Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 K 1381/14


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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist die steuerliche Behandlung von Rückstellungen für Arbeitszeitkonten im Rahmen eines Zeitwertkonten-Modells für Gesellschafter-Geschäftsführer.

2

Unternehmensgegenstand der 1985 gegründeten Klägerin ist die Ausführung sämtlicher Kunststoff- und Schlosserarbeiten. In den Streitjahren 2008 bis 2010 waren an ihrem Stammkapital die Herren F und G zu je 40% sowie N zu 20% beteiligt, diese waren auch zu Geschäftsführern bestellt. Nach den im Wesentlichen wortgleichen „Geschäftsführer-Verträgen“ vom 27.11.2002/01.02.2003 führen die Geschäftsführer die Geschäfte der Gesellschaft und haben die eigenverantwortliche Leitung und Überwachung des gesamten Geschäftsbetriebs nach Maßgabe des Gesetzes, des Gesellschaftsvertrags, einer etwaigen Geschäftsordnung für die Geschäftsführung und der Beschlüsse des Gesellschafterversammlung, sie sind alleingeschäftsführungs- und alleinvertretungsberechtigt (Bl. 70 ff Vertragsakten).

3

Am 26.04.2007 traf die Klägerin mit ihren Gesellschafter-Geschäftsführern gleichlautende „Vereinbarungen zur Entgeltumwandlung“ zur Ermöglichung der Gestaltung der Lebensarbeitszeit durch bezahlte Freistellung von der Arbeit („Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit durch Ansammlung von Wertguthaben“, Bl. 59 ff PA). Die Geschäftsführer verzichteten danach zum Zweck der Auszahlung in einer späteren Freistellungsphase auf die Auszahlung von laufenden und/oder einmaligen Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis. Für bestimmte, in Ziffer 10. der Vereinbarung beschriebene Fälle konnten die Parteien vereinbaren, dass das Wertguthaben für Zwecke der betrieblichen Altersversorgung verwendet wird, die Übertragung des Wertguthabens in die betriebliche Altersversorgung sollte unter den in § 23b Abs. 3a SGB IV genannten Voraussetzungen derzeit sozialversicherungsfrei erfolgen können.

4

Die umgewandelten Bezüge wurden für den Kauf von Investmentfondsanteilen verwendet. Dazu eröffnete die Klägerin bei der A-Bank geführte Wertpapierdepots nebst dazugehörigen Abrechnungskonten (Servicekonto). Kontoinhaberin war jeweils die Klägerin als Arbeitgeberin. Auf die Risiken einer solchen Kapitalanlage, insbesondere das Risiko von Kursverlusten, wurden die Geschäftsführer ausdrücklich hingewiesen. Die Entwicklung der arbeitsrechtlichen Ansprüche der Geschäftsführer sollte der jeweiligen Wertentwicklung des Wertpapierdepots zuzüglich etwaiger Guthaben auf dem Servicekonto entsprechen. Die arbeitsrechtlichen Bruttoansprüche der Geschäftsführer sollten sich auf den Leistungsanspruch der Klägerin als Arbeitgeberin aus dem Wertpapierdepot zzgl. etwaiger Guthaben auf dem Servicekonto beschränken. Die Vereinbarung konnte mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden.

5

Die Vergütungen während der Freistellungsphase sollten aus dem Wertguthaben bei der A-Bank erfolgen. Sie mussten mindestens 70% des durchschnittlichen monatlichen Grundgehalts vor Entgeltumwandlung betragen. Die Freistellung war frühestens ab dem 55. Lebensjahr möglich und spätestens bis zum 67. Lebensjahr zu beenden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die “Vereinbarung zur Entgeltumwandlung“ sowie die „Sonderbedingungen für Gesellschafter-Geschäftsführer“ Bezug genommen.

6

Nach einer „Verpfändungsvereinbarung“ zur Sicherung (u.a.) der sich aus der “Vereinbarung zur Entgeltumwandlung“ ergebenden Ansprüche bestellte die Klägerin ihren Geschäftsführern ein Pfandrecht an allen derzeitigen und künftigen Guthaben einschließlich Zinsen auf dem Servicekonto und dem Wertpapierdepot bei der A-Bank (Bl. 55 ff Ap-Akten; Bl. 183, 184 PA).

7

Die letzten Einzahlungen aus laufender Entgeltumwandlung erfolgten im Januar 2009 (Bl. 6 Ap-Akten).

8

Die Klägerin wies, soweit es die Zeitwertkonten betraf, folgende Bilanzpositionen aus:

9
        

31.12.2008

31.12.2009

31.12.2010

Bestand Depot-/Servicekonten
Kurswert lt. Vermögensaufstellung (Bl. 10 ff Ap-Akten)

  184.834,15 €

  213.497,78 €

  213.407,36 €
194.257,00 €

Rückstellung Arbeitszeitkonten

184.834,15 €

213.497,78 €

213.407,36 €

10

Im Zuge einer bei der Klägerin für die Streitjahre durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer, soweit noch streitgegenständlich, u.a. zu folgender Auffassung (vgl. Tz. 1.17 a. des geänderten Bp-Berichts vom 30.04.2013, Bl. 102 ff Bp-Berichtsakten):

11

Trotz gesunkenem Kurswert zum 31.12.2010 sei eine Teilwertabschreibung des Bestands der Depot-/Servicekonten mangels dauerhafter Wertminderung nicht möglich.

12

Weil sich die Ansprüche der Geschäftsführer nach den getroffenen Vereinbarungen auf den Depotwert zzgl. Servicekonten beschränkten und somit keine Mindestgarantieleistung zugesagt worden sei, sei die Rückstellung zum 31.12.2010 auf den inzwischen gesunkenen Kurswert zu begrenzen.

13

Zudem sei wegen der Beschränkung der Ansprüche der Geschäftsführer auf den jeweiligen Kurswert der Depot- und Servicekonten ohne weitere Gegenleistung (Verzinsung) von einer unverzinslichen Verpflichtung auszugehen, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG abzuzinsen sei. Für die Verzinsung sei auf den letztmöglichen Zeitpunkt abzustellen, in dem die Fälligkeit eintreten könne. Der sich danach ergebende Abzinsungszeitraum sei pauschal um drei Jahre zu vermindern. Die in den Vereinbarungen zur Entgeltumwandlung getroffene Kündigungsklausel habe auf den Abzinsungszeitraum keine Auswirkung. Danach ergebe sich folgende Kürzung der Rückstellungen:

14

Gesellschafter

Depotwert/Verpflichtung zum

  Abzinsungszeitraum zum

  Vervielfältiger

  Rückstellung abgezinst lt. Bp

        

31.12.2008

31.12.2008

31.12.2008

31.12.2008

F       

10.588

14 Jahre

0,473

5.008

G       

71.021

21 Jahre

0,325

23.082

N       

103.225

17 Jahre

0,402

41.496

Summe 

184.834

                 

69.586

Kürzung

                          

115.248

        

31.12.2009

31.12.2009

31.12.2009

31.12.2009

F       

16.814

13 Jahre

0,499

8.390

G       

84.535

20 Jahre

0,343

28.996

N       

112.148

16 Jahre

0,425

47.663

Summe 

231.497

                 

85.049

Kürzung

                          

128.448

        

31.12.2010

31.12.2010

31.12.2010

31.12.2010

F       

15.676

12 Jahre

0,526

8.246

G       

76.939

19 Jahre

0,362

27.852

N       

101.642

15 Jahre

0,448

45.536

Summe 

194.257

                 

81.634

Rückstellg. lt. HB

                          

213.407

Kürzung

                          

131.773

15

Dem folgte der Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden.

16

Die hiergegen erhobenen Einsprüche wies er mit Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2014 zurück.

17

Bei den Verbindlichkeiten aus Zeitwertkonten handele es sich um ungewisse Verbindlichkeiten, da nicht feststehe, wann und in welcher Höhe es zu einer Leistung komme. Nach § 249 Abs. 1 HGB sei deswegen eine Rückstellung zu bilden. Enthalte die zugrunde liegende Verpflichtung keinen Zinsanteil, weil eine eventuell für die Zukunft zugesagte Verzinsung im Wertguthaben noch nicht enthalten sei, dürfe die Rückstellung nach § 253 Abs. 1 HGB nicht abgezinst werden. Dies sei allerdings nicht schon dann der Fall, wenn dem Arbeitnehmer eine Garantie in Höhe der eingebrachten Beträge zugesagt werde (Mindestverzinsung 0%). Insoweit enthalte der in Aussicht gestellte Betrag bereits einen Zinsanteil für die Zukunft, sodass eine Abzinsung erforderlich sei.

18

Grundsätzlich würden diese handelsrechtlichen Regelungen wegen des Maßgeblichkeitsprinzips nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Steuerbilanz gelten. Sei die Verpflichtung unverzinslich, seien nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e Satz 1 Hs. 1 EStG Rückstellungen für Verpflichtungen grundsätzlich mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen. Verzinsliche Verpflichtungen unterlägen hingegen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e Halbsatz 2 EStG iVm § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG keiner Diskontierung.

19

Die Klägerin habe für ihre Verpflichtung, den angesammelten Vergütungsanspruch, nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden. Bei deren Bewertung seien nur die den Gesellschafter-Geschäftsführern zustehenden Vergütungsansprüche zu berücksichtigen. Da sich deren Ansprüche nach den getroffenen Vereinbarungen auf den Depotwert zuzüglich Servicekonten beschränkten und somit keine Mindestgarantieleistung zugesagt worden sei, sei die Rückstellung zum 31.12.2010 auf den inzwischen gesunkenen Kurswert zu begrenzen.

20

Wegen der Beschränkung der Ansprüche der Gesellschafter-Geschäftsführer auf den jeweiligen Kurswert der Depot- und Servicekonten ohne weitere gesonderte Gegenleistung hätten die Arbeitnehmer aufgrund des Kursrisikos keine gesicherte Rechtsposition auf eine „zusätzliche“ Verzinsung, sodass von einer unverzinslichen Verpflichtung auszugehen sei, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e Satz 1 Hs. 1 EStG abzuzinsen sei.

21

Mit der hiergegen erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die vom Beklagten vorgenommene steuerliche Bewertung der Rückstellung.

22

Als Sachleistungsverpflichtung seien die Rückstellungen mit ihrem maßgeblichen Erfüllungsbetrag, bestehend aus umgewandelten Gehaltsbestandteilen, aufgelaufenen Wertsteigerungen und Zinsguthaben zu bewerten. Nach den für im Rahmen des Flexi-I-Gesetzes üblichen Entgeltvereinbarungen sei die Rückstellungsbewertung dabei auf das jeweilige Guthaben bei den Depot- und Servicekonten beschränkt.

23

In der Steuerbilanz seien Rückstellungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen. Eine Abzinsung habe nur dann zu erfolgen, wenn die Rückstellung unverzinslich sei. Das bedeute umgekehrt, dass jede feste oder variable Verzinsung, auch eine sehr geringe, nach dem Gesetzeswortlaut eine Abzinsungsverpflichtung ausschließe.

24

Die im Streitfall bestehenden Verpflichtungen gegenüber den Geschäftsführern seien verzinslich. Die Geschäftsführer hätten nach Nr. 5 der Vereinbarungen einen Anspruch auf die jeweilige Wertentwicklung des Wertpapierdepots zuzüglich der Guthaben auf dem Servicekonto. Damit liege eine (variable) Verzinsung der Kapitalanlage vor. Eine Verzinsung müsse nicht in einem festen Zinssatz bestehen, eine variable, wie sie bei Wertentwicklungen vorliege, genüge. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG sehe eine Unterscheidung zwischen variabler und fester Verzinsung nicht vor. Die Beschränkung der Ansprüche der Gesellschafter-Geschäftsführer sei eine übliche Regelung, um die biometrischen Risiken für die Gesellschaft zu begrenzen. Es handele sich im Ergebnis um eine beitragsorientierte (Alters-)Vereinbarung. Die Beschränkung der Ansprüche gewährleiste der Gesellschaft eine entsprechend notwendige Planungssicherheit, habe aber in keiner Weise Bezug zu einer Verzinsung der Vermögensanlagen.

25

Ohne Bedeutung sei auch, ob tatsächlich eine positive oder durch Kursverluste entstandene negative Verzinsung erwirtschaftet worden sei. Entscheidend seien die Beurteilungen und Überlegungen bei Abschluss der Verträge, zu diesem Zeitpunkt gehe jeder Arbeitnehmer von einer insgesamt positiven Verzinsung aus, denn sonst würde er „denklogisch“ eine solche Gehaltsumwandlung nicht durchführen. Zudem sei bei solch langen Laufzeiten im Ergebnis eine positive Verzinsung durch die Wertentwicklung der Vermögensanlagen zu erwarten gewesen und sei es immer noch. Hätten die Geschäftsführer von Anfang an mit einer negativen Verzinsung gerechnet, hätten sie die Umwandlung der Gehaltsbestandteile „wohl“ nicht vereinbart. Die Turbulenzen an den Kapitalmärkten seien in 2007 von keinem Wirtschaftsteilnehmer abzusehen gewesen, sie seien letztlich für die Beurteilung auch ohne Bedeutung.

26

Auch das BMF sehe in dem bis heute geltenden Schreiben vom 11.11.1999 eine Verzinslichkeit bei wertpapiergebundenen Lebensarbeitszeitkonten, denn dort werde als Verzinsung auch ein Betrag in Abhängigkeit von der Entwicklung bestimmter am Kapitalmarkt angelegter Vermögenswerte genannt (Rn. 5). Auch im Sinne eines angeblichen Entwurfs eines weiteren BMF-Schreibens aus 2008, das zudem erkennbar auf Regelungen ab Geltung des Flexi-II-Gesetzes abstelle, liege im Streitfall eine zusätzliche Verzinsung in Form der Beteiligung an sämtlichen Erträgen aus der wertpapiergebundenen Vermögensanlage vor.

27

Die Beteiligung an Kursverlusten rechtfertige eine Abzinsung ebenfalls nicht, weil die Verpflichtungen variabel verzinslich seien. Allen Wirtschaftsteilnehmern sei stets klar, dass es im Hinblick auf das generell bestehende Kapitalmarktrisiko zeitweise zu Kursverlusten kommen könne. Eine solche hypothetische Möglichkeit könne aber nicht Grundlage einer Gesetzesanwendung des EStG sein. Sie wäre auch schon deshalb falsch, weil auf Basis nachgewiesener Wertentwicklungen vergangener Jahrzehnte in der Totale betrachtet stets positive Erträge von Vermögensanlagen erzielt worden seien, die im planmäßigen Verlauf in der Regel Wertsteigerungen erzielten, allein schon inflationsbedingt. Letztlich sei dies überwiegend eine Frage des Anlagehorizonts.

28

Der Nachweis über die tatsächlichen Verzinsungen der Vermögensanlagen ergebe sich aus den beispielhaft für 2008 vorgelegten Erträgnisaufstellungen, der Schwerpunkt liege auf Immobilienfonds, die in der Regel eine solide Verzinsung versprächen.

29

Die streitgegenständlichen Arbeitszeitkonten seien vergleichbar mit fondsgebundenen Pensionszusagen, bei denen sich die Leistungen ebenfalls nach dem Wert bestimmter Wertpapiere zum Zeitpunkt des Leistungsanspruchs bestimmten. Die finanziellen Verpflichtungen und damit der Verpflichtungsumfang wachse dort mit der Wertentwicklung der zugrunde liegenden Fondsanteile. Auch hier erfolge keine Abzinsung, da durch die Marktbewertung am Kapitalmarkt der aktuelle Kurs bereits eine Abzinsung bzw. zukünftige Wertsteigerung enthalte.

30

Zudem habe eine Abzinsung von Rückstellungen nur zu erfolgen, sofern am Bilanzstichtag die Restlaufzeit der Verpflichtung mehr als zwölf Monate betrage. Weil nach Tz 12 der Vereinbarung diese im Streitfall mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden könne, liege bereits keine Laufzeit von mehr als zwölf Monaten vor. Die ergänzenden Sonderbedingungen für Gesellschafter-Geschäftsführer schränkten dies insofern nur für die Auflösung eines Wertguthabens ein. Bestehende bis zu diesem Zeitpunkt umgewandelte Beträge blieben bestehen und würden dann aber erst im Rahmen der Freistellungsphase vergütet.

31

Bei dem zur Durchführung der Vermögensanlagen bei der A-Bank eröffneten und auf die Klägerin lautenden Servicekonto handele es sich um ein Girokonto, auf das die umgewandelten Beträge vom laufenden Geschäftskonto der Klägerin überwiesen worden seien. Anschließend habe die eingeschaltete Finanzmanagement-Gesellschaft die entsprechenden Vermögensanlagen getätigt, die dann in den Bestand des Depots ausgewiesen worden seien. Allein die sich aus den vorgelegten Kontoauszügen (Bl. 111 ff PA) ergebende Verzinsung dieses Servicekontos, wenngleich auch gering, schließe die vorgenommene Abzinsung aus.

32

Die im Jahresabschluss zum 31.12.2008 ausgewiesene Rückstellung für Arbeitszeitkonten iHv 184.834,54 € setze sich, wie sich dies aus der Vermögensaufstellung der A-Bank ergebe, wie folgt zusammen:

33

1. # 0539 Depotbestand Aktivwert

173.122,49 €

2. # 1231 Servicekonto A-Bank Herr F

       441,26 €

3. # 1232 Servicekonto A-Bank Herr G

    4.105,92 €

4. # 1233 Servicekonto A-Bank Herr N

    7.164,87 €

Summe 

184.834,54 €

34

Damit sei nachgewiesen, dass die Salden der Servicekonten in die Bemessung der Rückstellung eingeflossen seien und sich auf dem jeweiligen Arbeitszeitkonto des Geschäftsführers befänden. Mit den weiter vorgelegten Schreiben der A-Bank vom 19.07.2007, in denen diese die Verpfändung der Depots und der Servicekonten zugunsten der Geschäftsführer bestätige, sei bewiesen, dass die Servicekonten rechtlich den Geschäftsführern zuzurechnen seien und ihnen sämtliche Buchungen – und damit auch sämtliche Erträge – im Rahmen der Gehaltsumwandlung abgesichert mit der Pfandvereinbarung zustünden. Die Arbeitszeitkonten seien damit im Ergebnis verzinslich.

35

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2014 die Bescheide über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 und 2010, jeweils vom 02. Juli 2013, und für 2009, jeweils vom 23. Oktober 2012 dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer
für 2008 auf 294.025 Euro,
für 2009 auf 266.442 Euro,
für 2010 auf 182.922 Euro
und der Gewerbeertrag
für 2008 auf 1.960.500 Euro,
für 2009 auf 1.776.400 Euro,
für 2010 auf 1.219.400 Euro
festgesetzt wird,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.

36

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

37

Er weist ergänzend zu seinen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung darauf hin, dass in der Beschränkung der Ansprüche der Gesellschafter-Geschäftsführer nach Nr. 5 der Vereinbarungen auf den jeweiligen Kurswert der Depot- und Servicekonten keine weitere gesonderte Gegenleistung (Verzinsung) zu sehen sei. Es liege keine Verzinsung der Kapitalanlage vor, auch keine variable, sodass von einer unverzinslichen Verpflichtung auszugehen sei.

38

Soweit die Klägerin auf eine Verzinsung des Servicekontos hinweise, könne nur dann von einer Verzinslichkeit ausgegangen werden, wenn sichergestellt sei, dass die auf dem Servicekonto angefallenen Zinsen auch dem Arbeitszeitkonto des Geschäftsführers rechtlich, also vertraglich geregelt, zuzurechnen seien, dementsprechend auch die Buchung nachvollziehbar vorgenommen worden sei und auch dort verbleibe. Dies entspreche der Regelung in Rz. 13 des BMF-Schreibens vom 26.05.2005 („Verzinsung von mehr als 0%“). Allein die Gutschrift der Wertsteigerung der Wertpapiere auf dem Arbeitszeitkonto stelle keine Verzinsung dar.

39

Zu einem Hinweis des Berichterstatters auf die Entscheidung des BFH I R 26/15 vom 11. November 2015, BStBl II 2016, 489, mit der der BFH eine Vereinbarung über die Ansammlung von Wertguthaben im Rahmen eines Zeitwertkontos als nicht dem entsprechend angesehen hatte, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter mit einem Fremdgeschäftsführer vereinbaren würde, vertrat der Beklagte die Auffassung, dass der vorliegende Sachverhalt mit dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden nicht vergleichbar sei, weil die Klägerin nicht über einen alleinigen und einzelvertretungsberechtigten, sondern drei Gesellschafter und Geschäftsführer verfüge.

40

Dem schloss sich die Klägerin an, das genannte Urteil des BFH sei auf den Streitfall nicht anwendbar.

41

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die hierzu eingereichten Unterlagen verwiesen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 FGO).

Entscheidungsgründe

42

Die Klage ist unbegründet.

43

Die angefochtenen Bescheide und die Einspruchsentscheidung erweisen sich, jedenfalls im Ergebnis, nicht als zum Nachteil der Klägerin rechtswidrig und verletzen sie auch nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

44

Denn unabhängig von der Frage einer Abzinsung der streitgegenständlichen Rückstellungen liegen in der einkommensmindernden Bildung von Rückstellungen für die Arbeitszeitkonten ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen der „Vereinbarungen zur Entgeltumwandlung“ verdeckte Gewinnausschüttungen vor.

45

Mit Urteil vom 11. November 2015 I R 26/15, BStBl II 2016, 489 hat der BFH entschieden, dass über die Ansammlung von Wertguthaben im Rahmen eines Zeitwertkontos getroffene Vereinbarungen nicht dem entsprechen, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft mit einem Fremdgeschäftsführer vereinbaren würde. Der Geschäftsführer muss sich danach regelmäßig in besonderem Maße mit den Interessen und Belangen der von ihm geleiteten Gesellschaft identifizieren. Er besitzt für die GmbH eine "Allzuständigkeit" und damit eine Gesamtverantwortung, wenn er, wie in dem vom BFH entschiedenen Streitfall, deren alleiniger Geschäftsführer ist. Es kommt deshalb weniger darauf an, dass der Geschäftsführer eine bestimmte Stundenzahl pro Arbeitstag für die Gesellschaft leistet. Vielmehr bestimmt der Geschäftsführer regelmäßig seine Arbeitszeit selbst. Dies bedeutet auch, dass er, abgegolten durch die Gesamtausstattung, die notwendigen Arbeiten auch dann erledigen muss, wenn dies einen Einsatz außerhalb der üblichen Arbeitszeiten oder über diese hinaus erfordert. Mit diesem Aufgabenbild verträgt sich eine Vereinbarung, in der auf die unmittelbare Entlohnung zu Gunsten von späterer (vergüteter) Freizeit verzichtet wird, nicht (vgl. insoweit auch die Verwaltungsauffassung im BMF-Schreiben vom 17.06.2009 – IV C 5 – S 2332/07/0004, BStBl I 2009, 1286), sie entspräche - zeitversetzt - der mit der Organstellung unvereinbaren Abgeltung von Überstunden. Dies gilt auch für die Gestaltungsform eines entgeltumwandlungsbasierten Arbeitszeitkontos. Zwar erfolgt hierbei die Gutschrift während der Ansparphase nicht unmittelbar in Zeiteinheiten, sondern in Form eines Wertguthabens. Letztlich wird aber auch hier durch laufenden Gehaltsverzicht Freizeit  - in Form der Freistellungsphase - erkauft.

46

Diesen grundsätzlichen Ausführungen des BFH (vgl. kritisch dazu etwa Paus, DStZ 2016, 785; Hilbert, BB 2016, 1182; Laws, GmbHR 2016, 455; zustimmend Martini, HFR 2016, 462) schließt sich der Senat vollumfänglich an.

47

Überdies hält er diese entgegen der Auffassung der Klägerin auch für auf den Streitfall anwendbar.

48

Zwar lag der BFH-Entscheidung ein insofern vom Streitfall abweichender Sachverhalt zugrunde, als dort die Vereinbarung zur Ansammlung von Wertguthaben auf Zeitwertkonten mit dem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer getroffen wurde, während die Klägerin im Streitfall solche Vereinbarungen mit drei zu 40% bzw. 20% beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern abgeschlossen hat. Dieser Umstand ändert indes an einer zum gleichen Ergebnis gelangenden Betrachtung beider Konstellationen nichts.

49

So vermag der Senat die vom BFH gewählte und die „Allzuständigkeit“ eines Geschäftsführers umschreibende Formulierung unter II. 2. b) (Rz. 13) der genannten Entscheidung bereits nicht dahingehend zu verstehen, dass dies lediglich für alleinige (Gesellschafter)-Geschäftsführer gelten soll (a.A. Paus, a.a.O.). Maßgeblich kommt es auf den vom BFH betonten Gesichtspunkt der Gesamtverantwortung an, die bei einem alleinigen Geschäftsführer naturgemäß bei diesem belegen ist. Aus den Ausführungen des BFH lässt sich nicht ableiten, dass im Fall der Bestellung mehrerer (Gesellschafter-)Geschäftsführer etwas anderes gelten solle. Denn die Forderung, dass ein Geschäftsführer durch die Gesamtausstattung abgegoltene notwendige Arbeiten auch dann erledigen muss, wenn dies einen Einsatz außerhalb der üblichen Arbeitszeiten oder über diese hinaus erfordert, gilt auch für jeden einzelnen von mehreren bestellten Geschäftsführern einer GmbH (vgl. Laws, a.a.O.). Die Nichtanerkennung von Arbeitszeitkonten kann sich daher sowohl auf beherrschende als auch auf nicht beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer beziehen, auch eine darüber hinaus gehende Anwendung auf solche Gesellschafter, die zwar nicht formal zu Geschäftsführern bestellt sind, aber anderweitig in leitender Stellung für die Gesellschaft tätig sind, erscheint denkbar (vgl. Märtens, jurisPR-SteuerR 19/2016 Anm. 6).

50

Hinzu kommt, dass im Streitfall nach den mit allen drei Gesellschafter-Geschäftsführern im Wesentlichen wortgleich abgeschlossenen „Geschäftsführer-Verträgen“ vom 27.11.2002 bzw. 01.02.2003 die Geschäftsführer die Geschäfte der Gesellschaft führen und die eigenverantwortliche Leitung und Überwachung des gesamten Geschäftsbetriebs nach Maßgabe des Gesetzes, des Gesellschaftsvertrags, einer etwaigen Geschäftsordnung für die Geschäftsführung und der Beschlüsse des Gesellschafterversammlung haben. Sie sind zudem alleingeschäftsführungs- und alleinvertretungsberechtigt. Das bedeutet, dass jeder der drei Geschäftsführer der Klägerin für die Gesellschaft eine „Allzuständigkeit“ besitzt und somit auch eine Gesamtverantwortung trägt. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat unabhängig von der grundsätzlichen Frage der Anwendbarkeit der o.g. BFH-Entscheidung auf Fälle mit mehr als einem alleinigen Geschäftsführer nicht zu erkennen, aus welchen Gründen die für einen solchen alleinigen Geschäftsführer entwickelten Rechtsgrundsätze für Fallkonstellationen wie die des Streitfalls nicht anzuwenden sein sollten.

51

Die Klage konnte daher bereits auf Basis dieser Erwägungen - unabhängig davon, dass eine Behandlung als verdeckte Gewinnausschüttung deswegen, weil dies im Ergebnis zu einer dem Gericht verwehrten Verböserung führen würde (vgl. Gräber FGO § 96 Anm. 7) - keinen Erfolg haben.

52

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass er im Hinblick auf die Frage der Verzinslichkeit der Verpflichtung der Klägerin deren Vortrag, eine (variable) Verzinsung ergebe sich aus dem Anspruch der Geschäftsführer auf die jeweilige Wertentwicklung des Wertpapierdepots zuzüglich der Guthaben auf dem Servicekonto, nicht folgen könnte. Der Beklagte hält dem insoweit zutreffend entgegen, dass in dem Anspruch auf einen jeweiligen - stets ungewissen Entwicklungen in positiver und negativer Richtung unterworfenen - Kurswert auch bei weit gefasstem Begriffsverständnis eine (Mindest-)Verzinsung im Sinne einer gesonderten Gegenleistung nicht erblickt werden kann.

53

Zu bedenken wäre aber, dass nach den „Vereinbarungen zur Entgeltumwandlung“ die Entwicklung der arbeitsrechtlichen Ansprüche der Geschäftsführer der jeweiligen Wertentwicklung des Wertpapierdepots zuzüglich etwaiger Guthaben auf dem Servicekonto entsprechen sollte. Die arbeitsrechtlichen Bruttoansprüche der Geschäftsführer sollten sich auf den Leistungsanspruch der Klägerin als Arbeitgeberin aus dem Wertpapierdepot zzgl. etwaiger Guthaben auf dem Servicekonto beschränken. Nach den „Verpfändungsvereinbarungen“ zur Sicherung der sich aus der “Vereinbarung zur Entgeltumwandlung“ ergebenden Ansprüche bestellte die Klägerin ihren Geschäftsführern ein Pfandrecht an allen derzeitigen und künftigen Guthaben einschließlich Zinsen auf dem Servicekonto und dem Wertpapierdepot bei der A-Bank (Bl. 55 ff Ap-Akten; Bl. 183, 184 PA). Die Service-Konten wurden verzinst. In den entsprechenden Auszügen (vgl. Bl. 111 ff PA zu 2008 betr. Geschäftsführer N) sind unterschiedliche Zinssätze und am Ende des jeweiligen Auszuges auch Habenzinsen ausgewiesen, wenn auch in recht geringer Höhe. Der Saldo aus dem Auszug des Service-Kontos für den Geschäftsführer N zum 31.12.2008, der auch diese Habenzinsen beinhaltet, iHv 7.164,87 €, findet sich in genau dieser Höhe in dem dem Geschäftsführer N zugeordneten Teil der Vermögensaufstellung per 31.12.2008 wieder (Bl. 109 R PA). Könnte es sich somit im Streitfall angesichts dessen zwar um eine Verzinsung zu einem Zinssatz von (geringfügig) „mehr als 0%“ handeln (BMF-Schreiben vom 26.05.2005 IV B 2-S 2175-7/05, BStBl I 2005, 699 in Rz. 13), ist andererseits aus den vorliegenden Unterlagen aber nicht direkt erkennbar, ob und wie der die Verzinsung beinhaltende Saldo des Servicekontos sich konkret auch auf dem Arbeitszeitkonto des jeweiligen Geschäftsführers wiederfindet.

54

Letztlich kann die Frage der Annahme einer Verzinslichkeit aus den o.g. Gründen aber offenbleiben.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

56

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen der Rechtsfrage zugelassen, ob in den Fällen der Vereinbarung von Arbeitszeit- oder Zeitwertkonten eine an der Anzahl der Gesellschafter-Geschäftsführer orientierte Differenzierung vorzunehmen ist.

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