Urteil vom Finanzgericht Münster - 14 K 2450/18 L
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Streitig ist, ob Zahlungen der Klägerin an ihre Arbeitnehmer, die im Zusammenhang mit der Anmietung von Werbeflächen auf Nummernschildträgern von deren Fahrzeugen stehen, Arbeitslohn sind.
3Im Rahmen einer am 03. und 04.05.2017 bei der Klägerin auf Anordnung des Beklagten durchgeführten, sich auf den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.03.2017 beziehenden Lohnsteueraußenprüfung stellte der mit der Durchführung dieser Prüfung beauftragte Prüfer u. a. fest, dass die Klägerin an einen Teil ihrer Arbeitnehmer eine monatliche Miete für Werbung auf den Nummernschildträgern an deren Fahrzeuge gezahlt hatte und die Auszahlung dieser Beträge ohne Abzug von Lohnsteuer erfolgt war.
4Grundlage dieser Zahlungen waren einheitliche Mietverträge, die von der Klägerin nur mit Mitarbeitern abgeschlossen wurden. In diesen Verträgen wurde von dem als Vermieter auftretenden Mitarbeiter der Klägerin als Mietgegenstand eine sichtbare Außenfläche des Nummernschildträgers seines Kraftfahrzeuges an die Klägerin vermietet (§ 1 des Vertrages). Der „Werbeaufkleber“ wurde – laut Vertrag – von dem Mieter, d. h. der Klägerin, kostenfrei zur Verfügung gestellt und auf deren Kosten auf der Werbefläche angebracht. Die Größe des „Werbeaufklebers“ sollte je nach dem abgeschlossenen Vertrag entweder maximal 20 cm oder maximal 40 cm in der Breite und jeweils 7 cm in der Höhe betragen (§ 2 des Vertrages). Nach Angaben der Klägerin ist der für Werbezwecke genutzte untere Rand der Nummernschildträger allerdings sogar 52,5 cm breit, aber nur 2,5 cm hoch, so dass – wie sich aus den von der Klägerin vorgelegten Fotos ergibt – der von ihr an den gemieteten Flächen aufgebrachte Werbedruck, der aus vier Werkzeugsymbolen und der Internet-Adresse „www.G.de“ besteht, im Ergebnis sogar noch weniger als 2,5 cm hoch ist. Der monatliche Mietzins von – unabhängig von der Größe der angemieteten Fläche – jeweils 21,00 Euro (§ 4 des Vertrages) wird in der jeweiligen Lohnabrechnung des Arbeitnehmers ausgewiesen und ohne Lohnsteuerabzug zusammen mit dem Lohn überwiesen. Nach Angaben der Klägerin endete ein bestehendes Mietverhältnis mit Ausscheiden des betreffenden Mitarbeiters.
5Der Lohnsteuerprüfer sah keine ausreichende Trennung zwischen dem jeweiligen Arbeits-/Dienstvertrag und dem Mietverhältnis über die Werbefläche und stufte daher die Mietzahlungen der Klägerin als Vorteil aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis, mithin als steuerpflichtigen Arbeitslohn ein. Zugleich kündigte er an, dass die aufgrund seiner Feststellungen zu entrichtenden Steuerbeträge im Rahmen eines Haftungsbescheides nacherhoben würden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berechnung, die zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, wird auf Tz. 7 des Berichts über die bei der Klägerin durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung vom 05.05.2017 Bezug genommen.
6Entsprechend der Ankündigung seines Prüfers nahm der Beklagte die Klägerin mit Haftungsbescheid vom 08.05.2017 nach § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG) u. a. auch für die bislang nicht lohnversteuerten Mietzahlungen in Haftung.
7Hiergegen legte die Klägerin am 08.06.2017 Einspruch ein.
8Zur Begründung ihres Einspruchs führte sie u. a. an, dass es sich bei der Anmietung von Werbeflächen auf Fahrzeugen von Arbeitnehmern um ganz übliche und weit verbreitete Vereinbarungen handele, die nicht zu Arbeitslohn führten, wie auch die Ausführungen des Oberamtsrates Q, der im Lohnsteuerreferat des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen beschäftigt sei, im Lexikon für das Lohnbüro, Rehm Verlag, zeigten.
9Der Beklagte wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 03.07.2018 als unbegründet zurück und führte zu deren Begründung im Wesentlichen aus, dass die Fremdüblichkeit der abgeschlossenen Verträge nicht gegeben sei. Insbesondere werde das „angebliche“ Werbeentgelt unabhängig von der Fahrleistung, dem Fahrzeugtyp, dem Bewegungsfeld des Arbeitnehmers und seines Einsatzes im Unternehmen (Produktion oder Büro) bezahlt. Außerdem würden die Mietverträge ausschließlich mit Mitarbeitern der Klägerin abgeschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidung vom 03.07.2018 verwiesen.
10Mit der am 06.08.2018 erhobenen Klage vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, dass die von ihr an Mitarbeiter aufgrund der mit diesen abgeschlossenen Mietverträgen gezahlten Entgelte nicht als Arbeitslohn zu qualifizieren seien.
11In diesem Zusammenhang hatte sie mit Schriftsatz vom 17.09.2018 zunächst vorgetragen, dass sie das Angebot, ihr eine Fläche auf dem privaten Fahrzeug zu vermieten, der Mitarbeiterschaft erstmalig im Rahmen einer Mitarbeiterveranstaltung im Mai 2012 unterbreitet habe und dieses Angebot nicht nur an ihre Mitarbeiter, sondern auch an deren Angehörige und Freunde gerichtet sei. In der Folge sei dieses Angebot zusätzlich auch noch sowohl per Aushang im Betrieb als auch in einem Informationsblatt für Mitarbeiter weiter „beworben“ worden. Zudem sei auch neuen Mitarbeitern diese Möglichkeit im Rahmen von Einstellungsgesprächen näher gebracht worden. Von dem Angebot hätten dann jedoch lediglich Mitarbeiter, nicht aber deren Angehörige und Freunde Gebrauch gemacht. Die Initiative von Mitarbeitern, das Angebot auch Angehörigen und Freunden näher zu bringen, hätte man überschätzt.
12Demgegenüber führte die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 25.01.2019 zur Erläuterung, warum das Mietverhältnis mit ausgeschiedenen Mitarbeitern nicht fortgesetzt worden sei, an, dass sie sich ganz bewusst aus inhaltlichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Gründen für die Gruppe der eigenen Mitarbeiter als Botschafter und Vermieter von Werbeflächen entschieden und die Maßnahme auf diese Gruppe begrenzt habe. Denn Ziel der Maßnahme sei es, interessierte Fachkräfte und potentielle Mitarbeiter aus der Region auf sie, die Klägerin, aufmerksam zu machen. Gleichzeitig seien aber auch die Mitarbeiter ihres Unternehmens diejenigen, die – angesprochen auf die besondere Maßnahme – am besten über das Unternehmen als Arbeitgeber sowie über den Sinn der Botschaft Auskunft geben könnten. Hinzu komme, dass die Durchführung der Maßnahme auch aus organisatorischen Gründen zusammen mit eigenen Mitarbeitern am einfachsten handhabbar sei. So lasse sich schnell feststellen, ob Werbemedien beschädigt oder zerstört seien, so dass ggf. ein Austausch ohne weiteres stattfinden könne. Darüber hinaus sei aber auch das „Controlling der Werbemaßnahme“ aus organisatorischen Gründen und beschränkt auf die Mitarbeiterschaft am effizientesten machbar.
13An anderer Stelle dieses Schriftsatzes heißt es dann allerdings wieder, dass einerseits vor dem Hintergrund, dass für die Maßnahme nur ein begrenztes Budget zur Verfügung stehe, andererseits aber auch zur Vermeidung von „Ineffizienzen im Controlling“ die Auswahl der Botschafter und Vermieter bewusst auf den Kreis der Mitarbeiter und deren Angehörige sowie den örtlichen Sportverein und lokale Medien begrenzt worden sei und es aus den gleichen Gründen, die für die eigenen Mitarbeiter und Angehörigen als Botschafter und Flächenvermieter sprechen würden, nicht vorgesehen sei, Mietverhältnisse über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus fortzuführen. Zum einen sei in den wenigen Fällen, in denen es zu einer Trennung komme, mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses die Funktion des loyalen Botschafters nicht mehr gewährleistet. Zum anderen würden auch die Vorteile des einfachen und kostengünstigen Maßnahmencontrollings entfallen. Außerdem werde ja ein neuer Mitarbeiter gefunden, der dann die Botschafter- und Vermieterfunktion im Rahmen des vorgesehenen Budgets übernehmen solle.
14Mit Schriftsatz vom 04.02.2020 trägt sie nunmehr vor, dass die Vermieter der Werbeflächen zugleich Mitarbeiter gewesen seien, die bereit gewesen seien, sich an der Werbekampagne zur Positionierung als attraktiver und besonderer – weil andersartiger – Arbeitgeber zu beteiligen. Mit diesen sei dann im April 2012 jeweils ein Mietvertrag über die Anmietung von Werbeflächen auf deren privaten Fahrzeugen geschlossen worden. Die darin vereinbarte Miete sei in allen Fällen zusätzlich zu dem Arbeitslohn gezahlt worden, der vor Abschluss des jeweiligen Mietvertrages vereinbart gewesen sei. Fälle von Entgeltverzicht oder Entgeltumwandlung habe es nicht gegeben.
15In der mündlichen Verhandlung erläuterte der Geschäftsführer der Klägerin, Herr T., die Motivation der Klägerin für den Abschluss der Mietverträge. Sie, die Klägerin, habe ihre Attraktivität als Arbeitgeberin gegenüber ihren Mitarbeitern steigern wollen und sich dazu moderner Mittel bedient. Es sei ihr u. a. mit der Nummernschildträger-Aktion auf die Innenwirkung gegenüber ihren Arbeitnehmern angekommen. Einerseits habe sie sich als moderne Arbeitgeberin darstellen wollen, die sich um die Belange ihrer Mitarbeiter kümmere. Andererseits sollte dadurch der Korpsgeist unter den Mitarbeitern gestärkt werde. Diese sollten sich stärker mit „ihrem Unternehmen“ identifizieren. Um Mitarbeiter zu halten und anzuwerben, würden solche sogenannten „weichen Faktoren“ immer wichtiger. Auch Freunde und Verwandte der Mitarbeiter hätten solche Mietverträge abschließen können. Sie, die Klägerin, hätte ja nicht gewusst, ob die Mitarbeiter mit einem eigenen oder einem Familienfahrzeug zur Arbeit fahren würden. Tatsächlich seien Verträge aber nur mit Firmenmitarbeitern abgeschlossen worden. Was mit den mit der Firmenwerbung versehenen Nummernschildträgern nach Ausscheiden der Mitarbeiter geschehen sei, könne er nicht sicher sagen, da Kraftfahrzeuge ausgeschiedener Mitarbeiter ja nicht mehr auf dem Firmenhof ständen. Er nehme aber an, dass diese teilweise zurückgegeben worden seien. In der tatsächlichen Abwicklung seien die mit der Firmenwerbung versehenen Nummernschildträger von einem Mitarbeiter der Klägerin an den Fahrzeugen der an der Aktion teilnehmenden Mitarbeiter während deren Dienstzeit angebracht worden.
16Die Klägerin beantragt,
17den Haftungsbescheid vom 08.05.2017 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 04.07.2018 insoweit aufzuheben, als darin Zahlungen an Mitarbeiter für die Vermietung von Werbeflächen auf den Nummernschildträgern von deren Fahrzeugen als lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn qualifiziert wurden,
18hilfsweise, die Revision zuzulassen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Soweit die Klägerin darauf verweise, dass sie auch Werbeflächen auf Autos von Nichtarbeitnehmern anmiete, seien diese Verträge mit den hier streitigen nicht vergleichbar, da in den dortigen Fällen Werbeflächen auf der Karosserie angemietet würden, die erheblich größer seien als die Flächen auf dem Nummernschildträger.
22Die Grundsätze aus dem Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 07.06.2002 –VI R 145/99, BStBl. II 2002, 829 könnten vorliegend ebenfalls nicht angewandt werden, da die zwischen der Klägerin und ihren Arbeitnehmern abgeschlossenen Mietverträge über Werbeflächen auf Nummernschildträgern unter fremden Dritten nicht üblich seien. Zum einen seien die gezahlten 21,00 Euro pro Monat für die unscheinbare Werbung vor dem Hintergrund, dass der Wert eines Nummernschildträgers je nach Ausführung unter 10,00 Euro liege, unangemessen hoch und würden daher unter fremden Dritten in dieser Höhe nicht vereinbart werden. Zum anderen seien Werbungen auf Nummernschildträgern an einer Vielzahl der im Straßenverkehr fahrenden Kraftfahrzeuge zu sehen, so dass der Werbeeffekt gering sei. Solche kleinen Werbeflächen würden zudem üblicherweise kostenlos, d. h. ohne besondere vertragliche Vereinbarung genutzt.
23Die Zahlungen für die Werbefläche seien vielmehr Ausfluss des Arbeitsverhältnisses, da die Klägerin diese Verträge nur mit eigenen Arbeitnehmern abschließe. Auch der Umstand, dass die „Mietverträge“ bei Ausscheiden des Arbeitnehmers beendet würden, zeige, dass Grund der Zahlung das bestehende Arbeitsverhältnis und nicht die Überlassung einer kleinen unscheinbaren Werbefläche sei.
24Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die von dem Beklagten vorgelegte Lohnsteueraußenprüfungsakte, insbesondere den darin enthaltenen Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 05.05.2017 sowie die darin ebenfalls enthaltene Einspruchsentscheidung vom 04.07.2018 verwiesen.
25Der Senat hat am 14.02.2020 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll dieser Verhandlung wird Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe
27Die zulässige Klage ist nicht begründet.
28Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten,§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG. Spätestens am 10. Tag nach Ablauf des monatlichen Anmeldungszeitraums hat der Arbeitgeber dem Betriebsstättenfinanzamt eine Steuererklärung einzureichen, in der die Summe der im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum einzubehaltende und zu übernehmende Lohnsteuer anzugeben ist (Lohnsteueranmeldung) und die im Anmeldungszeitraum insgesamt einbehaltene und übernommene Lohnsteuer an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen,§ 41a EStG.
29Arbeitslohn sind alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Es ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form die Einnahmen gewährt werden, § 2 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV).
30Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst, § 19 Abs. 1 Satz Nr. 1 EStG. Die Frage, ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nichteinkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, kann nur aufgrund einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles entschieden werden (z. B. Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 03.07.2019 – VI R 12/16, BFH/NV 2020, 12). Bezüge oder Vorteile werden für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst worden sind. Erforderlich ist nicht, dass sie eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers sind. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, d. h. wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist(BFH-Urteil vom 09.05.2019 – VI R 28/17, BStBl II 2019,785 m. w. N.). Arbeitslohn liegt dann jedoch nicht vor, wenn eine Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen(z. B. Zinsen aus stehengelassenem und in Darlehen umgewandeltem Lohn,BFH-Urteil vom 31.10.1989 – VIII R 210/83, BStBl. II 1990, 532) oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber bewirkt wird (BFH-Urteil vom 07.06.2002 – VI R 145/99, BStBl. II 2002, 829). Darüber hinaus können Vorteile, die ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern gewährt, bei objektiver Würdigung aller Umstände sich nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen und daher keinen Arbeitslohn darstellen, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann (z. B. BFH-Urteil vom 21.11.2018 –VI R 10/17, BStBl II 2019, 404 m. w. N.). Die rechtliche Einordnung einer Zuwendung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer nach den genannten Kriterien muss für den Rechtsanwender aufgrund objektiv erkennbarer Umstände nachvollziehbar sein. Es gelten die Regeln der objektiven Beweislast. Dabei spricht die Lebenserfahrung dafür, dass im Verhältnis zwischen einem Arbeitgeber und einem von ihm beschäftigten Arbeitnehmer alle Zuwendungen im Zweifel unter dem Gesichtspunkt des Austauschs von Dienstleistung und Gegenleistung erfolgen (Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 294. Lieferung 10.2019, § 19 EStG, Rn. 155).
31Bei Anwendung dieser Grundsätze stellt zwar die unentgeltliche Zurverfügungstellung und Anbringung der Nummernschildträger durch die Klägerin keinen Arbeitslohn dar, da insofern die betriebsfunktionale Zielsetzung, Werbung für das Unternehmen zu machen, eindeutig im Vordergrund steht und der materielle Wert des Nummernschildträger(ca. 10,00 Euro) gering ist. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit und wurde die Sache auch nicht vom Lohnsteueraußenprüfer aufgegriffen.
32Allerdings handelt es sich bei den monatlichen Zahlungen von 21,00 Euro an die jeweiligen Arbeitnehmer der Klägerin um Arbeitslohn, der zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört und nicht um Entgelte für eine sonstige Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG. Wie sich nach der Überzeugung des Senates aus der Gesamtschau der konkreten Umstände ergibt, sind die Zahlungen Ausfluss des jeweiligen Arbeitsverhältnisses und stellen keine Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von kleinen Werbeflächen auf Kfz-Nummernschildträgern dar.
33Schon äußerlich erfolgt die Zahlung im Zusammenhang mit der Lohnzahlung und wird auf den jeweiligen Lohnabrechnungen ausgewiesen.
34Auch weicht der Inhalt der als Formularvertrag ausgestalteten Verträge in nicht unerheblicher Weise von dem tatsächlichen Geschehen ab. Obwohl nach den vorgelegten Vertragskopien und dem Vortrag der Klägerin die vermieteten Flächen erheblich differieren (Breite zwischen 20 cm, 40 cm bzw. 52,50 cm und Höhe zwischen 7 cm und 2,5 cm) wird immer ein monatlicher Einheitsmietpreis von 21,00 Euro gezahlt, so dass die Jahresmiete jeweils unter der Freigrenze (256,00 Euro) des§ 22 Nr. 3 Satz 2 EStG bleibt. Der Senat sieht hierin ein Indiz für eine sogenannte „Nettolohnoptimierung“, wie sie im Internet u. a. auch von Steuerberatern(z. B. www.gwb-partner.de, Stichwort: Nettolohnoptimierung) angeboten wird. Ziel dieser „Nettolohnoptimierung“ ist es, dass der Unternehmer unter Ausnutzen gesetzlicher Pausch- oder Grenzbeträge, (Lohn-) Zahlungen an Arbeitnehmer ohne Lohnsteuerabzug erbringen kann. Dementsprechend erfolgte – auch hier – die Zahlung in allen Fällen in der gleichen monatlichen Höhe, ohne dass ein konkreter individueller Umfang der werbewirksamen Nutzung der Fahrzeuge durch die jeweiligen Arbeitnehmer vereinbart wurde. Soweit in § 4 des Vertrages der Arbeitnehmer erklärt, dass der mit Werbung versehene Nummernschildträger an ein von ihm regelmäßig benutztes Kraftfahrzeug angebracht ist, wird hierdurch weder eine bestimmte mindestens zu fahrende jährliche oder monatliche Kilometerleistung noch ein zeitlicher Umfang bestimmt.
35Wie der Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, war ein wesentlicher Zweck dieser nur von Mitarbeitern abgeschlossenen Verträge, die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen zu steigern, den Korpsgeist zu stärken und das Unternehmen als modernen Arbeitgeber, der auch die Vorzüge der „Nettolohnoptimierung“ kennt, darzustellen. Zahlungen, die faktisch ausschließlich an Arbeitnehmer erfolgen, um deren Bindung an das Unternehmen zu stärken, stellen aber typischerweise Arbeitslohn dar. Zwar hat der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es der Klägerin auch um den Werbeeffekt der mit ihrer Internetadresse bedruckten Kennzeichenträger gegangen sei. Ob die Werbemaßnahme überhaupt jemals eine Wirkung hatte, konnte der Geschäftsführer aber nicht sagen. Für den Senat erscheint daher der Werbezweck bei der Nummernschildträgeraktion nicht im Vordergrund zu stehen.
36Darüber hinaus wurden im vorliegenden Fall die Verträge ausschließlich betriebsintern beworben und daher ausschließlich von Arbeitnehmern der Klägerin abgeschlossen. Außerdem wurden diese Verträge mit Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb der Klägerin beendet. Ist aber eine Zahlung – wie hier – an die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers gebunden, so handelt es sich um eine Leistung, die in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht und deshalb Arbeitslohn ist (so auch Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.11.2016 – 2 K 1180/16, EFG 2017, 1102, insoweit rechtskräftig und Finanzgericht Münster, Urteil vom 03.12.2019 – 1 K 3320/18 L, juris).
37Schließlich kommt dem Anbringen der Internet-Adresse auf den Nummernschildträgern nach Auffassung des Senates auch keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu und ist unter den Beteiligten, die nicht durch ein Arbeitsverhältnis miteinander verbunden sind, nicht gegen Entgelt üblich. Wie dem Senat aus eigener Anschauung bekannt ist, werden entsprechende Werbeaufdrucke oder mit Werbeaufdrucken versehene Nummernschildträgern häufig (z. B. durch den Verkäufer des jeweiligen Kraftfahrzeuges oder von Fahrzeugwerkstätten) ohne besondere Entgeltvereinbarung auf Nummernschildträgern oder entsprechende Nummernschildträger unentgeltlich und ohne besondere Vereinbarung an (Kunden-) Fahrzeugen angebracht.
38Der streitbefangene Haftungsbescheid weist auch keine Ermessensfehler auf.
39Zwar sind die Arbeitnehmer als Steuerschuldner und die Klägerin als Haftungsschuldner hinsichtlich der nachzuerhebenden Lohnsteuer Gesamtschuldner,§ 42d Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG. Zutreffend weist der Beklagte aber in der Einspruchsentscheidung darauf hin, dass die vorrangige Inanspruchnahme der Klägerin als Arbeitgeberin im Haftungsbescheid aufgrund der Vielzahl der betroffenen Arbeitnehmer (32 Personen) schneller und einfacher möglich ist, so dass die Inanspruchnahme der Klägerin aus verwaltungsökonomischen Gründen ermessensgerecht ist.
40Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
41Die Revision wird nicht zugelassen. Die Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des Einzelfalls, die keine abstrakt zu klärende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft; § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
42xxx xxx xxx
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- EStG § 41a Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer 1x
- FGO § 115 1x
- EStG § 42d Haftung des Arbeitgebers und Haftung bei Arbeitnehmerüberlassung 2x
- 1 K 3320/18 1x (nicht zugeordnet)
- EStG § 19 2x
- EStG § 38 Erhebung der Lohnsteuer 1x
- VI R 145/99 2x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (2. Senat) - 2 K 1180/16 1x
- VIII R 210/83 1x (nicht zugeordnet)
- EStG § 22 Arten der sonstigen Einkünfte 2x
- VI R 10/17 1x (nicht zugeordnet)
- VI R 12/16 1x (nicht zugeordnet)
- VI R 28/17 1x (nicht zugeordnet)