Urteil vom Finanzgericht Münster - 6 K 1978/19 E
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1Streitig ist, in welcher Höhe Beiträge zu einer Riester-Rente als Sonderausgaben bei der Ermittlung des Einkommens der Kläger in den Streitjahren 2013 und 2017 abzuziehen sind.
2Die Kläger sind Eheleute und werden in den Streitjahren zusammen zur Einkommen-steuer gemäß §§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) veranlagt. Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2013 und 2017 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Kaufmann. Die Klägerin befand sich bis zum 12.04.2005 in Elternzeit. In der Folgezeit war die Klägerin krankheitsbedingt weder beschäftigt noch arbeitslos gemeldet. Rückwirkend ab dem 01.06.2007 bezog die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung eine volle Erwerbsminderungsrente, die zunächst bis November 2011 befristet gewährt wurde. Ab Dezember 2011 wurde die Rente bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (31.05.2030) unbefristet gewährt.
3In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 machten die Kläger im Rahmen der Angaben zu Altersvorsorgebeiträgen (sog. Riester-Verträge) geltend, dass beide Ehegatten unmittelbar zulageberechtigt seien. Ferner seien seitens des Klägers 1.949,00 € und seitens der Klägerin 60,00 € als Altersvorsorgebeiträge geleistet worden. Die drei Kinderzulagen seien der Klägerin zuzuordnen. Der Beklagte berücksichtigte als Altersvorsorgebeitrag der Klägerin 110,00 € und ermittelte so abziehbare Altersvorsorgebeiträge als Sonderausgaben i. H. v. 2.919,00 € (Beiträge 2.060,00 € zzgl. Altersvorsorgezulage i. H. v. 863,00 € = 2.923,00 €, als abziehbar anerkannt: 2.919,00 €).
4Mit Einkommensteuerbescheid vom 10.12.2014 setzte der Beklagte die Einkommen-steuer unter Hinzurechnung der Altersvorsorgezulage i. H. v. 863,00 € zur tariflichen Einkommensteuer auf insgesamt 82.238,00 € fest. Die über die Altersvorsorgezulage hinausgehende Steuerermäßigung wurde mit 365,00 € gesondert und einheitlich festgestellt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
5Aufgrund einer elektronischen Übermittlung von Beitragsdaten der Lebensversicherungsgesellschaft an den Beklagten darüber, dass die Beiträge der Klägerin im Streitjahr 2013 60,00 € betragen hätten, änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 gemäß § 10a Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG mit Bescheid vom 22.08.2018 und setzte die Einkommensteuer auf 82.260,00 € (Differenz: + 22,00 €) fest. Dabei berücksichtigte der Beklagte abziehbare Altersvorsorgebeiträge i. H. v. 2.869,00 €. Gemäß § 10a Abs. 4 EStG wurde die über die Altersvorsorgezulage hinausgehende Steuerermäßigung mit 343,00 € gesondert und einheitlich festgestellt.
6Aufgrund einer elektronischen Mitteilung der Zentralen Zulagestelle für Altersvermögen (ZfA) vom 13.09.2018 teilte die ZfA dem Beklagten mit, dass die Klägerin entgegen der bisher gespeicherten Daten lediglich mittelbar berechtigt sei. Mit nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG geändertem Bescheid vom 27.09.2018 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 82.558,00 € fest (Differenz: + 298,00 €) und berücksichtigte abziehbare Altersvorsorgebeiträge i. H. v. 2.160,00 €. Die über die Altersvorsorgezulage hinausgehende Steuerermäßigung wurde mit 45,00 € gesondert und einheitlich festgestellt.
7In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 erklärten die Kläger u.a. Altersvorsorgebeiträge i. H. v. 1.949,00 € (Kläger) und 60,00 € (Klägerin) sowie, dass der Kläger unmittelbar und die Klägerin mittelbar berechtigt sei. Die Kinderzulagen sollten wiederum der Klägerin zugeordnet werden. Der Beklagte setzte mit Bescheid für 2017 vom 13.11.2018 die Einkommensteuer unter Hinzurechnung der Altersvorsorgezulage i. H. v. 863,00 € auf 98.351,00 € fest. Die insgesamt geleisteten Altersvorsorgebeiträge i. H. v. 2.873,00 € (gezahlte Beiträge 2.010,00 € zzgl. Altersvorsorgezulage 863,00 €) wurden i. H. v. 2.160,00 € bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abgezogen.
8Gegen den Einkommensteueränderungsbescheid für das Jahr 2013 vom 27.09.2018 und gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 vom 13.11.2018 legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung trugen Sie vor, dass die steuerliche Behandlung der Zulagen zu einer ungerechtfertigten Besteuerung der später auszuzahlenden Riester-Rente der Klägerin führen werde. Die Zulagen würden nicht steuermindernd berücksichtigt. Auf der anderen Seite würden die vollen Zulagen der Steuerschuld hinzugerechnet. Dadurch ergäbe sich bei späterer Auszahlung der Riester-Rente eine Besteuerung auf Zulagen, die netto weder als finanzieller Zugang noch steuermindernd berücksichtigt wurden. Aus Sicht der Kläger komme es in der Auszahlungsphase der Rente der Klägerin zu einer Versteuerung von Erträgen aus 712,20 € Zulagen, die den Klägern nicht zugeflossen seien. Es könne nicht darauf abgestellt werden, dass die Zulagen in den Vertrag der Klägerin geflossen seien, sondern es müsse der gesamte Geldfluss berücksichtigt werden. Dieser beziehe die Rückforderung der Zulagen über die Steuererklärung mit ein. Die nur mittelbare Berechtigung der Klägerin sei darauf zurück zu führen, dass die Klägerin schwerbehindert sei und eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhalte. Es erfolge eine Ungleichbehandlung mit Ehepaaren, in denen beide Ehegatten unmittelbar berechtigt seien, da diese zwei Mal den Höchstbetrag i. H. v. 2.100,00 € in Abzug bringen könnten und in der Auszahlungsphase das gleiche zu versteuern hätten, wie die Kläger.
9Mit Einspruchsentscheidung vom 28.05.2019 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, dass im Rahmen der Einkommen-steuer für das Jahr 2013 bzgl. der Frage der unmittelbaren oder mittelbaren Berechtigung der Klägerin die ZfA für die Berechnung und Überprüfung der Zulage zuständig sei. Einwände der Kläger hinsichtlich einer unmittelbaren Berechtigung der Klägerin seien bei der ZfA anzubringen. Da seitens der ZfA für die Klägerin mitgeteilt worden sei, dass diese nur mittelbar berechtigt sei, sei der Sonderausgabenabzug i. H. v. insgesamt 2.160,00 € in den Streitjahren nicht zu beanstanden. Der Ansatz eines weiteren Höchstbetrages i. H. v. 2.100,00 € sei nicht möglich. Darüber hinaus könne die Frage der Rechtmäßigkeit der Rente in der Auszahlungsphase in den vorliegenden Streitjahren nicht geklärt werden.
10Die Kläger haben am 28.06.2019 gegen die vorgenannte Entscheidung Klage erhoben und tragen zur Begründung vor, dass die Rente der Klägerin wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.12.2011 auf unbestimmte Dauer verlängert worden sei (längstens bis zum 31.05.2030 – Erreichen der Regelarbeitsgrenze). Da der Kreis der Berechtigten durch das EigRentG vom 29.07.20089 erweitert worden sei und nach § 10 Abs. 1 Satz 4 EStG auch Steuerpflichtige begünstigt seien, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erhielten, stehe auch der Klägerin der Höchstbetrag i. H. v. 2.100,00 € für den Sonderausgabenabzug zu.
11Das Verfahren hat zunächst im Hinblick auf die beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Verfahren X R 2/19 und X R 16/19 geruht. Der BFH hat in den vorgenannten Verfahren mit Urteilen vom 08.09.2020 entschieden, dass die Mitteilung der ZfA weder Grundlagenbescheid sei noch grundlagenbescheidsähnliche Wirkung entfalte und daher keine materiell-rechtliche Bindungswirkung von der Mitteilung ausgehe, so dass die Finanzämter zuständig für die Prüfung der mittelbaren bzw. unmittelbaren Berechtigung eines Steuerpflichtigen seien. Das vorliegende Verfahren ist danach wieder aufgenommen worden.
12Die Kläger beantragen,
13den Einkommensteueränderungsbescheid für das Jahr 2013 vom 27.09.2018 sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 vom 13.11.2018, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.05.2019 dahingehend zu ändern, dass jeweils Altersvorsorgebeiträge i. H. v. 2.873,00 € (statt bisher jeweils 2.160,00 €) zum Sonderausgabenabzug zugelassen werden.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass die Klägerin lediglich mittelbar berechtigt sei, da sie nicht selbst die Voraussetzungen des § 10a EStG erfülle. Die Klägerin sei weder selbst Arbeitnehmerin noch in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert gewesen. Auch die Erweiterung des begünstigten Personenkreises des § 10a Abs. 1 Satz 4 EStG erfasse die Klägerin nicht, da diese nicht unmittelbar vor dem Bezug der Rente im inländischen Alterssicherungssystem pflichtversichert gewesen sei. Nach dem Ende der Elternzeit sei die Klägerin bis zum Beginn der Rente am 01.06.2007 keiner Beschäftigung nachgegangen.
17Der Senat hat in der Sitzung vom 25.04.2022 über die Klage mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
18A. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Der Beklagte hat den Sonderausgabenabzug in beiden Einkommensteuerbescheiden zutreffend ermittelt und berücksichtigt.
19I. Den Klägern steht wegen der unmittelbaren Zulageberechtigung des Klägers gemäß § 79 Satz 1 EStG in den Jahren 2013 und 2017 ein Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG zu. Die Klägerin war in den Streitjahren jedoch nur mittelbar zulageberechtigt. Der Sonderausgabenabzug bemisst sich insoweit gemäß § 10a Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG.
201. Nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG können in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte Altersvorsorgebeiträge zuzüglich der dafür nach Abschnitt XI des EStG zustehenden Zulage ab dem Veranlagungszeitraum 2008 jährlich bis zu 2.100,00 € als Sonderausgaben abziehen. Hiermit sind lediglich die Steuerpflichtigen gemeint, die in dem konkreten Veranlagungszeitraum in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind; eine frühere Pflichtmitgliedschaft reicht nicht aus (weiterführend BFH-Urteil vom 29.07.2015 - X R 11/13, BFHE 250, 531, BStBl II 2016, 18, Rz 17 ff., m.w.N.). Diese subjektive Voraussetzung für die Förderung nach § 10a EStG muss in dem Veranlagungszeitraum bestanden haben, in dem der zusätzliche Sonderausgabenabzug geltend gemacht wird.
212. Der Kläger war in den Streitjahren 2013 und 2017 gesetzlich pflichtversichert und erfüllte damit die Voraussetzungen des § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG und die damit einhergehende unmittelbare Berechtigung für die Altersvorsorgezulage des § 79 Satz 1 EStG.
223. Die Klägerin hingegen war sowohl in 2013 als auch in 2017 lediglich mittelbar berechtigt, da sie weder in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert war noch i. S. des § 10a Abs. 1 Satz 4 EStG entsprechend zu behandeln ist.
23a. Die Klägerin war, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, weder im Jahr 2013 noch im Jahr 2017 i. S. des § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert.
24b. Die Klägerin fällt auch nicht unter den erweiterten Personenkreis des § 10a Abs. 1 Satz 4 EStG.
25aa. Gemäß § 10a Abs. 1 Satz 4 EStG gelten die Sätze 1 und 2 des § 10a Abs. 1 EStG entsprechend für Steuerpflichtige, die nicht zum begünstigten Personenkreis nach § 10a Abs. 1 Satz 1 oder 3 EStG gehören und eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder Erwerbsunfähigkeit oder eine Versorgung wegen Dienstunfähigkeit aus einem der in Satz 1 oder 3 genannten Alterssicherungssysteme beziehen, wenn unmittelbar vor dem Bezug der entsprechenden Leistungen der Leistungsbezieher einer der in Satz 1 oder 3 genannten begünstigten Personengruppe angehörte.
26bb. Bei den Personen nach § 10a Abs. 1 Satz 4 EStG ist der unmittelbare zeitliche Zusammenhang gegeben, wenn im Veranlagungszeitraum vor dem Eintritt der vollen Erwerbsminderung/Erwerbsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit eine Zugehörigkeit zur Personengruppe nach § 10a Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG bestand (vgl. Deck/Rosenbaum, Einkommensteuer Handausgabe, Anhang 1: Altersvorsorge/Alterseinkünfte/Vorsorge-aufwendungen (Fassung 2009), Rn. 12; Braun in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 309. Lieferung 02/22, § 10a EStG, Rz. 21).
27cc. Die Klägerin war bis zum 12.04.2005 in Elternzeit. Danach (insbesondere auch im Veranlagungszeitraum 2006) war sie krankheitsbedingt weder arbeitslos gemeldet noch anderweitig gesetzlich pflichtversichert. Zum Juni 2007 wurde der Klägerin die volle Rente wegen Erwerbsunfähigkeit rückwirkend bewilligt. Da sie somit im Jahr 2006 keinem begünstigten Personenkreis i. S. des § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG angehörte und die Voraussetzungen des § 10a Abs. 1 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind, ist eine Berücksichtigung gemäß § 10a Abs. 1 Satz 4 EStG in den Streitjahren ausgeschlossen.
283. Gehört nur ein Ehegatte im Fall der --hier vorliegenden-- Zusammenveranlagung nach § 26 Abs. 1 EStG zu dem nach § 10a Abs. 1 EStG begünstigten Personenkreis und ist der andere Ehegatte nach § 79 Satz 2 EStG zulageberechtigt, sind bei dem nach § 10a Abs. 1 EStG abzugsberechtigten Ehegatten allerdings die von beiden Ehegatten geleisteten Altersvorsorgebeiträge und die dafür zustehenden Zulagen nach § 10a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen. Dies gilt gemäß § 10a Abs. 3 Satz 2 EStG auch für die nach § 10a Abs. 2 EStG vom Finanzamt durchzuführende Günstigerprüfung (vgl. BFH-Urteil vom 08.09.2020 – X R 16/19, BFH/NV 2021, 628).
29a. Der Kläger ist gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 EStG i.V.m. § 79 Satz 1 EStG als angestellter Kaufmann unmittelbar zulageberechtigt.
30b. Die Klägerin ist gemäß § 79 Satz 2 EStG mittelbar zulageberechtigt. Liegen nämlich bei Ehegatten die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vor und ist nur ein Ehegatte nach § 79 Satz 1 EStG begünstigt, so ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 79 Satz 2 Nr. 1 bis 5 EStG, dass auch der andere Ehegatte zulageberechtigt ist, wenn ein auf seinen Namen lautender Altersvorsorgevertrag besteht, die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, beide Ehegatten ihren Wohnsitz im Inland haben, mindestens 60,00 € im Beitragsjahr geleistet werden und die Auszahlungsphase noch nicht begonnen hat.
31c. Die Klägerin kann ihre Berechtigung zum zusätzlichen Sonderausgabenabzug auch nicht daraus ableiten, dass sie gemäß § 79 Satz 2 EStG mittelbar einen Anspruch auf die Altersvorsorgezulage hat.
32aa. Mit der mittelbaren Zulageberechtigung des Ehegatten wird der Tatsache Rechnung getragen, dass auch der nicht pflichtversicherte Ehegatte von der Renten- und Versorgungsniveaukürzung --mittelbar-- betroffen ist. Es soll damit beiden Ehegatten ermöglicht werden, eine eigenständige zusätzliche Altersvorsorge aufzubauen (s. Begründung des Gesetzentwurfs zum AVmG, BTDrucks 14/4595, 65), und ein Anreiz für den von der Rentenkürzung des pflichtversicherten Ehegatten gleichfalls betroffenen Ehepartner geschaffen werden, für eine eigene freiwillige kapitalgedeckte Altersvorsorge zu sorgen.
33bb. Anders als § 79 Satz 2 EStG räumt § 10a Abs. 1 EStG dem mittelbar betroffenen Ehegatten indes nicht die Möglichkeit ein, selbst einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug in Anspruch zu nehmen. Im Gegensatz zu vielen Vorschriften, in denen im Falle der Zusammenveranlagung die Pausch- und Höchstbeträge ohne weitere Voraussetzungen verdoppelt werden (vgl. z.B. § 10 Abs. 3 EStG, § 10b Abs. 2 EStG), ist in § 10a Abs. 3 Satz 1 EStG ausdrücklich geregelt, dass der Abzugsbetrag nach § 10a Abs. 1 EStG nur dann von beiden Ehegatten in Anspruch genommen werden kann, wenn jeder Ehegatte für sich die entsprechenden persönlichen Voraussetzungen gemäß § 10a Abs. 1 EStG erfüllt. Berücksichtigt werden können die von dem mittelbar begünstigten Ehegatten geleisteten Altersvorsorgebeiträge gemäß § 10a Abs. 3 Satz 1 EStG lediglich im Rahmen des Abzugsvolumens, das dem nach § 10a Abs. 1 EStG begünstigten Ehegatten zusteht (vgl. BFH-Urteil vom 29.07.2015 – X R 11/13, BFHE 250, 531, BStBl II 2016,18).
34cc. Für eine über den ausdrücklich gesetzlich vorgesehenen Umfang hinausgehende Begünstigung der Beiträge eines gemäß § 79 Satz 2 EStG mittelbar Berechtigten durch Gewährung eines eigenen zusätzlichen Sonderausgabenabzugs besteht kein Grund. Der BFH hat bereits in seinem Urteil vom 21.07.2009 (Az. X R 33/07, BFHE 225, 457, BStBl II 2009, 995) unter II.2.c darauf hingewiesen, dass der vom Gesetzgeber verfolgte generelle Förderzweck für die Zulage bereits nicht gegeben sei, soweit ein von der abgeleiteten Zulageberechtigung erfasster Ehegatte trotz eigener Erwerbstätigkeit nur deshalb nicht gemäß § 79 Satz 1 EStG unmittelbar zulageberechtigt sei, weil er nicht dem Personenkreis des § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG angehört. Bei der Regelung des § 79 EStG sei der Gesetzgeber nämlich erkennbar davon ausgegangen, dass eine Zulageberechtigung nur dann gegeben sein solle, wenn der Betroffene von der Absenkung des Renten- und Versorgungsniveaus entweder unmittelbar betroffen sei oder der von der Absenkung des Altersversorgungsniveaus seines Ehegatten mittelbar betroffene Ehegatte diese Absenkung nicht bereits anderweitig, z.B. durch eigene von der Absenkung nicht erfasste Berufstätigkeit, kompensieren könne (vgl. BFH-Urteil vom 29.07.2015 – X R 11/13, BFHE 250, 531, BStBl II 2016,18).
35d. In den Streitjahren sind nicht nur die Beiträge und Zulagen des Klägers i. H. v. 1.949,00 € zzgl. 154,00 €, sondern auch die Beiträge der Klägerin i. H. v. jeweils 60,00 € nebst den Zulagen gemäß § 10a Abs. 3 Satz 2 EStG anzusetzen. Gemäß § 10a Abs. 3 Satz 3 EStG erhöht sich in diesem Fall der Höchstbetrag des unmittelbar Berechtigen um 60,00 €, so dass für beide Ehegatten der maximale Sonderausgabenabzug 2.160,00 € beträgt.
36e. Der Beklagte hat in beiden Streitjahren den Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgebeiträge mit dem im Streitfall zulässigen Höchstbetrag i. H. v. 2.160,00 € zutreffend bemessen. Darüber hinaus gehende Beiträge und Zulagen sind insoweit von Gesetzes wegen nicht abziehbar. Die Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2013 war gemäß § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG auch verfahrensrechtlich zulässig.
37II. An dem dargestellten Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass die Renten, die auf Beiträgen beruhen, die nur nach § 79 EStG gefördert wurden, in demselben Umfang zu versteuern sind wie die Renten, deren Förderung sowohl auf § 79 EStG als auch auf § 10a EStG beruht.
381. Die Kläger haben im Einspruchsverfahren geltend gemacht, dass die steuerliche Behandlung in den Streitjahren zu einer Versteuerung von 712,20 € in der Auszahlungsphase führe, da insoweit Zulagen versteuert würden, die den Klägern nicht zugeflossen seien.
392. Diese Frage ist erst in einem Verfahren, das die Besteuerung der Rentenbezüge gemäß § 22 Nr. 5 EStG zum Gegenstand hat, zu überprüfen (vgl. zu der insofern vergleichbaren Situation des Zusammenwirkens der einkommensteuerrechtlichen Regelungen der Aufbauphase vor Inkrafttreten des AltEinkG und der Regelungen der Versorgungsphase seit Inkrafttreten des AltEinkG den Beschluss des BVerfG vom 13.02.2008 - 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169, unter B.I.2.b; BFH-Urteil vom 29.07.2015 – X R 11/13, BFHE 250, 531, BStBl II 2016, 18). Eine Überprüfung dieser Fragestellung in Veranlagungszeiträume, in denen es um die steuerliche Abzugsfähigkeit der Beiträge geht, ist insoweit nicht möglich.
40B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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- Urteil vom Bundesfinanzhof (10. Senat) - X R 11/13 1x
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