Beschluss vom Finanzgericht Hamburg (2. Senat) - 2 V 111/20
Tatbestand
I.
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Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Prüfungsbeginns einer Außenprüfung bei den Antragstellerinnen.
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Die Antragstellerinnen gehören zur A-Gruppe; die Antragstellerinnen zu 1) bis 3) sind als Großbetriebe, die Antragstellerin zu 4) als Kleinbetrieb i.S.v. § 3 der Betriebsprüfungsordnung (BpO) zu qualifizieren. Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerinnen reichten die Steuererklärungen für 2014 (Körperschaftsteuer, gesonderte Feststellung zum 31. Dezember 2014, Gewerbesteuer) für die Antragstellerinnen zu 1) und 2) am 27. Oktober 2015, für die Antragstellerin zu 3) am 11. Oktober 2015 und für die Antragstellerin zu 4) am 19. Oktober 2015 sowie die Umsatzsteuererklärungen für alle Antragstellerinnen am 6. Januar 2016 beim Antragsgegner ein.
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Am 14. November 2019 setzte sich der Betriebsprüfer des Antraggegners, B, telefonisch mit einer Mitarbeiterin der Verfahrensbevollmächtigten, Steuerberaterin C, in Verbindung und kündigte eine Außenprüfung für 2014 bis 2017 bei den Antragstellerinnen an. Am selben Tage ergingen die in diesem Verfahren streitigen Prüfungsanordnungen mit einem Prüfungsbeginn am 25. November 2019. Mit der Prüfungsanordnung wurde darum gebeten, die elektronische Buchführung im sog. GDPdU-Format einzureichen.
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Über das Telefonat mit C fertigte B unter dem 14. November 2019 folgenden Telefonvermerk:
....
Ich habe mit Frau C besprochen, dass ich mit der Betriebsprüfung gerne noch in 2019 beginnen möchte. Sie hat darauf verwiesen, dass zum Jahresende der Arbeitsstand sehr hoch ist. Ich habe ihr angeboten, dass sie mir für die D, die E und die F GmbH die Buchführungsdaten im GDPdU-Format zur Verfügung stellt. Zusätzlich habe ich um Übersendung der ...software gebeten. Wir haben uns darauf verständigt, dass sie mir die Daten der G GmbH zu sendet, da diese im Prüfungszeitraum nur 4 ... verwaltet und dies für eine stichprobenartige Überprüfung übersichtlicher ist. Zusätzlich zu der ...software bat ich auch um die Buchführungsdaten.
Ich habe ihr gesagt, dass ich zunächst ausschließlich mit den Daten arbeiten werde und ihr dann entsprechende Prüfungsanfragen zu senden werde. Dies könne sie dann auch im neuen Jahr beantworten. Sie erklärte noch, dass es hinsichtlich der laufenden Buchhaltungsunterlagen problemlos läuft, da ab 2015 die Unterlagen elektronisch zur Verfügung stehen. Lediglich für weitergehende Verträge müsse sie mit den Gesellschaftern sprechen.
Wir haben uns geeinigt, dass eine Übersendung der Daten bis zum 25.11.2019 problemlos möglich.
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Unter dem 4. Dezember 2019 forderte der Antragsgegner erneut zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 der Abgabenordnung (AO) bis spätestens 13. Dezember 2019 auf und wies darauf hin, dass ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden könne, wenn der Aufforderung nicht nachgekommen werde.
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Gegen die Prüfungsanordnungen legten die Verfahrensbevollmächtigten am 5. Dezember 2019 Einspruch ein und beantragten Aussetzung der Vollziehung. Die Prüfungsanordnungen seien nicht in angemessener Zeit vor Beginn der Prüfung bekannt gegeben; die Fristen des § 5 Abs. 4 BpO seien nicht gewahrt worden. Daraufhin verlängerte der Antragsgegner am selben Tage die Frist für die Übersendung der Daten nunmehr bis 12. Dezember 2019 und bestätigte im Übrigen den Eingang der Einsprüche gegen die Prüfungsanordnungen und "den darin im gegenseitigen Einvernehmen mit der steuerlichen Beratung vereinbarten Prüfungstermin". Dem widersprachen die Verfahrensbevollmächtigten, C habe dem Prüfungsbeginn am 25. November 2019 nicht zugestimmt und auch nicht gem. § 197 Abs. 1 Satz 2 AO auf die Einhaltung von Fristen verzichtet.
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Unter dem 16. Dezember 2019 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Aussetzung der Vollziehung ab, nach weiterer Korrespondenz wies er auch die Einsprüche mit Entscheidungen vom 17. Februar 2020 zurück. Hiergegen richten sich die Klagen vom 20. März 2020 (2 K 52/20), über die noch nicht entschieden ist.
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Mit der Außenprüfung ist bislang nicht begonnen worden.
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Die Antragstellerinnen haben am 18. Juni 2020 Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnungen bei Gericht beantragt.
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Sie halten daran fest, dass die Prüfungsanordnungen rechtswidrig seien, weil die einschlägigen angemessenen Fristen nicht eingehalten worden seien. Überdies seien sie rechtswidrig, soweit die Steuerfestsetzungen und -feststellungen für 2014 betroffen seien, weil insoweit zwischenzeitlich Verjährung eingetreten sei.
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Ihre Einsprüche und Anträge auf Aussetzung der Vollziehung könnten auch nicht als Anträge auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns i.S.v. § 197 Abs. 2, § 171 Abs. 4 AO gedeutet werden, insoweit fehle es an der hierfür erforderlichen rechtmäßigen Festsetzung des Prüfungsbeginns. Es sei auch nicht anlässlich des Telefonats mit dem Betriebsprüfer auf die Einhaltung der Fristen verzichtet worden, C habe einen derartigen Verzicht nicht, auch nicht konkludent erklärt. Allein die Äußerung, dass die Unterlagen elektronisch zur Verfügung stünden, was ohnehin gem. § 140 AO gesetzlich vorgeschrieben sei, lasse eine derartige Auslegung nicht zu. C habe in diesem Zusammenhang lediglich um Übersendung der Prüfungsanordnung gebeten. Die Fristen seien ihr im Übrigen gar nicht bewusst gewesen, sodass sie hierauf schon mangels Erklärungsbewusstseins nicht habe verzichten können.
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Nachdem das Gericht darauf hingewiesen hat, dass sich die Sache durch Fristablauf erledigt haben könnte, haben die Antragstellerinnen an ihrem Begehren festgehalten. Es drohe weiterhin die Vornahme von Prüfungs- und Vollstreckungshandlungen. Der Antragsgegner habe mit dem Schreiben vom 4. Dezember 2019 ein Verzögerungsgeld angedroht. Anders als durch die Aufrechterhaltung des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung könne die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nicht effektiv verhindert werden.
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Die Antragstellerinnen beantragen,
die jeweils gegen sie gerichteten Prüfungsanordnungen vom 14. November 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 17. Februar 2020 von der Vollziehung auszusetzen.
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Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.
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Er ist weiterhin der Ansicht, dass die Frist zwischen Bekanntgabe der Prüfungsanordnung und des Beginns der Prüfung angemessen sei. Die Übersendung der Unterlagen sei auch nach Auffassung der Antragstellerinnen problemlos möglich gewesen. Im Übrigen sei die Frist für die Übersendung der Unterlagen und damit der Beginn der Außenprüfung bis zum 12. Dezember 2019 verschoben worden.
Entscheidungsgründe
II.
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Die Anträge sind unzulässig.
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1. Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht Aussetzung der Vollziehung gewähren, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben der für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umstände gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (ständige Rechtsprechung; Nachweise bei Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rn. 89). Dabei muss der Erfolg nicht wahrscheinlicher sein als der Misserfolg (z.B. Bundesfinanzhof (BFH)-Beschluss vom 21. Dezember 1993, VIII B 107/93, BStBl II 1994, 300). In dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als summarischem Verfahren entscheidet das Gericht nur auf der Basis der ihm vorliegenden Unterlagen, d.h. nach Aktenlage und aufgrund von präsenten Beweismitteln.
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2. Im Streitfall fehlt es bereits am Rechtsschutzbedürfnis für die Gewährung von Aussetzung der Vollziehung, weil sich die angegriffenen Prüfungsanordnungen durch Zeitablauf erledigt haben.
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a) Gegenstand des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung sind die Prüfungsanordnungen vom 14. November 2019, mit denen der Beginn der Außenprüfung am 25. November angeordnet worden ist. Die Festlegung des Prüfungsbeginns ist ein eigenständiger Verwaltungsakt, der von der Prüfungsanordnung getrennt ist (z.B. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1986, I R 49/83, BStBl II 1987, 408; vom 25. Januar 1989, X R 158/87, BStBl II 1989, 483). Die Antragstellerinnen haben Einwendungen nur gegen den Zeitpunkt des Prüfungsbeginns erhoben, deshalb ist ihr Rechtsbehelf als gegen die Festlegung des Prüfungsbeginns zu verstehen.
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b) Mit Ablauf des 25. November 2020 hat sich der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts erschöpft, weil der Antragsgegner zu dem angekündigten Zeitpunkt nicht mehr mit der Prüfung beginnen kann. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Aussetzungsanträge ist damit entfallen.
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Der Betroffene kann zwar nach § 100 Abs.1 Satz 4 FGO beantragen, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts festzustellen, wenn sich ein Verwaltungsakt erledigt und er ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Der Übergang vom Anfechtungs- zum Feststellungsantrag ist auch möglich, wenn sich der Verwaltungsakt - wie im Streitfall - vor Klageerhebung und vor Abschluss des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens erledigt hat (BFH-Urteil vom 25. Januar 1989, X R 158/87, BStBl II 1989, 483; BFH-Beschluss vom 4. Februar 1988, V R 57/83, BStBl II 1988, 413). Findet die Außenprüfung aber nicht statt, fehlt es im Allgemeinen an einem berechtigten Interesse an einer Fortsetzungsfeststellungsklage, weil dem Begehren des Betroffenen, der sich gegen den unangemessen kurzen Zeitraum zwischen Anordnung und Beginn der Prüfung gewendet hat, mit dem Nichtbeginn entsprochen ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1986, I R 49/83, BStBl II 1987, 408). Darüber hinaus würde es bei einem derartigen Feststellungsantrag in der Hauptsache für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes an einem vollziehbaren Verwaltungsakt fehlen, sodass eine Aussetzung der Vollziehung insoweit ebenfalls nicht in Betracht käme.
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Die Antragstellerinnen können ein Rechtsschutzbedürfnis auch nicht darauf stützen, dass sie nur mit dem streitgegenständlichen Antrag die im Dezember 2019 in Aussicht gestellte Festsetzung eines Verzögerungsgeldes verhindern könnten. Abgesehen davon, dass es sich hierbei lediglich um einen Hinweis im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs, aber nicht um einen Verwaltungsakt handelt, könnte - und müsste - die tatsächliche Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2a AO ebenso wie die Anordnung des Datenzugriffs gesondert angefochten werden und gesondert Aussetzung der Vollziehung beantragt werden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Beschwerde gemäß § 128 Abs. 3 FGO liegen nicht vor.
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Referenzen
- FGO § 69 1x
- V R 57/83 1x (nicht zugeordnet)
- § 197 Abs. 1 Satz 2 AO 1x (nicht zugeordnet)
- 2 K 52/20 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 100 1x
- VIII B 107/93 1x (nicht zugeordnet)
- § 146 Abs. 2a AO 1x (nicht zugeordnet)
- § 140 AO 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 128 1x
- X R 158/87 2x (nicht zugeordnet)
- § 5 Abs. 4 BpO 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 135 1x
- I R 49/83 2x (nicht zugeordnet)
- § 171 Abs. 4 AO 1x (nicht zugeordnet)