Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 3/17

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen die Abgabenerhebung wegen des Verbringens eines serbischen Pkw in den deutschen Teil des EU-Zollgebiets.

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Am 27. September 2016 kontrollierte der Beklagte den serbischen Pkw des Typs BMW X4, FIN: XXX-1, mit dem amtlichen Kennzeichen YY auf der Autobahnraststätte A an der Bundesautobahn A 24. Fahrer und alleiniger Fahrzeuginsasse war der Kläger, der einen deutschen Führerschein und eine Meldebescheinigung des Bezirksamts B vorlegte, wonach er seit dem ... 2009 in C gemeldet ist. Der Fahrzeugschein weist als Halter das serbische Unternehmen "D" aus. Außerdem ist die Leasingfirma "E" eingetragen.

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Der Kläger gab an, dass er auf dem Weg von Berlin nach Hamburg zu einer Baustelle der F GmbH sei. Das Fahrzeug gehöre einem Kollegen, der sich in Serbien befinde. Sein Bruder, G, habe das Fahrzeug in die EU eingeführt. Nach einer von ihm vorgelegten Bescheinigung von D (...) sei sein Bruder ermächtigt, das Fahrzeug zu nutzen. Ein solches Nutzungsrecht, allerdings beschränkt auf den Zeitraum 20. September 2016 bis 20. September 2017, ergibt sich auch aus dem Eintrag in einem Formular des serbischen Automobilclubs AMCC.

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Mit Einfuhrabgabenbescheid XXX-2 vom 27. September 2016 setzte der Beklagte auf der Grundlage eines Zollwerts von 36.000 €, 10 % Zoll i.H.v. 3.600 € und 19 % Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 7.524 €, mithin insgesamt 11.124 €, fest. Die Zollschuld sei wegen des vorschriftswidrigen Verbringens entstanden.

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Gegen den Einfuhrabgabenbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 4. Oktober 2016 Einspruch ein, den er wie folgt begründete: Der Halter habe ihm erlaubt, das Fahrzeug uneingeschränkt privat zu nutzen. Er, der Kläger, habe das Fahrzeug nicht zu kommerziellen Zwecken ins Zollgebiet verbracht. Vielmehr habe er es kurzfristig aus Serbien persönlich nach Deutschland überführt. Er habe mit seiner Familie in Serbien Urlaub machen wollen. Zu keinem Zeitpunkt sei angedacht gewesen, das Fahrzeug innerhalb Deutschlands zu kommerziellen Zwecken zu verwenden. Daher lägen die Voraussetzungen für die Abgabenbefreiungen gemäß Art. 137 ZK, Art. 558 Abs. 1 Buchst. a und b ZK-DVO vor. Der Zollwert sei zu hoch angesetzt und nicht nachgewiesen, welcher Grundlage dieser berechnet worden sei. Außerdem läge der Ausnahmetatbestand von Art. 214 UZK-DelVO vor.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück Eine vorübergehende Verwendung eines Beförderungsmittels setze nach Art. 250 UZK i.V.m. Art. 212 Abs. 3 UZK-DelVO voraus, dass es auf den Namen einer außerhalb des Zollgebiets ansässigen Person zugelassen sei und von einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person verwendet werde.

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Das Fahrzeug hätte gemäß Art. 136 Abs. 1 Buchst. a) i.V.m. Art. 139 Abs. 1 UZK-DelVO konkludent zur vorübergehenden Verwendung angemeldet werden können, wenn es von einem nicht in der EU Ansässigen geführt worden wäre. Nach dem Vortrag des Klägers in der Einspruchsbegründung habe er es selbst in die Union verbracht und nicht - wie ursprünglich vorgetragen - sein Bruder. Da der Kläger das Fahrzeug nicht konkludent habe anmelden können, sei die Zollschuld durch Überschreiten der Zollgrenze gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchst. b) UZK entstanden. Der Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld sei das Überschreiten der EU-Zollgrenze. Zollschuldner sei der Kläger, weil er das Fahrzeug bei der Einreise nicht angemeldet habe. Für die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer gälten die Zollvorschriften entsprechend, § 21 Abs. 2 UStG.

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Selbst wenn man annähme, dass der Bruder des Klägers das Fahrzeug in das Zollgebiet verbracht hätte, ändere dies nur etwas im Hinblick auf den Schuldner der Einfuhrabgaben. Unerheblich sein, wen D ermächtigt habe, das Fahrzeug zu nutzen. Es liege keine der Ausnahmetatbestände für in der Union ansässige Personen gemäß Art. 214 Buchst. a) bis d) UZK-DelVO vor.

9

Der Zollwert sei nicht zu hoch festgesetzt. Da ein Kaufgeschäft nicht vorhanden sei, könne der Zollwert auf der Grundlage der in der Union verfügbaren Daten gemäß Art. 74 Abs. 3 UZK ermittelt werden. Unter Angabe der wichtigsten Fahrzeugdaten (Dieselmotor, EZ 2015, Laufleistung 30.000 km) habe eine Anfrage auf www.mobile.de Angebote zwischen 40.000 € und 60.000 € ergeben.

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Mit seiner am 5. Januar 2017 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Bruder des Klägers sei im September 2016 nach Serbien geflogen und habe das Fahrzeug nach Deutschland gebracht. Er habe mit diesem Fahrzeug eine Urlaubsreise unternehmen wollen. Nach der Reise hätte das Fahrzeug zurückgegeben werden sollen. Aus diesem Grund sei der Bruder des Klägers ermächtigt gewesen, das in Serbien geleaste Fahrzeug zu führen. Er habe es Ende Oktober 2016 wieder in Serbien abgeben müssen.

11

Nachdem der Bruder des Klägers das Fahrzeug in die Bundesrepublik überführt habe, habe er es am 27. September 2016 an den Kläger übergeben, damit dieser eine Baustelle habe besuchen können. Es habe nie die Absicht bestanden, das Fahrzeug innerhalb des Steuergebiets zu kommerziellen Zwecken zu nutzen.

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Der Kläger beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid XXX-2 vom 27. September 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2016 (xxx-1) aufzuheben.

13

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Er bezieht sich auf seinen bisherigen Vortrag. Ergänzend führte aus, dass der Bruder des Klägers ausweislich einer Melderegisterauskunft seit dem 13. November 2014 in Deutschland gemeldet sei. Bei der Rückgabe des Fahrzeugs am 28. Oktober 2016 habe er angegeben, seit 20 Jahren in Deutschland zu leben und Geschäftsführer der F GmbH zu sein.

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Bei der Entscheidung hat die Sachakte des Beklagten vorgelegen, auf die ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

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Mit Beschluss vom 3. September 2019 hat der Senat den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen. Dieser durfte entscheiden, obwohl der Beklagte in der mündlichen Ladung nicht erschienen ist, weil er in der Ladung (...) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 91 Abs. 2 FGO).

II.

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Die zulässige Anfechtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg.

18

Der Einfuhrabgabenbescheid XXX-2 vom 27. September 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2016 (xxx-1) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

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1. Der Zoll wurde zu Recht festgesetzt. Ermächtigungsgrundlage hierfür ist Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) 1. Alt. der Verordnung (EU) 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269, 1; UZK). Diese Norm ist anwendbar, da das Verbringen nach dem 1. Mai 2016 erfolgte. Die Voraussetzungen von Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) 1. Alt. UZK sind erfüllt.

20

a) Unabhängig davon, wer den BMW - eine Drittlandsware - nach Deutschland verbracht hat, ist eine Zollschuld wegen vorschriftswidrigen Verbringens gemäß Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) 1. Alt. UZK entstanden, da der BMW nicht in ein Zollverfahren überführt wurde.

21

aa) Der BMW wurde nicht durch Passieren einer Zollstelle konkludent in die vorübergehende Verwendung gemäß Art. 136 Abs. 1 Buchst. a) i.V.m. Art. 139 Abs. 1, Art. 141 Abs. 1 UZK-Delegierte Verordnung (DelVO) überführt, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

22

Eine Überführung in die vorübergehende Verwendung ist gemäß Art. 250 Abs. 2 Buchst. c) UZK grundsätzlich nur möglich, wenn der Inhaber des Verfahrens außerhalb des EU-Zollgebiets ansässig ist (vgl. FG München, Urteil vom 7. April 2010, 14 K 1895/09, juris, Rn. 17). Dies gilt gemäß Art. 212 Abs. 3 Buchst. b) UZK-DelVO grundsätzlich auch für Beförderungsmittel. Da sowohl der Kläger als auch sein Bruder in Deutschland ansässig sind, scheitert eine Überführung des BMW in die vorübergehende Verwendung bereits an dieser Voraussetzung.

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bb) Ein Ausnahmefall gemäß Art. 214-216 UZK-DelVO, nach denen auch in der EU ansässige Personen Waren konkludent in die vorübergehende Verwendung überführen können, liegt nicht vor.

24

Eine Ausnahme nach Art. 214 Buchst. a) bis d) UZK-DelVO liegt nicht vor. Es geht vorliegend ersichtlich nicht um ein Schienenbeförderungsmitteln (Buchst. a) oder um einen Anhänger (Buchst. b). Es lag auch keine Notsituation vor (Buchst. c). Professionelle Vermietungsunternehmen (Buchst. d) sind ebenfalls nicht beteiligt.

25

Auch die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Art. 215 Abs. 1 UZK-DelVO sind nicht gegeben. Diese Norm setzt nämlich voraus, dass es überhaupt einen Zulassungsinhaber gibt. Weder der Kläger noch sein Bruder konnten jedoch durch das tatsächliche Verbringen Inhaber der Zulassung werden (siehe oben) und auch Dritte haben keine Zulassung erhalten.

26

Eine Ausnahme nach Art. 215 Abs. 2 DelVO liegt ebenfalls nicht vor. Der BMW wurde nämlich nicht im Rahmen eines schriftlichen Vertrages gemietet, um an den Wohnsitz zurück zu kehren. Der BMW wurde jedenfalls auch für andere Zwecke, nämlich mindestens für eine Fahrt von Berlin in Richtung Hamburg, verwendet.

27

Eine Ausnahme nach Art. 215 Abs. 3 DelVO liegt schon deshalb nicht vor, weil der Arbeitgeber des Klägers in der EU ansässig ist.

28

Eine Ausnahme nach Art. 216 DelVO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil kein zeitlich befristetes Kennzeichen erteilt wurde.

29

b) Der Kläger ist auch Zollschuldner, unabhängig davon, ob er oder sein Bruder den BMW in den deutschen Teil des EU-Zollgebiets verbracht hat.

30

aa) Wenn der Kläger selbst den BMW verbracht haben sollte, wäre er Zollschuldner gemäß Art. 79 Abs. 3 Buchst. a) UZK, weil er verpflichtet gewesen wäre, eine wirksame Zollanmeldung abzugeben.

31

bb) Wenn der Bruder des Klägers den BMW verbracht haben sollte, wäre der Kläger Zollschuldner gemäß Art. 79 Abs. 3 Buchst. c) UZK. Danach ist Zollschuldner insbesondere, wer die betreffende Ware in Besitz genommen hat und zu diesem Zeitpunkt wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass eine zollrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt war. Der Kläger hat den BMW im Besitz gehabt. Nach Überzeugung des Einzelrichters hätte er jedenfalls wissen müssen, dass eine zollrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt war. Er hätte sich unschwer auf www.zoll.de über die Voraussetzungen der konkludenten Überführung einer Ware in die vorübergehende Verwendung informieren können. Er hätte dann rasch gesehen, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Ihm war nämlich bekannt, dass sein Bruder, der mit ihm im selben Unternehmen arbeitet, in Deutschland ansässig ist.

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c) Der Zollwert i.H.v. 36.000 € ist angesichts der sich in der Akte befindlichen Abfrage bei www.mobile.de, die Zollwerte für vergleichbare Fahrzeuge zwischen 39.990 € und 44.390 € ergeben hat, nicht zu beanstanden.

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d) Die Zollschuld ist nicht gemäß Art. 124 Abs. 1 Buchst. k) ZK erloschen. Dies setzt voraus, dass eine Ware, bevor sie wieder aus dem EU-Zollgebiet verbracht wird, nicht innerhalb des EU-Zollgebiets verwendet wird. Dies ist hier nicht gegeben. Der BMW wurde nämlich im EU-Zollgebiet jedenfalls für eine Fahrt von Berlin in Richtung Hamburg verwendet.

34

2. Die Einfuhrumsatzsteuer wurde zu Recht festgesetzt. In entsprechender Anwendung der Zollvorschriften auf die Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 21 Abs. 2 UStG ist die Einfuhrumsatzsteuer entstanden. Auch nach dem neuerdings erforderlichen Tatbestandsmerkmal des Eingangs in den Wirtschaftskreislauf (EuGH, Urteil v. 10. Juli 2019, C-26/18, Federal Express, hierzu Bender, UR 2019, 641, 644 ff.) liegt eine mehrwertsteuerrechtliche Einfuhr vor. Der BMW wurde nämlich in Deutschland jedenfalls für eine Fahrt von Berlin in Richtung Hamburg genutzt und ist damit - wenn auch nur kurz - in den Wirtschaftskreislauf eingegangen.

35

Auch die Einfuhrumsatzsteuer konnte nicht gemäß Art. 124 Abs. 1 Buchst. k) ZK i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG erlöschen (siehe oben).

III.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

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