Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (4. Senat) - 4 K 1624/15


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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Vater der von der Mutter beantragten Übertragung seines Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf der Kinder wirksam widersprochen hat.

2

Die Klägerin ist Lehrerin und die Mutter ihrer minderjährigen Söhne T (geb. 21.03.2002) und E (geb. 05.09.2003), die in ihrem Haushalt in M leben und dort gemeldet sind. Von dem in B wohnenden Kindesvater ist die Klägerin seit dem 21.10.2011 geschieden (Bl. 2 der Einkommensteuerakten - EStA -). Im Streitjahr 2013 stellte sie bezüglich beider Kinder den Antrag auf Gewährung des vollen Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (Bl. 5 ff. EStA -), dem der Beklagte im Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 11. September 2014 entsprach (Bl. 53 der Prozessakte - PA -: 2.640 € je Kind).

3

Aufgrund eines behördeninternen Datenabgleichs erfuhr der Beklagte, dass der Kindesvater im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr der Nichtgewährung des auf ihn entfallenden Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf widersprochen hatte, da er - entsprechend einer seit März 2009 bestehenden Regelung mit der Klägerin - die beiden Kinder jedes zweite Wochenende und auch die Hälfte aller Schulferien betreue. Dies seien im Kalenderjahr 2013 insgesamt 107 Tage gewesen. Das Wohnsitzfinanzamt hatte daraufhin dem Einspruch des Kindesvaters abgeholfen (Bl. 18, 20 ff. EStA).

4

In dem gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid der Klägerin für 2013 vom 4. Februar 2015 brachte der Beklagte nur noch 1.320 € je Kind von ihrem Einkommen zum Abzug. Die Übertragung des halben Freibetrages sei rückgängig zu machen, da der widersprechende Kindesvater die Kinder regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreue (Bl. 23 EStA).

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Gegen diesen Änderungsbescheid legte die Klägerin am 24.02.2015 Einspruch ein und trug begründend vor (Bl. 25 EStA): Die Kinder hielten sich lediglich von Freitagnachmittag 15.00 Uhr bis Sonntag um 19.00 Uhr und die Hälfte der Ferien bei ihrem Vater auf. Dies entspreche - ausgehend von 2 Wochentagen - ungefähr 86 Tagen, also nicht einmal einem Viertel des Jahres. Es sei unangemessen, hierfür den hälftigen Freibetrag zu gewähren, zumal die Wochenend- und Feiertagsaufenthalte bei dem Kindesvater nicht mit dem Alltag der Kinder zu vergleichen seien, den sie - die Klägerin - allein zu bewältigen habe. Die gesamte Betreuung, Organisation und Unterstützung bei den Hausaufgaben, bei der Vorbereitung von Tests und Klassenarbeiten obliege ihr (Bl. 25, 28 f. EStA).

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Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2015 als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus (Bl. 31 f. EStA): Bei Elternteilen, die nicht die Voraussetzungen zur Zusammenveranlagung erfüllten, sei ab dem Veranlagungszeitraum 2012 die Übertragung des in Rede stehenden Freibetrages auf den beantragenden Elternteil, bei dem das minderjährige Kind gemeldet sei, nicht mehr möglich, wenn der andere Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet sei, der Übertragung widerspreche, weil er Kinderbetreuungskosten trage oder das Kind regel-mäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreue (§ 32 Abs. 6 Sätze 8 und 9 EStG). Nach dem BMF-Schreiben vom 28. Juni 2013 (IV C 4 - S 2282-a/10/10002, BStBl I 2013, 845) sei eine Betreuung in diesem Sinne bei einem nicht nur gelegentlichen Umgang mit dem Kind anzunehmen, der erkennen lasse, dass der Elternteil die Betreuung mit einer gewissen Nachhaltigkeit wahrnehme, also fortdauernd und immer wieder in Kontakt zum Kind stehe. Demgegenüber liege bei lediglich kurzzeitigem, anlassbezogenem Kontakt, etwa zum Geburtstag, zu Weihnachten und zu Ostern, eine Betreuung in unwesentlichem Umfang vor. Von einem nicht unwesentlichen Umfang der Betreuung des Kindes sei typischerweise auszugehen, wenn eine gerichtliche oder außergerichtliche Vereinbarung über eine regelmäßigen Umgang an Wochenenden und in den Ferien vorgelegt werde.

7

Vorliegend hätten sich die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann auf bestimmte Betreuungszeiten verständigt. Je nachdem, wie die Zeit von Freitagnachmittag bis Sonntagabend gezählt werde (2 Tage oder 3 Tage), entfalle die Betreuung der Kinder zu mehr oder zu weniger als 25 % auf deren Vater. Nach einer Literaturmeinung sei (erst) bei einem Anteil von 25 % die Betreuung nicht mehr als unwesentlich anzusehen. Im Streitfall brauche diese Frage aber nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls habe der Kindesvater Aufwendungen zur Kinderbetreuung getragen. Hierzu zählten - nach dem oben genannten BMF-Schreiben - nicht nur Aufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG (z.B. Kindergartenbeiträge, Kosten für die Beaufsichtigung bei der Erledigung der häuslichen Schulaufgaben), sondern alle Aufwendungen für die Betreuung, Erziehung oder Ausbildung des Kindes, beispielsweise auch Aufwendungen für die regelmäßige Unterbringung an Wochenenden. Vorliegend seien dem Kindesvater - wie er gegenüber seinem Wohnsitzfinanzamt vorgetragen habe -  allein schon durch das Bereithalten von Zimmern für die Kinder in seiner Wohnung Aufwendungen entstanden. Dieser Aufwand berechtigte ihn, der Übertragung der Betreuungsfreibeträge zu widersprechen, und führe dazu, dass die Klägerin nur ihren eigenen Anteil an den Betreuungsfreibeträgen erhalten könne, auch wenn sie möglicherweise höhere Betreuungskosten getragen habe und zum größeren Teil den Alltag mit den Kindern habe bewältigen müssen.

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Diesem Ergebnis stehe das BFH-Urteil vom 27. Oktober 2011 (- III R 42/07 -) nicht entgegen, da es zu der bis einschließlich 2011 geltenden Rechtslage ergangen und ab 2012 durch die Neuregelung des § 32 Abs. 6 (Sätze 8 und 9) EStG überholt sei.

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Die Klägerin hat am 18.06.2015 Klage erhoben (Bl. 3 PA) und angeregt, den Vater der gemeinsamen Kinder beizuladen (Bl. 41 PA). Zur Begründung tragen ihre Prozessbevollmächtigten vertiefend vor (Bl. 42 ff. PA):

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Zutreffend sei, dass der Vater in der Regel die Kinder an jedem zweiten Wochenende sowie die Hälfte der Oster-, Sommer-, Herbst- und Weihnachtsferien betreue. Hierbei handele es sich aber - entgegen der Auffassung des Beklagten - um Betreuung von bloß unwesentlichem Umfang. Die Literatur (Loschelder, in: Schmidt, EStG, 34. Aufl., 2015, § 32, Rdn. 92) nehme eine regelmäßige Betreuung in nicht unwesentlichen Umfang bei 25 % bzw. zwei von sieben Tagen durchschnittlich an. Nach Einschätzung der Klägerin liege der Betreuungsumfang des Kindesvaters unter 25 % und sei damit unwesentlich. Der Berechnungsmethode des Vaters, dass sich die Kinder an drei (vollständigen) Tagen der Woche bei ihm aufhalten würden, könne nicht gefolgt werden, da hierbei die Betreuungsanteile der Klägerin am Freitag und Sonntag völlig außer Betracht gelassen würden. Vor diesem Hintergrund müsse der Betreuungsumfang entweder stundengenau oder nach dem Schwerpunkt der Betreuung am jeweiligen Tag (mehr als zwölf Stunden Betreuungszeit) ermittelt werden. Nach diesen beiden Berechnungsarten liege der Umfang der Betreuung durch den Vater im vorliegenden Fall unter 25 % bzw. im Durchschnitt unter zwei Tagen pro Woche.

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Soweit der Beklagte es genügen lasse, dass der Kindesvater überhaupt Aufwendungen zur Kinderbetreuung getragen habe, überzeuge diese Auffassung nicht.

12

In Übereinstimmung mit der oben genannten Literatur berechtige die Tragung von Kinderbetreuungskosten nur dann zu einem Widerspruch nach § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG, wenn die Aufwendungen eine Betreuung des Kindes in einem - mit dem anderen Eltern-teil - vergleichbaren Umfang ermöglichten. Würden bereits selbstverständliche, notwendige Aufwendungen im Rahmen einer unwesentlichen Betreuung einen Widerspruch gegen die Übertragung begründen, wäre die Teilung des Freibetrages nicht - wie vom Gesetzgeber gewollt - die Ausnahme bei einem Kind, welches im Haushalt nur eines Elternteils lebe, sondern der Regelfall.

13

Tatsächlich seien vorliegend die Aufwendungen des Vaters der Kinder unwesentlich bzw. unerheblich gewesen. Soweit er angegeben habe, Kinderzimmer vorzuhalten, seien die Kosten hierfür zu vernachlässigen, da der Vater das Haus ohnehin für sich selbst nutze. Außerdem sei es eine Selbstverständlichkeit, dass der Kindesvater Wohnraum für den Aufenthalt seiner Kinder bereit stelle und sie auch verpflege. Da diese Selbstverständlichkeiten in jedem Fall der anteiligen Betreuung vorlägen, würde die gesetzliche Regelung ins Leere laufen, wenn bereits diese Aufwendungen genügten, einer Übertragung des Freibetrages zu widersprechen. Dasselbe gelte für die üblichen Aufmerksamkeiten (Geschenke zum Geburtstag oder an Weihnachten). In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass die Klägerin Kosten für die Kinder trage (z.B. Schulbücher, Klassenfahrten, Schulausflüge, Musikunterricht, Taschengeld, Bekleidung), die die Aufwendungen des Kindesvaters um ein Vielfaches überstiegen.

14

Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der maßgebliche Freibetrag nach der gesetzlichen Regelung für den „Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf“ des Kindes bestimmt sei. Sowohl der Beklagte als auch der Vater der Kinder führten für ihre Berechnung und die Berechtigung zum Erhalt des hälftigen Freibetrages einzig und allein die Betreuungszeiten an, ohne den Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf der Kinder in die Betrachtung einzubeziehen. Diesbezüglich gebe aber der Vater nicht einmal ansatzweise dem Aufwand der Klägerin entsprechende Ausgaben an, die im Rahmen der Erziehung und Ausbildung der beiden Kinder anfielen. Dies sei dem Umstand geschuldet, dass die Betreuung an Wochenenden, an denen er die Kinder auch zu Fußballspielen fahre, und in den Ferien in keiner Weise mit der Begleitung der Kinder bei ihrem schulischen und dem sonstigen Alltag unter der Woche vergleichbar sei. Der Vater habe sich nie um Arztbesuche, Musikerziehung oder Ähnliches gekümmert. Besondere Zusatzkosten habe er nicht gehabt, sondern Aufwendungen nur im Rahmen des absolut Notwendigen getragen. Die Kosten für Urlaube des Vaters und seiner Freundin mit den Kindern würden stets so bemessen, dass durch die Kinder keine Zusatzkosten entstünden, indem beispielsweise nur Ferienhäuser zu einem feststehenden - von der Anzahl der Personen unabhängigen - Mietpreis angemietet würden.

15

Schließlich bestünden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG. Auf jeden Fall verstoße aber die Auslegung und Anwendung der Norm durch den Beklagten gegen das Gleichheitsgebot aus Art. 3 GG. Das Verständnis des Beklagten führe dazu, dass dem Vater der hälftige - und damit gleiche - Freibetrag wie der Klägerin zukomme, obwohl sie einen viel höheren Beitrag zur Betreuung, Ausbildung und Erziehung der Kinder leiste. Eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit finde so nicht statt. Die pauschale Betrachtung der Betreuungszeiten durch das Finanzamt führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Begünstigung des Vaters, da hierdurch der weitaus größere Anteil des materiellen und immateriellen Engagements der Klägerin unberücksichtigt gelassen werde im Hinblick auf Kosten, die der Vater ohnehin getragen hätte. Der Gesetzgeber habe bei der Verteilung der Freibeträge eine - grundsätzlich zulässige - Fallbeilregelung gewählt und nur zwei Alternativen vorgesehen: Entweder erhalte ein Elternteil den gesamten Freibetrag oder jeder die Hälfte. Wenn der Gesetzgeber aber diese strikten Folgen vorsehe, dann sei an die Anwendung der Regelung ein strenger Maßstab anzulegen. Daher sei zwingende Voraussetzung für die gleichmäßige Verteilung der Freibeträge, dass auch die getragenen Aufwendungen zumindest ansatzweise gleich seien. Demgegenüber bestehe im vorliegenden Streitfall erkennbar ein krasses Missverhältnis zwischen den Anteilen beider Elternteile, da der Vater die Kinder weder in einem wesentlichen Umfang betreue noch Aufwendungen trage, die eine Betreuung in einem vergleichbaren Umfang ermöglichten. Aus diesem Grund sei der Betreuungsfreibetrag der Klägerin in voller Höhe zu gewähren.

16

Die Klägerin beantragt sinngemäß (Bl. 41 PA),
den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 4. Februar 2015 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2015 aufzuheben.

17

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

18

Zur Begründung nimmt er Bezug auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung. Im Übrigen weist er darauf hin, dass die Übertragung der Freibeträge jedenfalls daran scheitere, dass der Kindesvater Kinderbetreuungskosten getragen habe. Dass diese ähnlich hoch sein müssten, wie die des anderen Elternteils, werde im Gesetz nicht bestimmt (Bl. 49 PA):

19

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 48, 51 PA).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet.

21

I. Das Gericht war an einer Entscheidung ohne Beteiligung des Kindesvaters nicht gehindert, da dieser nicht notwendig zu dem Verfahren beizuladen war.

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1. Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte notwendig beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derartig beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann.

23

a) Das ist der Fall, wenn die Entscheidung nach Maßgabe des materiellen Steuerrechts notwendigerweise und unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen des Dritten gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt (vgl. BFH, Beschluss vom 11. Mai 2005 - VI R 38/02 -, juris, Rdn. 10).

24

b) Bei Streitigkeiten um die Frage, ob die Übertragung eines Kinderfreibetrags vom einen auf den anderen Elternteil zu Recht erfolgt ist, liegt in der Regel kein Fall der notwendigen Beiladung vor (vgl. BFH, Beschluss vom 11. Mai 2005 - VI R 38/02 -, juris, Rdn. 12). Denn die Steuergesetze enthalten keine Vorschriften, nach denen die Entscheidung über die Übertragung des Kinderfreibetrages aus materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen gegenüber den beiden Elternteilen nur einheitlich vorgenommen werden kann. Eine Regelung, aus der sich ergäbe, dass die Übertragung des Kinderfreibetrags zwangsläufig Einfluss auf eine bereits durchgeführte oder noch durchzuführende Veranlagung des Elternteils nimmt, der keinen Kinderfreibetrag erhalten soll, ist nicht ersichtlich (vgl. BFH, Beschluss vom 4. Juli 2001 - VI B 301/98 -, juris, Rdn. 16). Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn der im Einspruchsverfahren hinzugezogene Elternteil Klage gegen die Übertragung des eigenen Kinderfreibetrages auf den anderen Elternteil erhebt. In diesem Fall ist der andere Elternteil, dessen Einkommensteuer-festsetzung betroffen ist, notwendig zum Klageverfahren beizuladen (vgl. BFH, Beschluss vom 11. Mai 2005 - VI R 38/02 -, juris, Rdn. 11).

25

c) Die vorstehenden Rechtsgrundsätze lassen sich nach Auffassung des erkennenden Senats auf Streitigkeiten betreffend die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf von einem auf den anderen Elternteil übertragen (vgl. auch Selder, in: Blümich, EStG, Band 3, Stand: Oktober 2014, § 32, Rdn. 151). Zwar kann der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf insgesamt nur einmal gewährt werden. Insoweit besteht jedoch lediglich ein sachlogischer und rechnerischer - kein unmittelbar die Rechte des Dritten gestaltender - Zusammen-hang, der für die Beiladung des anderen Elternteils zu dem Rechtsstreit des klagenden Elternteils nicht ausreicht.

26

2. Nach diesen Maßstäben ist für den Streitfall festzustellen, dass mit der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung unmittelbar nur über die Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin entschieden wird, so dass es der notwendigen Beiladung des Kindesvaters nicht bedurfte.

27

II. Die Klage bleibt ohne Erfolg.

28

Der Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 4. Februar 2015 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

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1. Nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG in der im Streitjahr 2013 geltenden Fassung wird bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 2.184 € für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1.320 € für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen. Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen (Satz 8). Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut (Satz 9).

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2. Im Streitfall hat die Klägerin zwar - bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale des § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 8 EStG - eine Übertragung der Freibeträge für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf der beiden Söhne auf sich beantragt, der Kindesvater dieser Übertragung aber wirksam widersprochen.

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a) Für ein Widersprechen i.S.d. § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG - es handelt sich nicht um einen Widerspruch im Sinne eines förmlichen Rechtsbehelfs (vgl. Seiler, in: Kirchhof, EStG, 14. Aufl., 2015, § 32; Rdn. 29) - ist keine besondere Form vorgeschrieben. Daher ist es ausreichend, wenn der Steuerpflichtige - wie hier durch den Vater der Kinder geschehen - der Übertragung im Rahmen eines Einspruchs gegen seinen eigenen Einkommensteuerbescheid mit dem Ziel widerspricht, dass bei ihm der Freibetrag neu oder wieder angesetzt wird (vgl. BMF-Schreiben vom 28. Juni 2013, unter II. Tz. 11; Stache, in: Bordewin/Brandt, EStG, Band 6, Stand: August 2015, § 32, Rdn. 196b).

32

b) Auch die materiellen Voraussetzungen, unter denen der widersprechende Elternteil eine Übertragung des ihm zustehenden Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf verhindern kann, liegen im Streitfall vor. Dies ergibt sich bei Anwendung des - unter Heranziehung der herkömmlichen Methoden (vgl. BFH, Urteil vom 05. Mai 1982 - VII R 96/78 -, juris, Rdn. 28) gewonnen - Ergebnisses der Auslegung des § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG auf den streitigen Sachverhalt.

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aa)
(1) Zunächst ist festzustellen, dass die beiden Tatbestandsmerkmale des § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG, die Erbringung von Kinderbetreuungsleistungen und die Übernahme von Kinderbetreuungskosten, in einem Alternativverhältnis stehen. Der Wortlaut („oder“) ist insoweit eindeutig. Das Gesetz übernimmt die vom BVerfG vorgenommene Gleichsetzung von Aufwand, der sich in einer pekuniären Belastung ausdrückt, und unentgeltlicher, in eigener Person erbrachter Betreuungsleistung (vgl. Selder, a.a.O., § 32, Rdn. 152). Im Hinblick auf dieses Alternativverhältnis kann ein nicht ausreichender ideeller Betreuungsbeitrag des Elternteils, bei dem das minderjährige Kind nicht gemeldet ist, nicht durch einen - ebenfalls nicht genügenden - Beitrag materieller Art kompensiert werden.

34

(2) Was die grammatische Interpretation des Ausdrucks „das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut“ anbelangt, so versteht der erkennende Senat darunter eine Betreuung dergestalt, wie sie in dem BMF-Schreiben vom 28. Juni 2013 teilweise definitorisch, teilweise anhand von Beispielen näher konkretisiert wird.

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Danach ist zum einen eine gewisse Nachhaltigkeit bei der Wahrnehmung der Betreuung auch durch den anderen Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, erforderlich (so auch Grönke-Reimann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Band VI, § 32, Anm. 192). Zum anderen muss die Betreuung über lediglich kurzzeitige, anlassbezogene Kontakte hinausgehen. Eine Betreuung in nicht unwesentlichem Umfang liegt typischerweise bei einem regelmäßige Umgang an Wochenenden und in den Ferien vor. Der andere Elternteil muss sich - allgemein formuliert - um das Kind in einem solchen Umfang kümmern, dem in Bezug auf die Kindesentwicklung eine Bedeutung zukommt bzw. zukommen kann. Dies kann auch im Rahmen des üblichen Umgangsrechts geschehen (zu eng Bauhaus, in: Korn, EStG, Band 3, § 32, Rdn. 142.1, wonach die Betreuung nach den Gesamtumständen des Einzelfalls über die bloße Wahrnehmung des Umgangsrechts hinausgehen muss). Dem Gesetzeswortlaut ist - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - ein Erfordernis vergleichbar hoher Betreuungsanteile der Eltern nicht zu entnehmen. Soweit die von der Klägerin angeführte Literaturauffassung eine Untergrenze von „25 %“ oder „durchschnittlich an 2 von 7 Tagen“ aufstellt, findet eine solche rein rechnerische Betrachtung nach Quoten in der tatbestandlichen Ausformung keine Stütze.

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(3) Entsprechendes gilt für die Auslegung der Alternative „Kinderbetreuungskosten trägt“. Das Gesetz verlangt nicht, dass der Elternteil, der der Übertragung widerspricht, in einem vergleichbaren Umfang derartige Kosten getragen hat; ebenso wie bei der Kinderbetreuung ist lediglich eine unwesentliche Kostentragung nicht ausreichend (vgl. Selder, a.a.O., § 32, Rdn. 152). Im Übrigen ist der verwendete Begriff „Kinderbetreuungs-kosten“ weit gefasst und beinhaltet - soweit die Zweckbestimmung gegeben ist - keine Einschränkung auf bestimmte Ausgaben. Daher kann der von der Klägerin geforderten Einschränkung, dass „selbstverständliche, notwendige Aufwendungen“ des Kindesvaters unberücksichtigt bleiben müssten, jedenfalls aufgrund der Wortlautbetrachtung nicht gefolgt werden.

37

 (4) Nach Maßgabe des Vorstehenden sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG im Streitfall erfüllt: Entsprechend der - unstreitig - zwischen der Klägerin und ihrem geschiedenen Ehemann vereinbarten und in der Praxis geübten Regelung betreute der Kindesvater die Söhne an jedem zweiten Wochenende von Freitagnachmittag bis Sonntagabend sowie während der Hälfte der Ferienzeiten. Somit erfolgte die Betreuung in der erforderlichen Regelmäßigkeit und in nicht nur unwesentlichem Umfang. Denn der Kindesvater hätte - die Berechnung der Klägerin hier einmal unterstellt - jedenfalls an 86 Tagen im Jahr 2013 allein die Betreuung seiner Söhne übernommen. Dies kann - bei wertender Betrachtung - nicht als „unwesentlich“ abgetan werden. Außerdem hat der geschiedene Ehemann der Klägerin nicht nur unbedeutende, außer Betracht zu lassende Betreuungskosten, sondern - unabhängig von der Frage, ob Zimmer in seiner Wohnung der Kinder wegen vorgehalten wurden und dadurch ein ansonsten nicht entstandener Aufwand ausgelöst wurde - jedenfalls Aufwendungen in Form von Mehrkosten (Verpflegungskosten, Fahrtkosten, u.ä.) für die regelmäßige Unterbringung an den Wochenenden (vgl. BMF-Schreiben vom 28. Juni 2013, Tz. 8) sowie entsprechende Aufwendungen für gemeinsame Urlaube (vgl. Selder, a.a.O., § 32, Rdn. 152) getragen. Ist bereits danach die Kostenübernahme durch den Kindesvater als nicht nur unwesentlich zu würdigen, so kann offen bleiben, ob es sich bei den feststehenden Aufwendungen für die Anmietung eines Ferienhauses - wie die Klägerin meint - wegen ihrer Unabhängigkeit von der Personenzahl um „Sowieso-Kosten“ handelt.

38

bb) Die vorstehende Auslegung entspricht dem aus den Gesetzesmaterialien ablesbaren gesetzgeberischen Willen.

39

Die Vorschrift des § 32 Abs. 6 EStG ist durch das Steuervereinfachungsgesetz - StVereinfG - 2011 vom 1. November 2011 (BGBl I 2011, S. 2131) neugefasst worden und zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten.

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§ 32 Abs. 6 Sätze 8 und 9 EStG wurden durch Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 08.06.2011 zu dem Entwurf der Bundesregierung zum StVereinfG in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht (vgl. BT-Drs. 17/6105, S. 13). In dessen Bericht vom 09.06.2011 wird die Neueinfügung der beiden Sätze wie folgt begründet (vgl. BT-Drs. 17/6146, S. 15):

41

„Nach derzeitiger Rechtslage erfolgt die Übertragung des Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf allein auf Antrag des Elternteils bei dem das Kind gemeldet ist, ohne dass es auf eine Verletzung von Unterhaltspflichten des anderen Elternteils ankommt. Die Neufassung stellt sicher, dass eine Übertragung nicht möglich ist, wenn der andere Elternteil Aufwendungen für die Betreuung und Erziehung oder Ausbildung hat, insbesondere wenn dieser Kosten für die Kinderbetreuung durch Dritte getragen hat. Auf diese Weise wird der Grundsatz der hälftigen Teilung der Freibeträge für Kinder gewährleistet und dem Umstand Rechnung getragen, dass in zunehmenden Maße in Trennungsfällen beide Elternteile den Betreuungs- und Erziehungsbedarf ihres Kindes sicherstellen.“.

42

Den gesetzgeberischen Erwägungen ist zunächst zu entnehmen, dass „Kinder-betreuungskosten“ einschränkungslos alle Aufwendungen für die Betreuung, Erziehung oder Ausbildung sind (vgl. Selder, a.a.O., § 32, Rdn. 152). Auch vor diesem Hintergrund sind die vom Kindesvater übernommenen Kosten nicht wegen angeblicher „Selbstverständlichkeit“ auszuscheiden.

43

Des Weiteren wird die gesetzgeberische Konzeption zur Übertragung des in Rede stehende Freibetrages deutlich: Im Grundsatz steht jedem Elternteil der hälftige Freibetrag zu. Auch im Falle der Trennung soll jeder Elternteil den ihm zustehenden hälftigen Freibetrag erhalten, sofern er sich an der Betreuung, Erziehung, Ausbildung der Kinder oder an den Kosten hierfür beteiligt. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nicht, dass sich die Anteile der Elternteile an der Betreuung, Erziehung oder Ausbildung der Kinder entsprechen müssten, um die von dem einen Elternteil beantragte Übertragung des Freibetrages abzuwenden.

44

cc) Wie auch die in der Gesetzesbegründung ausdrücklich vorgenommene Abgrenzung der Neuregelung gegenüber der bis dahin bestehenden Rechtslage erkennen lässt, ist es Sinn und Zweck des § 32 Abs. 6 Sätze 8 und 9 EStG, das bis einschließlich VZ 2011 in Trennungsfällen bestehende alleinige (uneingeschränkte) Recht des einen Elternteils, bei dem das Kind gemeldet ist, zur Beanspruchung des gesamten Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf abzulösen durch eine Regelung, bei der die Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden hälftigen Freibetrages nicht gegen dessen Willen erfolgen kann, wenn auch letzterer einen nicht unwesentlichen Beitrag im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsbedarf des Kindes leistet.

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Hintergrund der Neufassung des § 32 Abs. 6 EStG ist erkennbar eine geänderte gesetzgeberische Einschätzung über die Lebenswirklichkeit, die zunehmend dadurch gekennzeichnet sei, dass der Bedarf des Kindes an Betreuung und Erziehung durch beide Elternteile abgedeckt werde.

46

Bei der Frage, ob der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, den ihm zustehenden Freibetrag trotz des Übertragungsbegehrens behalten kann, nimmt der Gesetzgeber allein diese Person in den Blick. Eine Aufklärung, ob und in welchem Umfang der andere Elternteil die bei ihm gemeldeten Kinder betreut, erzieht oder bei ihrer Ausbildung unterstützt bzw. diesen Bedarf mithilfe Dritter deckt, erfolgt nicht. Ein Vergleich der konkreten Anteile der Eltern an der Betreuung, Erziehung oder Ausbildung ihrer Kinder findet nicht statt. Der Gesetzgeber hat somit - offensichtlich aus Gründen der Praktikabilität und Handhabbarkeit des Rechts - von einer im Einzelfall durchzuführenden aufwändigen Ermittlung der jeweiligen Beteiligung der Kindeseltern abgesehen, zumal die tatsächlichen Gegebenheiten nur durch ein staatliches Eindringen in die Privatsphäre geklärt werden könnten und die jeweilige Bedeutung der elterlichen Leistung zur Betreuung, Erziehung und Ausbildung bei schematischer Orientierung allein an den Aufenthaltszeiten der Kinder (quantitatives Kriterium) nur teilweise erfasst und abgebildet würde. Nach der neuen gesetzlichen Bestimmung wird die Übertragung des hälftigen Freibetrages auf den beantragenden Elternteil ausgeschlossen, wenn der widersprechende Elternteil seinerseits jedenfalls keinen unwesentlichen Beitrag zur Kindesentwicklung leistet. Sofern diese Schwelle überschritten wird, unterstellt der Gesetzgeber, dass dem Beitrag des widersprechenden Elternteils eine solche Bedeutung im Hinblick auf den Kindesbedarf an Betreuung, Erziehung oder Ausbildung zukommt, die es rechtfertigt, ihn mit dem hälftigen Freibetrag steuerlich zu entlasten.

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dd) Nach Auffassung des erkennenden Senats verstößt weder § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG noch das hier gefundene Auslegungsergebnis gegen Verfassungsrecht, so dass im Streitfall keine Notwendigkeit zu einer verfassungskonformen Auslegung besteht.

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(1) Bezüglich der gesetzlichen Festlegung eines Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf und seiner Höhe bestehen keine verfassungs-rechtlichen Bedenken.

49

(a) Der Betreuungsbedarf des Kindes muss als notwendiger Bestandteil des familiären Existenzminimums einkommensteuerlich stets unbelastet bleiben, ohne dass danach unterschieden werden dürfte, in welcher Weise dieser Bedarf gedeckt wird. Außerdem muss der Gesetzgeber den Erziehungsbedarf des Kindes unabhängig vom Familienstand bei allen Eltern berücksichtigen, die einen Kinderfreibetrag oder ein Kindergeld erhalten  (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 1998 - 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 -, juris, Rdn. 69 und Rdn. 90). Hierzu hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 6 EStG neben dem Kinderfreibetrag einen zusätzlichen (einheitlichen) Freibetrag in Höhe von - im Streitjahr - 2.640 € für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung geschaffen. Damit hat er dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Bedarfsansprüche eines Kindes im Laufe dessen Berücksichtigungszeitraums verändern und der zunächst überwiegende Betreuungsbedarf im Laufe der Zeit durch den Erziehungsbedarf und für ältere Kinder durch den Ausbildungsbedarf überlagert bzw. abgelöst wird (vgl. BFH, Urteil vom 17. Dezember 2009 - VI R 63/08 -, juris, Rdn. 15). Aussagen bzw. Vorgaben des BVerfG dahin gehend, wie der Betreuungsbedarf bei getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten aufzuteilen sei, fehlen. Entscheidend ist demnach, dass auch bei getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten der gesetzlich vorgesehene Betreuungsfreibetrag in vollem Umfang gewährt wird. Dies hat der Gesetzgeber sichergestellt (vgl. BFH, Urteil vom 18. Mai 2006 - III R 71/04 -, juris, Rdn. 24 f.). Der Betreuungsfreibetrag erfasst den Betreuungsbedarf allgemein und schließt insbesondere auch solchen Betreuungsbedarf ein, der erwerbsbedingt ist (vgl. BFH, Urteil vom 23. April 2009 - VI R 60/06 -, juris, Rdn. 14; vgl. Stache, a.a.O., § 32, Rdn. 175d). Der Gesetzgeber ist berechtigt, für die Kinderbetreuung einen bestimmten Freibetrag typisierend festzulegen, und nicht verpflichtet, die nachgewiesenen tatsächlichen Kosten zu berücksichtigen. Erwerbsbedingt notwendige Kinderbetreuungskosten müssen grundsätzlich in realitätsgerechter Höhe abziehbar sein. Auch insoweit ist der Gesetzgeber aber berechtigt, mit einer sachgerechten Pauschalierung eine Obergrenze festzulegen, und damit zu bestimmen, wie weit die dem Grunde nach zwangsläufigen Kinderbetreuungskosten im typischen Fall auch der Höhe nach zwangsläufig sind (vgl. BFH, Beschluss vom 16. November 2005 - XI B 193/04 -, juris, Rdn. 4). Der BFH ist bislang davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber nicht die Grenzen einer zulässigen Typisierung überschritten und den Betreuungsfreibetrag zu niedrig bemessen hat (vgl. BFH, Beschluss vom 16. November 2005 - XI B 193/04 -, juris, Rdn. 4 f.; Urteil vom 23. April 2009 - VI R 60/06 -, juris, Rdn. 20 ff.).

50

(b) Die Klägerin hat keine Umstände vorgetragen, die Anlass zu einer hiervon abweichenden Beurteilung für die im Streitjahr 2013 geltende Rechtslage bieten würden. Insbesondere hat sie nicht geltend gemacht, der vom Gesetzgeber - typisiert und pauschaliert - gewährte Freibetrag bilde den von den Eltern oder den von ihr zu tragenden Kindesbedarf nur unzureichend ab, sondern sich vielmehr gegen die gleichmäßige Verteilung des Freibetrages unter den konkreten Gegebenheiten des vorliegende Falles - wegen völlig unterschiedlicher Anteile beider Elternteile bei der Betreuung, Erziehung und Ausbildung der Kinder - gewandt. Insoweit erübrigt sich eine Prüfung, ob bei der Frage einer ausreichenden einkommensteuerlichen Entlastung der Klägerin der ihr im Einkommensteuerbescheid für 2013 gewährte Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe von 1.308 € (Bl. 53 PA) mit zu berücksichtigen wäre, wobei allerdings der Haushaltsfreibetrag - dies spräche gegen seine Einbeziehung - eine andere Zielrichtung hat, da er die höheren Kosten für die „eigene“ Lebens- bzw. Haushaltsführung der Alleinerziehenden abgelten soll (vgl. BFH, Urteil vom 28. Juni 2012 - III R 26/10 -, juris, Rdn. 12).

51

(2) Dass § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG oder die im Streitfall vorgenommene Auslegung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, vermag das Gericht nicht zu erkennen.

52

(a)
(aa) Der Betreuungsfreibetrag wird gewährt, weil die Eltern in ihrer Leistungsfähigkeit gemindert sind durch die Erfüllung ihrer Betreuungspflichten, die „ihre Arbeitskraft oder ihre Zahlungsfähigkeit“ beanspruchen (vgl. BFH, Urteil vom 18. Mai 2006 - III R 71/04 -, juris, Rdn. 28).

53

(bb) Die ursprüngliche Regelung in § 32 Abs. 6 Satz 7 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 (BStBl I 2000, 4), der die Übertragung des Betreuungsfreibetrages allein auf Antrag des einen auch gegen den Willen des anderen Elternteils vorsah, hat der BFH für verfassungsgemäß erachtet (vgl. Urteil vom 18. Mai 2006 - III R 71/04 -, juris, Rdn. 17). Der Gesetzgeber habe typisierend davon ausgehen dürfen, dass das Kind in dem Haushalt des Elternteils, bei dem es gemeldet sei, aufgenommen sei und von diesem Elternteil umfassend betreut werde. Da dieser Elternteil im Regelfall einen höheren Betreuungsaufwand habe als der andere Elternteil, der das Kind ggf. an Wochenenden oder in den Schulferien betreue oder der Fremdbetreuungsleistungen (mit-)finanziere, sei es sachgerecht, den Betreuungsfreibetrag auf Antrag ausschließlich dem Elternteil, bei dem das Kind allein gemeldet sei, zu gewähren (vgl. Urteil vom 18. Mai 2006 - III R 71/04 -, juris, Rdn. 28).

54

(cc) An dieser Rechtsprechung hat der BFH auch nach Einführung des einheitlichen Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung vom 16. August 2001 (BStBl I 2001, 533) festgehalten (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2011 - III R 42/07 -, juris, Rdn. 11):

55

Die im Senatsurteil vom 18. Mai 2006 (- III R 71/04 -) angeführten Gesichtspunkte rechtfertigten auch die Übertragung des Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf. Hinsichtlich des Betreuungsbedarfs kämen die Grundsätze unmittelbar zum Tragen. Darüber hinaus erscheine es aber auch nicht sachwidrig, den auf den Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf entfallenden Freibetragsanteil bei dem Elternteil zu berücksichtigen, bei dem das Kind gemeldet sei. Die Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarfe eines Kindes seien auf praktikable Weise kaum zu trennen. Der umfassend betreuende Elternteil werde auch häufig überwiegend den nicht auf die Schule und ähnliche Institutionen, sondern auf die Eltern selbst entfallenden Ausbildungsbedarf eines minderjährigen Kindes, also regelmäßig eines Schülers, etwa durch Hilfe bei der Vorbereitung auf Klassenarbeiten, Hausaufgabenbetreuung, Fahrten zur Schule, Teilnahme an Elternabenden, Organisation von Nachhilfe u.ä., befriedigen.

56

Es liege in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, den Aufwand des Elternteils, bei dem das Kind gemeldet sei und von dem es - typisierend betrachtet - daher rund um die Uhr umfassend betreut und erzogen werde, im Ergebnis sachlich höher zu gewichten als etwa die Bezahlung von Nachhilfestunden oder Musikschulunterricht durch den barunterhaltspflichtigen Elternteil. Damit sei kein sachwidriger Ausschluss dieses Elternteils von kindbedingten Steuerentlastungen verbunden. Vielmehr werde die Steuerentlastung bei dem Elternteil wirksam, der den im Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf erfassten Aufwand nach der gesetzgeberischen Einschätzung im Großen und Ganzen überwiegend trage und dessen Belastungssituation mit einer lediglich hälftigen Beteiligung an der kindbedingten Steuerentlastung nicht ausreichend Rechnung getragen würde (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2011 - III R 42/07 -, juris, Rdn. 13).

57

Schließlich sprächen Praktikabilitätsgründe dafür, dass der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht gehalten gewesen sei, vom Konzept eines einheitlichen Freibetrages für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf und der antragsabhängigen ausschließlichen Berücksichtigung dieses Freibetrages beim Elternteil, bei dem das Kind gemeldet ist, abzurücken. Bei Preisgabe des Konzepts wären nämlich zahlreiche aufwändige Ausdifferenzierungen nach den verschiedenen Bedarfsarten (Betreuung, Erziehung, Ausbildung) und Altersstufen (Kleinkinder mit höherem Betreuungsbedarf, Schulkinder, Auszubildende u.ä.) sowie ggf. eine Ermittlung und Gewichtung der von den jeweiligen Elternteilen erbrachten Leistungen - materieller wie immaterieller Art - zur Befriedigung der jeweiligen Bedarfe erforderlich gewesen (z.B. Bewertung der vom barunterhaltspflichtigen Elternteil übernommenen Kindergartengebühren und der Eigenbetreuungsleistungen des anderen Elternteils für die übrige Zeit). Die damit einhergehende erhebliche Verkomplizierung der Rechtsanwendung widerstreite dem Ziel der Praktikabilität und der Einfachheit des Rechts, das besonders auf dem Gebiet der steuerrechtlichen Massenverwaltung Geltung beansprucht. Außerdem entspräche sie auch nicht der Aussage des BVerfG, die dieses speziell im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs getroffen habe. Danach könne nämlich im Interesse der Einfachheit und Klarheit der gesetzlichen Regelungen die kindbedingte Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit in einem vereinheitlichten Entlastungstatbestand des Betreuungs- und Erziehungsbedarfs berücksichtigt werden, dessen Voraussetzungen allein durch die Angabe familienbezogener Daten vom Steuerpflichtigen dargelegt werden könnten. Ein Anlass, von diesem "Vereinfachungsauftrag" abzuweichen und gerade in Trennungsfällen aufwändige Ausdifferenzierungen vorzunehmen, sei nicht zu sehen (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2011 - III R 42/07 -, juris, Rdn. 14).

58

(dd) Zu der im vorliegenden Streitfall anzuwendenden Neuregelung des § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG (i.d.F des StVereinfG 2011) hat sich der BFH bereits in seinem Urteil vom 27. Oktober 2011 (- III R 42/07 -, juris, Rdn. 16) ansatzweise geäußert und ausgeführt, dass der Gesetzgeber damit dem Umstand Rechnung trage, dass in zunehmendem Maße in Trennungsfällen beide Elternteile den Betreuungs- und Erziehungsbedarf ihres Kindes sicherstellten. Der Gesetzgeber habe also die gesellschaftliche Entwicklung beobachtet und seine Einschätzung den veränderten Realitäten angepasst. Damit habe er aber mitnichten zum Ausdruck gebracht, dass seine frühere Einschätzung einer aus seiner Sicht noch anders gelagerten gesellschaftlichen Situation unvertretbar gewesen sei.

59

(b) Unter Berücksichtigung der vorstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung hat sich der Gesetzgeber - nach Auffassung des erkennenden Senats - mit der Neuregelung innerhalb seines verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums bewegt.

60

Ausgangspunkt ist dabei eine andere gesetzgeberische Einschätzung, die - wie der BFH anerkennt - „den veränderten Realitäten“ angepasst sei. Es entspricht auch dem Wissensstand des Gerichts, dass sich nach einer Trennung - im Verhältnis zu früheren Zeiten - inzwischen sehr viel häufiger beide Elternteile um eine gesunde körperliche und geistige Entwicklung der Kinder bemühen, indem sich auch der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind nicht aufgenommen ist, verstärkt um die Betreuung, Erziehung oder Ausbildung seiner Kinder - in persönlicher und/oder finanzieller Weise - bemüht.

61

Diese geänderte Einschätzung ist Grundlage für Typisierungen, die teilweise von den früheren Betrachtungen abweichen:

62

Wiederum wird zwar - teilweise der früheren Anschauung ähnelnd - ohne weitere Prüfung unterstellt, dass das Kind in den Haushalt des Elternteils, bei dem das Kind gemeldet ist, aufgenommen ist und angesichts seines überwiegenden Aufenthalts dort jedenfalls eine Betreuung, Erziehung oder Ausbildung in einem Umfang erfährt, der die Gewährung des hälftigen Freibetrages rechtfertigt. Von der früheren Annahme einer alleinigen umfassenden Betreuung, Erziehung oder Ausbildung durch nur einen Elternteil hat der Gesetzgeber aber Abstand genommen. Vielmehr geht er typisierend davon aus, dass „in zunehmendem Maße in Trennungsfällen beide Elternteile den Betreuungs- und Erziehungsbedarf ihres Kindes sicherstellen“. Insoweit unterstellt der Gesetzgeber, wie oben dargelegt [vgl. II. 2. b) cc)], dass dem Beitrag des widersprechenden Elternteils, sofern die Schwelle der Unwesentlichkeit überschritten wird, ebenfalls eine im Hinblick auf den Kindesbedarf an Betreuung, Erziehung oder Ausbildung nicht unwesentliche Bedeutung zukommt. Auf dieser Grundlage erhält der Grundsatz der hälftigen Teilung des Freibetrages seine Berechtigung.

63

Der erkennende Senat vermag - wie oben dargelegt - nicht festzustellen, dass sich der Gesetzgeber bei der Neufassung des Gesetzes nicht realitätsgerecht am typischen Fall orientiert hätte bzw. die der Typisierung zugrunde liegende Annahme fehlerhaft wäre, zumal er eine Entwicklung aufgegriffen hat („in zunehmendem Maße“), deren Bewertung auch ein prognostisches Element beinhaltet.

64

Dass der Gesetzgeber bei minderjährigen Kindern aufgrund seiner Typisierungsbefugnis - aus Gründen der Praktikabilität und Einfachheit des Rechts - nicht gehalten ist, eine Unterscheidung nach Bedarfsarten (Betreuung, Erziehung, Ausbildung) und Altersstufen vorzunehmen, ergibt sich bereits aus den Erwägungen, die der BFH in seinem Urteil vom 27. Oktober 2011 (- III R 42/07 -) dargelegt hat. In Anbetracht dessen greift der Einwand der Klägerin, die gesetzliche Regelung knüpfe in unzulässiger - zu verengender - Weise nur an die Beteiligung des widersprechenden Elternteils an der Betreuung/den Betreuungskosten des Kindes, nicht aber auch an Erziehung und Ausbildung oder deren Kosten an, nicht durch. Entsprechendes gilt nach Auffassung des erkennenden Gerichts  in Bezug auf die gesetzlich normierte Schwelle eines „nicht unwesentlichen Beitrags“. Eine detaillierte Ermittlung und Gewichtung der von den jeweiligen Elternteilen erbrachten Leistungen - materieller wie immaterieller Art - würde eine erhebliche Verkomplizierung der Rechtsanwendung bedeuten. Daher ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber von einem Vergleich der konkreten Anteile der Eltern an der Betreuung, Erziehung oder Ausbildung ihrer Kinder abgesehen und hinsichtlich des dem widersprechenden Elternteils zustehenden hälftigen Freibetrages allein auf dessen Beitrag an der Kindesbetreuung abgestellt hat. Damit hält sich die gesetzgeberische Gestaltung im verfassungsrechtlichen Rahmen der Vertretbarkeit.

65

Vor diesem Hintergrund beruht das von Klägerin als gleichheitswidrig gerügte Ergebnis, dass sie nur den hälftigen Freibetrag und damit den gleichen steuerlichen Entlastungsbetrag wie der Kindesvater erhält, obwohl sie - wäre anhand der jeweiligen Anteile der Eltern nach der konkreten Umständen des Einzelfalles zu entscheiden - im Verhältnis zu ihm einen (deutlich) höheren Anteil an Betreuung, Erziehung und Ausbildung der Kinder leiste, letztlich auf dem typisierenden Ansatz der gesetzlichen Regelung.

66

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

67

IV. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, da der BFH die sich in einer Vielzahl von Fällen stellende Frage, wie die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG auszulegen sind, noch nicht entschieden hat.

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