Gerichtsbescheid vom Finanzgericht Hamburg (1. Senat) - 1 K 73/19
Tatbestand
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Die Kläger begehren die Berücksichtigung von Aufwendungen für Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016, soweit sie im Zusammenhang mit den ausländischen Einkünften des Klägers aus einem Drittstaat stehen.
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Der Kläger war im Streitjahr bei einem deutsch-chinesischen Joint Venture als Diplom-Kaufmann tätig, wobei er in diesem Zeitraum insgesamt 224 Arbeitstage in China tätig war. Er erzielte hierbei im Jahr 2016 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit sowohl in Deutschland als auch in China. In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 erklärten die Kläger Einkünfte des Klägers in Höhe von insgesamt EUR .... Hiervon entfielen laut Erklärung 12,28 %, mithin EUR ..., auf im Inland steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und die restlichen 87,72 %, mithin EUR ..., auf nach Art. 15 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und China vom 28. März 2014 ("DBA-China"; BGBl 2015 II S. 1647) im Inland steuerfreie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zudem wurden Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von EUR ... und zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von EUR ... des Klägers für das gesamte Jahr 2016 als Sonderausgaben erklärt.
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Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 vom 7. März 2018 berücksichtigte der Beklagte lediglich EUR ... der erklärten Rentenversicherungsbeträge und EUR ... der erklärten Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Eine weitergehende Berücksichtigung der erklärten Vorsorgeaufwendungen sei hingegen ausgeschlossen, da diese in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stünden und deshalb keine berücksichtigungsfähigen Sonderausgaben darstellten.
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Gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 legten die Kläger am 3. April 2018 Einspruch ein und beantragten die volle Berücksichtigung der erklärten Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Der Kläger müsse die späteren Einkünfte aus der gesetzlichen Rente versteuern, obwohl er die Altersvorsorgeaufwendungen nicht vollständig habe abziehen können. Im Falle des Erhalts von Arbeitslosengeld unterliege dieses dem Progressionsvorbehalt, obwohl der Kläger die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht vollständig habe abziehen können. Deshalb seien die erklärten Vorsorgeaufwendungen vollständig zu berücksichtigen.
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Mit Schreiben vom 24. April 2018 sowie vom 18. Januar 2019 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass ein Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) seiner Ansicht nach insoweit entfalle, wie die erklärten Vorsorgeaufwendungen mit den steuerfreien Einnahmen des Klägers im wirtschaftlichem Zusammenhang stünden. Zwar folge aus dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 11. Dezember 2017 (IV C 3 - S 2221/14/10005: 003 BStBl. 2017 I S. 1624) und der Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 22. Juni 2017 C-20/16, EU:C:2017:488 - Bechtel, BStBl II 2017, 1271), dass entgegen der Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG Vorsorgeaufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen nicht unter das Abzugsverbot fielen. Dies betreffe jedoch nur ausländische Einkünfte aus EU- oder EWR-Mitgliedsstaaten, nicht jedoch Einkünfte aus Drittstaaten. Mit Verweis auf ein beim BFH anhängiges Verfahren (Az. X R 23/17) regte der Beklagte das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) an. Nachdem die Kläger ihren Einspruch nicht zurücknahmen und sich zur angeregten Verfahrensruhe nicht verhielten, wies der Beklagte den Einspruch am 13. Februar 2019 als unbegründet zurück.
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Die Kläger haben am 14. März 2019 Klage erhoben. Sie tragen vor, dass der den Kläger betreffende chinesische Steuerbescheid für das Jahr 2016 zeige, dass in China kein Sonderausgabenabzug der hier in Streit stehenden Vorsorgeaufwendungen erfolgt sei. Ein solcher sei nach chinesischem Steuerrecht auch nicht möglich. Sie sind der Ansicht, die Nichtberücksichtigung der erklärten Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben stelle einen Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip und das Folgerichtigkeitsgebot dar. Unbillig sei zudem, dass das Arbeitslosengeld unter den Progressionsvorbehalt falle, wobei die darauf entfallenden Vorsorgeaufwendungen jedoch nicht abzugsfähig seien.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Bescheid über Einkommensteuer für 2016 vom 07. März 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2019 dahingehend abzuändern, dass die erklärten Beiträge des Klägers zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung in voller Höhe als Sonderausgaben berücksichtigt werden.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Auffassung, zwischen den steuerfreien Einnahmen des Klägers und den Vorsorgeaufwendungen bestehe ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang, weshalb die Aufwendungen nicht als Sonderausgaben zu berücksichtigen seien. Die streitgegenständlichen Beiträge seien nicht aus im Inland versteuertem Einkommen geleistet worden, weshalb die Kläger nicht wirtschaftlich belastet seien. Auch nach Einführung des Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) gelte weiterhin für Rentenversicherungsbeiträge das Abzugsverbot für Vorsorgeaufwendungen, wenn diese in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Zudem werde Arbeitslosengeld nicht aus Beitragsmitteln gezahlt, sondern es werde gemäß § 46 Sozialgesetzbuch II (SGB II) vom Staat finanziert. Zudem seien bei Einnahmen, die unter den Progressionsvorbehalt fallen, lediglich Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben, nicht aber Sonderausgaben zu berücksichtigten.
...
Entscheidungsgründe
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Der Gerichtsbescheid ergeht durch den Senat gemäß § 90a Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der angegriffene Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2016 ist rechtsfehlerfrei und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die im Zusammenhang mit den im Inland steuerfreien Einnahmen aus der Tätigkeit des Klägers in China stehenden Beiträge zur Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung sind nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3a EStG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung (alte Fassung [a.F.], Artikel 2 Abs. 7 G. v. 1. April 2015, BGBl. I S. 434; 2015 BGBl. I S. 2553) abzugsfähig.
1.
- 13
Einer Abzugsfähigkeit als Sonderausgaben steht entgegen, dass die vom Beklagten im Jahr 2016 nicht berücksichtigen Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von EUR ... und Arbeitslosenversicherungsbeiträge in Höhe von EUR ... in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den im Inland steuerfreien Einnahmen des Klägers aus seiner Tätigkeit in China stehen, sodass gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG in der am 1. Januar 2021 geltenden Fassung (neue Fassung [n. F.], Gesetz vom 21. Dezember 2020, BGBl. I S. 3096), die gemäß § 52 Abs. 18 Satz 4 EStG in der Fassung des Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) in allen noch offenen Fällen anzuwenden ist, vorliegend eine Abzugsfähigkeit ausscheidet.
a.
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Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Aufwendungen dann anzunehmen, wenn die Einnahmen und die Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind (vgl. BFH, Urteil vom 29. Januar 1986, I R 22/85, BStBl II 1986, 479; Urteil vom 11. Oktober 1989, I R 208/85, BStBl II 1990, 88; Urteil vom 18. Juli 1990, I R 72/86, BStBl II 1990, 926; Urteil vom 18. Juli 1990, I R 109/86, BFH/NV 1991, 220; Urteil vom 5. November 2019, X R 23/17, BStBl II 2020, 763). Ein solcher Zusammenhang ist insbesondere dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige steuerfreie Einnahmen erzielt, die gleichzeitig Pflichtbeiträge an die Sozialversicherungsträger auslösen. In diesem Fall geht die Steuerbefreiung dem Sonderausgabenabzug logisch vor. Die mit der Verausgabung der Pflichtbeiträge verbundene Minderung der Leistungsfähigkeit wird in diesem Fall bereits durch den Bezug der steuerfreien Einnahmen aufgefangen (vgl. BFH, Urteil vom 29. April 1992, I R 102/91, BStBl II 1993, 149; Urteil vom 18. April 2012, X R 62/09, BStBl II 2012, 721).
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Diese noch zur alten Rechtslage entwickelten Grundsätze gelten ebenfalls für die Rechtslage nach Inkrafttreten des AltEinkG vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427). Durch das AltEinkG wurde das hier maßgebliche Merkmal des "unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs" in § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG n.F. nicht geändert. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Regelungen zu den Nrn. 1 und 2 Buchst. a und c der bisherigen Regelung entsprächen (Gesetzentwurf des AltEinkG, BTDrucks 15/2150, 34). Konsequenterweise hat auch der Bundesfinanzhof vor diesem Hintergrund ausdrücklich betont, dass die Einführung des AltEinkG keine Änderung oder Anpassung seiner oben dargestellten Rechtsprechung erfordert (vgl. BFH, Urteil vom 18. April 2012, X R 62/09, BStBl II 2012, 721).
b.
- 16
Nach diesen Maßstäben besteht zwischen den in China erzielten Einnahmen des Klägers und den nicht berücksichtigten Aufwendungen für die Renten- und Arbeitslosenversicherung ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang. Die im Streitjahr 2016 geleisteten Pflichtbeiträge des Klägers an die Rentenversicherung in Höhe von EUR ... und die Arbeitslosenversicherung in Höhe von EUR ... wurden durch seine nichtselbständige Tätigkeit ausgelöst, wobei die Verpflichtung zur Leistung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung aus § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) und zur Arbeitslosenversicherung aus § 25 Sozialgesetzbuch III (SGB III) folgt. Der Bruttoarbeitslohn in Höhe von EUR ... ist nach Art. 15 des DBA-China in Höhe von EUR ... im Inland steuerfrei. Dies entspricht 87,72 % des Bruttoarbeitslohnes des Klägers im Jahr 2016. Die im Streitjahr geleisteten Beiträge des Klägers zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung entfallen damit zu 87,72 % auf die steuerfreien Einnahmen. Damit sind die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugsverbots nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F. insoweit erfüllt.
2.
- 17
Das Sonderausgabenabzugsverbot scheidet nicht wegen einer (analogen) Anwendung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 a)-c) EStG n.F. auf Drittstaaten aus (a.). Auch eine einschränkende Auslegung des Sonderausgabenabzugsverbots gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F. scheidet vorliegend aus. Die Notwendigkeit einer solchen einschränkenden Auslegung folgt nach Auffassung des Senats insbesondere nicht aus den verfassungsrechtlichen Prinzipien des subjektiven Nettoprinzips (b.) sowie des Folgerichtigkeitsgebotes (c.) (zustimmend Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG, Jahreskommentierung 2019 Rz J 18-4; für einen Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip hingegen Niedersächsisches FG, Urteil vom 28. September 2016, 3 K 169/15, EFG 2017, 124, Rz 20, 26, rkr.; FG Düsseldorf, Urteil vom 10. Juli 2018, 10 K 1964/17, EFG 2018, 1515, Rz 16, 22, rkr.; ausdrücklich offengelassen durch BFH, Urteil vom 5. November 2019, X R 23/17, BStBl II 2020, 763).
a.
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Im Anschluss an die Rechtsprechung, wonach eine Ausnahme vom Abzugsverbot für solche Vorsorgeaufwendungen besteht, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit stehen, die in einem Mitgliedsland der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz erzielt wurden, nach einem Doppelbesteuerungsabkommen im Inland steuerfrei sind und im Beschäftigungsstaat keine steuerliche Berücksichtigung finden (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2017, C-20/16, EU:C:2017:488 - Bechtel, BStBl II 2017, 1271; BFH, Urteil vom 5. November 2019, X R 23/17, BStBl II 2020, 763), hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F. diese Fälle ausdrücklich vom Abzugsverbot ausgenommen.
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Allerdings lässt sich die europarechtlich gebotene, zentral auf Art. 45 AEUV gestützte gesetzliche Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F. weder direkt noch im Wege des Analogieschlusses auf Vorsorgeaufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreiem Arbeitslohn aus Drittstaaten - wie vorliegend aus China - übertragen. Denn die innerhalb der Europäischen Union geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt im Verhältnis zu Drittstaaten nicht (Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG, Jahreskommentierung 2019 Rz J 18-4). Es fehlt daher an einer die Analogie rechtfertigenden vergleichbaren Interessenlage. Auch fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Schließlich hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a) EStG n.F. durch die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf bestimmte Länder gleichsam den Willen zum Ausschluss von Drittstaaten zum Ausdruck gebracht. Die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke in Bezug auf die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F. auch auf Drittstaaten scheidet daher aus.
b.
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Auch das subjektive Nettoprinzip gebietet vorliegend keine einschränkende Auslegung des Sonderausgabenabzugsverbots gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F.. Nach dem subjektiven Nettoprinzip muss dem Steuerbürger ein "staatsfreies Existenzminimum" verbleiben; die Fähigkeit zur Steuerzahlung beginnt erst nach Deckung des allernotwendigsten Lebensbedarfs. Im Unterschied zum objektiven Nettoprinzip geht es dem subjektiven Nettoprinzip um eine Verschonung von bestimmten zwangsläufigen Aufwendungen, die in den Bereich der privaten Einkommensverwendung fallen (vgl. BFH, Urteil vom 16. Oktober 2002, XI R 41/99, BStBl II 2003, 179 mwN). Im Falle des Abzugsverbotes des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG wird allerdings die Minderung der finanziellen Leistungsfähigkeit durch die Verausgabung der Sonderausgaben bereits durch den Bezug der steuerfreien Einkünfte aufgefangen (BFH, Urteil vom 29. April 1992, I R 102/91, BStBl II 1993, 149). Durch § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG n.F. soll ein doppelter steuerlicher Vorteil vermieden werden, der entstehen würde, wenn ein Abzug der Sonderausgaben, die im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, zugelassen werden würde (BFH, Urteil vom 18. Juli 1980, VI R 97/77, BStBl II 1981, 16). Auch würde die Abzugsfähigkeit von Sonderausgaben im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber den Steuerpflichtigen mit im Inland steuerpflichtigen Einnahmen führen.
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An dieser Beurteilung ändert sich selbst dann nichts, wenn die Vorsorgeaufwendungen - wie vorliegend von den Klägern vorgetragen - in China nicht abgezogen werden können, aber die spätere Altersrente in Deutschland vollumfänglich besteuert wird (a.A. Niedersächsisches FG, Urteil vom 28. September 2016, 3 K 169/15, EFG 2017, 124, Rz 25; FG Düsseldorf, Urteil vom 10. Juli 2018, 10 K 1964/17, EFG 2018, 1515, Rz 21; offengelassen durch BFH, Beschluss vom 18. Dezember 1991, X B 126/91, BFH/NV 1992, 382, zitiert nach juris, Rz. 6). Es handelt sich hierbei vielmehr um die Problematik einer möglichen Doppelbesteuerung. Die Prüfung, ob eine Doppelbesteuerung von Alterseinkünften vorliegt, ist jedoch erst bei Beginn des Rentenbezuges vorzunehmen (BFH, Urteil vom 21. Juni 2016, X R 44/14, BFHE 254, 545). Der Einwand einer doppelten Besteuerung kann daher nicht in den Veranlagungszeiträumen der Altersvorsorgeaufbauphase vorgebracht werden (BFH, Urteil vom 05. November 2019, X R 23/17, BStBl II 2020, 763). Zudem kommt es auf die steuerliche Behandlung der späteren Altersrente für die Anwendung des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG n.F. nicht an (BFH, Urteil vom 18. April 2012, X R 62/09, BStBl II 2012, 721).
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Schließlich greift der Einwand der Doppelbesteuerung auch im Hinblick auf die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht durch. Zum einen wird ein späteres Arbeitslosengeld nicht als Einnahme besteuert, sondern es unterliegt dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 lit. a EStG und erhöht damit lediglich den Steuersatz auf andere im Inland steuerpflichtige Einkünfte. Ließe man den Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit im Inland steuerfreien Einkünften zu, würde der Steuerpflichtige daher überkompensiert. Zum anderen besteht kein Zusammenhang zwischen den geleisteten Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung und dem ggfs. ausgezahlten Arbeitslosengeld. Denn steuerfinanzierte Fürsorgeleistungen, wie die Grundsicherung oder das Arbeitslosengeld, basieren nicht auf Eigenleistungen und werden nicht aus den Beitragsleistungen finanziert (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. November 2011, 1 BvR 2007/11, ZSteu 2011, R1183; Beschluss vom 07. Dezember 2010, 1 BvR 2628/07, BVerfGE 128, 90). Bereits aus diesem Umstand folgt, dass eine Verletzung des subjektiven Nettoprinzips insoweit ausscheidet.
c.
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Ferner gebietet auch das Gebot der Folgerichtigkeit vorliegend keine einschränkende Auslegung des Sonderausgabenabzugsverbots gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F.. Nach dem Gebot der Folgerichtigkeit ist die vom Gesetzgeber einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen (BFH, Vorlagebeschluss vom 14. Oktober 2015, I R 20/15, BStBl II 2017, 1240). Der Gesetzgeber ist bei der Ausgestaltung der Verteilungsentscheidung an ein gewisses Maß von Rationalität und Ausgewogenheit gebunden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2009, 2 BvL 1/00, BStBl II 2009, 685). Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG n.F. seine Belastungsentscheidung nicht folgerichtig umgesetzt hat. Vielmehr hat er mit dieser Regelung das Abzugsverbot von Werbungskosten und Betriebsausgaben nach § 3c Abs. 2 EStG, soweit diese im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, auch auf Sonderausgaben erweitert (BFH, Urteil vom 18. Juli 1980, VI R 97/77, BStBl II 1981, 16). Der Gesetzgeber hat damit seine Entscheidung, Aufwendungen, die mit steuerfreien Einnahmen im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht zum Abzug zuzulassen, folgerichtig auch für Sonderausgaben umgesetzt. Damit hat er sichergestellt, dass die Belastung von Steuerpflichtigen mit steuerfreien Einnahmen derjenigen mit steuerpflichtigen Einnahmen entspricht. Denn bei einem Abzug von Sonderausgaben, die im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, wären diese Steuerpflichtigen weniger belastet als Steuerpflichtige mit steuerpflichtigen Einnahmen.
3.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4.
- 25
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 FGO zugelassen.
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Die grundsätzliche Bedeutung der Streitsache folgt aus dem Umstand, dass die besondere Fallkonstellation eines Zusammentreffens einer inländischen Sozialversicherungspflicht und eines möglichen anteiligen Abzugsverbotes nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG n.F. wegen ausländischer Einkünfte aus einem Drittstaat, ohne dass die übrigen Vorsorgeaufwendungen zur Altersvorsorge im In- oder Ausland abzugsfähig sind, bislang nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung waren (ausdrücklich offengelassen durch BFH, Urteil vom 18. April 2012, X R 62/09, BStBl II 2012, 721, Urteil vom 5. November 2019, X R 23/17, BStBl II 2020, 763).
- 27
Zudem war die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Das Finanzgericht Düsseldorf hat - abweichend zur vorliegenden Entscheidung - mit Urteil vom 10. Juli 2018 entschieden, dass inländische Beiträge zur Rentenversicherung, die mit nach dem DBA-China steuerfrei (mit Progressionsvorbehalt) gestellten Einkünften in Zusammenhang stehen und im Beschäftigungsstaat China nicht abziehbar sind, als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen sind (10 K 1964/17, EFG 2018, 1515).
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Referenzen
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- I R 22/85 1x (nicht zugeordnet)
- X B 126/91 1x (nicht zugeordnet)
- EStG § 32b Progressionsvorbehalt 1x
- 10 K 1964/17 3x (nicht zugeordnet)
- EStG § 52 Anwendungsvorschriften 1x
- I R 72/86 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 135 1x
- X R 44/14 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 115 1x
- X R 62/09 4x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 2007/11 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvL 1/00 1x (nicht zugeordnet)
- EStG § 3c Anteilige Abzüge 1x
- X R 23/17 6x (nicht zugeordnet)
- I R 102/91 2x (nicht zugeordnet)
- I R 208/85 1x (nicht zugeordnet)
- I R 109/86 1x (nicht zugeordnet)
- 3 K 169/15 2x (nicht zugeordnet)
- EStG § 10 19x
- XI R 41/99 1x (nicht zugeordnet)
- VI R 97/77 2x (nicht zugeordnet)