Urteil vom Finanzgericht Nürnberg - 5 K 1130/17

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2015 vom 22.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.08.2017 wird dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer 2015 auf 1.353 € herabgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kapitalabfindung einer Riester-Kleinbetragsrente i. S. d. § 93 Abs. 3 EStG gem. § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt zu besteuern ist.

Der Kläger und seine Ehefrau wurden für das Streitjahr 2015 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger (geb. am 30.08.1949) erzielte Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, aus nichtselbständiger Tätigkeit, und sonstige Einkünfte. Seine Ehefrau erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Daneben bezogen beide Einkünfte aus Kapitalvermögen.

In der Einkommensteuererklärung 2015 erklärte der Kläger u. a. laufende Renteneinkünfte i. H. v. 20.831 € sowie Einkünfte aus Altersvorsorgeverträgen i. H. v. 7.980 € und 6.994 €. Der Betrag i. H. v. 6.994 € beruhte auf einer Einmalzahlung als Kapitalabfindung für eine Riester-Rente bei der Bank 1 i. H. v. 7.018,59 € (§ 22 Nr. 5 Satz 1 EStG) abzüglich 24,34 € (§ 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c EStG).

Im Rahmen des am 13.03.2003 abgeschlossenen Vertrags wurde ein B FörderDepot bei der Bank 2 eröffnet (Nr. xx). Nach den „Besonderen Bedingungen für Altersvorsorgeverträge“ der B, eines damaligen Publikumsfonds der C, war hinsichtlich der Ausgestaltung der Auszahlungsphase Folgendes geregelt:

„Die Auszahlung des Altersvorsorgevermögens erfolgt in der Auszahlungsphase in Form einer lebenslangen, gleichbleibenden oder steigenden monatlichen Leibrente oder eines Auszahlungsplans mit unmittelbar anschließender lebenslanger Teilkapitalverrentung. Im Fall der Vereinbarung eines Auszahlungsplans zwischen dem Anleger und der C erfolgt die Auszahlung ab Beginn der Auszahlungsphase bis zur Vollendung des 85. Lebensjahres des Kunden entweder in zugesagtem gleichbleibenden oder steigenden monatlichen Raten oder in zugesagten gleichbleibenden oder steigenden monatlichen Teilraten und zusätzlich in variablen Teilraten. Für die Bemessung der Höhe der monatlichen Teilraten sind einschließlich der Prämie für eine Rentenversicherung i. S. d. Satzes 5 dieser Ziffer mindestens 60 Prozent des Teils des zu Beginn der Auszahlphase vorhandenen Kapitals, mindestens jedoch die Summe der eingezahlten und geförderten Beiträge einschließlich der Zulagen, zu Grunde zu legen, das sich aus staatlich geförderten Altersvorsorgebeiträgen (einschließlich Zulagen) nebst Erträgen und Steuergutschriften hieraus gebildet hat. Von den variablen Teilraten fließt mindestens die Hälfte in regelmäßige monatliche Auszahlungen. Im Fall des Abschlusses eines Auszahlungsplans wird ein Anteil des zu Beginn der Auszahlungsphase zur Verfügung stehenden Kapitals zu Beginn der Auszahlungsphase in eine Rentenversicherung eingebracht, die dem Anleger ab Vollendung des. 85. Lebensjahres eine gleichbleibende oder steigende lebenslange Leibrente gewährt, deren erste monatliche Rate mindestens so hoch ist wie die letzte monatliche Auszahlung aus dem Auszahlungsplan unter Außerachtlassung variabler Teilraten.“

Die Möglichkeit einer sofortigen Einmalzahlung wurde nicht vereinbart.

Ergänzend legte der Kläger ein Schreiben der Bank 1 vom 03.03.2015 vor. Im Hinblick auf die ab dem 01.01.2005 eingeführte Möglichkeit einer zulagenunschädlichen Kapitalabfindung für Kleinbetragsrenten in § 93 Abs. 3 EStG wurde ihm darin eine Kapitalabfindung für seine Riester-Rente, die sich ab Rentenbeginn auf 21 € belaufen hätte, angeboten.

Mit Bescheid vom 05.12.2016 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2015 auf 2.335 € fest. Die Kapitalabfindung für die Riesterrente wurde bei den sonstigen Einkünften in voller Höhe (7.018 €) erfasst.

Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein.

Mit Änderungsbescheid vom 13.02.2017 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2015 aus anderen Gründen auf 2.033 € herab.

Nach Ergehen des BFH-Urteils vom 20.09.2016 (X R 23/15, BFHE 255, 209, BStBl II 2017, 209) teilte das Finanzamt dem Kläger mit Schreiben vom 07.03.2017 mit, dass eine Kapitalabfindung für Ansprüche aus einer der Altersversorgung dienenden Pensionskasse jedenfalls dann dem regulären Einkommensteuertarif unterliege, wenn das Kapitalwahlrecht bereits in der ursprünglichen Versorgungsregelung enthalten gewesen sei.

Dem hielt der Kläger mit Schreiben vom 09.03.2017 entgegen, dass in seinem Riestervertrag eine Kapitalauszahlung ausgeschlossen gewesen sei und die Auszahlung in Gestalt einer lebenslangen Rente habe erfolgen sollen. Er habe die Beiträge zur Riesterrente aus seinem versteuerten Einkommen geleistet.

Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 22.05.2017 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2015 aus anderen Gründen auf 1.559 € herab.

Mit Einspruchsentscheidung vom 09.08.2017 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2015 im Hinblick auf die geänderte Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung bei den außergewöhnlichen Belastungen auf 1.521 € herab und wies „die Einsprüche“ im Übrigen als unbegründet zurück. Die Einmalzahlung aus der Riesterrente wurde unverändert i. H. v. 7.018 € den sonstigen Einkünften zugerechnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Abfindungszahlung aus dem Riester-Vertrag sei den sonstigen Einkünften i. S. d. § 22 Nr. 5 EStG zuzurechnen. Sämtliche Leistungen aus dem Riester-Vertrag seien der tariflichen Einkommensteuer i. S. d. § 32a EStG zu unterwerfen. § 34 EStG finde keine Anwendung. Demnach sei Voraussetzung für eine ermäßigte Besteuerung eine atypische Zusammenballung von Einkünften. Diese dürfe weder vertragsgemäß sein noch dem typischen Ablauf der Einkunftserzielung entsprechen. Nach der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 20.09.2016 X R 23/15, BFHE 255, 209, BStBl II 2017, 209) unterliege die einmalige Kapitalabfindung laufender Rentenansprüche jedenfalls dann dem regulären Einkommensteuertarif, wenn das Kapitalwahlrecht schon in der ursprünglichen Versorgungsregelung enthalten gewesen sei. Es handele sich nicht um ermäßigt zu besteuernde außerordentliche Einkünfte. Eine ermäßigte Besteuerung i. S. d. § 34 EStG könne nicht durchgeführt werden.

Hiergegen haben der Kläger und seine Ehefrau Klage erhoben. Sie verweisen auf das Vorbringen im Veranlagungs- und Einspruchsverfahren. Die im streitigen Veranlagungsjahr erhaltene Zahlung sei rechtlich als atypische Auszahlung zu behandeln und daher steuerfrei. Das Finanzamt übersehe im vorliegenden Fall, dass es sich um einen Altvertrag handele, bei dem eine Kapitalauszahlung ursprünglich nicht zulässig und auch vertraglich nicht vorgesehen gewesen sei. Die vom Finanzamt mitgeteilten Grundsätze beträfen erst spätere Verträge. Bei diesen Verträgen seien aber durch die Versicherer die entsprechenden Versicherungsbedingungen bereits angepasst worden. Der vorliegende streitgegenständliche Altvertrag müsse daher Vertrauens- und Bestandsschutz genießen.

Das Verfahren der Ehefrau ist abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 5 K 925/18 fortgeführt worden.

Der Kläger beantragt nach Rücksprache mit seinem Prozessbevollmächtigten den Einkommensteuerbescheid vom 22.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.08.2017 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer für 2015 unter Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes gem. § 34 Abs. 1 EStG bezüglich der Einkünfte des Klägers aus der Abfindung i. H. v. 7.018 € für seine Riesterrente herabgesetzt wird.

Der Vertreter des Finanzamts beantragt die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten regen an für den Fall ihres Unterliegens die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt räumt zwar ein, dass die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 20.09.2016 X R 23/15, BFHE 255, 209, BStBl II 2017, 209) einen Fall betrifft, in dem das Kapitalwahlrecht - anders als im vorliegenden Fall - schon in der ursprünglichen Versorgungsregelung enthalten gewesen sei. Der hier zu beurteilende Riester Vertrag beinhalte keine Regelung hinsichtlich einer möglichen Einmalzahlung. Nach Rücksprache mit dem Bayer. Landesamt für Finanzen werde dennoch daran festgehalten, die begünstigte Besteuerung i. S. d. § 34 Abs. 1 EStG nicht zu gewähren. Für die Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG sei es nach der herrschenden Verwaltungsauffassung nicht entscheidungserheblich, dass eine Kapitalabfindung vertraglich nicht vorgesehen gewesen sei. Nach § 93 Abs. 3 EStG könne eine Kleinbetragsrente seit 2005 generell steuerunschädlich abgefunden werden. Es handele sich daher bei einer entsprechenden Abfindung nicht um eine atypische Auszahlungsart.

Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 20.09.2016 X R 23/15, BFHE 255, 209, BStBl II 2017, 209) sei eine Vergütung nur außerordentlich, wenn die Zusammenballung der Einkünfte nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entspreche. Auch wenn im Streitfall - anders als im Urteilsfall - eine Kapitalabfindung nicht vertraglich vereinbart gewesen sei, so sei sie doch eine typische Auszahlungsart bei Kleinbetragsrenten. Aus diesem Grund ist der ermäßigte Steuersatz nicht möglich.

Durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz sei § 22 Nr. 5 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2018 durch folgenden Satz 13 ergänzt worden: „Für Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen nach § 93 Abs. 3 EStG ist § 34 Abs. 1 EStG entsprechend anzuwenden.“ Auch die Tatsache, dass es einer Gesetzesänderung bedurft habe, spreche dafür, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des § 34 EStG in der Vergangenheit nicht vorgelegen hätten.

Eine Steuerfreiheit stehe hier nicht in Frage. Es geht allein um die Frage, ob die Abfindung der tariflichen Besteuerung i. S. d. § 32a EStG oder der besonderen Besteuerung i. S. d. § 34 Abs. 1 EStG unterliege.

Gründe

I.

Die Klage ist begründet.

1. Die Inanspruchnahme der steuerlichen Förderung führt dazu, dass die späteren Rentenleistungen aus dem Altersvorsorgevertrag gem. § 22 Nr. 5 EStG in voller Höhe - also nicht nur mit dem Ertragsanteil - zu versteuern sind (Wacker in Schmidt, EStG, 37. Aufl., § 79 Rn. 1). Eine Steuerbefreiung ist gesetzlich nicht vorgesehen;

2. Die Kapitalabfindung ist als Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt zu besteuern.

a) § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG ist grundsätzlich auf alle Einkunftsarten anwendbar, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind und im Einzelfall keine Gründe für eine einschränkende Auslegung gegeben sind. Weder dem Wortlaut noch der Systematik noch dem Zweck der Norm lässt sich eine Beschränkung ihres Anwendungsbereichs auf bestimmte Einkunftsarten entnehmen (BFH-Urteile vom 25.02.2014 X R 10/12, BFHE 245, 1, BStBl II 2014, 668; und vom 23.10.2013 X R 3/12, BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58).

Die Kapitalabfindung stellt eine „Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten“ dar. Als „Vergütung“ in diesem Sinne kommen alle Vorteile von wirtschaftlichem Wert in Betracht, die der Steuerpflichtige im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart erzielt. Die „Tätigkeit“ besteht bei Alterseinkünften in der früheren Leistung von Beiträgen (BFH-Urteil vom 23.10.2013 X R 3/12, BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58). Die Voraussetzung der Mehrjährigkeit (vgl. die Legaldefinition in § 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG) ist ebenfalls erfüllt, da die früheren Beitragszahlungen des Klägers sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckten und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfassten.

b) Die Einkünfte sind auch außerordentlich.

aa) Dieses Erfordernis wird sowohl vom Wortlaut des § 34 Abs. 1 EStG als auch von dem des Einleitungssatzes des § 34 Abs. 2 EStG vorausgesetzt. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten sind nur dann außerordentlich, wenn die Zusammenballung der Einkünfte nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entspricht (BFH-Urteil vom 20.09.2016 X R 23/15, BFHE 255, 209, BStBl II 2017, 347). Bei der nicht vertragsgemäßen oder atypischen Kapitalabfindung handelt es sich nach dieser Entscheidung des Bundesfinanzhofs um zwei verschiedene Tatbestände, die dieser unabhängig voneinander geprüft hat. Es liegen also bereits dann außerordentliche Einkünfte vor, wenn eine der beiden Alternativen erfüllt ist.

bb) Vorliegend war die Geltendmachung der Kapitalabfindung nicht vertragsgemäß, weil sie in dem im Jahr 2003 abgeschlossenen Vertrag keine Rechtsgrundlage gehabt hat. Die dem Senat vorliegenden Vertragsbedingungen sind insoweit eindeutig und entsprechen der Rechtslage des Jahres 2003, nach der eine Kapitalabfindung zuwendungsschädlich gewesen wäre. Hierüber sind sich auch die Beteiligten einig.

Die von der Bank 1 mit Schreiben vom 03.03.2015 angebotene Kapitalabfindung hat zwar bürgerlich-rechtlich zu einer Vertragsänderung geführt. Für die steuerliche Beurteilung, wie sie auch vom Bundesfinanzhof vorgenommen worden ist (BFH-Urteil vom 20.09.2016 X R 23/15, BFHE 255, 209, BStBl II 2017, 347), ändert sich dadurch aber nichts, weil die nachträglich vereinbarte Kapitalabfindung nicht dem ursprünglichen Riestervertrag entspricht.

Bereits aus diesem Grund liegt eine nicht vertragsgemäße Durchführung vor, so dass die Einkünfte als außerordentlich anzusehen sind.

cc) Die Kapitalabfindung stellt vorliegend auch einen atypischen Ablauf in Bezug auf die Einkünfteerzielung dar.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs sind für den Bereich der Basisversorgung ausschließlich Rentenzahlungen typisch. Vor diesem Hintergrund hat der BFH die von einzelnen Versorgungswerken vorgesehene Möglichkeit, Beiträge, die vor 2005 geleistet worden sind, durch eine einmalige Kapitalzahlung abzufinden, als „eng begrenzte und auslaufende Ausnahmeregelung“ angesehen (BFH-Urteil vom 23.10.2013 X R 3/12, BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58). Auch in der Literatur wird die Ablösung wiederkehrender Bezüge durch eine Kapitalabfindung grundsätzlich als atypisch angesehen (Gänger in Bordewin/Brandt, EStG § 34 Rn. 36; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 34 EStG, Rn. 67).

Für Riester-Renten wäre eine Kapitalabfindung bis zur Änderung des § 93 Abs. 3 EStG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a des Gesetzes über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz - AltZertG) mit Wirkung zum 01.01.2005 zulagenschädlich gewesen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des vorliegenden Riestervertrags war eine solche Abfindungsmöglichkeit auch für Kleinbetragsrenten untypisch. Allein der Umstand, dass Versicherer im Hinblick auf die später geschaffene Möglichkeit einer zulagenunschädlichen Kapitalabfindung versucht haben dürften, die Versicherten in möglichst großer Zahl zur Annahme dieser Abfindung zu bewegen, macht einen solchen Ablauf keineswegs typisch. Die Abfindung stand nicht im Belieben der Versicherer, sondern hat in jedem Einzelfall einen Entschluss des Versicherten zur Annahme dieser Abfindung vorausgesetzt. Dieses dem im bis zum 31.12.2004 geltenden Recht verankerten Leitbild einer lebenslangen Ergänzung zur Basisversorgung widersprechende Verhalten ist nicht typisch.

Die Kapitalabfindung war daher weder vertraglich vereinbart noch typisch.

dd) Die Änderung des § 22 Nr. 1 Satz 13 EStG ab dem 01.01.2018 betrifft neuere Fälle, in denen sich die Versicherer die Kapitalabfindung für Kleinbetragsrenten vorbehalten haben (BT-Drucksache 18/11286). Dies bedeutet aber nicht im Umkehrschluss, dass Fälle vor dem 01.01.2018, in denen keine Abfindung vorgesehen war, nach der bisherigen Rechtslage von der Vergünstigung des § 34 EStG ausgeschlossen gewesen wären. Die Rechtsänderung betrifft Vertragsabschlüsse aus den Jahren 2005 - 2017, in denen die Möglichkeit zur Kapitalabfindung von vornherein vertraglich vereinbart worden ist; selbst wenn man sie auf Fälle ohne eine solche Vereinbarung aus dem Zeitraum bis zum 31.12.2004 ausdehnen wollte, wäre sie insoweit rein deklaratorisch.

Die Einkünfte aus der Riesterversicherung sind daher begünstigt gem. § 34 Abs. 1 EStG zu besteuern.

3. Daraus ergibt sich folgende Berechnung der Einkommensteuer 2015:

 

Der Einkommensteuerbescheid 2015 vom 22.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.08.2017 war daher dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer 2015 auf 1.353 € herabgesetzt wird.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

III.

Die Revision war zuzulassen. Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 FGO nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert (Nr. 2). Betrifft eine als klärungsbedürftig aufgeworfene Rechtsfrage ausgelaufenes oder auslaufendes Recht, hier die Tarifbegünstigung für Kapitalabfindungen gem. § 93 Abs. 3 EStG, die seit dem 01.01.2018 in § 22 Abs. 1 Nr. 5 Satz 13 EStG gesetzlich geregelt ist, muss erkennbar sein, dass die Rechtsfrage sich noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin stellen könnte, wie dies bei Fragen aus fortgeltendem Recht regelmäßig der Fall ist (BFH-Beschluss vom 11.05.2017 VI B 105/16, BFH/NV 2017, 1172). Im vorliegenden Fall ist die Revision im Hinblick auf die große Zahl Betroffener und die beim Bundesfinanzhof anhängigen Revisionsverfahren X R 39/17 und X R 7/18 zuzulassen, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sicherzustellen.

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