Urteil vom Niedersächsisches Finanzgericht (11. Senat) - 11 K 98/17

Tatbestand

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Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin für das Streitjahr 2010 berechtigt war, die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) zur Besteuerung ihrer Umsätze in Anspruch zu nehmen.

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Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, die mit Vertrag vom XXX 2008 errichtet worden ist. Gegenstand des Unternehmens ist die Produktion und Aufzucht von Ferkeln im Rahmen einer Gesellschaft, die nach den Vorschriften des § 51 a Bewertungsgesetz (BewG) landwirtschaftliche Einkünfte erzielt. Komplementär mit einer Einlage von 9.800 € ist M, die beiden Kommanditisten N und S halten eine Hafteinlage von jeweils 100 €. Die Klägerin sollte nach § 4 des Vertrages eine Ferkelaufzucht in einem von M anzupachtenden Stallgebäude betreiben. Die Gesellschafter überließen ihr darüber hinaus 200 freie Vieheinheiten (M), 609 Vieheinheiten (N) und 423 Vieheinheiten (S). Als Entgelt hierfür sieht § 10 des Vertrages ein jährliches Entgelt von 3 € pro Vieheinheit vor, wobei der Vorabgewinn mit von der Klägerin gelieferter Gülle verrechnet werden sollte. M erhält als Vorabgewinn neben der Erstattung sämtlicher Ausgaben für die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft einen Gewinnvorweg von 60 v. H. zur Abdeckung seines Haftungsrisikos. Der verbleibende Gewinn wird im Verhältnis der Einlagen verteilt. Scheidet ein Gesellschafter aus welchen Gründen auch immer aus, hat er einen Abfindungsanspruch in Höhe des Buchwerts seiner Beteiligung. Sofern der Verkehrswert eines Gesellschaftsanteils den Buchwert um mehr als 30 v. H. übersteigt, kann der Gesellschafter diesen nachweisen und danach abrechnen, wobei eine Differenz von 30 v. H. unberücksichtigt bleibt.

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Die Klägerin reichte ab 2012 beim Beklagten jährliche Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung ihrer Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ein. Der Beklagte führte die Feststellungen antragsgemäß durch, die Feststellungsbescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Umsatzsteuerlich gab die Klägerin März 2011 eine Umsatzsteuererklärung ab, in der Umsätze und Vorsteuern von jeweils 0 € erklärt wurden. Am XXX 2011 beantragte die Klägerin, das Umsatzsteuersignal beim Beklagten zu löschen, weil sie ausschließlich Umsätze nach § 24 UStG ausführe. Diesem Antrag entsprach der Beklagte.

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In der Zeit von Februar bis August 2016 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, die die steuerlichen Verhältnisse in den Jahren 2010 bis 2013 umfasste. Dabei gelangte der Außenprüfer zu dem Ergebnis, dass den beiden Kommanditisten keinerlei Entscheidungskompetenz nach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag zustünde und sie deshalb nicht als Mitunternehmer anzusehen seien. Da die Kommanditisten nicht als Mitunternehmer anzusehen seien, seien die Voraussetzungen des § 51 a BewG nicht vollständig erfüllt, mithin auch eine Versteuerung der Umsätze nach Durchschnittsätzen nicht möglich. Wegen der weiteren Einzelheiten der Argumentation des Außenprüfers wird auf den Bericht des Beklagten vom XXX 2016 über die Außenprüfung zur StNr. XXX; AD-Nr. XXX hingewiesen.

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Der Beklagte folgte der Auffassung und erließ am XXX 2016 Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2013, wobei er als Grundlage die vom Außenprüfer ermittelten Umsätze und Vorsteuerbeträge ansetzte.

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Gegen sämtliche Bescheide erhob die Klägerin am XXX 2016 Einspruch. Mit Beschluss vom 26. Januar 2017 XXX lehnte das Niedersächsische Finanzgericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Bescheide über die Aufhebung der Feststellungsbescheide 2010 bis 2013 ab. Auf Antrag der Klägerin ordnete der Beklagte das Ruhen der Rechtsbehelfe wegen Umsatzsteuer 2011 bis 2013 an.

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Der Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2010 blieb erfolglos. Im Einspruchsbescheid führte der Beklagte zur Begründung aus, dass für eine Durchschnittsbesteuerung nach § 24 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG es erforderlich sei, dass sämtliche Voraussetzungen des § 51 a BewG erfüllt seien. Eine Einschränkung für den Bereich der Tierhaltung und -zucht sei dort nicht vorgesehen. Nach § 51 a Abs. 1 Satz 1 BewG sei ein Tatbestandsmerkmal für die Anerkennung einer Tierhaltungskooperation, dass alle Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen seien. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nach den Gründen in dem Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts nicht gegeben.

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Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. In ihrer Klagebegründung verweist die Klägerin zunächst auf ihre Antragsbegründung im Verfahren XXX. Ergänzend erklärt sie, die im Beschluss vom 26. Januar 2017 zitierten Entscheidungen des Thüringer Finanzgerichts zum Aktenzeichen III 496/03, des Nds. FG zum Aktenzeichen 1 K 235/14 und des BFH zum Aktenzeichen IV R 13/07 enthielten zu den inhaltlichen Vorgaben an eine Mitunternehmerschaft keine Ausführungen. Deshalb bleibe sie bei ihrer Argumentation, dass die Anforderungen sich am Maßstab orientieren müssten, die sich aus Zweck und Tätigkeit der Gesellschaft ergäben. Die § 51a-Gesellschaft habe keinen eigenen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, sondern schaffe nur die Fiktion eines solchen, weil der Steuergesetzgeber dies aus strukturpolitischen Gründen wolle. Zudem sei ein Kommanditist nicht nur dann als Mitunternehmer anzusehen, wenn er ein Blockade-Stimmrecht habe. Vielmehr reiche die Möglichkeit aus, wirtschaftliche oder rechtliche Bedenken gegenüber dem Beschluss des Mehrheitsgesellschafters darzustellen. Nach Gürsching/Stenger, § 97 Rdnr. 1048 sei in der Beschränkung des Widerspruchsrechts nach § 164 Handelsgesetzbuch (HGB) keine wesentliche Einschränkung zur Entfaltung von Mitunternehmerinitiative zu sehen, zumindest dann nicht, wenn solche Handlungen nicht vorkämen oder der Geschäftsführer zu ihrer Vornahme nicht befugt sei, weil sie der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung vorbehalten seien. Selbst der Ausschluss des Widerspruchsrechts stehe einer Mitunternehmerstellung nicht entgegen (BFH, BStBl. II 1994, 636). Zudem könne ein Widerspruchsrecht bei einer 51a-Gesellschaft tatsächlich kaum relevant werden. Gesellschaftsrechtlich sei es im Übrigen anerkannt, dass bei Entscheidungen der Gesellschafter über einen Widerspruch eine entsprechende Mehrheitsklausel vorgesehen werden könne, da der Kernbereich der Mitgliedschaft nicht betroffen sei.

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Die Klägerin beantragt,

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den Umsatzsteuerbescheid 2010 vom XXX 2016 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom XXX 2017 zu ändern und die Umsatzsteuer auf 0 € herabzusetzen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest und verweist ergänzend auf den Beschluss vom 26. Januar 2017 11 V 271/16. Die Klägerin habe ihren Gesellschaftsvertrag mit Beschluss vom XXX 2016 geändert (Bl. 41 der Gerichtsakte).

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom XXX 2016 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom XXX 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin kann im Streitjahr von der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 2 UStG keinen Gebrauch machen, weil sie nicht die Voraussetzungen des § 51 a BewG erfüllt. Gegen die Ermittlung der steuerpflichtigen Umsätze und der abzugsfähigen Vorsteuer hat die Klägerin keine Einwände erhoben; Bedenken ergeben sich auch nicht nach Aktenlage.

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Die Durchschnittssatzbesteuerung für Umsätze von Landwirten nach § 24 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG setzt Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe voraus, deren Tierbestände nach den §§ 51 f. BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören. Da die Klägerin mangels hinreichender eigener Flächen nicht per se mit der Ferkelaufzucht einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhält, kann sie eine Besteuerung nach § 24 UStG nur beanspruchen, wenn sämtliche sachlichen und persönlichen Voraussetzungen des § 51 a BewG vorliegen (BFH, Urteile vom 26. April 1990 V R 90/87, BStBl. II 1990, 802; vom 17. September 1992 V R 111/88, BFH/NV 1993, 502). § 51 a Abs. 1 Satz 1 BewG setzt u. a. Gesellschaften voraus, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind. Die Norm verweist dabei auf die Bestimmung des § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG und diese wiederum auf die §§ 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Der Begriff der Gesellschaft i. S. d. § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG und damit auch in § 51 a BewG ist nicht zivilrechtlich, sondern wegen der Verweisung in das Ertragssteuerrecht ertragssteuerrechtlich zu verstehen. Entscheidend ist nicht das Vorliegen einer Personengesellschaft im zivilrechtlichen Sinne, sondern einer Mitunternehmerschaft im ertragssteuerrechtlichen Sinn (BFH, Urteil vom 1. September 2011 II R 67/09, BStBl. II 2013, 210, 212 Tz. 19). Für eine einengende Auslegung und Anpassung der Norm an die „Lebenswirklichkeit“, so wie sie der Klägerin vorschwebt, sieht das Gericht an dieser Stelle trotz des Charakters des § 51 a BewG als Subventionsnorm für Landwirte keinen Raum. Eine Reduzierung auf jede Art von Personengesellschaften unabhängig von der Einengung auf Mitunternehmergesellschaften würde die Verweisungskette nicht gerecht; im Übrigen obliegt es den Steuerpflichtigen, die Voraussetzungen einer Subventionsnorm, von der sie profitieren wollen, zu erfüllen (vgl. BFH, Urteil vom 5. November 2009 IV R 13/07, BFH/NV 2010, 93 = Juris Rdnr. 17).

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Mitunternehmer i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist nicht jeder Gesellschafter einer Personengesellschaft. Mitunternehmer ist er vielmehr nur dann, wenn er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen oder einer wirtschaftlich vergleichbaren Stellung Mitunternehmerinitiative ausüben kann und ein Mitunternehmerrisiko trägt. Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Im Regelfall wird dieses Risiko durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens, einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt (BFH, Urteil vom 1. September 2011 II R 67/09, a. a. O. Tz. 20 m. w. N.). Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen. Ausreichend ist indes bereits die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschaftsrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die zum Beispiel den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch entsprechen. Da der gesetzlich nicht näher erläuterte Begriff des Mitunternehmers einer abschließenden Definition nicht zugänglich ist, können die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein. Deshalb kann z. B. ein geringeres Initiativrecht durch ein besonders stark ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko ausgeglichen werden. Allerdings müssen beide Merkmale vorliegen. Ob das zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen (FG Hamburg, Urteil vom 7. Januar 2016 6 K 147/15, Juris Rdnr. 39 m. w. N. aus der Rechtsprechung des BFH).

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Im Streitfall sieht der Senat trotz Bedenken ausreichende Anhaltspunkte für ein noch hinreichendes Mitunternehmerrisiko der beiden Kommanditisten. Diese nehmen nach § 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages entsprechend ihrer Hafteinlagen am Gewinn und Verlust teil. Sie haften außerdem mit ihrer Hafteinlage zumindest im Außenverhältnis. Für die Annahme eines ausreichenden Mitunternehmerrisikos eines Kommanditisten genügt es weiterhin, wenn dieser zumindest im Fall der Auflösung der KG an den stillen Reserven und am Geschäftswert beteiligt wird (BFH, Urteile vom 11. Juli 1989 VIII R 41/84, BFH/NV 1990, 92 = Juris Rdnr. 26; vom 7. November 2000 VIII R 16/97, BStBl. II 2001, 186 = Juris Rdnr. 26; vom 10. November 1987 VIII R 166/84, BStBl. II 1989, 758 = Juris Rdnr. 41; FG Hamburg, Urteil vom 7. Januar 2016 6 K 147/15, Juris Rdnr. 41). Im Streitfall ist in § 15 des Gesellschaftsvertrages für den Regelfall ein Abfindungsanspruch in Höhe des Buchwerts der Beteiligung vorgesehen. Die Regelung über die 30-Prozent-Grenze mit dem Wegfall von 30 v. H. der stillen Reserven für die Annahme eines ausreichenden Mitunternehmerrisikos hält der Senat zwar für problematisch, aber für sich genommen noch als ausreichend an.

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Allerdings können die beiden Kommanditisten keine ausreichende Mitunternehmerinitiative entfalten. Die Kommanditisten haben zwar in der Gesellschafterversammlung ein Stimmrecht; solange der Komplementär aber Gesellschafter ist, läuft dieses ins Leere. In keinem Fall kann der Komplementär an einer seine Interessen wahrenden Beschlussfassung gehindert werden. Statt der Einstimmigkeit (§ 119 Abs. 1 Handelsgesetzbuch - HGB) reicht nämlich für alle Beschlüsse grundsätzlich die einfache Mehrheit aus, teilweise eine von 75 v. H., die M mit einem Stimmanteil von 98 v. H. immer erreicht. Das Stimmrecht aller Kommanditisten konnte den Komplementär selbst an einer einseitigen Änderung des Gesellschaftsvertrages nicht hindern.

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Das Widerspruchsrecht der beiden Kommanditisten nach § 164 HGB war durch den Gesellschaftsvertrag zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen, jedoch entscheidet über einen derartigen Widerspruch auf Antrag des Komplementärs die Gesellschafterversammlung mit dem Übergewicht des Komplementärs von 98 v. H. Faktisch bleibt daher auch ein Widerspruch eines Kommanditisten folgenlos. In Verbindung mit der Einschränkung des Stimmrechts ist der faktische Ausschluss des Widerspruchsrechts eine steuerlich entscheidende Beschränkung der Rechte der beiden Kommanditisten, die zur Versagung ihrer Mitunternehmerstellung führt. Dies gilt gerade auch im Zusammenspiel mit der in § 15 des Gesellschaftsvertrages geregelten Abfindungsregelung.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, um dem BFH Gelegenheit zu geben, über die normativen Grenzen des § 51 a BewG umfassend entscheiden zu können.

 


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