Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (3. Senat) - 3 K 1544/13


Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Streitig ist, ob ein Telearbeitsplatz zum Abzug von Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer berechtigt.

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Die Klägerin ist beim Kreis X beschäftigt. Nach ihrer Scheidung (Oktober 2009) schloss sie im April 2010 mit ihrem Arbeitgeber (= Landkreis) folgende „Vereinbarung über Telearbeit“ (Bl. 24 f. der ESt-Akte 2010):

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㤠1 Allgemeines

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Frau F. ist Mitarbeiterin des Amtes 01 - Personalwesen, Büro des Landrats -und in dieser Funktion u.a. auch zuständig für das Verfassen von Reden, Festansprachen, Grußworten etc. sowie für die Öffentlichkeitsarbeit der Verwaltung.

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§ 2 Grundlagen

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(1) Frau F. ist berechtigt, zum Zweck der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Betreuung des 9-jährigen Sohnes) alternierende Telearbeit entsprechend den in dieser Vereinbarung enthaltenen Vorgaben zu leisten.

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(2) Zur Durchführung der ihr übertragenen Aufgaben in alternierender Telearbeit stellt Frau F. in ihrer Wohnung den privaten PC sowie die vorhandene Büroeinrichtung kostenlos zur Verfügung. Verbrauchsmaterial, insbesondere Papier und Tintenpatronen für den Drucker, Disketten sowie im Einzelfall erforderliche Software werden vom Kreis X zur Verfügung gestellt.

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(3) Weiterhin stellt Frau F. ihre privaten Telefon-, Fax- und Internetanschlüsse für die dienstlich notwendige Kommunikation bereit. Die Kosten für die dienstlich notwendigen Kommunikationsverbindungen und anfallende Portokosten werden gegen Einzelnachweis erstattet. Bei den Internet-Gebühren ist eine Pauschalierung zulässig. Eine anteilige Erstattung der Grundgebühren erfolgt nicht.

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§ 3 Verteilung der Arbeitszeit

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(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bleibt unverändert. Sie wird an den Vormittagen von montags bis donnerstags mit jeweils 6 Stunden und freitags vormittags in der Kreisverwaltung des Kreises X und im Übrigen in der Wohnung von Frau F. erbracht (alternierende Telearbeit).

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(2) Die Arbeitszeiten am häuslichen Arbeitsplatz können von Frau F. nach freiem Ermessen entsprechend den dienstlichen Erfordernissen selbst eingeteilt und gesteuert werden. Die gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitsschutzes sind zu beachten.

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 (3) Nacht- und Wochenendarbeit im Rahmen der Telearbeit werden nicht geleistet. Fahrzeiten zwischen häuslichem Arbeitsplatz und der Dienststelle gelten nicht als Arbeitszeit.

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§ 4 Kostenerstattung

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Neben den in § 2 geregelten Erstattungen werden für die Überlassung der Räumlichkeiten, der Büroeinrichtung und der technischen Arbeitsplatzausstattung keine Entschädigungen vereinbart. Insbesondere wird keine Miete für die Bereitstellung von Räumlichkeiten sowie ein Kostenersatz für laufende Unterhaltungs-/Betriebsaufwendungen (z.B. Reinigung, Wasser-/Abwasser, Heizung, Steuern, Versicherung, Strom) gezahlt.

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Fahrtkosten zwischen Wohnung und der Dienststelle werden nicht gezahlt.

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(…)

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§ 9 Geltungsdauer der Vereinbarung

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(1) Diese Vereinbarung gilt bis zum 31. Juli 2011. Sie kann jeweils nur auf besonderen Antrag und unter Berücksichtigung der dann vorgebrachten Argumente verlängert werden. Der Verlängerungsantrag ist bis spätestens 2 Monate vor Ablauf der jeweiligen Geltungsdauer zu stellen.

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(2) Diese Vereinbarung kann von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende ohne Angabe von Gründen schriftlich gekündigt werden.

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(3) Ein Anspruch auf Arbeitserledigung in Telearbeit besteht nicht.“

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In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 machte die Klägerin Aufwendungen für ihr häusliches Arbeitszimmer (1.518,61 €, Bl. 9 der ESt-Akte 2011) geltend. Der Beklagte versagte den Werbungskostenabzug im Einkommensteuerbescheid 2011 vom 21. November 2012 (Bl. 16 – 18 der ESt-Akte 2011), weil der Klägerin im Verwaltungsgebäude der Kreisverwaltung ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.

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Dagegen legten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung verwiesen sie auf ihre Ausführungen im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 01. Juli 2011, weil auch dort schon keine Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer berücksichtigt worden waren. Den Einspruch gegen diesen Bescheid hatten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin seinerzeit wie folgt begründet:

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In dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 02. März 2011 zur Neuregelung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer durch das Jahressteuergesetz 2010 werde unter Punkt 17 ausgeführt: „Ist ein Steuerpflichtiger auf sein häusliches Arbeitszimmer angewiesen, weil er dort einen nicht unerheblichen Teil seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit verrichten muss, ist der andere Arbeitsplatz unschädlich. Es genügt allerdings nicht, wenn er im Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet, die er grundsätzlich auch an einem anderen Arbeitsplatz verrichten könnte.“ Die Klägerin sei in diesem Sinn auf ihr häusliches Arbeitszimmer angewiesen, weil sie hier den entsprechenden Teil ihrer Arbeitszeit erbringe und es ihr nur so als alleinerziehende Mutter möglich sei, eine Vollzeitstelle beim Kreis X zu besetzen. Sie erbringe einen nicht unerheblichen Teil ihrer beruflichen Tätigkeit (ca. 25 %) im häuslichen Arbeitszimmer. Der Arbeitsplatz bzw. Schreibtisch der Klägerin in der Kreisverwaltung werde in den Zeiten, in denen sie während der üblichen Bürozeiten dort nicht tätig sei, auch von anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genutzt, so dass ihr dieser Arbeitsplatz bzw. Schreibtisch dann auch nicht zur Verfügung stehe. Im Übrigen werde auf das in Ziff. 17 des vorgenannten BMF-Schreibens aufgeführte Beispiel (Bankangestellter) verwiesen, das mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar sei.

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Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2011 hatten die Prozessbevollmächtigten der Kläger ein Schreiben des Kreises X vom 30. September 2011 vorgelegt (Bl. 43 der ESt-Akte 2010), in dem Folgendes ausgeführt wird:

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„… teilen Ihnen mit, dass die von uns gewährte Möglichkeit der Durchführung von Telearbeit im vorliegenden Fall vorrangig gewährt wurde, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Laut Vertrag ist Telearbeit grundsätzlich nur möglich, wenn die/der Antragsteller/in zu Hause über einen Büroarbeitsplatz verfügt, der auch die geforderten datenschutzrechtlichen Vorgaben erfüllt. Unseres Wissens hält Frau L. zu Hause ein Büro für die dienstliche Tätigkeit vor. Selbstverständlich besteht Einvernehmen darüber, dass der Arbeitsplatz unserer Telearbeiter/innen wie auch der der Teilzeitbeschäftigten im Bedarfsfall bzw. in Zeiten bestehender Raumnot von anderen Kolleginnen und Kollegen mitgenutzt wird.“

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Diesem Schreiben – so die Prozessbevollmächtigten – sei zu entnehmen, dass die Telearbeit vorrangig gewährt worden sei, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Dementsprechend habe sie die Möglichkeit, ihre Arbeit zu Zeiten zu verrichten, zu denen ihr kein Arbeitsplatz in X zur Verfügung stehe bzw. das Verwaltungsgebäude in X nicht geöffnet sei. Der Bescheinigung sei des Weiteren zu entnehmen, dass ihr Arbeitsplatz im Bedarfsfall bzw. in Zeiten bestehender Raumnot von anderen Kolleginnen und Kollegen mitgenutzt werde, so dass ihr zu diesen Zeiten kein Arbeitsplatz in X zur Verfügung stehe. Außerdem stehe ihr der in X vorhandene Arbeitsplatz - wie in den unter Tz. 17 des BMF-Schreibens vom 02. März 2011 aufgeführten Beispielen – nicht für alle Aufgaben ihrer Erwerbstätigkeit zur Verfügung. Daher könnten die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer bis zu 1.250,00 € als Werbungskosten berücksichtigt werden. Es stehe auch mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht im Einklang, wenn der begrenzte Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer versagt werde, obwohl das Arbeitszimmer für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit für die Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung mit den entsprechend höheren Einnahmen unstreitig erforderlich sei. Es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem höheren Arbeitslohn und dem hierfür erforderlichen Arbeitszimmer.

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Mit Schriftsatz vom 05. September 2012 hatten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf ein Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2012 (4 K 1270/09) verwiesen und geltend gemacht, dass die Aufwendungen für das Arbeitszimmer nach diesem Urteil abzugsfähig seien, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber gehalten sei, an mehreren Arbeitstagen pro Woche seine Arbeitsleistung an einem im häuslichen Arbeitszimmer gelegenen Telearbeitsplatz zu erbringen. Diese Voraussetzungen lägen auch hier vor. Dem Kreis X sei am 14. Mai 2007 das Grundzertifikat zum audit „berufundfamilie“ erteilt worden. Ein Telearbeitsplatz stelle eine politisch gewollte gesellschaftliche Entwicklung dar, die durch die Anwendung der Steuergesetze entsprechend zu berücksichtigen sei. Die Berücksichtigung der Aufwendungen in voller Höhe werde daher beantragt (2.209,36 €).

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Mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2012 wurde der Einspruch gegen den (hier nicht streitgegenständlichen) Einkommensteuerbescheid für 2010 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen wurde keine Klage erhoben.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 08. April 2013 (Bl. 21 – 26 der ESt-Akte 2011) wurde auch der Einspruch gegen den hier streitigen Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 21. November 2012 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

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Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. §. 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b Einkommensteuergesetz – EStG – seien Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen. Dies gelte nicht, wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. In diesem Fall werde die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250,00 € begrenzt; die Begrenzung der Höhe nach gelte nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bilde. Die die Entscheidung für die teilweise Verrichtung der Arbeitsleistung zu Hause beeinflussenden Faktoren wie Kosten, Zeitersparnis durch weniger Fahrten zum Arbeitsplatz sowie die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. Privatleben seien für die Beurteilung, ob Aufwendungen für das beruflich genutzte Arbeitszimmer bis zu 1.250,00 € oder auch darüber hinaus Werbungskosten darstellten, im Regelfall unbeachtlich. Für die Prüfung, ob für die berufliche Tätigkeit der Klägerin kein anderer Arbeitsplatz als das häusliche Arbeitszimmer zur Verfügung stehe, sei im Wesentlichen auf die sich aus der Vereinbarung über die Telearbeit ergebenden Einschränkungen in Bezug auf die Ausübung der Tätigkeit in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers abzustellen. Im vorliegenden Fall beteilige sich der Arbeitgeber im Grunde nicht an den Kosten des häuslichen Arbeitszimmers. Die Klägerin stelle ihren privaten PC, ihre Büroeinrichtung und ihre privaten Telefon-, Fax- und Internetanschlüsse zur Verfügung. Eine Beteiligung an den Unterhaltungs- und Betriebskosten erfolge ebenfalls nicht. Die Zurverfügungstellung von Verbrauchsmaterial, insbesondere Papier und Tintenpatronen für den Drucker, Disketten und Software hätte auch ohne das Arbeitszimmer zu erfolgen. Nach den Gesamtumständen stelle der Arbeitgeber der Klägerin für die Zeiten der Arbeitsverrichtung in ihren Räumen in X einen Arbeitsplatz zur Verfügung, der sich hinsichtlich seiner Ausstattung usw. nicht von demjenigen einer Vollzeitkraft unterscheide.  Im Ergebnis sei darauf abzustellen, ob der Klägerin für ihre restliche Arbeitszeit am Nachmittag kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe oder ob die für die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers maßgebenden Umstände bereits gegen die Anwendung von § 4 Abs. 5 Nr. 6 b S. 2 EStG sprächen. Nach Auffassung des Finanzamtes handle es sich vorliegend um ein „klassisches“ häusliches Arbeitszimmer. Dafür spreche, dass der Arbeitgeber sich im Grunde nicht an den Kosten des Arbeitszimmers und seiner Einrichtung beteilige. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet, einen Raum zur Verfügung zu stellen. Die Vereinbarung vom 15. April 2010 spreche dementsprechend auch von Vereinbarungen zum „häuslichen Arbeitsplatz“. Die Klägerin sei lediglich verpflichtet, dienstliche Unterlagen in einem Schrank aufzubewahren und zu gewährleisten, dass Dritte keinen Zugang zu dienstlichen Daten hätten, sofern diese auf dem privaten PC gespeichert würden. Sofern die weitere Nutzung des Raumes, in dem die beruflichen Arbeiten ausgeführt würden, nicht gegen dessen berufliche Nutzung spreche, handle es sich mithin um ein typisches Arbeitszimmer. Es sei nicht erkennbar, dass die Aufwendungen für den Telearbeitsplatz derart zwangsläufig durch die berufliche Tätigkeit bei der Kreisverwaltung X veranlasst seien, dass der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG bereits in Frage stehen könne. Weil die häusliche Tätigkeit auch nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit der Klägerin darstelle, komme allenfalls ein Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer bis zur Höhe von 1.250,00 € in Betracht. Dies setze voraus, dass der Klägerin kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass es der Klägerin ermöglicht worden sei, im Anschluss an die am Arbeitsplatz erbrachten 6 Stunden die restlichen Stunden anstatt an dem dafür vorgesehenen und eingerichteten Arbeitsplatz beim Arbeitgeber zu Hause in den eigenen Räumen verrichten zu können bzw. zu dürfen. Die Förderung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen liege zwar nicht nur im Interesse der Klägerin, sondern auch im Interesse ihres Arbeitgebers. Dies zeige sich bereits an dessen vielfältigem Angebot an die Mitarbeiter (unterschiedliche Teilzeitmodelle; Gleitzeit mit Kernarbeitszeit unter Berücksichtigung von Familienarbeit, Telearbeit im Rahmen einzelvertraglicher Lösungen usw.; vgl. Grundzertifikat 2007 Audit „berufundfamilie“). Gleichwohl sei in Auslegung des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b S. 2 EStG allein darauf abzustellen, ob der Klägerin für ihre nachmittägliche Tätigkeit am Telearbeitsplatz ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Nach den Gesamtumständen liege weder eine „Verlagerung“ des Arbeitsplatzes von der Dienststelle in das häusliche Arbeitszimmer vor, noch könne festgestellt werden, dass die Nichtnutzung des Arbeitsplatzes in den Räumen des Arbeitgebers zu den „häuslichen Arbeitszeiten“ sowohl Grund als auch Bedingung für die Vereinbarung über die Telearbeit gewesen sei. Nach den Gesamtumständen und der vorgelegten Vereinbarung vom 15. April 2010 sei es der Klägerin ermöglicht worden, zur Betreuung ihres 9-jährigen Sohnes Telearbeit zu leisten. Gerade im Hinblick auf die tägliche Nutzung des Arbeitsplatzes beim Arbeitgeber an 6 Stunden werde deutlich, dass der Arbeitgeber tägliche Anwesenheit verlange. Darüber hinaus sei das Ende der Arbeitszeit nicht festgelegt und richte sich wohl nach dem Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme. Die Vereinbarung schließe auch nicht aus, dass die Klägerin ausnahmsweise bzw. im Bedarfsfall auch nachmittags ihre Arbeit in den Räumen des Arbeitgebers verrichten dürfe. Dies verdeutliche, dass der Arbeitsplatz in den Räumen des Arbeitgebers im Grunde zur Verfügung stehe, sie ihn jedoch im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber nachmittags bzw. nach 6 Stunden Arbeitsleistung in den Räumen des Arbeitgebers verlassen könne, um die Arbeit zu Hause fortzuführen. Dem stehe nicht entgegen, dass ihr Arbeitsplatz während ihrer Abwesenheit auch von anderen Mitarbeitern der Kreisverwaltung genutzt werde. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass ein anderer Arbeitsplatz dem Steuerpflichtigen dann zur Verfügung stehe, wenn der Arbeitnehmer ihn in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen könne. Die Erforderlichkeit des häuslichen Arbeitszimmers entfalle nicht bereits dann, wenn dem Steuerpflichtigen irgendein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, sondern nur dann, wenn dieser Arbeitsplatz grundsätzlich so beschaffen sei, dass der Steuerpflichtige auf das häusliche Arbeitszimmer nicht angewiesen sei. Die Beurteilung, ob für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, sei jeweils tätigkeitsbezogen vorzunehmen. Die Klägerin sei Mitarbeiterin im Büro des Landrats und in dieser Funktion auch zuständig für das Verfassen von Reden, Festansprachen, Grußworten usw. und für die Öffentlichkeitsarbeit der Verwaltung. Der Beklagte gehe davon aus, dass die Klägerin diese Tätigkeit, soweit sie zu Hause ausgeübt werde, auch nachmittags in ihrem Büro beim Arbeitgeber bzw. auf ihrem dortigen Arbeitsplatz, hilfsweise auf einem anderen Arbeitsplatz in den Räumen des Arbeitgebers ausüben könne. Durch die Vereinbarung über die Telearbeit sei es ihr lediglich ermöglicht worden, auch zuhause zu arbeiten. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, dass sie die Arbeit, die sie mit nach Hause nehme, nicht an einem der anderen Arbeitsplätze des Arbeitgebers nach Ablauf der 6 Stunden verrichten könne. Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2012 in dem Verfahren 4 K 1270/09 berufen, denn der dort zugrunde liegende Sachverhalt sei mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Die Klägerin müsse täglich ihren Arbeitsplatz beim Arbeitgeber aufsuchen und müsse – mit Ausnahme des Freitags – mit 6 Stunden täglicher Arbeitszeit dort den weit überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit verbringen. Der Klägerin habe somit in der Kreisverwaltung ein anderer Arbeitsplatz i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 6 b S. 2 EStG zur Verfügung gestanden, so dass die Aufwendungen für ihr häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten.

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Am 07. Mai 2013 hat die Klägerin Klage erhoben.

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Sie trägt ergänzend vor, die Vereinbarung über Telearbeit sei bislang regelmäßig um ein weiteres Jahr verlängert worden. Ohne diese Vereinbarung wäre es ihr als alleinerziehende Mutter nicht möglich gewesen, in Vollzeit (39,75 Stunden/Woche) zu arbeiten. Ihre arbeitstägliche Praxis gestalte sich so, dass sie in der Regel nach 15 Uhr (freitags entsprechend früher) zu Hause ihren familiären Verpflichtungen gegenüber ihrem Sohn nachkomme. Während ihrer Abwesenheit vom Arbeitsplatz in X werde dieser nach ihrer Schätzung in etwa 50 % der üblichen Arbeitszeiten von anderen Mitarbeitern des Arbeitgebers genutzt. Ihren Gestaltungsspielraum hinsichtlich der weiteren Arbeitszeit nutze sie dahin gehend, dass sie die weitere Arbeitsleistung zu Hause auch in den Abendstunden erbringe, d.h. außerhalb der Dienstzeiten ihres Arbeitgebers und mithin zu Zeiten, in denen eine reguläre Arbeit innerhalb der Behörde nicht möglich wäre. Über entsprechende Software und ihre Internetverbindung könne die Klägerin hierzu auf das Netzwerk und die Server ihres Arbeitgebers zugreifen. Der vorliegende Fall unterscheide sich auch nicht wesentlich von dem der Entscheidung des Finanzgerichts vom 19. Januar 2012 (4 K 1270/09) entschiedenen Fall. Wie dort sei auch die Klägerin aufgrund der Vereinbarung zur Telearbeit gehalten, im Rahmen der vereinbarten Zeiten zu Hause zu arbeiten und dafür einen Arbeitsplatz vorzuhalten. Wenngleich die theoretische Möglichkeit der Nutzung des Arbeitsplatzes in der Behörde über die vereinbarten Zeiten hinaus gegeben sein möge, so sei durch die Telearbeitsplatzvereinbarung die Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeit der Klägerin hinsichtlich ihres behördlichen Arbeitsplatzes deutlich eingeschränkt. Sinn und Zweck der Vereinbarung sei es, die Tätigkeit in den häuslichen Bereich der Klägerin zu verlagern, um das Arbeitsverhältnis als solches vollständig zu erhalten. Ihr Arbeitgeber habe sich vertraglich zur Übernahme der (anteiligen) Kommunikationskosten verpflichtet. Die Vereinbarung enthalte detaillierte Regelungen über die Einrichtung des Arbeitsplatzes, der sämtliche Voraussetzungen zu erfüllen habe, damit die Klägerin ihre Arbeitsleistung dort vollumfänglich ohne Einschränkungen unter Wahrung bestimmter dienstlicher Erfordernisse wie des Datenschutzes erbringen könne. Aus diesen Merkmalen, die – wie im Urteilsfall – auch im vorliegenden Fall vorlägen, folge, dass kein häusliches Arbeitszimmer i.S.d. § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG vorliege.

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Der vorliegende Sachverhalt entspringe tiefgreifenden gesellschaftsrechtlichen Veränderungen. Geänderte Lebensverhältnisse hätten zu einer Erhöhung des Anteils von Alleinerziehenden und einer generell höheren Beschäftigung von Frauen geführt. Dies erfordere zwangsläufig eine Erhöhung der Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt für alle Beteiligten. Die Arbeitgeber sähen sich der Forderung nach neuen und flexibleren Arbeitsmodellen ausgesetzt. Der Kreis X habe erkannt, dass sich die Arbeitgeberseite diesen gewandelten Anforderungen stellen müsse und habe sich der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie verschrieben, eine Selbstverpflichtung der Behörde, in deren Zusammenhang ihr das Grundzertifikat zum audit „berufundfamilie“ erteilt worden sei. Wie bei den meisten Arbeitgebern sei im vorliegenden Fall dieser Schritt auch dem Umstand geschuldet, dass es den Arbeitgebern zunehmend schwieriger falle, geeignetes Personal zu finden und vor allem bei sich verändernden Lebensverhältnissen auch zu behalten. Auch die Rechtsprechung könne sich dem sich wandelnden gesellschaftlichen Umfeld nicht entziehen. Der Gesetzgeber habe bei der Formulierung der Vorschrift des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG sicherlich nicht die Versagung des Werbungskostenabzugs für alleinerziehende Mütter im Blick gehabt.

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Mit Schriftsatz vom 15. September 2014 (Bl. 56 – 58 der Gerichtsakte) nahmen die Prozessbevollmächtigten der Klägerin Bezug auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Februar 2014 (VI R 40/12), mit dem das (von ihnen zitierte) Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2012 in dem Verfahren 4 K 1270/09 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen worden war, und führten dazu Folgendes aus:

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Auch Alleinerziehende stünden unter dem besonderen Schutz des Art. 6 Grundgesetz. Die Telearbeitszeit ermögliche es der Klägerin, eine Vollzeitstelle zu besetzen und die ihr nach dem Grundgesetz zukommende Pflicht zur Erziehung ihres Kindes erfüllen zu können. Es stelle eine absurde Situation dar, wenn ein Arbeitgeber einerseits wegen familienfreundlichen Arbeitsplätzen durch das Land Rheinland-Pfalz ausgezeichnet werde und andererseits notwendige Aufwendungen, die zur Ausübung einer Vollzeitstelle für eine Alleinerziehende erforderlich seien, einer steuerlichen Berücksichtigung verwehrt bleiben würden. Inzwischen habe der BFH in einer weiteren Entscheidung vom 26. Februar 2014 (VI R 37/13) klargestellt, dass an die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit eines „anderen Arbeitsplatzes“ hohe Anforderungen zu stellen seien; jedenfalls reiche allein die theoretische Möglichkeit der Verfügbarkeit eines Arbeitsplatzes hierfür nicht aus. Nach der vom Finanzamt akzeptierten Schätzung werde der Arbeitsplatz der Klägerin während ihrer Abwesenheit zu ca. 50 % von anderen Mitarbeitern genutzt und stehe ihr deshalb während dieser Zeit nicht zur Verfügung. In den Abendstunden stehe ihr der Arbeitsplatz ohnehin nicht zur Verfügung. Somit müsse sie einen nicht unerheblichen Teil ihrer beruflichen Tätigkeit in ihrem Arbeitszimmer verrichten, weil ihr der Arbeitsplatz beim Arbeitgeber nur eingeschränkt bzw. zu bestimmten Zeiten überhaupt nicht zur Verfügung stehe.

36

Die Telearbeit stelle ein Angebot des Arbeitgebers gegenüber den Mitarbeitern dar, einen Teil der Arbeitsleistung von zu Hause aus zu erledigen. In der Regel verwehre es der Arbeitgeber dabei den Mitarbeitern nicht, die Arbeitsleistung wahlweise beim Arbeitgeber zu erbringen. So beinhalte (nahezu) keine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über Telearbeit ein konkretes Verbot für den Arbeitnehmer, die Arbeitsleistung alternativ auch in den Räumen des Arbeitgebers zu erbringen. Vielmehr liege der Vorteil des Arbeitgebers darin, in Zeiten der vereinbarten Telearbeit keinen Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer vorhalten zu müssen. Der Tatbestand des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG, dass kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, könne daher nur so auszulegen sein, dass der Arbeitgeber keinen Arbeitsplatz vorhalten müsse, nicht jedoch so, dass es dem Arbeitnehmer explizit verwehrt sein müsse, in den Räumen des Arbeitgebers zu dieser Zeit seiner Tätigkeit nachzugehen. Für das Vorliegen eines „anderen Arbeitsplatzes“ komme es daher nicht auf eine abstrakte Nutzungsmöglichkeit an, sondern darauf, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz tatsächlich zugewiesen habe. Dies fordere auch der BFH in seinem Urteil vom 26. Februar 2014 in dem Verfahren VI R 11/12 (im Leitsatz).

37

Die Klägerin beantragt (Bl. 6 der Gerichtsakte),
den Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 21. November 2012 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 08. April 2013 zu ändern und die Einkommensteuer - unter Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer i.H.v. 1.638,00 € als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit  - um 552,00 € niedriger festzusetzen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

38

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

39

Er verweist auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 08. April 2013 und trägt ergänzend vor, § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG begegne – soweit bekannt – im Hinblick auf eine etwaige Verletzung des in Art. 6 GG normierten Schutzes der Familie in Literatur und Rechtsprechung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Übrigen habe er - der Beklagte - nicht akzeptiert, dass der Klägerin ihr Arbeitsplatz während ihrer nachmittäglichen Abwesenheit zu 50 v.H. nicht zur Verfügung stehe. Diese Behauptung der Klägerin sei lediglich wiederholt worden, werde hingegen bestritten. Das Finanzamt gehe vielmehr davon aus, dass der Klägerin in den Räumlichkeiten der Kreisverwaltung auch nachmittags ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe.

40

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 41 und 49 der Gerichtsakte).

Entscheidungsgründe

41

Die Klage ist unbegründet.

42

Der Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 21. November 2012 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 08. April 2013 sind nicht zu beanstanden, weil der Beklagte bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit zu Recht keine Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten zum Abzug zugelassen hat.

43

Dies hat der Beklagte in der genannten Einspruchsentscheidung bereits ausführlich und zutreffend dargelegt, so dass darauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden kann (§ 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung – FGO).

44

Die dagegen im Klageverfahren von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgebrachten und auf drei Urteile des BFH zum Thema „häusliches Arbeitszimmer“ gestützten  Einwände greifen ebenfalls nicht durch:

45

In den angeführten drei Urteilen vom 26. Februar 2014 (VI R 37/13, BFHE 245, 22; BStBl II 2014, 570; VI R 11/12 BFHE 245, 150; BStBl II 2014, 674; VI R 40/12 BFHE 245, 14; BStBl II 2014, 568) hat der BFH zu der Frage, ob dem Arbeitnehmer ein „anderer Arbeitsplatz“ i.S. des § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2, 3 zur Verfügung steht, folgende Grundsätze, die er bereits in früheren Entscheidungen entwickelt hat, wiederholt:

46

Ein solcher "anderer Arbeitsplatz" – so der BFH (a.a.O.) - sei grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, sofern er zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet sei. Dazu müsse dieser andere Arbeitsplatz allerdings so beschaffen sein, dass der Steuerpflichtige auf das häusliche Arbeitszimmer nicht angewiesen sei. Deshalb stehe der andere Arbeitsplatz nur dann "für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit ... zur Verfügung", wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen könne.

47

Ergänzend dazu hat der BFH in einem der drei genannten Verfahren (VI R 37/13, a.a.O.) zu einem sog. „Poolarbeitsplatz“ Folgendes ausgeführt:
Müsse der Steuerpflichtige einen nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer verrichten, weil er seinen Arbeitsplatz nur eingeschränkt nutzen könne, komme das Abzugsverbot des § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG nach seinem Sinn und Zweck nicht zum Tragen. Denn auch in einem solchen Fall sei das häusliche Arbeitszimmer notwendig und der Steuerpflichtige könne sich diesen Aufwendungen nicht entziehen. Allerdings sei eine "jederzeitige Zugriffsmöglichkeit" auf den anderen Arbeitsplatz nicht zwingende Voraussetzung des beschränkten Werbungskostenabzugs. Dies folge schon aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG, der nicht auf eine "jederzeitige Verfügbarkeit" des anderen Arbeitsplatzes abstelle, sondern auf eine Verfügbarkeit "für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit". Daher könne grundsätzlich auch ein Poolarbeitszimmer als ein anderer Arbeitsplatz i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG zur Verfügung stehen, wenn bei diesem nach den tatsächlichen Gegebenheiten insbesondere durch eine ausreichende Anzahl an Poolarbeitsplätzen, gegebenenfalls ergänzt durch arbeitgeberseitig organisierte dienstliche Nutzungseinteilungen, gewährleistet sei, dass der Arbeitnehmer seine beruflichen Tätigkeiten in dem konkret erforderlichen Umfang dort erledigen könne.
Im vorliegenden Fall kommt der Senat unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze und nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu dem Ergebnis, dass der Klägerin in erforderlichem Umfang ein Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten ihres Arbeitgebers  zur Verfügung gestanden hat. Die Dienstvereinbarung über die Einrichtung des Telearbeitsplatzes rechtfertigt weder nach ihrem unmittelbaren Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck die Annahme, dass die Klägerin am Dienstsitz ihres Arbeitgebers kein anderer Arbeitsplatz im vorgenannten Sinne zur Verfügung gestanden habe. Denn es war der Klägerin – wie sie selbst eingeräumt hat - nicht untersagt, ihren dienstlichen Arbeitsplatz auch zu den häuslichen Arbeitszeiten weiterhin zu nutzen. Das Fehlen eines solchen  Nutzungsverbots hat der BFH auch in seinem (klageabweisenden) Urteil in dem o.g. Verfahren mit dem Aktenzeichen VI R 40/12 (a.a.O.) für entscheidungserheblich erachtet. Die Nutzung des dienstlichen Arbeitsplatzes der Klägerin war auch nicht etwa deshalb eingeschränkt, weil ihr Arbeitgeber (mit Schreiben vom 30. September 2011, Bl. 43 der ESt-Akte 2010) erklärt hat, dass die Arbeitsplätze der Telearbeiter/innen und der Teilzeitbeschäftigten im Bedarfsfall bzw. in Zeiten bestehender Raumnot von anderen Kolleginnen und Kollegen mitgenutzt würden. Daraus lässt sich nämlich nicht herleiten, dass der Arbeitsplatz der Klägerin auch dann einer anderen Kollegin bzw. einem anderen Kollegen zur Verfügung gestellt worden wäre, wenn ihn die Klägerin selbst hätte nutzen wollen. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie am häuslichen Arbeitsplatz (auch) außerhalb der Dienstzeiten arbeitet, also zu Zeiten, in denen eine reguläre Arbeit innerhalb der Behörde nicht möglich sein soll. Denn eine "jederzeitige Zugriffsmöglichkeit" auf den anderen Arbeitsplatz oder seine „jederzeitige Verfügbarkeit“ ist nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 26. Februar 2014 VI R 37/13 a.a.O.). Es reicht vielmehr aus, dass die Klägerin ihren Arbeitsplatz zu den üblichen Bürozeiten nutzen könnte, wenn sie dies wollte. Dies ist aus den oben dargelegten Gründen zur Überzeugung des Senats der Fall. Die Klägerin hat (in der Klagebegründung) übrigens selbst eingeräumt, dass „die theoretische Möglichkeit der Nutzung des Arbeitsplatzes in der Behörde über die vereinbarten Zeiten hinaus gegeben sein möge“. Dass sie aus privaten Gründen (Kinderbetreuung) ihren Arbeitsplatz im Verwaltungsgebäude ihres Arbeitgebers nicht nutzen kann, obwohl sie dies möglicher Weise möchte, ist steuerrechtlich unbeachtlich.

48

Dass die Klägerin Alleinerziehende ist, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Ihre Prozessbevollmächtigten haben zwar geltend gemacht, dass auch Alleinerziehende unter dem besonderen Schutz des Art. 6 Grundgesetz stünden und dass es der Klägerin nur wegen ihrer Telearbeitszeit möglich sei, eine Vollzeitstelle zu besetzen und die ihr nach dem Grundgesetz zukommende Pflicht zur Erziehung ihres Kindes erfüllen zu können. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 b EStG habe sicherlich nicht die Versagung des Werbungskostenabzugs für alleinerziehende Mütter im Blick gehabt.

49

Diese Einwände greifen aus folgenden Gründen nicht durch:

50

Das genannte Abzugsverbot trifft nicht nur alleinerziehende Mütter, sondern jeden Steuerpflichtigen, dem neben seinem häuslichen Arbeitszimmer noch ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Dass das Abzugsverbot (auch bei Alleinerziehenden) unabhängig davon greift, aus welchen Gründen der Steuerpflichtige das häusliche Arbeitszimmer nutzen darf bzw. muss, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn aus dem Schutz und Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG folgt zwar die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern. Der Staat ist jedoch nicht gehalten, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. März 2010 1 BvL 11/07, juris, m.w.N.). Aus dem Verfassungsauftrag lassen sich auch keine konkreten Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, ableiten (ebenda). Aus Art. 6 Abs. 4 GG, wonach jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft hat, lassen sich für Sachverhalte, die nicht allein Mütter betreffen, ohnehin keine besonderen Rechte herleiten (ebenda). Deshalb dürfte für Belastungen, die einer Mutter durch die Betreuung und Erziehung eines Kindes entstehen, der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 4 GG ohnehin nicht eröffnet sein, weil sie auch Väter gleichermaßen treffen können (vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 6 Rn. 53 m.w.N.). Vor allem ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der familienpolitischen Förderung ein weites Ermessen hat und insbesondere nicht verpflichtet ist, die Förderung mit steuerrechtlichen Regelungen zur Geltung zu bringen. Für Alleinerziehende hat der Gesetzgeber (dennoch) eine solche Steuervergünstigung geschaffen, und zwar mit dem Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24 b EStG). Diese Förderung wurde der Klägerin (auch im Streitjahr 2011) gewährt und der Entlastungsbetrag (in Höhe von 1.308 €) von der Summe ihrer Einkünfte in Abzug gebracht. Vor diesem Hintergrund sind (erst Recht) keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die im vorliegenden Fall eingreifende Abzugsbeschränkung für das häusliche Arbeitszimmer ersichtlich.

51

Der Senat hat gemäß § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden

52

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

53

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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