Beschluss vom Landesarbeitsgericht Köln - 9 Ta 46/20
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 24.01.2020 – 2 Ca 8214/19 – wird kostenpflichtig (KV 8614 GKG) als unbegründet zurückgewiesen.
1
G r ü n d e
2I.
3Mit seiner am 17.12.2019 bei dem Arbeitsgericht Köln eingereichten und der Beklagten am 30.12.2019 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen eine fristlose Kündigung seines Berufsausbildungsverhältnisses gewandt und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Zugleich hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. In dem von ihm ebenfalls eingeleiteten Schlichtungsverfahren vor der Industrie- und Handelskammer zu Köln einigten sich die Parteien am 22.01.2020 darauf, dass die Kündigung gegenstandslos ist und dass das Ausbildungsverhältnis unverändert fortbesteht. Ferner trafen die Parteien Regelungen dazu, wie sich der Kläger im weiteren Ausbildungszeitraum zu verhalten hat. Im Anschluss daran erkannte die Beklagte die Klageansprüche im vorliegenden Rechtsstreit an, woraufhin am 24.01.2020 ein Anerkenntnisurteil erging. Mit Beschluss vom selben Tag wies das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurück, weil die vor Anrufung des Schlichtungsausschusses eingereichte Klage unzulässig sei. Gegen diesen, ihm am 30.01.2020 zugestellten Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner am 28.02.2020 eingelegten Beschwerde. Er begründet die Erfolgsaussicht der Klage mit dem Umstand, dass die Beklagte ein Anerkenntnis erklärt habe.
4II.
5Die sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet.
61.) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht iSd. § 114 Abs. 1 ZPO abgelehnt.
7a) Denn der Klage war nicht die nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG erforderliche Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuss der Industrie- und Handelskammer vorausgegangen. Kündigungsschutzverfahren und Schlichtungsverfahren waren vielmehr beide gleichzeitig anhängig.
8aa) Die vorherige Anrufung des Schlichtungsausschusses ist aber nach allgemeiner Auffassung Prozessvoraussetzung für die Klage (vgl. Schwab/Weth, ArbGG, 5. Aufl. 2018, § 111 ArbGG, Rn. 5). Dies gilt auch dann, wenn über die Wirksamkeit einer Kündigung und damit über das Bestehen des Berufsausbildungsverhältnisses selbst gestritten wird, (BAG, Urteil vom 18. September 1975 – 2 AZR 602/74 –, BAGE 27, 279-284, Rn. 8). Denn das Gebot, vor Inanspruchnahme des Arbeitsgerichts den Ausschuss anzurufen, hat seinen Grund in der Rücksichtnahme auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Ausbildendem und Auszubildendem. Um dieses Verhältnis zu schützen und zu erhalten, sollen Streitigkeiten vor paritätisch zusammengesetzten Ausschüssen beigelegt werden. Ziel der Regelung ist es, nach Möglichkeit zu vermeiden, dass die Parteien des Berufsausbildungsvertrages sich als Prozessparteien streitend vor dem Gericht gegenüber stehen, solange Ungewissheit über die rechtswirksame Beendigung besteht. Allein die tatsächliche Beendigung kann daher für die Frage der Zuständigkeit des Ausschusses nicht entscheidend sein (BAG, Urteil vom 18. September 1975 – 2 AZR 602/74 –, BAGE 27, 279-284, Rn. 10).
9bb) Das vorangegangene Schlichtungsverfahren ist keine die Zulässigkeit der Klage betreffende verzichtbare Rüge, sondern eine zwingende Prozessvoraussetzung (BAG, Urteil vom 13. April 1989 – 2 AZR 441/88 –, BAGE 61, 258-273, Rn. 35), für deren Erfüllung auch aus Gründen der Fristwahrung keine Ausnahme zu machen ist. Denn die Klage zum Arbeitsgericht muss erst nach erfolgloser Durchführung des Schlichtungsverfahrens innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG Klage erhoben werden (LAG Köln, Beschluss vom 8. Januar 2015 – 11 Ta 169/14 –, Rn. 4, juris; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20. Januar 2009 – 1 Ta 206/08 –, Rn. 11, juris).
10b) Der Umstand, dass der vorliegende Rechtsstreit mit Abschluss des Schlichtungsverfahrens noch nicht beendet war, ändert an der Unzulässigkeit der Klage nichts. Zwar ist das Prozesshindernis nach Durchführung der Schlichtungsverhandlung und mit Abschluss des Vergleichs weggefallen. Es bestand jedoch kein Rechtsschutzbedürfnis für die weitere Durchführung des vorliegenden Rechtsstreits. Denn beide Parteien hatten ihre Auseinandersetzung sowohl bezüglich der Kündigung als auch hinsichtlich der Weiterbeschäftigung verbindlich beendet. Insoweit ist unerheblich, dass sich der Kläger nicht zur Rücknahme der Klage verpflichtet hatte, dass die Beklagte die Klageansprüche anerkannt hat und dass ein Anerkenntnisurteil ergangen ist, in dem die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt worden sind. Zwar ist ein Anerkenntnisurteil als Sachurteil davon abhängig, dass die Prozessvoraussetzungen gegeben sind. Insoweit obliegt dem Gericht von Amts wegen eine Prüfungspflicht mit der Folge, dass es eine unzulässige Klage durch Prozessurteil abweisen muss (BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – XI ZB 15/09 –, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 20. März 2001 – VI ZR 325/99 –, Rn. 8, juris). Durch den Erlass des Anerkenntnisurteils hat sich das Arbeitsgericht gleichwohl nicht in Widerspruch zu seiner Ablehnung der Prozesskostenhilfebewilligung gesetzt. Denn eine Ausnahme ist hinsichtlich derjenigen Rechtsschutzvoraussetzungen zu machen, die, wie das Rechtsschutzbedürfnis, wegen ihres besonderen Charakters als „bedingte Sachurteilsvoraussetzungen“ anzusehen sind. Vor Erlass eines Anerkenntnisurteils muss das Gericht diese Voraussetzungen nicht prüfen, wenn die beklagte Partei nicht ausdrücklich eine Prüfung dadurch verlangt hatte, dass sie ihr Anerkenntnis von der Erfüllung dieser Voraussetzungen abhängig macht (MüKoZPO/Musielak, 5. Aufl. 2016, § 307 ZPO, Rn. 22; so auch LAG Hamm, Urteil vom 16. November 2004 – 12 Sa 1045/04 –, Rn. 52, juris). Das hatte die Beklagte nicht getan.
112.) Jedenfalls ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch deswegen ausgeschlossen, weil für eine Partei, die nicht bereits ein Kündigungsschutzverfahren anhängig gemacht hatte, keine Veranlassung bestanden hätte, nach Abschluss des Schlichtungsverfahrens eine Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsklage zu erheben. Vielmehr wäre eine solche Klage ohne weiteres mutwillig iSd. § 114 Abs. 2 ZPO gewesen. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen kann deshalb für eine Klage, die bereits vorher anhängig gemacht worden war, nicht anderes gelten.
12III.
13Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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Referenzen
- VI ZR 325/99 1x (nicht zugeordnet)
- 2 AZR 602/74 2x (nicht zugeordnet)
- 1 Ta 206/08 1x (nicht zugeordnet)
- 11 Ta 169/14 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 307 Anerkenntnis 1x
- 2 AZR 441/88 1x (nicht zugeordnet)
- 12 Sa 1045/04 1x (nicht zugeordnet)
- XI ZB 15/09 1x (nicht zugeordnet)