Urteil vom Finanzgericht Münster - 5 K 1404/18 U
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Streitig ist, ob Erlöse aus dem Verkauf von Gutscheinen als Entgelt für eine steuerbare Leistung des Klägers der Umsatzbesteuerung unterliegen.
3Der Kläger, der in den Streitjahren seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuerte, betrieb seit 2008 ein Internetportal (www. … .de). Auf diesem präsentierte er verschiedene Freizeiterlebnisse, die gebucht und in Anspruch genommen werden konnten. Dies setzte jeweils den Erwerb eines Gutscheins voraus (vgl. § … der AGB, Bl. 15 der Gerichtsakte). Die Gutscheine wurden vom Kläger im eigenen Namen und für eigene Rechnung über sein Internetportal verkauft. Zielgruppe des Klägers waren in erster Linie Personen, die ein Geschenk in Form eines besonderen Erlebnisses machen, die endgültige Auswahl des Geschenks aber dem Beschenkten überlassen wollten. Es konnten zum einen Gutscheine für ein konkret ausgewähltes Erlebnis (sog. Erlebnisgutscheine, vgl. Nr. … der Hilfshinweise, Bl. 18 der Gerichtsakte) erworben werden. In diesem Fall reichte bereits der für den Gutschein gezahlte Preis zur Inanspruchnahme des ausgewählten Erlebnisses. Weitere Zahlungen waren für die Inanspruchnahme des Erlebnisses grundsätzlich nicht zu leisten. Zum anderen konnten Gutscheine über einen zu bestimmenden Geldbetrag mit der Möglichkeit, das konkrete Erlebnis später auszuwählen (sog. Wertgutscheine, vgl. Nr. … und Nr. … der Hilfshinweise, Bl. 18R f. der Gerichtsakte), erworben werden. Dem Erwerber eines Erlebnisgutscheins wurden mit Übersendung des Gutscheins alle erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt, um in weiteren Schritten einen Termin für die Inanspruchnahme des ausgewählten Erlebnisses zu vereinbaren (vgl. Nr. … der Hilfshinweise, Bl. 18R der Gerichtsakte). Im Fall des Erwerbs eines sog. Wertgutscheins erhielt der Gutscheininhaber diese Informationen vom Kläger, nachdem er unter Einlösung des Gutscheins ein konkretes Erlebnis ausgewählt hatte. Soweit das gewählte Erlebnis günstiger als der Betrag des verwendeten Gutscheins war, wurde dem Gutscheininhaber der Restbetrag gutgeschrieben. Soweit der Wert des Gutscheins nicht ausreichte, hatte er den Differenzbetrag zu begleichen (vgl. Nr. … der Hilfshinweise, Bl. 18R der Gerichtsakte). Es bestand darüber hinaus die Möglichkeit, erworbene Erlebnisgutscheine umzutauschen und ein anderes Erlebnis als das zunächst ausgewählte Erlebnis in Anspruch zu nehmen (vgl. § … der AGB, Bl. 17 der Gerichtsakte) oder mehrere Wertgutscheine für ein Erlebnis einzulösen (vgl. Nr. … der Hilfshinweise, Bl. 18R der Gerichtsakte).
4Den auf seiner Homepage präsentierten Erlebnissen lagen Vereinbarungen mit den jeweiligen Veranstaltern („…“) zugrunde. Danach stellten diese die vom Kläger zur Präsentation auf seinem Internetportal benötigten Informationen zur Verfügung. Für den Fall der Inanspruchnahme der Erlebnisleistung durch einen Gutscheininhaber vereinbarten der Kläger und der jeweilige Veranstalter, dass der Kläger dem Veranstalter über den für einen Erlebnisgutschein gezahlten Preis oder aber im Fall von verwendeten sog. Wertgutscheinen den für ein Erlebnis veranschlagten Preis abzgl. einer vereinbarten Vermittlungsprovision, in der Regel um die 30% (vgl. § … bzw. § … der exemplarisch eingereichten Vereinbarungen, Bl. 21R, 24R der Gerichtsakte), eine Gutschrift ausstellt und den Betrag auszahlt. Die „Vermittlungsprovision“ rechnete der Kläger dabei gegenüber den Veranstaltern unter Ausweis von Umsatzsteuer in der Gutschrift ab. Der jeweilige Veranstalter konnte die Abrechnung samt Ausstellung der Gutschrift und die Auszahlung des Betrages über ein vom Kläger hierfür zur Verfügung gestelltes Online-Abrechnungssystem veranlassen. Dabei hatte der Veranstalter u.a. eine auf dem Gutschein vermerkte Referenznummer unter seinem Account einzutragen (vgl. § … bzw. § … der exemplarisch eingereichten Vereinbarungen, Bl. 21R, 24R der Gerichtsakte).
5Wegen der weiteren Einzelheiten zum Abrechnungsprozess zwischen dem Kläger und den Veranstaltern wird auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24.09.2020 vom Kläger eingereichten Ausdrucke Bezug genommen. Darüber hinaus wird wegen der weiteren Einzelheiten zu den Abläufen und Vereinbarungen auf die vom Kläger eingereichten AGB, die Hilfshinweise sowie die exemplarischen Vereinbarungen mit den Veranstaltern Bezug genommen (Bl. 15 ff. der Gerichtsakte).
6Bis zum 31.03.2013 erteilte der Kläger den Erwerbern der Gutscheine Rechnungen mit, seit dem 01.04.2013 ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis (vgl. Bericht vom 16.08.2017 über die Umsatzsteuer-Nachschau, Bl. 23 der Betriebsprüfungsakte). Der Kläger behandelte die Zahlungen der Gutscheinerwerber in den Streitjahren nicht als Entgelte für einen steuerbaren Umsatz, sondern nur die den Veranstaltern in Rechnung gestellten Beträge sowie den von den Gutscheinerwerbern gesondert vergüteten Versand der Gutscheine. Der Betrieb des Internetportals wird seit dem 01.07.2014 von der neu gegründeten F GmbH fortgeführt.
7Mit Beginn am 21.03.2017 führte der Beklagte bei dem Kläger für die Jahre 2013 bis 2015 eine Betriebsprüfung durch. Dabei traf die Prüferin folgende Feststellungen: Der Kläger habe mit dem Verkauf der Gutscheine gegenüber den Erwerbern eine sonstige Leistung erbracht. Der Kunde erhalte die Möglichkeit, mithilfe des Gutscheins und der Veranstalterdaten die Erlebnisse zu nutzen. Für diese Leistung erhalte der Kläger die Zahlungen der Gutscheinerwerber als Gegenleistung. Diese unterlägen der Umsatzbesteuerung. Die Zahlungen des Klägers an die Veranstalter im Fall eines eingelösten Gutscheins führe dann zu einer Minderung des mit dem Verkauf erzielten Umsatzes nach § 17 Umsatzsteuergesetz (UStG). Ca. 40% der Gutscheine seien endgültig nicht eingelöst worden. Der Kläger habe in 2013 Erlöse aus dem Verkauf der Gutscheine i.H.v. brutto xxx € (netto xxx €) und in 2014 i.H.v. brutto xxx € (netto xxx €) erzielt. Diese Umsätze seien jeweils um die geleisteten Zahlungen an die Veranstalter zu mindern (2013: xxx €; 2014: xxx €). Danach sei die Umsatzsteuer 2013 um xxx € und die Umsatzsteuer 2014 um xxx € zu erhöhen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 16.05.2017 (Bl. 26 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
8Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüferin und setzte jeweils mit nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Umsatzsteuerbescheiden vom 10.07.2017 die Umsatzsteuer 2013 auf xxx € und die Umsatzsteuer 2014 auf xxx € fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde jeweils aufgehoben. Gegen beide Bescheide legte der Kläger Einspruch ein und begehrte, die aus dem Verkauf der Gutscheine erzielten Erlöse als nicht umsatzsteuerbar zu behandeln. Das Einspruchsverfahren ruhte zunächst wegen eines beim Finanzgericht Münster unter dem Az. 5 K 359/16 zwischen den Beteiligten in der gleichen Rechtsfrage die Umsatzsteuer 2012 betreffend geführten Klageverfahrens. Die Klage wurde mit Urteil vom 09.01.2018 abgewiesen, ohne dass über die Frage der Steuerbarkeit der Erlöse aus dem Gutscheinverkauf vom Gericht zu entscheiden war. Nach der Entscheidung habe der Kläger die festgesetzte Umsatzsteuer zumindest nach § 14c UStG geschuldet, denn er habe die jeweilige Umsatzsteuer in den Rechnungen an die Gutscheinerwerber offen ausgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 09.01.2018 (Az. 5 K 359/16) Bezug genommen.
9Der Beklagte wies den Einspruch des Klägers mit seiner Entscheidung vom 03.04.2018 als unbegründet zurück. Der EuGH habe in der Rechtssache Astra Zeneca entschieden, dass die Ausgabe von Gutscheinen stets eine umsatzsteuerbare Dienstleistung sei. Der Kläger habe danach mit dem Verkauf der Gutscheine eine umsatzsteuerbare Leistung in Gestalt einer Erlebnisleistung an die Gutscheinerwerber erbracht. Durch diese habe der Gutscheinerwerber die Möglichkeit erhalten, im Zeitpunkt der Zahlung des Gutscheins mithilfe der vom Kläger übermittelten Veranstalterdaten die angebotenen Erlebnisse zu nutzen. Auf die Frage, ob und um welche Art eines Gutscheins es sich handele, komme es daher nicht weiter an. Der Kläger habe keine klassische Vermittlungstätigkeit erbracht, denn das Entgelt sei vom Gutscheinerwerber auch dann geleistet worden, wenn keine Erlebnisleistung in Anspruch genommen worden sei. Ort der Leistung sei der Unternehmenssitz des Klägers. Die Nichteinlösung führe zu keiner nachträglichen Minderung des mit dem Verkauf ausgeführten Umsatzes. Jedoch seien die Zahlungen an die Veranstalter für den Kläger eine nachträgliche Entgeltminderung. Hinsichtlich der bis zum 31.03.2013 ausgeführten Umsätze schulde der Kläger die Umsatzsteuer schon wegen des gesonderten Ausweises der Umsatzsteuer, wie das Finanzgericht Münster in seiner Entscheidung vom 09.01.2018 zu Recht festgestellt habe.
10Mit seiner am 07.05.2018 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
11Der Kläger trägt vor, dass die Gutscheine weder im Zeitpunkt ihrer Ausgabe noch im Zeitpunkt ihres Verfalls eine steuerbare Leistung seien. Die von ihm verkauften Gutscheine seien insgesamt Wertgutscheine. Der Erwerber erwerbe einen Anspruch auf Anerkennung des Gutscheins als Zahlungsmittel bei dem ausgewählten Veranstalter. Der Erwerber erwerbe hingegen keine konkret bezeichnete Ware oder Dienstleistung wie bei einem Waren- oder Sachgutschein. Im Ergebnis handele es sich um multifunktionale Gutscheine im Sinne der Richtlinie (EU) Richtlinie (EU) 2016/1065 des Rates vom 27. Juni 2016 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG hinsichtlich der Behandlung von Gutscheinen (Richtlinie (EU) 2016/1065). Die Behandlung seiner Tätigkeit gegenüber den Gutscheinerwerbern als nicht steuerbar sei auch mit der EuGH-Entscheidung in der Rs. Astra Zeneca vereinbar. Denn er, der Kläger, erhalte von den Gutscheinerwerbern keine Gegenleistung, sondern der Veranstalter des Erlebnisses, von dem der Gutschein letztlich als Zahlung akzeptiert werde, zahle für die mit seiner Tätigkeit bewirkte Absatzförderungsleistung eine Provision. Ferner sei das spätere EuGH-Urteil in der Rs. MacDonalds Resorts Ltd. zu beachten. So sei die spätere Erlebnisleistung zum Zeitpunkt des Verkaufs der Gutscheine noch zu unbestimmt. Der Gutscheinerwerb sei kein eigenständiges Ziel der Erwerber. Es handele sich vielmehr um einen Zwischenschritt für die Inanspruchnahme des späteren Erlebnisses. Erst bei Inanspruchnahme des Erlebnisses erhalte der Gutscheinerwerber die vorgesehene Gegenleistung.
12Er, der Kläger, werde umsatzsteuerlich allein als Vermittler für die Veranstalter und nicht für die Gutscheinerwerber tätig. Das Entgelt hierfür erhalte er von den Veranstaltern. Der Gutscheinerwerber tausche sein Geld nur gegen einen Wertgutschein ein, der wie Bargeld anzusehen sei. Dies übersehe der Beklagte, wenn dieser behaupte, dass er, der Kläger, gegenüber den Gutscheinerwerbern eine Erlebnisleistung erbringe, indem er die Kontaktdaten mitteile. Der Vertrag zwischen dem Veranstalter und dem einlösenden Gutscheininhaber werde auch erst nach Übermittlung der Kontaktdaten geschlossen. Bei Erwerb des Gutscheins bestünde demnach noch nicht die Möglichkeit, die Erlebnisse zu nutzen. Eine andere rechtliche Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 08.09.2011 (V R 42/10). Die Zahlung der Gutscheinerwerber sei keine Anzahlung auf eine Vermittlungsleistung. Denn anders als im Urteilsfall sei die Leistung, für die der erworbene Gutschein verwendet werden würde, bei Verkauf des Gutscheins noch zu unbestimmt, um die Zahlung des Erwerbers als Anzahlung für eine Vermittlungsleistung zu besteuern.
13Er beantragt,
14die Umsatzsteuerbescheide 2013 und 2014, jeweils vom 10.07.2017 und in
15Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.04.2018, dahingehend zu
16ändern, dass die Umsatzsteuer 2013 um xxx € und die Umsatzsteuer
172014 um xxx € gemindert wird,
18hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen,
21hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
22Er nimmt zur Begründung Bezug auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass die Ausgabe der Gutscheine jeweils bereits eine steuerbare Leistung darstelle, denn der Erwerber erhalte dadurch die Möglichkeit, im Zeitpunkt der Zahlung des Gutscheins die Erlebnisse zu nutzen. Die Zahlung der Gutscheinerwerber sei hierfür das Entgelt. Diese Leistungsbeziehung sei unabhängig von der Leistungsbeziehung der jeweiligen Gutscheinerwerber und der Veranstalter.
23Der Senat hat die Gerichtsakte zu dem Verfahrens 5 K 359/16 beigezogen.
24Die Sache wurde am 17.09.2020 vor dem Senat mündlich verhandelt. Es wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
26I. Die Klage hat keinen Erfolg.
27Die Umsatzsteuerbescheide 2013 und 2014, jeweils vom 10.07.2017 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.04.2018, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO).
281. Der Beklagte hat die Zahlungen der Gutscheinerwerber zu Recht als (Brutto‑)Entgelte für steuerbare Leistungen des Klägers behandelt.
29a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer u.a. die sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
30Nach ständiger Rechtsprechung muss dazu zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein. Er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch i.S. des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt (BFH, Urteil vom 10.04.2019, XI R 4/17, BStBl II 2019, 635, Rn. 16 m.w.N.).
31Es bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet. Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrags, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer Gegenleistung verpflichtet, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG regelmäßig erfüllt, falls der leistende Vertragspartner Unternehmer ist (BFH, a.a.O., Rn. 17 m.w.N.)
32Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen. Es stellt eine unionsrechtliche, unabhängig von der Beurteilung nach nationalem Recht zu entscheidende Frage dar, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen erfolgt (BFH, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.).
33b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erbrachte der Kläger mit dem Betrieb seines Internetportals an die Nutzer bzw. die Gutscheinerwerber jeweils insgesamt eine steuerbare Leistung gegen Entgelt.
34aa) Bei den mit dem Erwerb eines Gutscheins verbundenen und durch die Tätigkeit des Klägers erhaltenen Möglichkeiten und Rechten handelt es sich um verbrauchsfähige Vorteile. Der Kläger stellte mit dem Betrieb seines Internetportals eine Infrastruktur zur Verfügung, unter deren Nutzung seine Kunden die Möglichkeit hatten, die angebotenen Erlebnisse zu buchen und in Anspruch zu nehmen. Inhalt der Leistung des Klägers war nicht nur die Ausstellung der Gutscheine, sondern umfasste auch den vorangehenden sowie den nachfolgenden Prozess von Informationen und Präsentationen zu den angebotenen Erlebnissen über die Übermittlung der für die Vereinbarung eines Termins erforderlichen Kontaktdaten bis hin zur Durchführung und Organisation des Erlebnisses. Bereits mit dem Erwerb des Gutscheins erlangte der Kunde das Recht, diese Leistungen einzufordern (vgl. § … der AGB, Bl. 15 der Gerichtsakte; Nr. … und … der Hilfshinweise, Bl. 18R der Gerichtsakte).
35bb) Die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Gutscheine geleisteten Zahlungen stellten ein Entgelt für die damit erlangten Möglichkeiten und Rechte dar. Sie beruhten auf den zwischen dem Kläger und dem jeweiligen Gutscheinerwerber geschlossenen Vertrag.
36cc) Die Tätigkeit des Klägers erschöpfte sich nicht darin, dass die von ihm ausgestellten Gutscheine von den Veranstaltern als vollständige oder teilweise Gegenleistung für die Organisation und Durchführung der jeweiligen Erlebnisleistung anzunehmen waren. Denn über den Erwerb der Gutscheine erlangten die Kunden des Klägers überhaupt erst Zugang zu den mit dem Internetportal des Klägers verbundenen Möglichkeiten, insbesondere zwischen den einzelnen Erlebnissen zu wählen, Termine hierfür zu vereinbaren und die Erlebnisleistungen in Anspruch zu nehmen. Der Betrieb des Internetportals diente auch nicht allein der Vermittlung der Leistungen der Veranstalter. So sind die aus der Leistungsbeziehung zu den Veranstaltern erzielten Erlöse deutlich geringer als die von den Gutscheinerwerbern insgesamt erlangten Zahlungen. Zwar mindern sich rein wirtschaftlich betrachtet die Erlöse aus dem Geschäft mit den Gutscheinerwerbern, soweit diese die angebotenen Erlebnisse in Anspruch nehmen. Denn dann hat der Kläger den aus dem Verkauf des Gutscheins erzielten Erlös zu verwenden, um diesen an den Veranstalter für die Organisation und Durchführung zu zahlen. Das (erfolgreiche) Geschäftsmodell des Klägers beruht aber u. a. darauf, dass seine Kunden zu einem großen Teil, in den Streitjahren ca. 40 %, zwar Gutscheine erwerben, die damit verbundenen Rechte und Möglichkeiten aber gar nicht bzw. nicht in vollem Umfang in Anspruch nehmen. Diese Gutscheinerwerber zahlen die vom Kläger verlangten Preise jedoch – zumindest aus ihrer Sicht – nicht für eine vom Kläger an die Veranstalter erbrachte Vertriebs- bzw. nicht erbrachte Vermittlungsleistung, sondern für die eigenen durch die Tätigkeit des Klägers erlangten o.g. Vorteile.
372. Dem Kläger sind umsatzsteuerlich die von den Veranstaltern ausgeführten Erlebnisleistungen zuzurechnen.
38a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Unternehmer ist danach derjenige, der Leistungen gegen Entgelt i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erbringt. Dabei kommt es grundsätzlich darauf an, wer als Unternehmer nach außen hin auftritt (vgl. hier nur BFH, Beschluss vom 29.01.2008, V B 201/06, BFH/NV 2008, 827; Beschluss vom 20.2.2001, V B 191/00, BFH/NV 2001, 1152).
39b) Der Kläger war nach den Umständen des Einzelfalls hinsichtlich der erbrachten Erlebnisleistungen gegenüber den Gutscheininhabern als leistender Unternehmer aufgetreten. Dafür sprechen die Organisationsleistungen des Klägers. Die jeweiligen Erlebnisse wurden auf seinem Internetportal angeboten und konnten nur auf diesem ausgewählt werden. Der Kläger hat die Wertgutscheine auf seiner Internetseite wie folgt beworben: „…“ (Bl. 108 der Bp-Handakte). Die Kontaktaufnahme zur Vereinbarung eines Termins erfolgte nur mithilfe der vom Kläger zur Verfügung gestellten Informationen. Der Zahlungsverkehr wurde über das von ihm bereitgestellte Portal abgewickelt. Der Kläger vereinnahmte sämtliche Zahlungen sowie Zuzahlungen über den eingelösten Gutschein hinaus und leistete seinerseits Zahlungen an die Veranstalter. Der vom jeweiligen Gutscheininhaber dem Veranstalter vor Ort ausgehändigte Gutschein diente in diesem System nur dem Kläger als Instrument zur Kontrolle und Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit dem Veranstalter.
40Vor diesem Hintergrund ist es unschädlich, dass der Kläger sich in seinen AGB selbst nur als Vermittler der Erlebnisleistungen bezeichnet hat (§ … AGB, Bl. 15 der Gerichtsakte). Unabhängig davon, ob die AGB vom durchschnittlichen Kunden überhaupt gelesen wurden, ergaben diese hinsichtlich der Frage des leistenden Unternehmers kein eindeutiges Bild. Denn unmittelbar vor dem Hinweis auf seine vermeintliche bloße Vermittlerrolle gab der Kläger an, dass bereits die von ihm ausgestellten Gutscheine zur Durchführung des entsprechenden Erlebnisses beim jeweiligen Veranstalter berechtigten und nicht erst ein mit diesem noch abzuschließender Vertrag (§ … AGB, Bl. 15 der Gerichtsakte). Gegen eine bloße Vermittlerrolle des Klägers spricht auch, dass dieser den vollen Preis für eine Erlebnisleistung vereinnahmte und auch dann behielt, wenn keine Erlebnisleistung durchgeführt bzw. vermittelt wurde. Insoweit spricht auch für den Kläger als Leistungserbringer der durchgeführten Erlebnisleistungen, dass er in den AGB von „unseren“ Preisen und nicht von den Preisen der Veranstalter sprach (§…, Bl. 15R der Gerichtsakte) sowie die Wertgutscheine auf seiner Internetseite damit bewarb, dass diese „…“ konnten (vgl. Bl. 108 der Bp-Handakte). Für eine enge Verknüpfung der Person des Klägers mit der Erbringung der Erlebnisleistung spricht auch, dass der Gutscheinerwerber gegenüber dem Kläger vom Kaufvertrag zurücktreten konnte, sollte die Erlebnisleistung von der Beschreibung auf dem Internetportal des Klägers erheblich abweichen (§ … der AGB, Bl. 16 der Gerichtsakte).
41c) Die Veranstalter erbrachten vor diesem Hintergrund umsatzsteuerlich ihre (Erlebnis‑)Leistungen wiederum an den Kläger. Als Gegenleistung für die Organisation und Durchführung der Erlebnisleistung erhielten sie den von ihnen geforderten Preis. Im Gegenzug zahlten sie an den Kläger für dessen Vertriebsleistung einen Betrag von ca. 30% des Preises der jeweiligen Erlebnisleistung. Die sich gegenüberstehenden Zahlungsansprüche wurden vom Kläger miteinander verrechnet.
423. In Ansehung der danach bestandenen umsatzsteuerlichen Leistungsbeziehungen hat der Kläger grundsätzlich einen Vorsteueranspruch aus den Leistungen der Veranstalter der Erlebnisleistungen. Im Streitzeitraum scheitert dieser jedoch daran, dass die Veranstalter dem Kläger über ihre Leistungen keine ordnungsgemäßen Rechnungen erteilt haben (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Die Veranstalter können jedoch ihrerseits, soweit die weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegen, aus ihren Zahlungen an den Kläger für dessen Vertriebsleistungen aus den erteilten Gutschriften den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen.
43Danach hat der Beklagte die Zahlungen an die Veranstalter zu Unrecht gem. § 17 UStG als Minderung der aus der Tätigkeit des Klägers gegenüber den Gutscheinerwerbern erzielten Umsätze behandelt. Die Festsetzung eines höheren Umsatzsteuerbetrages durch das Gericht kommt wegen des Verböserungsverbots jedoch nicht in Betracht (vgl. hierzu nur Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 FGO Rz. 101 m.w.N.).
444. Ob sich nach den Grundsätzen der Art. 30a, 30b, 73a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) eine andere Lösung ergäbe, kann der Senat dahinstehen lassen. Die vorgenannten Richtlinienregelungen sind erst mit Wirkung ab den 01.01.2019 in das deutsche Recht übernommen worden (§ 27 Abs. 23 i. V. m. § 3 Abs. 13-15 UStG).
45II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
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Referenzen
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- § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 3x (nicht zugeordnet)
- FGO § 115 1x
- 5 K 359/16 3x (nicht zugeordnet)
- § 17 UStG 1x (nicht zugeordnet)
- § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1x (nicht zugeordnet)
- XI R 4/17 1x (nicht zugeordnet)
- V B 191/00 1x (nicht zugeordnet)
- V B 201/06 1x (nicht zugeordnet)
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- FGO § 135 1x
- § 14c UStG 1x (nicht zugeordnet)
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