erklärt. Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfG bleiben - vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 BVerfGG oder einer besonderen gesetzlichen Regelung - die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt.
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Das BVerfG sieht diese Vorschrift als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, der dahin geht, dass die nachteiligen Wirkungen, die von fehlerhaften Akten der öffentlichen Gewalt in der Vergangenheit ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, dass aber für die Zukunft die sich aus der Durchsetzung solcher Akte ergebenden Folgen abgewendet werden sollen (BVerfG-Beschluss vom 11.10.1966, 1 BvR 178/64, 1 BvR 164/64, BVerfGE 20, 230, 236; dem folgend BVerfG-Beschluss vom 21.05.1974, 1 BvL 22/71, 1 BvL 21/72, BVerfGE 37, 21; BVerfG-Beschluss vom 27.11.1997, 1 BvL 12/91, BVerfGE 97, 35, BGBl I 1998, 427). Diesen Rechtsgedanken habe der Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens zu beachten, wenn er zur Einschränkung der Auswirkungen einer vom BVerfG festgestellten Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift eine besondere Regelung trifft (BVerfG, Beschluss vom 21.05.1974, 1 BvL 22/71, 1 BvL 21/72, BVerfGE 37, 217).
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(2) Eine solche Konstellation ist aufgrund des Eheöffnungsgesetzes allerdings nicht gegeben, insbesondere nicht im Hinblick auf die streitgegenständliche Frage der Zusammenveranlagung. Mit dem Eheöffnungsgesetz wollte der Gesetzgeber nicht bloß die Folgen einer erkannten Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift eindämmen.
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Das Eheöffnungsgesetz zielte nicht (vorrangig) auf die Beseitigung verfassungswidriger Folgen eines zu engen Lebenspartnerschaftsgesetzes, sondern sollte - unter Aufgabe der Lebenspartnerschaft - den Begriff der Ehe erweitern und sie damit für gleichgeschlechtliche Paare öffnen. Eine Auswertung der Debattenbeiträge im Gesetzgebungsverfahren zeigt, dass man dort intensiv und fast ausschließlich mit der Frage gerungen hat, ob der Begriff der Ehe Verschiedengeschlechtlichkeit voraussetzt. Über die Reichweite der dann beschlossenen Rechtsänderung konnte der Gesetzgeber frei entscheiden. Dem Gesetzgeber ist es möglich, Bestandskraft durchbrechende Regelungen zu treffen. Wie sich aus der Begründung zu Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz ergibt, sollte das Gesetz sodann neben der Öffnung der Ehe - "darüber hinaus" (vgl. den Entwurf des Eheöffnungsgesetzes) - auch noch Benachteiligungen der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften überwinden. Es ist also, auch unter Berücksichtigung der zitierten Gesetzesbegründung, davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Erweiterung der Ehe zur "Ehe für alle" und der Abschaffung des Rechtsinstituts der Lebenspartnerschaft die mit diesem Rechtsinstitut verbundenen Ungleichbehandlungen - auch und gerade im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens - umfassend beseitigen wollte.
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c) Die vom Beklagten angesprochene Frage, ob ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO durch die Ausübung eines Wahlrechts eintreten kann, ist in Fällen wie dem zu entscheidenden unerheblich. Denn das rückwirkende Ereignis ist im Fall der Kläger nicht die Ausübung eines Wahlrechts, sondern die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe, zumal § 26 Abs. 3 EStG für den Fall, dass das Wahlrecht zwischen Einzel- und Zusammenveranlagung nicht oder nicht wirksam ausgeübt ist, bestimmt, dass eine Zusammenveranlagung von Amts wegen durchzuführen ist.
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d) Der begehrten Änderung steht eine Festsetzungsverjährung nicht entgegen. Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 AO beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintritt, hier also mit Ablauf des Jahres 2017.
3.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 I FGO.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten nebst Abwendungsbefugnis für den Beklagten folgt aus § 151 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO).
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Die Revision wird gemäß § 115 II Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
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