Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (6. Senat) - 6 K 1816/15

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Erstattung der ihm im Rahmen der Durchführung des Einspruchsverfahrens entstandenen Kosten hat.

2

Die am 31. Januar 1995 geborene Tochter J des Klägers schloss im März 2014 ihre Schulausbildung mit dem Abitur ab. Der Kläger teilte der Familienkasse am 23. Mai 2014 mit, dass J einen Studienplatz suche. Mit Bescheid vom 13. Juni 2014 gewährte die Familienkasse daraufhin weiterhin Kindergeld für J ab April 2014 (Kindergeldakte, Bl. 24, 30). Im Rahmen der Überprüfung der Ausbildungsplatzsuche teilte der Kläger der Familienkasse am 3. Oktober 2014 mit, dass die Tochter sich im Rahmen eines Au-Pair Verhältnisses in Spanien aufhalte und legte einen entsprechenden Vertrag in spanischer Sprache mit Datum 19. September 2014 vor (Kindergeldakte, Bl. 36, 38 ff).

3

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2014 forderte die Familienkasse den Kläger auf, Nachweise über einen etwaigen Sprachunterricht der Tochter in Spanien bis zum 31. Oktober 2014 vorzulegen (Kindergeldakte, Bl. 47). Mit Schreiben vom 11. November 2014 wurde an die Vorlage des Nachweises erinnert und darauf hingewiesen, dass bei Nichtvorlage das Kindergeld ab Oktober 2014 aufgehoben werden müsse (Kindergeldakte, Bl. 48). Am 18. November 2014 teilte der Kläger der Familienkasse mit, dass die Unterlagen voraussichtlich erst Anfang Dezember vorgelegt werden könnten. Eine Bescheinigung sei bei der Sprachschule in Spanien beantragt worden, aber noch nicht bei ihm eingegangen (Kindergeldakte, Bl. 50).

4

Mit Bescheid vom 7. Januar 2015 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für J ab Oktober 2014 auf (Kindergeldakte, Bl. 53). Hiergegen erhob der Kläger - vertreten durch seinen Bevollmächtigten - mit Schreiben vom 26. Januar 2015 Einspruch (Kindergeldakte, Bl. 57 f). Zur Begründung führte er aus, J habe im Rahmen ihres Au-Pair-Aufenthaltes vom 27. September 2014 bis Mitte November 2014 zweimal pro Woche für jeweils 2 Stunden eine Sprachschule besucht. Ein anderes Angebot habe vor Ort nicht bestanden. Unmittelbar nach der Rückkehr aus Spanien habe sie sich um einen Ausbildungsplatz bemüht. Außerdem habe sie sich bereits für das Sommersemester 2015 an den Universitäten M und K beworben.

5

Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 forderte die Familienkasse den Kläger daraufhin auf, bis zum 5. März 2015 Nachweise über die Bewerbungen und die Ausbildungsplatzsuche vorzulegen (Kindergeldakte, Bl. 66). Mit Schreiben vom 13. Februar 2015 übersandte der Kläger Nachweise über die Suche nach einem Ausbildungsplatz betreffend den Zeitraum nach der Rückkehr aus Spanien (Kindergeldakte, Bl. 72 ff). Mit Schreiben vom 10. April 2015 forderte die Familienkasse den Kläger nochmals auf, Nachweise für die Zeit ab April 2014 vorzulegen (Kindergeldakte, Bl. 83 f). Am 20. April 2015 übersandte die Tochter der Familienkasse Nachweise über ihre Bewerbung und die Einschreibung an der Hochschule X im September 2014 (Kindergeldakte, Bl. 85).

6

Mit Änderungsbescheid vom 2. Juni 2015 (Kindergeldakte, Bl. 98 f) half die Familienkasse dem Einspruch ab und gewährte für J Kindergeld ab Oktober 2014. Im Bescheid vom 2. Juni 2015 wurde ferner die Erstattung der Aufwendungen nach § 77 Abs. 1 S. 3 EStG abgelehnt mit der Begründung, dass die für die Entscheidung notwendigen Unterlagen erst während des Einspruchsverfahrens eingereicht worden seien.

7

Gegen die Ablehnung der Kostenerstattung erhob der Kläger – vertreten durch seinen Bevollmächtigten - mit Schreiben vom 3. Juli 2015 Einspruch (Kindergeldakte, Bl. 105). Zur Begründung führte er aus, dass er bzw. seine Tochter im Hinblick auf den Auslandsaufenthalt stets die Unterlagen vorgelegt hätten, die verfügbar gewesen seien.

8

Mit Entscheidung vom 10. Juli 2015 wies die Familienkasse den Einspruch zurück, da die Voraussetzungen des § 77 EStG nicht erfüllt seien.

9

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren, Gewährung der Kostenerstattung für das Einspruchsverfahren, weiter. Zur Begründung verweist er auf seinen Vortrag im Einspruchsverfahren. Ergänzend führt er aus, er habe stets die ihm vorliegenden Unterlagen an die Beklagte weitergeleitet. Die Beklagte habe seinem Begehren erst nach anwaltlicher Beauftragung abgeholfen.

10

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Juli 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Bescheid vom 7. Januar 2015 entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

11

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

12

Die Familienkasse bleibt bei ihrer Auffassung, dass allein das Verhalten des Klägers ursächlich für das Zustandekommen des Ablehnungsbescheides vom 7. Januar 2015 gewesen sei.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist unbegründet.

14

 Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung der für seinen Einspruch gegen den Bescheid vom 7. Januar 2015 entstandenen Kosten nicht zu.
I.
Gemäß § 77 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) hat die Familienkasse dem Einspruchsführer bei erfolgreichem Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung - eine Abgabenangelegenheit i.S. von § 347 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Abgabenordnung (AO) - die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Gebühren  oder Auslagen eines Bevollmächtigten sind nach Abs. 2 der Vorschrift erstattungsfähig, wenn dessen Zuziehung notwendig war.
Aufwendungen, die durch das Verschulden eines Erstattungsberechtigten entstanden sind, hat dieser selbst zu tragen, § 77 Abs. 1 Satz 3 EStG. Diese Ausnahmeregelung in einem Steuergesetz - im Einspruchsverfahren nach der Abgabenordnung (AO) erhält der obsiegende Steuerpflichtige keinen Ersatz der Kosten - ist nach der Gesetzesbegründung im Hinblick auf die entsprechende Vorschrift des § 63 SGB X eingefügt worden, damit eine Schlechterstellung der Kindergeldberechtigten gegenüber dem bisherigen Recht vermieden wird (BT-Drs. 13/1558, S. 162).
1.
Der Einspruch des Klägers war zwar erfolgreich, da ihm mit Bescheid vom 2. Juni 2015 abgeholfen wurde. Die Aufwendungen des Klägers für das Einspruchsverfahren (hier insbesondere in Form von Rechtsanwaltsgebühren und -auslagen) waren jedoch nicht notwendig, weil sie durch sein Verschulden entstanden sind. Der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 7. Januar 2015 erging ausschließlich aufgrund der Nichtvorlage der von der Familienkasse angeforderten Nachweise betreffend die Ausbildung bzw. die Ausbildungsplatzsuche der Tochter.
Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung beruht die Nicht- bzw. verspätete Vorlage der Unterlagen betreffend die Ausbildung der Tochter auf dem Verschulden des Klägers. Ein etwaiges Verschulden der Tochter muss sich der Kläger zurechnen lassen.
Der Kläger wurde mit Schreiben der Familienkasse vom 14. Oktober 2014 und Erinnerungsschreiben vom 17. November 2014 aufgefordert, Nachweise über den von der Tochter in Spanien absolvierten Sprachkurs vorzulegen. Trotz Ankündigung der Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung (vgl. Rücksendung des Vordrucks am 18. November 2018, Kindergeldakte, Bl. 50) wurde innerhalb der von der Familienkasse gesetzten Frist kein Nachweis erbracht.
Anderweitige Erkenntnisse über die Ausbildungsplatzsuche der Tochter lagen der Familienkasse zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Sie hat deshalb die Gewährung von Kindergeld (zunächst) zu Recht versagt, da das Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG nicht nachgewiesen worden war.
2.
Der Kläger hat durch die Nichtvorlage der für den Nachweis der Ausbildung- bzw. Ausbildungswilligkeit  erforderlichen Unterlagen schuldhaft die ihm entstandenen Aufwendungen des Einspruchsverfahrens verursacht.
Zwar hat die Tochter – wie sich aus der Einspruchsbegründung ergibt – offenbar keinen Sprachkurs absolviert, der den Anforderungen der § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG genügt, so dass – anders als angekündigt – insoweit kein entsprechender Nachweis vorgelegt werden konnte. Sie hat sich aber bereits im September 2014 für einen Studiengang an der Fachhochschule X beworben und damit spätestens ab September 2014 die Voraussetzungen der Kindergeldgewährung gemäß § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG erfüllt.
An der nicht – rechtzeitigen – Vorlage des Nachweises betreffend die Bewerbung um einen Studienplatz trifft den Kläger ein Verschulden.
Im Rahmen der ihm gemäß § 68 Abs. 1 EStG obliegenden Mitwirkungspflicht wäre er gehalten gewesen, die Nachweis betreffend die Bewerbungen der Tochter um einen Ausbildungs- bzw. Studienplatz rechtzeitig bei der Familienkasse vorzulegen.
Nach dem Wortlaut der Vorschrift genügt jede Form des Verschuldens, also Vorsatz und Fahrlässigkeit. Die Anforderungen an das Wissen des einzelnen Kindergeldberechtigten dürfen in Fällen leichterer Fahrlässigkeit jedoch nicht überspannt werden (ebenso Finanzgericht Hessen, Urteil vom 24. Januar 2000, 2 K 2609/99, EFG 2000, 447). Von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung wird Verschulden in diesem Zusammenhang als das Außerachtlassen der im Verwaltungsverfahren gebotenen Sorgfalt verstanden (FG Hessen a.a.O. mit Hinweis auf Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 8. Oktober 1987 9a RVs 10/87, SozSich 1988, 190).
Diese gebotene Sorgfalt hat der Kläger in erheblichem Maße verletzt, indem er die für den Nachweis der Ausbildung der Tochter bzw. der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz erforderlichen Unterlagen zunächst nicht vorgelegt hat. Dass entsprechende Nachweise zu erbringen sind, musste ihm zumindest aufgrund des ihm übersandten Vordrucks „Mitteilung über ein Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz“ bekannt sein (vgl. dort die Hinweise auf Seite 2 des Vordrucks, Kindergeldakte, Bl. 24 f).
In entsprechender Anwendung der Rechtsprechung zu § 137 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) könnte dem Kostenerstattungsanspruch allenfalls dann stattzugeben sein, wenn die Kosten bei pflichtgemäßer Erfüllung der der Behörde obliegenden Aufgaben vermieden worden wären (BFH vom 9. Dezember 1982 IV R 239/81 nv, juris unter Hinweis auf die Beschlüsse vom 18. September 1975 VIII B 28/74 und vom 5. April 1977 VIII B 99/75, nv). Denn die grundsätzliche Kostenerstattungspflicht der Kindergeldkasse im Vorverfahren soll diese dazu bringen, mit Hilfe einer ausreichenden Aufklärungstätigkeit schon im ursprünglichen Verwaltungsverfahren eine zutreffende Entscheidung herbeizuführen (vgl. BSG, Urteil vom 8. Oktober 1987 9a RVs 10/87, a.a.O).
Dieser Pflicht zur ausreichenden Aufklärung des Sachverhaltes ist die Familienkasse im Streitfall nachgekommen. Dass die Tochter sich zugleich auch auf einen Studienplatz beworben hatte, war für die Behörde nicht erkennbar, so dass das Unterlassen der Anforderung dieser Nachweise den Kläger nicht entlastet.
Wären die Unterlagen rechtzeitig vorgelegt worden - was auch möglich gewesen wäre, da die Bewerbung bei der Fachhochschule X schon im September 2014 stattgefunden hatte - wäre der Aufhebungsbescheid vom 7. Januar 2015 nicht erlassen worden und folglich das Einspruchsverfahren nicht erforderlich gewesen.

15

 Die beklagte Familienkasse hat deshalb die Kostenerstattung zu Recht abgelehnt.
II.

16

 Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung abzuweisen.

17

Die Entscheidung erging mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.

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