Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (2. Senat) - 2 K 1106/12
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Streitig ist, ob die von der Gewerbesteuer befreite Tätigkeit eines Betriebsunternehmens innerhalb einer Betriebsaufspaltung auch zur Gewerbesteuerfreiheit des kraft Rechtsform gewerblich tätigen Besitzunternehmens führt.
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Die Klägerin ist in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG tätig, Komplementärin ist die Firma B-Klinik Betriebs-GmbH (im Folgenden: GmbH). Zwischen beiden Unternehmen liegt eine Betriebsaufspaltung vor. Soweit die Anteile an der GmbH im Eigentum von Gesellschaftern der Klägerin stehen, sind diese Sonderbetriebsvermögen der Klägerin. Neben der Komplementär-GmbH waren im Streitjahr 2007 9 Kommanditisten an der Klägerin beteiligt. Nach dem Tod des Gesellschafters H am 14. Dezember 2009 erhöhte sich die Anzahl der Gesellschafter auf 16.
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Die Klägerin verpachtet Betriebsgebäude einschließlich allen Inventars an die GmbH, welche darin eine Klinik für die Behandlung von Krebserkrankungen führt. Zumindest bis zum Jahr 2006 unterhielt die Klägerin im Klinikgebäude eine Cafeteria sowie einen Übernachtungsbetrieb für Gäste und Angehörige der Patienten. Sie handelte mit medizinischen Geräten, Einrichtungen und ähnlichem oder vermietete diese.
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In ihren am 10. November 2011 abgegebenen Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 2007-2009 gab die Klägerin als Art des Unternehmens "Verpachtung" an.
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Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 2007-2009 vom 1. Dezember 2011 setzte der Beklagte für 2007 einen Gewerbesteuermessbetrag von 17.715 €, für 2008 von 4490 € und für 2009 von 2971 € fest.
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Mit ihrem Einspruch gegen die Bescheide vertrat die Klägerin die Auffassung, sie sei als Besitzgesellschaft nach § 3 Nummer 20 GewStG von der Gewerbesteuer befreit. Im Rahmen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung sei gemäß dem Urteil des BFH vom 29. März 2006 (X R 59/00) die Steuerbefreiung der Betriebsgesellschaft auch auf die Besitzgesellschaft auszudehnen. Eine Infektion der Gewerbesteuerbefreiung durch die von der Klägerin betriebene Cafeteria oder sonstige gewerbliche Aktivitäten bezüglich des Betriebes finde nicht statt. Gewerbebetriebe, die zu einer tatsächlichen Gewerbesteuerschuld innerhalb der Klägerin geführt hätten, seien nicht geführt worden. Die Befreiung von der Gewerbesteuer sei nicht an die Rechtsform des Betriebs bzw. des Vermietungsbetriebes gebunden. Allein die Befreiung von der Gewerbesteuer nach § 3 Abs. 20 GewStG sei maßgebend. Die Verwaltung habe dies auch akzeptiert. Dies ergebe sich aus einer Verfügung der Thüringer Landesfinanzdirektion vom 10. Oktober 2010 sowie einem Schreiben an die Klägerin vom 27. Januar 2011, in dem die Landesfinanzdirektion die Auffassung der Klägerin mittrage, dass eine Steuerbefreiung für Betriebsunternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform greife. Hierauf werde verwiesen (Blatt 23 und 25 der Prozessakten).
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Mit Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2012 wurde der Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte verweigerte die Steuerbefreiung, da die Klägerin aufgrund ihrer gewerblichen Prägung gewerbesteuerpflichtig sei und nicht wegen einer bestehenden Betriebsaufspaltung. Im zitierten Urteil des BFH habe es sich bei dem Besitzunternehmen um eine Einzelfirma gehandelt. Dort habe erst die Betriebsaufspaltung die Einkünfte der Besitzgesellschaft in gewerbliche gewandelt. Damit sei eine Merkmalsübertragung vom Betriebsunternehmen auf das Besitzunternehmen bei Prüfung der Steuerbefreiung möglich gewesen. Eine Merkmalsübertragung komme nach einem Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. Mai 2011 (2 K 2720/08; juris-Dokument) auch nicht hinsichtlich einer (gewerblich geprägten) Schwestergesellschaft -außerhalb einer Betriebsaufspaltung- in Betracht, die Grundstücke an eine nach § 3 Nummer 20 c GewStG befreite Personengesellschaft überlasse.
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Auch innerhalb einer Organschaft, in der die Organträgerin von der Gewerbesteuer befreit sei und in der eine Organgesellschaft gewerblich tätig sei, müsse die Organträgerin den an sie abgeführten Gewinn trotz der für ihre Tätigkeit gewährten Gewerbesteuerbefreiung versteuern.
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Die Klägerin sei nicht nur aufgrund ihrer Rechtsform gewerblich tätig, sondern sie betreibe in ihren Räumen einen Kiosk. Allein dies führe zur Infizierung und zur Gewerbesteuerpflicht der gesamten Einkünfte der Klägerin. Aus einer Verfügung der LFD Thüringen vom 7. Oktober 2010 ergebe sich nichts Gegenteiliges. Daraus lasse sich nicht entnehmen, dass die Steuerbefreiung des Betriebsunternehmens auch dann für das Besitzunternehmen gelte, wenn dieses nicht vermögensverwaltend tätig sei.
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Mit ihrer Klage hiergegen trägt die Klägerin vor, die GmbH sei unstreitig nach § 3 Nummer 20 GewStG von der Gewerbesteuer befreit, sie erfülle die Bedingungen des § 67 Abs. 2 AO. Motivation für die Befreiung seien gesundheits- und wirtschaftspolitische Kostenerwägungen. Die Vorschrift sei eine Sozialzwecknorm. Es sollten vom Gesetzgeber gewünschte Verhalten des Steuerpflichtigen bewirkt werden. Andere Länderfinanzverwaltungen teilten nicht den Standpunkt des Beklagten. Dieser sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht tragbar, da eine GbR oder Einzelfirma unüberschaubare persönliche Risiken trage. Im Falle einer Privatklinik könne dies nur durch die Haftungsbegrenzung durch eine GmbH abgemildert werden. Die Betriebsgesellschaft sei von ständigen Kostendämpfungsmaßnahmen der gesetzlichen Krankenkassen bedroht. Der Investor habe die Möglichkeit, seine Haftung im Rahmen einer GmbH & Co. KG begrenzt zu halten und durch eine eventuell andere Vermietung die Klinikimmobilie weiter wirtschaftlich fortzuführen, ohne selbst von Insolvenz gefährdet zu sein. Eine Privatklinik werde nicht im Bettenbedarfsplan des jeweiligen Landes berücksichtigt. In diesen Fällen werde die Immobilie vom Krankenhausträger -Land oder Gemeinde- erstellt und der Betriebsgesellschaft zu einem äußerst geringen Pachtentgelt überlassen. Investitionen im Reparaturbereich könnten auf Antrag von der Gebietskörperschaft übernommen werden. Die Privatklinik müsse sämtliche baulichen Investitionen und Reparaturen unter den Bedingungen des Versorgungsvertrages mit den gesetzlichen Krankenkassen bewirken. Die Klägerin sei eine reine Grundstücksgesellschaft, wobei die Betriebsgesellschaft gleichzeitig ihre Komplementärin sei. Eine Kürzung des Gewerbeertrags sei daher gemäß § 9 Nummer 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG nicht möglich.
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Entgegen den Feststellungen in der Einspruchsentscheidung betreibe die Klägerin ab 2007 keine anderen geschäftlichen Aktivitäten mehr. Dies habe sie in den Vorjahren aufgegeben. Gewinnausschüttungen der Betriebsgesellschaft an das Besitzunternehmen führten zusätzlich zur Gewerbesteuerpflicht bei diesem. Damit werde die Befreiung der Betriebsgesellschaft durch die Ausschüttung an die Besitzgesellschaft wieder aufgehoben.
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Die Klägerin beantragt, die Bescheide für 2007-2009 vom 1. Dezember 2011 über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2012 aufzuheben, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, die Klägerin trage erstmals vor, andere geschäftliche Aktivitäten in den Vorjahren aufgegeben zu haben. Dies betreffe offensichtlich auch den Betrieb des Kiosks. Dies führe jedoch nicht zur Merkmalsübertragung vom Betriebsunternehmen auf das Besitzunternehmen bei Prüfung der Steuerbefreiung. Dieses sei allein deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin nach § 15 Abs. 3 Nummer 1 EStG gewerbliche Einkünfte beziehe und nicht wegen einer Betriebsaufspaltung.
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Die Aufgabe einer gewerblichen Betätigung sei festzustellen, es sei nicht nachvollziehbar, dass ein privat geführtes Krankenhaus den Patienten die Möglichkeit zur Einnahme von Kaffee, Kuchen oder Zwischenmahlzeiten vorenthalte.
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Hierzu trägt die Klägerin vor, seit 2007 werde der Betrieb der Cafeteria von ihrem 100-prozentigen Beteiligungsunternehmen B Hospital GmbH weiterbetrieben. Dies sei aus den Jahresabschlüssen beider Gesellschaften ersichtlich. Im Jahr 2006 habe der Umsatz der Cafeteria 2,28 % des Gesamtumsatzes der Klägerin ausgemacht. Gemäß der Rechtsprechung werde ein Umsatzanteil von 2,81 % als unschädlich gemäß § 15 Abs. 3 Nummer 1 EStG angesehen (BFH Beschluss vom 8. März 2004, IV B 212/03). Die Klägerin habe im Übrigen keinen Gewinn mehr mit der Cafeteria erzielt. Es habe sich nur um eine Serviceleistung gehandelt. Es sei auf ein Urteil des Finanzgerichts Berlin vom 21. Januar 2009 zu verweisen (8 K 6250/06b). Danach sei die Befreiung nach § 3 Nummer 20 Gewerbesteuergesetz eine persönliche sachliche Steuerbefreiung (§ 67 Abs. 1, 2 AO), daher sei die Rechtsform ohne Belang. Danach unterlägen gewerbliche Betätigungen von Krankenhäusern der Gewerbesteuer, dies betreffe jedoch nicht den Krankenhausbereich. Zu verweisen sei auf den Jahresabschluss der Klägerin für 2007. Danach seien Erlöse aus der Cafeteria letztmals im Jahr 2006 gebucht worden. Ab 2007 seien sie in der Gewinn- und Verlustrechnung der B Hospital GmbH erfasst worden. In 2007 seien noch einige Nachbelastungen für die Cafeteria bei der Klägerin und ab 2008 sämtliche Aufwendungen und Einnahmen bei der B Hospital GmbH gebucht worden. Auf die Unterlagen werde verwiesen (Blatt 46-48 der Prozessakten).
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Die als Besitzgesellschaft innerhalb einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung wirkende Klägerin ist aufgrund ihrer gewählten Rechtsform originär gewerblich tätig. Die in der Rechtsprechung (BFH Urteil vom 29. März 2006 X R 59/00, Bundessteuerblatt II 2006, 661) für eine Steuerbefreiung auch der Besitzgesellschaft genannten Voraussetzungen erfüllt der Sachverhalt des Streitfalles daher nicht.
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Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. März 2006 (X R 59/00, Bundessteuerblatt II 2006, 661) erstreckt sich im Rahmen einer bestehenden Betriebsaufspaltung die Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nummer 20 c GewStG auch auf das Besitzunternehmen, sofern die Betriebskapitalgesellschaft nach der Vorschrift von der Gewerbesteuer befreit ist.
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Dem liegt der Gedanke einer so genannten Merkmalsübertragung zu Grunde, nach der die die Gewerbesteuerbefreiung bewirkende Tätigkeit der Betriebskapitalgesellschaft auch für die Bewertung der Tätigkeit des Besitzunternehmens gelten soll. Der Bundesfinanzhof zieht dabei einen Umkehrschluss. Die Annahme einer Betriebsaufspaltung setzt nach den Grundsätzen des genannten Urteils voraus, dass eine isolierte Betrachtungsweise beider Unternehmen aufgrund ihrer zivilrechtlichen Selbständigkeit durch den Gedanken einer wirtschaftlichen "Verflochtenheit" überlagert wird. Damit erscheint es für ihn vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich sanktionierten Gebots der folgerichtigen Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung konsequent, den zur Begründung der Betriebsaufspaltung und damit zur Umqualifizierung der an sich vermögensverwaltenden Betätigung des Besitzunternehmens in eine gewerbliche Tätigkeit bemühten Gedanken der wirtschaftlichen Verflochtenheit ebenso bei der Beantwortung der Frage heranzuziehen, ob sich die Gewerbesteuerbefreiung der Betätigung des Betriebsunternehmens auch auf das Besitzunternehmen erstreckt. Gegen dieses, aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz herzuleitende Gebot der Folgerichtigkeit verstieße es, wenn einerseits für den die Gewerblichkeit des Besitzunternehmens konstituierenden "Belastungsgrund" maßgebend auf den Gesichtspunkt der "wirtschaftlichen Verflochtenheit" und andererseits für den die Gewerbesteuerbefreiung auslösenden "Entlastungsgrund" auf den Aspekt der "rechtlichen Trennung" abgestellt würde.
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Im Streitfall besteht für die Anwendung dieser Grundsätze unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit keine Veranlassung. Nach § 15 Abs. 3 Nummer 2 EStG ist die Klägerin bereits außerhalb einer Betriebsaufspaltung gewerblich tätig. So ist die B-Klinik Betriebs-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin zu ihrer Geschäftsführung berufen. Bei der Klägerin handelt sich daher um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft, die als Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 EStG gilt. Die Klägerin selbst führt auch aus ihrer Sicht gute Gründe dafür an, als Personengesellschaft ohne unbeschränkt haftende natürliche Person aufzutreten. So erkennt sie, dass keine natürliche Person als Investor bereit gewesen sei, unter den besonderen Bedingungen ihrer Marktteilnahme unbeschränkt zu haften. Ergebnis dieser Grundentscheidung ist die gesetzliche Folge des § 15 Abs. 3 Nummer 2 EStG.
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Der Senat erkennt keine Gründe dafür, dass die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 29. März 2006 (X R 59/00) auf die Fälle zu übertragen sind, in denen eine Gewerblichkeit des Besitzunternehmens nicht allein Folge einer personellen und sachlichen Verflechtung mit der Betriebsgesellschaft ist und somit folgerichtig durch eine Merkmalsübertragung die Gewerbesteuerbefreiung auch für die Besitzgesellschaft gelten soll. Im Streitfall liegt der "Belastungsgrund" für die gewerbliche Betätigung der Klägerin in ihrer gewerblichen Prägung, eine Betriebsaufspaltung ist nicht erforderlich.
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Der Senat teilt nicht die Auffassung des Beklagten, dass die Grundsätze seines Urteils vom 25. Mai 2011 (2 K 2720/08; juris-Dokument) und diejenigen eines einen gleichartigen Sachverhalt betreffenden Urteils des Finanzgerichts Münster vom 18. November 2010 (3 K 1272/08G, F, GmbHR 2011,160) im Streitfall anzuwenden sind.
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Im Falle des FG Münster hatte die klagende GmbH & Co. KG (I) an eine weitere GmbH & Co. KG (II), mit der sie über eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung verflochten war, die Grundstücke mit als Seniorenresidenzen genutzten Baulichkeiten vermietet. Ohne dass die klagende GmbH & Co. KG (I) noch die anpachtende GmbH & Co. KG (II) mit einer weiteren GmbH & Co. KG (III) mangels personeller Verflechtung eine Betriebsaufspaltung gebildet hätten, verpachtete die GmbH & Co. KG (II) die angepachteten Grundstücke an die GmbH & Co. KG (III), welche darauf als Betriebsgesellschaft die (gewerbesteuerbefreite) Seniorenresidenz unterhielt. Zwischen der dortigen Klägerin und der Betriebsgesellschaft bestand keine Betriebsaufspaltung. Die Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz betraf eine gleich gelagerte Konstellation der gleichen Klägerin.
- 25
Das Urteil des Finanzgerichts Münster fasst die Grundsätze des Urteils des BFH vom 29. März 2006 dahingehend zusammen, dass im Rahmen der Betriebsaufspaltung ungeachtet der rechtlichen Selbständigkeit von Betriebs- und Besitzunternehmen die genuin vermögensverwaltende Tätigkeit der Vermietung und Verpachtung beim Besitzunternehmen nur deshalb als gewerblich qualifiziert wird, weil das Besitzunternehmen sachlich und personell mit dem gewerblich tätigen Betriebsunternehmen verflochten ist und so über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. In diesen Fällen sei es gerechtfertigt, im Wege einer einheitlichen bzw. zusammenfassenden Betrachtung die Gewerbesteuerfreiheit des Betriebsunternehmens auf das Besitzunternehmen zu erstrecken. Beide Unternehmen seien dann in ihrer Gesamtheit darauf gerichtet, die gemäß § 3 Nummer 20 c GewStG steuerbegünstigten Leistungen zu erbringen und entsprechende Erträge zu erzielen. Weiter führt das Gericht aus, dass diese für die Betriebsaufspaltung entwickelten Grundsätze auf die Konstellation seines Streitfalles nicht zu übertragen sind.
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Auch das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. Mai 2011 (2 K 2720/08; juris-Dokument) stützte seine Entscheidung auf diese Argumentation.
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Beide Entscheidungen sprechen zunächst für die Rechtsauffassung der Klägerin im Streitfall, da hier eine Betriebsaufspaltung vorliegt.
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Das Finanzgericht Münster verweist aber auf eine Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichtes vom 19. März 2009 (zur Gewerbesteuerbefreiung innerhalb einer Organschaft; 6 K 441/08, EFG 2009, 1853), in dem dieses ebenso herausgestellt hat, dass mit dem Institut der Betriebsaufspaltung das Ziel verfolgt werde zu verhindern, dass der Gewerbesteuer durch die Aufspaltung des zur Verwirklichung der gewerblichen Tätigkeit eingesetzten Vermögens auf zwei eigenständige Rechtsträger ausgewichen werde. Fehle jedoch diese "Infektion" bzw. "Abfärbung", weil die beteiligten Gesellschaften von sich aus gewerblich tätig seien, bestehe kein Anlass, die Gewerbesteuerfreiheit in dem konkret entschiedenen Fall von der Organträgerin auf die Organgesellschaft zu erstrecken. Der BFH hat diese Auffassung durch Beschluss vom 24. Januar 2012 bestätigt (1 B 34/11, BFH/NV 2012, 1175).
- 29
Diese Auffassung stützt sich auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 4. Juni 2003 (I R 100/01, Bundessteuerblatt II 2004, 244). In diesem Fall hatte die klagende Aktiengesellschaft, ein Badekureinrichtungen verwaltendes Unternehmen, ihren Grundbesitz an Beteiligungsgesellschaften verpachtet, deren Alleingesellschafterin sie war. Eine Beteiligungsgesellschaft erzielte als Krankenhaus steuerbefreite Umsätze, eine Kur-GmbH, ihre Schwestergesellschaft, nicht. Verbunden waren die drei Unternehmen durch eine gewerbesteuerliche Organschaft mit der Klägerin als Organträgerin. Das Gericht ging nicht davon aus, dass im Rahmen eines einheitlichen Geschäftszieles auch die Kur-GmbH steuerbefreit tätig sei, vermittelt über die Klägerin als Organträgerin. Der BFH führt hierzu aus, für eine "tätigkeitsübergreifende" Steuerbefreiung verschiedener Subjekte gebe das Gesetz (dort noch § 3 Nr. 20b GewStG) auch im Organkreis keine Handhabe. Ein anderes Ergebnis hätte die Klägerin in Anbetracht dessen nur erreichen können, wenn sie das Krankenhaus selbst betrieben und hierbei zugleich die streitigen Leistungen der Kur-GmbH erbracht hätte. Da sie diesen Weg nicht gegangen sei, könne er der Besteuerung nicht zu Grunde gelegt werden.
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In dem im Streitfall von der Klägerin angeführten Urteil des BFH vom 29. März 2006 (X R 59/00, Bundessteuerblatt II 2006, 661) distanziert sich der BFH ausdrücklich nicht von dieser Sichtweise. Er führt hierzu aus, dass die im genannten Urteil befürwortete Erstreckung der Gewerbesteuerbefreiung auf das Besitzunternehmen in Fällen einer echten Betriebsaufspaltung nicht durch das Urteil vom 4. Juni 2003 (I R 100/01, Bundessteuerblatt II 3004,244) infrage gestellt werde. Die im Urteil vom 29. März 2006 zu beurteilende Konstellation der Betriebsaufspaltung sei mit dem dort gewürdigten Fall der (gewerbesteuerrechtlichen) Organschaft nicht vergleichbar. Gemeinsamkeiten wiesen die beiden Konstellationen aber insoweit auf, als es hier wie dort um die Beurteilung des Verhältnisses zweier rechtlich selbständiger Unternehmen zueinander gehe, die zudem personell miteinander verflochten seien. Anders als bei der im Urteil vom 29. März 2006 zu beurteilenden Betriebsaufspaltung fehle bei der im Urteil vom 4. Juni 2003 entschiedenen Organschaft bereits eine sachliche Verflechtung der beiden Schwester- und Organgesellschaften im Sinne der zur Betriebsaufspaltung entwickelten Grundsätze, auch wenn sich die Tätigkeitsbereiche einander ergänzten.
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Hinzu komme, dass der in dem Betriebsaufspaltungsfall eingreifende gewichtige "Abfärbe- bzw. Infektionsgedanke“, wonach der gewerbliche Charakter der an sich vermögensverwaltenden Betätigung des Besitzunternehmens durch die Gewerblichkeit des Betriebsunternehmens determiniert werde, im Organschaftsfall, in dem beide Schwestergesellschaften unabhängig voneinander jeweils gewerbliche Unternehmen betrieben, keine Rolle spiele.
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Auch im Streitfall ist der "Infektionsgedanke" nicht maßgeblich für die Frage, ob sich die Klägerin gewerblich betätigt. Wie in den Organschaftsfällen, in denen die originär gewerbliche Betätigung einzelner Gesellschaften im Organverbund nicht durch die Gewerbesteuerbefreiung der Organträgerin in eine steuerbefreite Betätigung überführt wird, verbleibt es bei der Frage einer gewerbesteuerpflichtigen Betätigung allein bei der Beurteilung des einzelnen Unternehmens, insofern ist im Streitfall also zwischen der Betriebsgesellschaft mit einer gewerbesteuerbefreiten und der Besitzgesellschaft mit einer gewerbesteuerpflichtigen Tätigkeit zu unterscheiden.
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Auch der von der Klägerin angeführte Zweck des § 67 Abs. 1, 2 AO ändert an dieser Betrachtungsweise nichts. Im Streitfall erfüllt die Voraussetzungen der Norm allein die B-Klinik Betriebs-GmbH und nicht die Klägerin. Diese erbringt gerade nicht die zur Steuerbegünstigung führenden Leistungen nach § 67 Abs. 2 AO, sie selbst unterhält keinen Krankenhausbetrieb. So stellt auch das Urteil des BFH vom 29. März 2006 (10 R 59/00) für die Begründung der Gewerbesteuerbefreiung einer Besitzgesellschaft nicht auf den für die Betriebsgesellschaft geltenden § 67 AO ab.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin ist aus der von der Thüringer Landesfinanzdirektion sowie weiteren Landesfinanzverwaltungen verbreiteten Verfügung zu § 3 Nummer 20 GewSt (so auch Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 6. Oktober 2010, G 1410-7-V B4, DStR 2007, 2462) nicht zwingend abzuleiten, dass eine Gewerbesteuerbefreiung für alle Fälle unabhängig von der Frage einer Gewerbesteuerpflicht der Besitzgesellschaft aus anderen Gründen für diese gelten soll. Demgemäß ist die diesbezügliche Meinungsäußerung vom 27. Januar 2011 seitens der Thüringer Landesfinanzdirektion auf Nachfrage der Klägerin auch mit dem Zusatz versehen, sich wegen der Frage mit der für die Klägerin zuständigen Landesfinanzbehörde zu verständigen (Blatt 25 der Prozessakten).
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Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen (§ 135 Abs. 1 FGO).
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Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO. Die Frage, ob eine auch ohne die Annahme einer Betriebsaufspaltung gewerblich tätige Besitzgesellschaft nach den Grundsätzen des Urteils des BFH vom 29. März 2006 (er X R 59/00, Bundessteuerblatt I 2006, 661) von der Gewerbesteuer zu befreien ist, ist bisher ungeklärt und wird von den Finanzverwaltungen einzelner Länder unterschiedlich gesehen.
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Referenzen
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- GewStG § 3 Befreiungen 2x
- § 67 Abs. 2 AO 2x (nicht zugeordnet)
- § 67 Abs. 1, 2 AO 2x (nicht zugeordnet)
- FGO § 135 1x
- FGO § 115 1x
- X R 59/00 5x (nicht zugeordnet)
- 2 K 2720/08 3x (nicht zugeordnet)
- IV B 212/03 1x (nicht zugeordnet)
- 8 K 6250/06 1x (nicht zugeordnet)
- 2006 X R 59/00 1x (nicht zugeordnet)
- 3 K 1272/08 1x (nicht zugeordnet)
- 6 K 441/08 1x (nicht zugeordnet)
- 1 B 34/11 1x (nicht zugeordnet)
- I R 100/01 2x (nicht zugeordnet)
- 10 R 59/00 1x (nicht zugeordnet)