Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (6. Senat) - 6 K 2227/13


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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob ein Kind, das Wehrdienst leistet, wegen einer Ausbildung bei der Bundeswehr gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG zu berücksichtigen ist.

2

Der Kläger ist der Vater des am 14.02.1990 geborenen B.

3

B schloss eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel ab. Anschließend arbeitete er zunächst in diesem Beruf und war ab Oktober 2009 arbeitslos.

4

Seit dem 01.04.2010 ist B Soldat auf Zeit.

5

Die beklagte Familienkasse hob mit Bescheid vom 11.01.2010 die Kindergeldfestsetzung ab April 2010 auf.

6

Mit Wirkung ab dem 01.09.2011 wurde B zum Unteroffizier und ab dem 01.09.2012 zum Stabsunteroffizier ernannt (Bl. 89, 90 Prozessakte -PA-).

7

Seit August 2013 ist B nach der erfolgreichen Teilnahme an den Lehrgängen als MatDispoUffz. eingestellt (Bl. 39 PA).

8

Am 31.05.2013 beantragte der Kläger erneut Kindergeld für B. Dem Antrag fügte er eine Bestätigung der Bundeswehr vom 28.05.2013 über die Ausbildung des B zum MatDispoUffz (Material-Dispositions-Unteroffizier) ab dem 01.04.2010 bei (Bl. 103 Kg-Akte).

9

Mit Bescheid vom 09.08.2013 lehnte die beklagte Familienkasse den Antrag ab (Bl. 151 Kg-Akte).

10

Der dagegen gerichtete Einspruch, mit dem der Kläger weitere Bescheinigungen über die Teilnahme an Lehrgängen im November 2011 und Sept./Okt. 2013 vorlegte (Bl. 157 – 159 Kg-Akte), wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16.09.2013 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, eine Berücksichtigung des Kindes nach Ernennung zum Unteroffizier sei nur möglich, wenn das Kind eine Aus- oder Weiterbildung für einen Zivilberuf absolviere. Die anschließende Absolvierung rein militärischer Lehrgänge begründe keinen Kindergeldanspruch. Da der Sohn B des Klägers bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung gehabt habe und deshalb unmittelbar ohne vorheriges Anwärterdienstverhältnis zum Unteroffizier ernannt worden sei, komme eine Berücksichtigung nicht in Betracht. Das BFH-Urteil vom 10.05.2012 – VI R 72/11 sei zu einem anders gelagerten Sachverhalt ergangen und auf den Streitfall nicht übertragbar.

11

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, bereits im April 2010 habe B die Ausbildung zum MatDispoUffz. begonnen. Ziel der Ausbildung sei es, im Sanitätsdienst als Materialdisponent eingesetzt zu werden. Die Absolvierung der Lehrgänge sei Bedingung für die Ernennung zum Unteroffizier gewesen. Der letzte Lehrgang habe ursprünglich im Sept./Okt. 2013 stattfinden sollen, sei aber nunmehr auf Jan./Febr. 2014 verschoben worden. Inhalt der Lehrgänge sei:

12
· Bewirtschaftung von Sanitätsmaterial
13
· Vorstellung der einschlägigen Sanitätsgeräte
14
· Bedienung und Wartung der Geräte
15
· Technische Beschreibungen
16

Bei den Lehrgängen handele es sich um eine Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG, da sie dem Berufsziel Materialdisponent im Sanitätsdienst bei der Bundeswehr dienten. Die Lehrgänge seien zusätzlich zu der von B abgeschlossenen Berufsausbildung erforderlich.

17

Eine Unterscheidung zwischen Ausbildung für einen Zivilberuf und militärischer Ausbildung sei nicht vorzunehmen.

18

Die Ausbildung des B sei mit der Ernennung zum Unteroffizier noch nicht beendet. Da es bei der Berufsausbildung auf die angestrebte Tätigkeit und nicht auf die Dienstbezeichnung ankomme, sei es unerheblich, dass B nicht zum Anwärter, sondern direkt zum Unteroffizier ernannt worden sei.

19

Vorgelegt wurden folgende Unterlagen:

20
· Ernennung zum Unteroffizier (Bl. 90 PA)
21
· Ernennung zum Stabsunteroffizier (Bl. 89 PA)
22
· Bestätigung des Fachsanitätszentrums Idar-Oberstein vom 28.05.2013 (Bl. 38 PA)
23
· Nachweis des erfolgreichen Abschlusses der Ausbildung zum MatDispoUffz., ausgestellt am 02.08.2013 (Bl. 39 PA)
24
· Nachweis Teilnahme an Lehrgang vom 05.10.-28.10.2011 (Verfügung der Abkommandierung, Bl. 97 PA)
25
· Nachweis Teilnahme an Lehrgang vom 02.09.-02.10.2013 (Bl. 39/40 PA)
26
· Nachweis Teilnahme an Lehrgang vom 02.12.-19.12.2013 (Verfügung der Abkommandierung, Bl. 96 PA)
27
· Nachweis Teilnahme an Lehrgang vom 21.01.-21.02.2014 (Verfügung der Abkommandierung, Bl. 95 PA)
28
· Nachweis Teilnahme an Lehrgang vom 07.10.-07.11.2014 (Verfügung der Abkommandierung, Bl. 94 PA)
29
· Beschreibung der Ausbildung zum Fachunteroffizier des Sanitätsdienstes (Bl. 98 PA)
30
· Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme am Lehrgang vom 07.10.-07.11.2014 (Bl. 100/101 PA)

31

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 9. August 2013 und der Einspruchsentscheidung vom 16. September 2013 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für den Zeitraum von Januar 2012 bis Juli 2013 Kindergeld für B zu gewähren,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.

32

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

33

Sie trägt ergänzend zur Begründung ihrer Einspruchsentscheidung vor, B habe sich im streitigen Zeitraum nicht in einem Ausbildungsdienstverhältnis befunden. Bei den Lehrgängen handele es sich um vorbereitende Maßnahmen für einen Laufbahnwechsel im Sanitätsdienst; ein Laufbahnwechsel sei kindergeldrechtlich nicht berücksichtigungsfähig.

34

Ergänzend wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 FGO).

35

Am 03.11.2014 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Anschluss daran erklärten die Beteiligten den Verzicht auf weitere mündliche Verhandlung.

36

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung hat der Kläger folgende Unterlagen vorgelegt:

37
· Ernennung zum Stabsunteroffizier (Bl. 89 PA)
38
· Ernennung zum Unteroffizier (Bl. 90 PA)
39
· Bestätigung über die Ausbildung zum MatDispoUffz (Bl. 91 PA)
40
· Antrag auf Ausnahmegenehmigung zur Teilnahme am Training SanMatUffz vom 02.09.-02.10.2013 und Genehmigung (Bl. 92/93 PA)
41
· Verfügung über Kommandierung zur Teilnahme am Lehrgang vom 07.10.-07.11.2014 (Bl. 94 PA)
42
· Verfügung über Kommandierung zur Teilnahme am Lehrgang vom 21.01.-21.02.2014 und Antrag auf Erhöhung der Teilnehmerzahl (Bl. 95 u. 99 PA)
43
· Verfügung über Kommandierung zur Teilnahme am Lehrgang vom 02.12.-19.12.2013 (Bl. 96 PA)
44
· Verfügung über Kommandierung zur Teilnahme am Lehrgang vom 05.10.-28.10.2011 (Bl. 97 PA)
45
· Ausbildungsplan für die Ausbildung zum Fachunteroffizier des Sanitätsdienstes (Bl. 98 PA)
46
· Ausbildungszeugnis vom 07.11.2014 über den Erwerb der Qualifikation
SanMatUffz (Bl. 100/101 PA)
47

Er trägt ergänzend vor, Anwärter zum Stabsunteroffizier gebe es bei der Bundeswehr nicht; der Nachweis eines solchen Dienstgrades sei aber auch nicht erforderlich (Urteil des FG Münster vom 22.08.2014 – 4 K 4131/13 Kg). B habe sich in der Zeit vom 01.04.2010 bis 07.11.2014 in der Ausbildung zum Fachunteroffizier im Sanitätsdienst befunden. Hierbei handele es sich um ein Ausbildungsdienstverhältnis, denn die Ausbildungsmaßnahmen seien Gegenstand des Dienstverhältnisses. Die dienstrechtliche Stellung sei nicht maßgeblich.

48

Ausbildung sei jede Maßnahme zur Vorbereitung auf einen Erwerbsberuf. Die Ausbildung eines Zeitsoldaten zum Fachunteroffizier des Sanitätsdienstes falle hierunter. Dass darüber hinaus ein Ausbildungsdienstverhältnis vorliege, ergebe sich aus den vorgelegten Kommandierungsverfügungen. Die Verzögerung der Ausbildung habe B nicht zu vertreten gehabt, sie habe auf internen Kapazitätsmängeln beruht.

49

Das Gericht hat sodann eine Auskunft beim Fachsanitätszentrum der Bundeswehr eingeholt (Bl. 103/104 PA). Auf die erteilten Auskünfte vom 18.12.2014 (Bl. 110/111 PA) und vom 15.01.2015 (Bl. 114/115 PA) wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

50

Die Klage ist nicht begründet.

1.

51

Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG ist ein Kind, das sich in einer Berufsausbildung befindet, grundsätzlich zu berücksichtigen.

52

Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG ist der Inbegriff der Maßnahmen, durch die die für einen Beruf typischen Fähigkeiten erworben werden. Es muss sich um einen Beruf handeln, der üblicherweise ausgeübt wird, um damit den Lebensunterhalt zu bestreiten. Eine Ausbildungs- oder Studienordnung muss nicht vorgeschrieben sein. Der Begriff ist also weiter als der der Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz. Ausreichend ist, dass die Ausbildungsmaßnahmen eine Erwerbstätigkeit ermöglichen. Für Zeitsoldaten hat der BFH entschieden, dass diese sich in Ausbildung befinden, wenn sie für ihre spätere Verwendung im Mannschaftsdienstgrad unterwiesen werden und die Lehrgänge im Vordergrund ihrer Tätigkeit stehen; eine reine Ableistung des Dienstes im Mannschaftsdienstgrad ist dagegen keine Ausbildung (z.B. BFH Urteil vom 10.05.2012 – VI R 72/11, BFHE 237, 499, BStBl II 2012, 895).

53

Nach diesen Grundsätzen kann in den vom Sohn des Klägers absolvierten Lehrgängen eine Ausbildung anerkannt werden.

54

Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind allerdings Kinder, die bereits eine abgeschlossene Erstausbildung haben, nur dann zu berücksichtigen, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen.

55

Eine abgeschlossene Berufsausbildung liegt nach dem neu gefassten § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG vor, wenn das Kind durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen. Voraussetzung ist, dass der Beruf durch eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungslehrgangs erlernt und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung abgeschlossen wird. Der Besuch einer allgemein bildenden Schule gilt folglich nicht bereits als erstmalige Berufsausbildung. Ein Studium stellt dann ein erstmaliges Studium dar, wenn es sich um eine Erstausbildung handelt (BT-Drucks 17/512, S.41).

56

Der Sohn des Klägers hat mit dem Abschluss als Einzelhandelskaufmann eine abgeschlossene Berufsausbildung in diesem Sinne.

57

Die Tätigkeit bei der Bundeswehr als Zeitsoldat ist grundsätzlich eine solche schädliche Erwerbstätigkeit.

58

Die Ausnahmen des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG für Erwerbstätigkeiten mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit oder geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sind für den Streitfall nicht relevant.

59

Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG ist auch eine Erwerbstätigkeit im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses unschädlich.

60

Ein Ausbildungsdienstverhältnis im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 3 EStG liegt vor, wenn die Ausbildungsmaßnahme Gegenstand des Dienstverhältnisses ist. Hierzu zählen beispielsweise die Berufsausbildungsverhältnisse gemäß § 1 Abs. 3, §§ 4 bis 52 BBiG. Entscheidend für das Vorliegen eines Ausbildungsdienstverhältnisses ist, dass die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung, für die er vom Arbeitgeber bezahlt wird, in der Teilnahme an den Ausbildungsmaßnahmen liegt und dass die Verpflichtung zur Teilnahme an der Ausbildung Gegenstand des entgeltlichen Dienstverhältnisses ist. Bei dem Ausbildungsdienstverhältnis handelt es sich um ein Dienstverhältnis besonderer Art, das durch den Ausbildungszweck geprägt ist (BFH Urteil vom 16.01.2013 – VI R 14/12, BFHE 240, 125, BStBl II 2013, 449).

61

Im Gegensatz zu einem regulären Arbeitsverhältnis dominieren beim Ausbildungsdienstverhältnis nicht die Erwerbsgesichtspunkte, sondern es steht die Ausbildung im Vordergrund (FG Münster, rkr. Urteil vom 12.09.2014 – 4 K 1759/14 Kg, Juris zu dualem Studium).

62

Typische Ausbildungsdienstverhältnisse liegen z.B. vor bei Ausbildungsverträgen, dualen Studiengängen und Anwärtern im öffentlichen Dienst.

63

Ein Ausbildungsdienstverhältnis liegt hingegen nicht vor, wenn die Berufsausbildung oder das Studium nicht Gegenstand des Dienstverhältnisses ist, auch wenn die Berufsausbildungsmaßnahme oder das Studium seitens des Arbeitgebers durch Hingabe von Mitteln, z. B. eines Stipendiums, gefördert wird (vgl. BMF-Schreiben vom 7. Dezember 2011, BStBl I, 1243 Rz. 23 und 25).

64

Der Begriff des Ausbildungsdienstverhältnisses ist somit wesentlich enger als der der Begriff der Berufsausbildung. Wäre nämlich jede Art der weiteren beruflichen Qualifizierung im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zugleich als Ausbildungsdienstverhältnis zu beurteilen, so hätte es der einschränkenden Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG nicht bedurft.

65

Im Falle eines mit dem Dienstgrad „Stabsunteroffizier“ eingestellten Zeitsoldaten mit abgeschlossener Ausbildung als Kfz-Mechatroniker hat das FG Münster mit Urteil vom 22.08.2014 – 4 K 4131/13 Kg (EFG 2013, 1966; Revision eingelegt, Az. des BFH: III R 32/14) das Vorliegen eines Ausbildungsdienstverhältnisses bejaht, da in seinem Falle die militärische (Grund-)Ausbildung alleiniger Inhalt des Dienstverhältnisses gewesen sei.

66

Nach der Verwaltungsauffassung (Bl. 126 ff. Kg-Akte) ist die Anerkennung eines Ausbildungsdienstverhältnisses davon abhängig, dass das Kind Unteroffiziersanwärter ist; wird es – weil bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung vorliegt – bereits bei der Einstellung zum Unteroffizier ernannt, so sei mangels Stellung als Anwärter eine Berücksichtigung nicht möglich.

2.

67

Im streitigen Zeitraum ab Januar 2012 war der Sohn B des Klägers bereits zum Unteroffizier ernannt. Seine Lehrgänge für den Sanitätsdienst hatte er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen in 2012 allerdings noch nicht abgeschlossen. Der Besuch von zumeist vierwöchigen Lehrgängen wurde nachgewiesen für die Jahre von 2011 bis 2014 (Bl. 91 – 101 und Bl. 115 PA); in 2014 hat B die Zusatzqualifikation erhalten.

68

Ein Ausbildungsdienstverhältnis kann im Streitfall nicht bereits wegen des Status des B als Offiziersanwärter bejaht werden, da B im streitigen Zeitraum nicht als Anwärter geführt wurde. Bei der im September 2012 erfolgten Beförderung zum Stabsunteroffizier handelte es sich nach der vom Gericht eingeholten Auskunft um eine Regelbeförderung.

69

B war als Unteroffizier in Vollzeit erwerbstätig. Diese Tätigkeit ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 FGO) nicht als Ausbildungsdienstverhältnis anzusehen.

70

Nach der Auskunft vom 18.12.2014 gehörten die Lehrgänge zur dienstpostengerechten Ausbildung des B. Bestätigt wird dies durch die Auskunft vom 15.01.2015, wonach die von B nach Ablegen der Laufbahnprüfung am 28.10.2011 absolvierten Verwendungslehrgänge als verwendungsbezogene Ausbildungen bei der Bundeswehr üblich und bei Versetzungen und der damit verbundenen Übernahme neuer Aufgaben erforderlich seien.

71

Auch wenn ein Arbeitnehmer sich verpflichtet, bestimmte Aus- und/oder Fortbildungsmaßnahmen zu absolvieren, um anschließend einen neuen Aufgabenbereich zu übernehmen, wird dadurch nicht aus einem Arbeitsverhältnis ein Ausbildungsdienstverhältnis.

72

Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu dem zur Rechtslage vor 2012 ergangenen Urteil des BFH vom 10.05.2012 – VI R 72/11 (a.a.O.), bei dem es nicht um die Frage, ob bei einem Zeitsoldaten ein Ausbildungsdienstverhältnis vorliegt, ging, sondern darum, ob eine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG gegeben ist.

73

In dem vom FG Münster mit Urteil vom 22.08.2014 – 4 K 4131/13 Kg (a.a.O.) entschiedenen Fall wurde ein ausgebildeter Kfz-Mechatroniker bei der Bundeswehr mit dem Dienstgrad „Stabsunteroffizier“ eingestellt. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte im streitigen Zeitraum der Ausbildungscharakter im Vordergrund der Beschäftigung gestanden. Das Gericht hat das Vorliegen eines Ausbildungsdienstverhältnisses bejaht unter Berufung auf die Rechtsprechung des BFH zur Qualifizierung der Tätigkeit eines Soldaten als Ausbildung, der nicht lediglich im Mannschaftsdienstgrad seinen Dienst tut, sondern daneben auch Lehrgänge belegt (Rz. 19 bei Juris).
Aufgrund des Umfangs der Lehrgänge lag möglicherweise im Fall des FG Münster tatsächlich ein über den Begriff der Ausbildung hinaus gehendes Ausbildungsdienstverhältnis vor. Möglicherweise war die Absolvierung der Ausbildung im dort entschiedenen Fall auch Gegenstand der dienstlichen Verpflichtung, für die das Kind seinen Sold bezog. Die Schlussfolgerungen des Gerichts (Rz. 26 bei Juris) lassen darauf schließen, dass das Gericht zu dieser Überzeugung gekommen ist, so dass die Ausführungen in Rz. 19 nicht Streit entscheidend waren.

74

Auch im Streitfall war B wegen des vorherigen Abschlusses einer Ausbildung nicht als Anwärter, sondern unmittelbar als Unteroffizier eingestellt worden. Im Gegensatz zu dem vom FG Münster entschiedenen Fall fehlt es im Streitfall jedoch an der Feststellung, dass das Absolvieren der Lehrgänge alleiniger Inhalt des Dienstverhältnisses war. Sollten die Ausführungen des FG Münster in Rz. 19 so zu verstehen sein, dass die dort genannten Kriterien für das Vorliegen einer Ausbildung auch zur Annahme eines Ausbildungsdienstverhältnisses genügen, so vermag das Gericht dem nicht zu folgen.

75

Damit ist die Berücksichtigung des B nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ausgeschlossen; die Ausnahmen des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG greifen nicht.

76

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

77

Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO im Hinblick auf das bereits unter dem Aktenzeichen anhängige Revisionsverfahren III R 32/14 zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung.

78

Aus dem Urteil des FG Münster geht nicht mit hinreichender Klarheit hervor, ob nach dessen Rechtsauffassung allein das Vorliegen einer Ausbildung nach der BFH-Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 30.07.2009 – III R 77/06, BFH/NV 2010, 28) für die Voraussetzungen der Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG genügt. Hinzu kommt, dass höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob es der Annahme eines Ausbildungsdienstverhältnisses bei der Bundeswehr entgegen steht, wenn das Kind nicht als Offiziersanwärter, sondern – wegen des vorherigen Abschlusses einer Ausbildung – unmittelbar als Unteroffizier eingestellt wurde.

79

Das Urteil des FG Münster vom 22.08.2014 erging erst nachdem der Beschluss zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter erlassen worden war. Mangels einer wesentlichen Änderung der Prozesslage liegen die Voraussetzungen für die Rückübertragung an den Senat nicht vor.

80

Das Urteil ergeht gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

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