Beschluss vom Landesarbeitsgericht Köln - 8 Ta 103/19
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 20.02.2019 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
1
G r ü n d e
2Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 20.06.2019 nebst Nichtabhilfebeschluss vom 23.05.2019 ist unbegründet.
31. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss setzt die rechtskräftige Kostenentscheidung des BAG aus dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren 7 AZN 437/17 um. Er bezieht sich auf denjenigen Teil der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, der beim BAG erfolglos geblieben ist. Das Bundesarbeitsgericht hat den Gegenstandswert der gesamten Nichtzulassungsbeschwerde mit 15.976,06 € ermittelt. Im Umfang eines Teilstreitwerts von 3.536,06 € wurde die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurückgewiesen. Das BAG hat deswegen die nach einem Gegenstandswert von 15.976,06 € bemessenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten im erstattungsfähigen Umfang zu 22,13 % dem Kläger auferlegt. Nur im Übrigen hatte die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als Gehörsrüge Erfolg und wurde dieser Teil des Rechtsstreits an das LAG Köln zurückverwiesen. Derjenige Teil des Rechtsstreits in der Hauptsache, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg hatte, und die hierzu getroffene Kostenentscheidung des BAG waren somit nicht Bestandteil der Zurückverweisung und waren mit dem Beschluss vom 25.10.2017 rechtskräftig im Sinne der damals angegriffenen Vorentscheidung. Nur derjenige Teil der Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, der von der Kostenentscheidung des BAG nicht umfasst wurde, stand aufgrund der Zurückverweisung noch zur Entscheidung durch das LAG offen.
42. Die Höhe der auf die Kostenentscheidung des BAG vom 25.10.2017 entfallenden, vom Arbeitsgericht festgesetzten Kosten ist nicht streitig.
53. Entgegen der Auffassung des Klägers steht der von der Beklagten begehrten Kostenfestsetzung auch der auf Vorschlag des Berufungsgerichts von den Parteien abgeschlossene verfahrensbeendende Vergleich vom 02.08.2018 nicht entgegen.
6a. Nach der Rechtsprechung des BAG sind materiell-rechtliche Einwendungen gegen einen Kostenerstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, sondern vorrangig im Wege einer Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (BAG vom 30.06.2015, 10 AZB 17/15, juris, LS 1 und Rn.8). Zur Begründung führt das BAG aus, das Kostenfestsetzungsverfahren sei auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und aus diesem Grund auf den Rechtspfleger übertragen. Die Klärung von zwischen den Parteien streitigen komplizierten Rechtsfragen sei im Kostenfestsetzungsverfahren nicht vorgesehen (BAG, a.a.O., m.w.N.).
7b. Bei dem Einwand des Klägers, der zu seinen Lasten bestehende Kostenerstattungsanspruch der Beklagten aus dem rechtskräftigen Beschluss des BAG vom 25.10.2017 sei durch die umfassende Ausgleichsklausel in Ziffer 5. des Vergleichs vom 02.08.2018 untergegangen, handelt es sich um eine materiell-rechtliche Einwendung. Auch in dem vom BAG entschiedenen Fall ging es darum, ob ein rechtskräftiger Kostenerstattungsanspruch aus einem Vorprozess durch die Ausgleichsklausel („Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind alle wechselseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt, abgegolten und erledigt. Erledigt ist auch der vorliegende Rechtsstreit.“) untergegangen ist, die in einem Vergleich enthalten war, den die Parteien in einem Folgeprozess abgeschlossen hatten. Zwar hat das BAG anerkannt, dass es ausnahmsweise aus verfahrensökonomischen Gründen angezeigt sein kann, den Kostenerstattungsschuldner nicht auf eine Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, wenn es um materiell-rechtliche Einwendungen geht, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen (BAG, a.a.O., juris LS 2 und Rn.9). In dem von ihm entschiedenen Fall hat es eine solche Ausnahme wegen des umfassenden Streits der Parteien um die richtige Auslegung des Vergleichs aber verneint (a.a.O. Rn. 10 ff.).
84. Es kann dahingestellt bleiben, ob der sich auf die Ausgleichsklausel im Vergleich vom 02.08.2018 beziehende Einwand des Klägers im vorliegenden Fall ausnahmsweise schon im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden kann, etwa weil hier der Vergleich in demselben Rechtsstreit abgeschlossen wurde, aus dem auch die vorangegangene rechtskräftige Teilkostenentscheidung stammt, und weil der Vergleich vom 02.08.2018 neben der Ausgleichsklausel in Ziffer 5. auch eine separate Kostenentscheidung in Ziffer 8. enthielt. Das Arbeitsgericht hat den Vergleich vom 02.08.2018 nämlich zur Überzeugung des Beschwerdegerichts im Ergebnis zutreffend ausgelegt und den Einwand des Klägers gegen die beantragte K0stenfestsetzung zurecht zurückgewiesen.
9a. Die in Ziffer 5. des Vergleichs enthaltene Ausgleichsklausel lautet: „Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind endgültig alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung, seien sie materieller oder immaterieller Art, ausgeglichen.“
10b. Es trifft zwar zu und kommt nicht zuletzt in der Regelung der Ziffer 5. des Vergleichs zum Ausdruck, dass die Parteien mit dem Abschluss des Vergleichs vom 02.08.2018 einen endgültigen Schlussstrich unter ihre zuvor über mehrere Jahre hinweg ausgetragenen umfassenden und teilweise auch komplizierten Auseinandersetzungen über die Rechte und Pflichten ihres Arbeitsverhältnisses beilegen wollten. Bei dem vorliegend noch in Rede stehenden Kostenfestsetzungsanspruch der Beklagten handelt es sich aber nicht um einen solchen „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis“ oder „aus Anlass seiner Beendigung“. Der streitige Kostenerstattungsanspruch der Beklagten hat seinen Ursprung nicht in dem ehemaligen Arbeitsverhältnis der Parteien, sondern ausschließlich in dem erst durch den vorliegenden Rechtsstreit begründeten Prozessrechtsverhältnis.
11c. Hinzu kommt, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs vom 02.08.2018 der hier in Rede stehende Kostenerstattungsanspruch aus der Entscheidung des BAG vom 25.10.2017 bereits jeglichem Streit der Parteien entzogen war, weil hierüber schon eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung vorlag.
12d. Auch nach der Systematik des Vergleichs vom 02.08.2018 selbst erscheint es ausgeschlossen, dass sich die in Ziffer 5. enthaltene Regelung auch auf die Kosten des Rechtsstreits selber und etwaige damit zusammenhängende Kostenerstattungsansprüche der Parteien beziehen sollte; denn ansonsten wäre die in Ziffer 8. des Vergleichs enthaltene Regelung („Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben“) überflüssig und gegenstandslos. Ziffer 8. des Vergleichs ist vielmehr als lex specialis für die Frage zu verstehen, wer nach dem Willen der vergleichsschließenden Parteien die Kosten des Rechtsstreits tragen soll.
13e. Beenden die Parteien einen Zivil- oder Arbeitsrechtsstreit durch Vergleich, findet grundsätzlich § 98 ZPO Anwendung. Hiernach sind die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs als gegeneinander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben. Gemäß § 98 Satz 2 ZPO gilt das Gleiche von den Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits, soweit nicht über sie bereits rechtskräftig erkannt ist. Nach § 98 Satz 2 ZPO berührt die in Ziffer 8 des Vergleichs getroffene Kostenvereinbarung somit den vorliegend in Rede stehenden Kostenerstattungsanspruch der Beklagten nicht, denn über diesen war ja bereits durch die Entscheidung des BAG vom 25.10.2017 lange vor Abschluss des Vergleichs rechtskräftig entschieden worden. § 98 Satz 2 ZPO verdeutlicht, dass sich Kostenvereinbarungen in einem prozessbeendenden Vergleich grundsätzlich nur auf diejenigen Kosten des Rechtsstreits beziehen, die im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch zur Disposition stehen, weil eine rechtskräftige Entscheidung über sie noch nicht vorliegt.
14f. Allerdings ist dem Kläger einzuräumen, dass es den Parteien nicht verboten ist, auch eine bereits rechtskräftige Kostenentscheidung nachträglich durch Vereinbarung einvernehmlich inhaltlich abzuändern.
15aa. Die Kostenregelung in Ziffer 8. des Vergleichs bedarf insoweit einer Auslegung. Dafür, dass die Parteien abweichend von § 98 Satz 2 ZPO und abweichend vom Normalfall sogar in die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung eingreifen und eine bereits bestandskräftig ihrem Streit entzogene Frage abweichend anders regeln wollten, bedarf es eindeutiger und unmissverständlicher Anhaltspunkte. Im Regelfall wird eine so weit reichende, in die Rechtskraft eingreifende Vereinbarung der Parteien nur angenommen werden können, wenn sie ausdrücklich getroffen wird. Zumindest müssen eindeutige und unmissverständliche Anhaltspunkte für einen entsprechenden Regelungswillen erkennbar sein (sinngemäß wie hier: BGH vom 14.02.2017, NJW 2017, 1887 f.; OLG Nürnberg vom 03.11.2009, MDR 2010, 45 f.; Zöller/Herget, ZPO, 30. Auflage, § 104 Rn. 21, Stichwort Prozessvergleich e).
16bb. Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Parteien mit der in Ziffer 8. des Vergleichs vom 02.08.2018 enthaltenen Regelung den bereits rechtskräftig entstandenen Kostenerstattungsanspruch der Beklagten aus dem Beschluss des BAG vom 25.10.2017, betreffend einen Teil der Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, wieder aufheben wollten. Die Formulierung in Ziffer 8. des Vergleichs ist vielmehr lediglich so zu verstehen, dass § 98 ZPO zur Anwendung kommen soll. Gerade in einem Rechtsstreit wie dem vorliegenden, in dem auch im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch eine Vielzahl streitiger Anträge anhängig war, erscheint eine solche Bezugnahme auf § 98 ZPO auch sinnvoll im Sinne einer Absage an eine quotale Kostenverteilung, die sich etwa am mutmaßlichen Obsiegen und Verlieren der Parteien im Falle einer streitigen Endentscheidung hätte orientieren können.
17cc. Auch der Umstand, dass die Parteien mit Ziffer 5. des Vergleichs einen endgültigen und umfassenden Schlussstrich unter ihre Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis ziehen wollten, kann zu keiner anderen Auslegung von Ziffer 8. des Vergleichs führen; denn sie lässt, wie bereits ausgeführt, keinen Bezug zur Regelung der Kosten des Rechtsstreits erkennen, erst recht nicht zu einer solchen Regelung, die bereits rechtskräftig dem Streit der Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses entzogen war.
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Referenzen
- ZPO § 98 Vergleichskosten 7x
- 7 AZN 437/17 1x (nicht zugeordnet)
- 10 AZB 17/15 1x (nicht zugeordnet)