Beschluss vom Landesarbeitsgericht Hamm - 7 TaBV 21/15
Tenor
1. Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 17.02.2015 – 1 BV 91/14 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2A.
3Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um einen Unterlassungsanspruch.
4Antragsteller ist der bei der Arbeitgeberin für deren Kliniken X und Q gewählte Betriebsrat; die Arbeitgeberin beschäftigt aktuell 267 Mitarbeiter. Die Arbeitgeberin ist tarifgebunden an einen mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Haustarifvertrag.
5Die Arbeitgeberin zahlte an ihre Beschäftigten bis zum 31.12.2013 bei 20-jähriger Betriebszugehörigkeit ein Jubiläumsgeld in Höhe von 2.556,45 €; nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit erhielten die Beschäftigten eine Armbanduhr. Die Arbeitgeberin hat sich dazu entschlossen, mit Wirkung ab 01.01.2014 diese Leistungen bei20-jährigem bzw. 10-jährigem Jubiläum, die tariflich nicht geregelt sind, ersatzlos einzustellen.
6Die Arbeitgeberin gewährt seit geraumer Zeit weitere tariflich nicht geregelte Leistungen an ihre Beschäftigten, so z.B. für Serviererinnen sogenannte Erschwernis- undLeitungszulagen sowie ein Reinigungsgeld, wobei der Betriebsrat den durch die Benennung der Zulagen beschriebenen Zweck teilweise in Frage stellt. Ebenso erhalten Ärzte individuell ausgehandelte Zulagen, die auf einer schwierigen Marktsituation im ärztlichen Bereich beruhen. Daneben erhielten Beschäftigte anlässlich der Geburt eines Kindes und der Eheschließung in der Vergangenheit kleinere Geschenke, die für das vorliegende Beschlussverfahren nach entsprechender Teilrücknahme des ursprünglich formulierten Antrags keine Rolle mehr spielen.
7Der Betriebsrat meint, die Arbeitgeberin habe gegen sein Mitbestimmungsrecht bei der Änderung betrieblicher Entlohnungsgrundsätze verstoßen, als sie die Leistungen für das 20- bzw. 10-jährige Jubiläum einstellte. Dem Betriebsrat sei zwar bewusst, dass grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung außertariflicher und damit freiwilliger Leistungen nicht bestehe; indessen habe die Arbeitgeberin nicht sämtliche freiwilligen Leistungen eingestellt, da sie – unstreitig – Zulagen an Serviererinnen, einen Mitarbeiter der Abteilung Diagnostik, für die stellvertretende Bereichsleitung Pflege und dergleichen sowie den Ärzten zahle. Damit stelle die Arbeitgeberin weiterhin einen sogenannten „Topf“ freiwilliger Leistungen bereit, den sie nur in Teilbereichen zusammenstreiche. Aus diesem Grunde habe sie – so hat der Betriebsrat erstinstanzlich beantragt – die Streichung der „Betriebszugehörigkeitsprämie“ nach 20 Jahren sowie die Streichung der Schenkung der Armbanduhr für ein 10-jähriges Jubiläum zu unterlassen und für das Jahr 2014 rückgängig zu machen. Letzteres stelle den zum Unterlassungsanspruch korrespondierenden Beseitigungsanspruch dar.
8Die Arbeitgeberin ist dem entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass die vollständige Einstellung freiwilliger Leistungen keiner Mitbestimmung des Betriebsrates unterfällt. Auch habe sie für freiwillige, weil außertarifliche Leistungen kein einheitliches Gesamtbudget zur Verfügung gestellt, sondern diese Leistungen jeweils zweckgebunden definiert. Damit würden die weiterhin gewährten Zulagen für bestimmte Bereiche, auch wenn deren Inhalt zwischen den Beteiligten nicht völlig unstreitig sei, für die Frage der Leistungen anlässlich eines Betriebsjubiläums keine Rolle spielen.
9Durch Beschluss vom 17.02.2015, dem Vertreter des Betriebsrates zugestellt am 03.03.2015, hat das Arbeitsgericht Minden die Anträge des Betriebsrates im Wesentlichem mit der Begründung abgewiesen, die vollständige Einstellung der freiwilligen Leistung „Jubiläumsgeld“ unterliege nicht seiner Mitbestimmung.
10Wegen der Einzelheiten der angegriffenen Entscheidung wird auf Bl. 35 ff. der Akte Bezug genommen.
11Hiergegen wendet sich der Betriebsrat mit der vorliegenden, am 27.03.2015 vorab per Telefax eingegangenen und mit Schriftsatz vom 13.04.2015, beim Landesarbeitsgericht am 15.04.2015 eingegangen, begründeten Beschwerde.
12Er trägt vor:
13Die Betriebszugehörigkeitsprämien seien Gegenleistungen für erbrachte Arbeitsleistung. Eine irgendwie geartete schriftliche Regelung existiere nicht, soweit der Betriebsrat wisse, auch nicht in den Arbeitsverträgen der Beschäftigten. Dementsprechend könne der Betriebsrat den Vortrag der Arbeitgeberin bestreiten, wonach die Betriebszugehörigkeitsprämien unabhängig davon seien, wie der Mitarbeiter eingruppiert sei und welches Entgelt er erhalte. Er gehe davon aus, dass die Prämie für 20-jährige Betriebszugehörigkeit an Teilzeitbeschäftigte jedenfalls entsprechend des Verhältnisses ihrer individuellen Arbeitszeit zur Vollzeitarbeit gezahlt worden sei. Der Arbeitgeber mag hier konkret vortragen. Damit bestreite der Betriebsrat aber auch, dass mit der Betriebszugehörigkeitsprämie eine besondere Betriebstreue des Arbeitnehmers belohnt werden solle.
14Auch zu den weiteren, nach wie vor gezahlten Zulagen existiere nichts Schriftliches. Dementsprechend könne der Betriebsrat den Vortrag der Arbeitgeberin über Sinn und Zweck dieser Zulagen nur mit Nichtwissen bestreiten. Damit gehe der Betriebsrat bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, dass die von der Arbeitgeberin nach wie vor gezahlten Zulagen Teile eines Gesamtbudgets sind.
15Letztendlich verweise der Betriebsrat auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Minden im Beschluss vom 01.04.2015 – 1 BV 37/15, in welchem das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle eingesetzt hat, da die Arbeitgeberin zwischenzeitlich die kostenfreie Mitarbeiterverpflegung für Mitarbeiter des Wirtschaftsdienstes teilweise eingestellt habe.
16Der Betriebsrat beantragt,
17den Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 17.02.2015 – 1 BV 91/14 – abzuändern und
181. der Arbeitgeberin aufzugeben, es unter Androhung eines angemessenen Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung künftig für die Dauer der Wirkung des (Haus-)Tarifvertrages Mantel vom 28.01.2009 mit der Gewerkschaft ver.di zu unterlassen, ohne Zustimmung des Betriebsrates oder ohne den die Zustimmung des Betriebsrates ersetzenden Spruch einer Einigungsstelle
19- nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit eines(-r) Mitarbeiter(-in) die Zahlung einer Betriebszugehörigkeitsprämie in Höhe von 2.556,45 € an diese(n) Mitarbeiter(-in) zu streichen;
20- nach 10 Jahren der Betriebszugehörigkeit eines(-r) Mitarbeiter(-in) die Übereignung einer Damenarmbanduhr an weibliche Beschäftigte bzw. die Übereignung einer Herrenarmbanduhr an männliche Beschäftigte zu streichen;
212. der Arbeitgeberin aufzugeben, die seit dem 01.01.2014
22- unterlassene Zahlung einer Betriebszugehörigkeitsprämie in Höhe von 2.556,45 € nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit;
23- unterlassene Übereignung einer Damenarmbanduhr an weibliche Beschäftigte bzw. die Übereignung einer Herrenarmbanduhr an männliche Beschäftigte nach 10 Jahren der Betriebszugehörigkeit
24rückgängig zu machen.
25Die Arbeitgeberin beantragt,
26die Beschwerde zurückzuweisen.
27Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung als zutreffend und weist auch im Beschwerdeverfahren ausdrücklich unter Beweisantritt darauf hin, dass das Jubiläumsgeld an alle Beschäftigten in gleicher Höhe ausgezahlt worden sei, unabhängig davon, ob sie als Teilzeit- oder Vollzeitkraft tätig gewesen seien. Es handele sich um keine Gegenleistung für die von den Beschäftigten erbrachten Arbeiten, sondern um eine reine Honorierung der Betriebstreue.
28Damit habe das Jubiläumsgeld eine vollständig andere Zweckbindung als sämtliche gezahlten Zulagen, so dass schon deshalb die Annahme ausscheide, es handele sich bei sämtlichen übertariflichen, freiwilligen Leistungen der Arbeitgeberin um ein sogenanntes einheitliches Gesamtbudget.
29Darüber hinaus könne sich der Betriebsrat nicht darauf zurückziehen, dass er die Angaben der Arbeitgeberin bestreite.
30Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.
31B.
32I. Die Beschwerde des Betriebsrates ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden gemäß §§ 87 Abs. i.V.m. § 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO.
33II. Die Beschwerde des Betriebsrates ist nicht begründet, da das Arbeitsgericht zu Recht erkannt hat, dass dem Betriebsrat bei der Streichung des „Jubiläumsgeldes“ nach 20- bzw. 10-jähriger Betriebszugehörigkeit ein Mitbestimmungsrecht nicht zusteht.
341. Der Antrag des Betriebsrates ist zulässig.
35Der Betriebsrat verfolgt sein Begehren zu Recht im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, da es sich bei der Frage der Unterlassung eines vermeintlich mitbestimmungswidrigen Verhaltens wegen eines Verstoßes gegen § 87 Abs. 1 BetrVG um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz handelt.
362. Der Antrag des Betriebsrates ist indessen nicht begründet.
37Dem Betriebsrat steht ein Mitbestimmungsrecht bei der Streichung der aus demTenor ersichtlichen Leistungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (Fragen der betrieblichen Lohngestaltung) nicht zu.
38a. Allerdings weist der Betriebsrat zutreffend darauf hin, dass ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil es sich im weitesten Sinne um Entgeltleistungen handelt mit der Folge, dass grundsätzlich auch die betriebliche Lohngestaltung betroffen sein kann. Insoweit ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass es sich um eine außertarifliche und damit freiwillige Leistung der Arbeitgeberin gehandelt hat mit der Folge, dass weder ein Tarifvorrang im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 1 Eingangssatz BetrVG besteht, noch dass der Grundsatz des § 77 Abs. 3 BetrVG, wonach Arbeitsentgelte grundsätzlich nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können, entgegensteht. Denn die Mitbestimmung des Betriebsrates bei freiwilligen Leistungen bezieht sich weder auf die Höhe der Leistungen, noch auf deren Zweck, sondern allein auf die Verteilungsgrundsätze, sofern es eine gleichmäßige Verteilung der freiwilligen Leistung nicht gibt, sondern die Arbeitgeberin Differenzierungskriterien anwendet (vgl. z.B. BAG, Beschluss vom 03.12.1991, GS 2/90, Beschluss vom 28.02.2006, 1 ABR 4/05 jeweils m.w.N.).
39b. Ebenso gehen die Beteiligten zutreffend und übereinstimmend davon aus, dass bei der vollständigen Einstellung freiwilliger Leistungen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht besteht, da die Arbeitgeberin über § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht zur Zahlung bestimmter Entgelte „gezwungen“ werden kann (BAG, Beschluss vom 28.02.2006, aaO., juris Rdnr. 21 bb)).
40c. So liegt der Fall hier, als sich die Arbeitgeberin nämlich entschlossen hat, die Zahlung der Jubiläumsgelder mit Wirkung zum 01.01.2014 vollständig einzustellen. Entgegen der Auffassung des Betriebsrates handelt es sich hierbei um die vollständige Einstellung einer freiwilligen Leistung und nicht um eine anteilige Kürzung von freiwilligen Leistungen, die innerhalb eines einheitlichen Gesamtbudgets zu sehen wären mit der Folge, dass sich nur Verteilungsgrundsätze ändern würden. Die Beschwerdekammer folgt dabei vollinhaltlich den zutreffenden Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 23.01.2008, 1 ABR 82/06 (juris), wonach ein einheitliches Gesamtbudget für freiwillige Leistungen nur angenommen werden kann, wenn sämtliche Leistungen unaufgegliedert zur Verfügung gestellt werden und die Verteilung nur anhand eines einheitlichen Leistungsplanes möglich wäre. Einer solchen Annahme steht bereits entgegen, dass die Arbeitgeberin – ohne dass es einer detaillierten Aufklärung der Zweckbindung der Leistungen im Einzelnen bedurfte – diese Leistungen z.B. im Bereich der Serviererinnen, der Ärzte usw. als Zulagen bzw. Zuschläge für das monatliche Arbeitsentgelt leistet, was bereits einen einheitlichen Leistungsplan unter Einbeziehung eines Jubiläumsgeldes für 10- und 20-jährige Betriebszugehörigkeit ausschließt.
41Darüber hinaus hatte die Beschwerdekammer den Sachvortrag der Arbeitgeberin zugrunde zu legen, wonach die Zahlung des Jubiläumsgeldes an keine weiteren Voraussetzungen gebunden ist als die tatsächliche Betriebszugehörigkeit. Zwar hat sich der Betriebsrat darauf zurückgezogen, dass er diese Angaben mit Nichtwissen bestreiten könne; allerdings beschreibt § 83 Abs. 1 ArbGG neben dem sogenannten Amtsermittlungsgrundsatz in dessen Satz 1 zugleich auch (Satz 2), dass die am Verfahren Beteiligten an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken haben. Damit beschreibt das ArbGG in § 83 letztendlich eine sogenannte Feststellungslast, die denjenigen trifft, für den die in Anspruch genommene Rechtsfolge günstig ist (vgl. Germelmann u.a., ArbGG 13. Aufl., § 83 Rdnr. 94 m.w.N.; Richardi, BetrVG/Thüsing, § 99 Rdnr. 288).
42So war der Betriebsrat durch das ihm gesetzlich gewährte Recht auf Einsichtnahme in die Bruttolohn- und Gehaltslisten nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG in der Lage, den Sachvortrag der Arbeitgeberin, das Jubiläumsgeld werde der Höhe nach unabhängig von der wöchentlichen Arbeitszeit erbracht, zu hinterfragen und zu überprüfen.
43Abgesehen davon ist dem Sachvortrag des Betriebsrates nicht zu entnehmen, dass der Zweck der von der Arbeitgeberin weiterhin gewährten freiwilligen Zulagen allein in der Honorierung bereits erbrachter Betriebstreue liegt; im Gegenteil: hinsichtlich der an die Ärzte gewährten Zulagen ist zwischen den Beteiligten sogar unstreitig, dass diese aufgrund der schwierigen Marktsituation im ärztlichen Beruf gewährt werden.
44Steht damit aber fest, dass der Zweck der übrigen freiwilligen Leistungen der Arbeitgeberin ein anderer ist als der, den sie in der Vergangenheit der Zahlung des Jubiläumsgeldes zugrunde gelegt hat, scheidet ein „einheitlicher Topf“ übertariflicher, freiwilliger Leistungen aus.
45Nach alledem konnte die Beschwerde des Betriebsrates keinen Erfolg haben.
46III. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne des § 92 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG lagen nicht vor.
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Referenzen
- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 1x
- ArbGG § 2a Zuständigkeit im Beschlußverfahren 1x
- BetrVG § 87 Mitbestimmungsrechte 4x
- BetrVG § 77 Durchführung gemeinsamer Beschlüsse, Betriebsvereinbarungen 1x
- ArbGG § 83 Verfahren 1x
- BetrVG § 80 Allgemeine Aufgaben 1x
- ArbGG § 72 Grundsatz 1x
- 1 BV 91/14 2x (nicht zugeordnet)
- 1 BV 37/15 1x (nicht zugeordnet)
- 1 ABR 4/05 1x (nicht zugeordnet)
- 1 ABR 82/06 1x (nicht zugeordnet)