Urteil vom Finanzgericht Münster - 2 K 1954/18 E
Tenor
Die Klage wird abwiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger von den Anschaffungskosten eines Grundstücks einen Betrag aus einer nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) gebildeten Rücklage abziehen darf.
3Der Kläger war ursprünglich Eigentümer des Grundstücks Gemarkung X Flur … Flurstück … 35.146 qm groß (im Folgenden auch „Grundstück“). Dabei handelt es sich um landwirtschaftlichen Grundbesitz (Ackerfläche). Der Kläger ist kein aktiver Landwirt mehr; die vorhandenen Flächen verpachtet er durchgängig.
4Das streitgegenständliche Grundstück verpachtete der Kläger mit Vertrag vom 17.3.1999 als eines von mehreren an seinen Bruder, Herrn M Q (im Folgenden auch „Bruder“), zu einem Pachtzins von 1.080 DM pro ha, welcher in monatlichen Raten von 1.278 DM (für alle verpachteten Grundstücke) zahlbar sein sollte (§ 1 Abs. 1 a, § 5 Abs. 1 a, Abs. 2 des Pachtvertrages). § 3 dieses Vertrages sah für den Zeitraum ab dem 31.3.2009 eine Verlängerung auf unbestimmte Zeit vor, wenn nicht eine der Vertragsteile mindestens 6 Monate vor Ablauf der vereinbarten Pachtzeit die Verlängerung schriftlich gegenüber dem anderen Vertragsteil ablehnte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den „Pachtvertrag für landwirtschaftliche Grundstücke“ vom 17.3.1999.
5Dasselbe Grundstück veräußerte der Kläger mit Vertrag vom 29.12.2008 zu einem Kaufpreis von 140.584 EUR (4 EUR pro qm) an seinen Bruder. Der o.g. Pachtvertrag wurde laut § 4 Abs. 3 des Kaufvertrages zum Zeitpunkt der Kaufpreisfälligkeit einvernehmlich aufgehoben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 29.12.2008 des Notars O in C, Urkundenrolle Nr. … Bezug genommen. In der Folgezeit wurde der Bruder als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen.
6Der Kläger, der seine Einkünfte aus der Landwirtschaft nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt , stellte im Wirtschaftsjahr 2008/2009 einen Veräußerungsgewinn aus dem Grundstück von 99.345 EUR in eine Rücklage gemäß § 6b EStG i.V.m. § 6c EStG ein.
7Über dasselbe Grundstück schlossen der Kläger und sein Bruder im Juni 2013 einen weiteren Vertrag mit Nachtrag mit dem Ziel, es an den Kläger zurück zu übereignen. Im Vertrag vom 18.6.2013 waren als Kaufpreis 140.584 EUR (4 EUR pro qm) vorgesehen, fällig spätestens am 30.6.2013, nachdem im Einzelnen näher festgelegte Bedingungen für den Vollzug des Vertrages vorliegen würden (§ 3 lit. b) des Vertrags vom 18.6.2013). Vereinbart wurde überdies die Eintragung einer Vormerkung nach § 883 BGB und eine unbedingt erklärte Auflassung (§ 2 des Vertrags vom 18.6.2013); allerdings sollte der Notar die Erklärungen zum Eigentumsübergang dem Grundbuchamt erst vorlegen, wenn der Nachweis der Kaufpreiszahlung erbracht sein würde. Bei Nichtzahlung bei Fälligkeit sollten die gesetzlichen Verzugszinsen gezahlt werden (§ 3 lit. c) des Vertrags vom 18.6.2013). Der Besitzübergang sollte spätestens am 30.6.2013 erfolgen. Mit dem Tage des Besitzübergangs sollten auch die Nutzungen und die Gefahr des Kaufgegenstandes sowie öffentliche Abgaben und Lasten auf den Käufer übergehen (§ 4 des Vertrags vom 18.6.2013).
8Am 27.6.2013 kamen der Kläger und sein Bruder in einem Nachtragsvertrag zu dem vorgenannten Vertrag überein, den Kaufpreis um 29.874,10 EUR auf einen Gesamtpreis von 170.458,10 EUR (4,85 EUR/qm) heraufzusetzen. Es blieb bei der Fälligkeit des Kaufpreises unter den ursprünglichen Bedingungen zum 30.6.2013. Unabhängig von der Kaufpreiszahlung sollte die Besitzübergabe spätestens bis zum 30.6.2013 erfolgen.
9Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Vertrag vom 18.6.2013 und den Nachtrag vom 27.6.2013, Urkundenrolle Nr. … und Nr. … des Notars O in C.
10Der Kläger schloss am 15.7.2013 einen Darlehensvertrag mit der Bank Y über 140.000 EUR ab mit dem Verwendungszweck „Flächenkauf – Landwirtschaft“. Von dieser Summe überwies der Kläger am 9.8.2013 seinem Bruder 122.000 EUR. Eine Grundbuchumschreibung, die den Kläger als Eigentümer des Grundstücks ausweisen würde, ist bis dato nicht erfolgt.
11Der Bruder des Klägers reichte beim Beklagten zu seinen eigenen Steuerakten ein mit „Kündigung“ überschriebenes Schriftstück mit Datumsangabe „30.8.2014“ ein, das maschinenschriftlich abschloss mit der Klausel: „Mit freundlichen Grüßen I Q“, und dessen Erhalt der Bruder handschriftlich mit Datum vom 5.9.2014 unten rechts bestätigte. Der Text des Schreibens lautet: „Sehr geehrte Damen und Herrn Hiermit kündige ich den am 17. März 1999 geschlossenen Pachtvertrag fristgerecht zum 31. März 2015. Pachtzins betrug 551,98 ha, wird ab dem 1.4.2015 um 500,00 € erhöht. Der erhöhte Pachtzins wird zum 1.07.2022 fällig, oder eher! wenn der Differenzbetrag 48458,01 € (Restsumme) ausgeglichen wurde.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kopie des Schriftstückes Bezug genommen, die sich in Band 2 der Betriebsprüfungsakten, abgeheftet bei den „Unterlagen zur Feststellung zu § 6b“.
12Der Kläger erklärte in seinen Einnahmen-Überschuss-Rechnungen seit dem Monat Februar 2009 durchgängig bis zum 30.6.2016 monatliche Pachteinnahmen von 491,17 EUR. Ausweislich der Angaben des Beklagten in der Einspruchsentscheidung reichte der Kläger im Jahr 2018 geänderte Einnahmen- Überschuss-Rechnungen ein, in denen er für 2013/2014 monatlich 551,98 EUR erklärte, und für 2014/2015 insgesamt 9 Monate x 551,98 und 3 Monate x 1.051,98 EUR.
13Der Beklagte veranlagte den Kläger zusammen mit seiner Ehefrau für das Jahr 2012 zunächst so, dass er die im Wirtschaftsjahr 2008/2009 gebildete Rücklage mangels Reinvestition auflöste und verzinste. Dem hiergegen einlegten Einspruch half er mit Bescheid vom 6.11.2014 ab und setzte die Einkünfte aus Landwirtschaft beim Kläger mit 1.103 EUR an. Am 3.7.2015 hob er den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
14Für das Jahr 2013 veranlagte er mit Bescheid vom 3.7.2015 zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zur Einkommensteuer; dabei beliefen sich die Einkünfte des Klägers aus Landwirtschaft auf 6.072 EUR.
15Im Zuge einer Betriebsprüfung beim Kläger, die im Jahr 2016 angeordnet wurde und insbesondere die Einkommensteuer 2012 bis 2014 betraf, legte der Kläger dar, er habe das Grundstück in 2008/2009 an seinen Bruder veräußert, damit dieser sich für ein Windparkprojekt hätte bewerben können. Letztlich sei die geplante Investition an der Ausweisung des Grundstücks als Naturschutzgebiet gescheitert. Beim Rückkauf im Jahr 2013 seien über den Ortslandwirt weitere Interessenten vorhanden gewesen. Da die Fläche in der Familie hätte bleiben sollen, habe man den Kaufpreis per Nachtrag so erhöht, dass der Erwerb für andere uninteressant geworden sei, um dann die erforderliche Genehmigung zu erlangen. Die unerwartete Erhöhung des Kaufpreises habe dazu geführt, dass er ihn nicht habe voll begleichen können; das Darlehen habe nicht aufgestockt werden können. Er habe sich deshalb mit seinem Bruder mündlich darauf geeinigt, dass der verbleibende Kaufpreis mit der Pachtzahlung von 500 EUR pro Monat verrechnet werde. Verzugszinsen habe sein Bruder nicht verlangt. Die Hergabe eines Schleppers an seinen Bruder habe nicht im Zusammenhang mit der Kaufpreiszahlung gestanden.
16Im Betriebsprüfungsbericht führte der Prüfer aus, dass der Restkaufpreis von 48.458 EUR zum Stand 30.3.2017 immer noch offen sei. Es sei fraglich, inwiefern Nutzen und Lasten tatsächlich übergegangen seien, denn der veräußernde Bruder bewirtschafte das Land nach wie vor. Insgesamt sei der Vertrag steuerlich nicht anzuerkennen. Er halte einem Fremdvergleich nicht statt. Es sei nicht üblich, dass Nutzen und Lasten unabhängig von der Kaufpreiszahlung zu einem bestimmten Termin übergehen sollten. Die vereinbarten Verzugszinsen seien weder geltend gemacht noch gezahlt worden. Die vertragliche Hauptpflicht zur fristgerechten und vollständigen Zahlung des Kaufpreises sei nicht erfüllt worden; es seien lediglich 72 vH gezahlt worden. Es liege keine Reinvestition im Sinne von § 6b EStG vor; die Rücklage nach §§ 6b und 6c EStG könne nicht übertragen werden. Sie sei gewinnerhöhend mit einer Verzinsung von 24 vH aufzulösen. Auch § 42 AO sei einschlägig. Der Prüfer erhöhte daraufhin den Gewinn aus der Landwirtschaft um jeweils 61.593 EUR für 2012 und 2013. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Betriebsprüfungsbericht vom 6.4.2017.
17Den Feststellungen der Außenprüfung folgend ergingen am 2.8.2017 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 (für 2012) und nach § 164 Abs. 2 AO (für 2013) geänderte Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013. Darin wurden die Einkünfte aus Landwirtschaft wegen der gewinnerhöhenden Auflösung der § 6b-Rücklage jeweils um 61.593 EUR erhöht, für 2012 auf insgesamt 62.696 EUR, für 2013 auf insgesamt 67.665 EUR. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 24.5.2018 zurück. Ergänzend zu den Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht führt er als Argument für die fehlende Fremdüblichkeit des Vertrages aus Juni 2013 an, dass der Rückkauf des Grundstücks zunächst zum selben Preis erfolgen sollte wie der vier Jahre zurückliegende Verkauf an den Bruder, obwohl für landwirtschaftliche Flächen in diesem Zeitraum unzweifelhaft eine Wertsteigerung stattgefunden habe. Die Abwicklung des Kaufvertrages sei auch unüblich; die Aussage, dass der Restkaufpreis durch Verrechnung bzw. Veräußerung landwirtschaftlichen Gerätes geleistet worden sei, sei, wie der Kläger in der Schlussbesprechung eingeräumt habe, unzutreffend. Entgegen der Darstellung des Klägers in der Schlussbesprechung, dass nur eine mündliche Abrede existiere, sei in den beim Beklagten eingereichten Steuerunterlagen des Bruders die auf den 30.8.2014 datierte „Kündigung“ enthalten gewesen. Hierzu habe der Berater des Klägers mitgeteilt, die Vereinbarung sei erst nach der Schlussbesprechung schriftlich festgehalten worden. Nicht nachvollziehbar seien zudem die Beträge in den in 2018 nachgereichten geänderten Einnahme-Überschussrechnungen für die Wirtschaftsjahre 2013/2014 und 2014/2015. Für 2013/2014 würden 12 Monate x 551,98 EUR erklärt, für 2014/2015 9 Monate x 551,98 und 3 Monate x 1.051,98 EUR. Es sei nicht ersichtlich, warum die im „Kündigungsschreiben“ auf 1.051,98 EUR/ha erhöhten Beträge nunmehr als Monatsbeträge ausgewiesen würden.
18Im Klageverfahren ergänzt der Kläger sein Vorbringen aus der Betriebsprüfung dahingehend, dass am 5.9.2014 die zunächst mündliche Vereinbarung mit seinem Bruder über eine Pachtpreiserhöhung rückwirkend schriftlich festgehalten worden sei. Sein Bruder habe sich bereit erklärt, aufgrund des zwischenzeitlich stark gestiegenen Pachtniveaus eine höhere Pacht zu zahlen, mit der der Restkaufpreis von 48.458 EUR verrechnet werden sollte. Dieser als Änderungskündigung zu wertende Vorgang sei laienhaft als Kündigung des zwischen den Brüdern bestehenden Pachtverhältnisses zum 31.3.2015 und Erhöhung des Pachtzinses ab dem 1.4.2015 um 500 EUR bezeichnet worden. Der erhöhte Pachtzins sollte danach tatsächlich erst gezahlt werden, wenn der ausstehende Differenzbetrag ausgeglichen sein sollte. Das sei bis dato noch nicht geschehen mit der Folge, dass die Eigentumsumschreibung weiterhin ausstehe. Verzugszinsen seien aufgrund der finanziellen Situation des Klägers nicht gefordert worden. Die Pachtpreiserhöhung sei bei der Abgabe der Steuererklärungen für die Jahre 2014/2015 und 2015/2016 zunächst nicht berücksichtigt worden. Erst nachdem die Stundungs-und Aufrechnungsvereinbarung im Rahmen der Betriebsprüfung bekannt geworden sei, habe man berichtigte Gewinnermittlungen eingereicht.
19Der Rückkauf sei erfolgt, weil der Anlass der Veräußerung an den Bruder, die beabsichtigte Nutzung für Windkraft, nicht umgesetzt worden sei. Das wirtschaftliche Eigentum an dem Grundstück sei vor Ablauf der Reinvestitionsfrist am 30.6.2013 wieder auf den Kläger übergegangen. Bezogen auf den ursprünglichen Kaufpreis habe er durch die Überweisung von 122.000 EUR insgesamt 86,78 vH getilgt. Die mündlich vereinbarte Pachtpreiserhöhung habe sich auf 500 EUR je ha (Bl. 2 R der Gerichtsakte) belaufen. Es seien nach dem Rückkauf insgesamt 14,20 ha vom Kläger verpachtet worden, so dass ab dem 1.4.2015 – unter Berücksichtigung der ansonsten zu beachtenden Kündigungsfrist – jährlich 7.100 EUR mit der ausstehenden Kaufpreisforderung zu verrechnen seien. Der vollständige Kaufpreis, der dem Marktpreis entspreche, werde in 2022 beglichen sein.
20Die Vereinbarungen seien ernsthaft gewollt gewesen. Die steuerlichen Berater des Klägers und seines Bruders seien über die mündliche Vereinbarung zur Pachtpreiserhöhung und Verrechnung nicht informiert gewesen, so dass die steuerlichen Konsequenzen zunächst nicht gezogen worden seien. Der Bruder, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermittele, habe den Veräußerungspreis von 170.458 EUR als Forderung zum 30.6.2013 aktiviert und die Zahlung von 122.000 EUR im August 2013 forderungsmindernd berücksichtigt.
21Der Kläger beantragt,
22die Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013, beide vom 2.8.2017 und in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 24.5.2018, dahingehend zu ändern, dass die Rücklage nach § 6b EStG nicht gewinnerhöhend und verzinslich aufgelöst wird.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Der Beklagte nimmt Bezug auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und merkt an, dass die mehrfach abgewandelten Einlassungen des Klägers den Eindruck erweckten, dass nicht wahrheitsgemäß vorgetragen worden sei.
26Der Senat hat am 18.6.2019 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe
28Die Klage ist unbegründet.
29Die Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013, beide vom 2.8.2017 und in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 24.5.2018, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
30Der Beklagte hat die Einkünfte des Klägers aus Landwirtschaft zu Recht um den Gewinn aus der Auflösung der § 6b-Rücklage zuzüglich Zinsen erhöht.
31Steuerpflichtige, die Grund und Boden veräußern, können nach § 6b Abs. 1 EStG und bei Vorliegen der in § 6b Abs. 4 EStG genannten Voraussetzungen im Wirtschaftsjahr der Veräußerung einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns von den Anschaffungs- und Herstellungskosten bestimmter anderer Wirtschaftsgüter abziehen. Soweit dieser Abzug nicht vorgenommen wird, kann im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden (§ 6b Abs. 3 Satz 1 EStG). Ermittelt der Steuerpflichtige --wie im Streitfall der Kläger -- den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, ist § 6b EStG mit Ausnahme des § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG entsprechend anzuwenden (§ 6c Abs. 1 Satz 1 EStG). Soweit nach § 6b Abs. 3 EStG eine Rücklage gebildet werden kann, ist ihre Bildung als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln; der Zeitraum zwischen Abzug und Zuschlag gilt als Zeitraum, in dem die Rücklage bestanden hat (§ 6c Abs. 1 Satz 2 EStG).
32Im Streitfall war die im Wirtschaftsjahr 2008/2009 nach §§ 6b, 6c EStG gebildete Rücklage zum Ablauf der Reinvestitionsfrist, dem 30.6.2013, nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG gewinnerhöhend aufzulösen. § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG sieht vor, dass eine Rücklage, die am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist, in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen ist, soweit nicht - was vorliegend nicht der Fall ist, da es um ein bis heute unbebautes Grundstück geht – ein Abzug von den Herstellungskosten von Gebäuden in Betracht kommt. Die Merkmale des § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG sind im Streitfall erfüllt, denn die Rücklage war am Ende der Reinvestitionsfrist noch vorhanden. Insbesondere durfte der in die Rücklage eingestellte Betrag nicht von den Anschaffungskosten des streitgegenständlichen Grundstücks abgezogen werden.
33Nach § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG i.V.m. § 6c Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige einen Betrag bis zur Höhe der nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gebildeten Rücklage von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der in § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG bezeichneten Wirtschaftsgüter, die in den folgenden vier Wirtschaftsjahren (bzw. unter den Voraussetzungen des § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG in den folgenden sechs Jahren) angeschafft oder hergestellt worden sind, im Wirtschaftsjahr ihrer Anschaffung oder Herstellung unter Berücksichtigung der Einschränkungen des § 6b Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG abziehen. Eine solche Reinvestition hat im Streitfall bis zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem 30.6.2013, nicht stattgefunden. Der Kläger hatte das streitgegenständliche Grundstück zu diesem Zeitpunkt nicht angeschafft.
34Unter dem Begriff der „Anschaffung“ i.S. des § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG versteht der BFH den entgeltlichen Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an einem Wirtschaftsgut (BFH-Urteil vom 23. April 2009 IV R 9/06, BFHE 225, 15; BStBl II 2010, 664; BFH –Beschluss vom 19. November 2015 IV B 103/14, IV B 103/14, BFH/NV 2016, 198, jeweils m.w.N.). Dieser Anschaffungsvorgang muss, wie sich auch im Umkehrschluss aus § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG ergibt, innerhalb der Reinvestitionsfrist abgeschlossen sein; es reicht nicht aus, mit der Reinvestition innerhalb dieses Zeitraums lediglich begonnen zu haben (vgl. auch BFH-Urteil vom 22. November 2018, VI R 50/16, BB 2019, 623).
35Wirtschaftsgüter sind grundsätzlich auch steuerrechtlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO). Übt jedoch ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO). Bei Grundstückskaufverträgen ist in der Regel eine vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO vorzunehmen, sobald Eigenbesitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Käufer übergegangen sind (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2006 II R 26/05, BFH/NV 2007, 386, m.w.N.). Die höchstrichterliche Rechtsprechung fordert bei Verträgen zwischen einander nahestehenden Personen eindeutige, d.h. überprüfbare und im Voraus getroffene Abmachungen und die Durchführung dieser Vereinbarungen wie zwischen fremden Dritten üblich (vgl. BFH-Urteil vom 27. November 1996 X R 92/92; FG Köln v. 27. Januar 2006 14 K 6539/98, m.w.N.).
36Nach diesen Grundsätzen hatte der Kläger am maßgeblichen Stichtag 30.6.2013 mangels Grundbucheintragung nicht das rechtliche Eigentum am streitgegenständlichen Grundstück erworben; er ist auch nicht wirtschaftlicher Eigentümer geworden. Zwar hatte er vertraglich mit seinem Bruder vereinbart (§ 4 des Vertrags vom 18.6.2013), dass Besitz, Nutzungen und Gefahr spätestens am 30.6.2013 übergehen sollten. Diese Vereinbarung ist aber nicht wie zwischen fremden Dritten üblich durchgeführt worden. Denn unmittelbarer Besitzer des Grundstücks war und blieb aber fortan der Bruder des Klägers, der durch das Beackern der Fläche die Nutzungen aus dem Grundstück zog. Auch der Erwerb mittelbaren Besitzes i.S. des § 868 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist im Streitfall vor dem Stichtag 30.6.2013 nicht feststellbar. Es fehlt insofern, da die Brüder nahestehende Personen sind, an einer eindeutigen und klaren Abrede in schriftlicher Form über ein mittelbares Besitzverhältnis, die vor Ablauf des 30.6.2013 zu treffen gewesen wäre. Kein fremder Dritter hätte als Erwerber eines Grundstücks, aus dem wie im Streitfall tatsächlich Früchte gezogen wurden, ohne einen Pachtvertrag dem Veräußerer weiterhin den unmittelbaren Besitz überlassen. Der Pachtvertrag aus dem Jahr 1999 erfasste das streitgegenständliche Grundstück nicht mehr; jener Pachtvertrag war, wie im Vertrag vom 29.12.2008 geregelt, zumindest insofern aufgehoben worden. Ein etwaiger fortbestehender Pachtvertrag für die weiteren, beim Kläger verbliebenen Grundstücke wurde auch nicht vor dem 30.6.2013 in eindeutiger und klarer Weise auf dieses Grundstück erweitert. Selbst nach dem beim Bruder des Klägers vorhandenen Schriftstück, das vom 30.8.2014 datierte, war eine Pachterhöhung erst zum 1.4.2015 vorgesehen.
37Der Beklagte hat zutreffend den Betrag der aufzulösenden Rücklage um 24 vH erhöht. Soweit eine nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gebildete Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst wird, ohne dass – wie im Streitfall - ein entsprechender Betrag nach Abs. 3 abgezogen wird, ist gemäß § 6b Abs. 7 EStG der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, vorliegend also für 4 Wirtschaftsjahre, um 6 vH des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen.
38Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Referenzen
- 2014 und 2014/20 1x (nicht zugeordnet)
- § 164 Abs. 2 AO 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 100 1x
- 2015 IV B 103/14 1x (nicht zugeordnet)
- 2006 II R 26/05 1x (nicht zugeordnet)
- EStG § 6c Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter bei der Ermittlung des Gewinns nach § 4 Absatz 3 oder nach Durchschnittssätzen 3x
- 2015 und 2015/20 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 883 Voraussetzungen und Wirkung der Vormerkung 1x
- § 42 AO 1x (nicht zugeordnet)
- 14 K 6539/98 1x (nicht zugeordnet)
- 1996 X R 92/92 1x (nicht zugeordnet)
- VI R 50/16 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 135 1x
- EStG § 6b Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter 9x
- IV B 103/14 1x (nicht zugeordnet)
- 2009 IV R 9/06 1x (nicht zugeordnet)
- EStG § 4 Gewinnbegriff im Allgemeinen 1x