Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (5. Kammer) - 5 Sa 139/11

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung des Klägers an eine andere Schule.

2

Der 1967 geborene Kläger ist seit 1994 im Schuldienst des beklagten Landes tätig. Er besitzt die Lehrbefähigung für das Lehramt an Gymnasien in den Fächern Mathematik, Physik und Informatik. Stammdienststelle des Klägers ist das Greifen-Gymnasium in U..

3

Bereits im Schuljahr 2008/2009 wurde der Kläger ohne seine Zustimmung an die Regionale Schule L. für ein Schuljahr abgeordnet. Gegen diese Maßnahme hatte sich der Kläger gerichtlich zur Wehr gesetzt. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten die Abordnung für unwirksam angesehen, weil sie den Anspruch des Klägers auf vertragsgemäße Beschäftigung verletzt habe (LAG Mecklenburg-Vorpommern 20. April 2010 – 5 Sa 214/09 -). Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Urteil aufgehoben und die gegen die Abordnung erhobene Klage abgewiesen (BAG 17. August 2011 – 10 AZR 322/10 – NZA-RR 2012, 106).

4

Auch für das Schuljahr 2009/2010 ist das zuständige Schulamt in N. von einem fortbestehenden Überhang an Lehrkräften für das Fach Mathematik am Greifen-Gymnasium in U. ausgegangen. Diesen hat das beklagte Land mit 54 Unterrichtswochenstunden beziffert und hat deshalb die Versetzung bzw. Abordnung von vier Lehrkräften vorgesehen. Da der Kläger im Schuljahr zuvor bereits abgeordnet war, sollte er an sich nicht versetzt werden. Dies hätte aber zur Folge gehabt, dass die Ehefrau des Klägers, die auch als Lehrkraft am Greifen-Gymnasium in U. tätig ist, als nächstes für eine Versetzung in Betracht gekommen wäre. Um dies zu vermeiden, hat sich der Kläger mit einer Versetzung einverstanden erklärt, hat dazu aber einen Vorbehalt in Hinblick auf die benötigten Lehrkräfte im Fach Informatik gemacht (wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 3 zur Klageschrift, hier Blatt 31 Bezug genommen), wobei die Parteien streiten, ob der Vorbehaltsfall eingetreten ist oder nicht.

5

Das Ziel der Versetzung sollte die Kooperative Gesamtschule (KGS) in F. sein. Denn dort war ein zusätzlicher Unterrichtsbedarf entstanden, weil der Kollege Herr H. an die KGS A. versetzt wurde. Diese Maßnahme wiederum war erforderlich geworden, da die dort tätige Kollegin Frau C. an eine Regionale Schule mit Grundschule in D. versetzt werden sollte, um einen dort bestehenden Unterrichtsbedarf abzudecken. Diese Kettenversetzung war so geplant worden, weil eine direkte Versetzung von der klägerischen Schule an die Schule mit dem Bedarf in D. wegen der Entfernung der beiden Schulen vom Schulamt als unzumutbar angesehen wurde.

6

Die geplante Kettenversetzung ist letztlich wegen veränderter anderer Umstände nicht durchgeführt worden. Denn eine weitere Mathematiklehrerin an der KGS A., Frau B., ist auf ihren Wunsch hin am 8. Juli 2009 für ein Jahr beurlaubt worden. Damit konnte diese Schule trotz der Verstärkung durch den Kollegen aus F. keine Lehrkraft mehr nach D. abgeben. Letztlich wurde das in D. bestehende Problem dann mit einer Aufstockung der Teilzeitquoten der dort beschäftigten Kollegen gelöst. Da aber der Kollege aus F. tatsächlich nach A. versetzt wurde, hat das Schulamt auch an der Versetzungsmaßnahme gegenüber dem Kläger festgehalten.

7

Mit Schreiben vom 20. Juli 2009 hat das Schulamt N. daher bei dem Lehrerbezirkspersonalrat die Zustimmung zur Versetzung des Klägers zum Schuljahr 2009/2010 vom Gymnasium U. an die KGS F. unter Bezugnahme auf die von dem Kläger abgegebene Bereitschaftserklärung beantragt. Zur Begründung ist dort unter anderem ausgeführt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage B 8 überreichte Kopie, hier Blatt 90 f Bezug genommen):

8

„… das Gymnasium in U. hat zum Schuljahr 2009/2010 einen Überhang von insgesamt 54 Stunden im Fach Mathematik angezeigt. Durch die Regionale Schule mit Grundschule in D. wurde ein Bedarf für dieses Fach gemeldet. Aufgrund unzumutbarer Entfernung ist eine direkte Versetzung nicht möglich. Daher ist es erforderlich, Zwischenstationen einzurichten. Unter Berücksichtigung zumutbarer Fahrwege muss eine Überhangstelle des Gymnasiums U. über die KGS F. und weiter über die KGS A. an die Regionale Schule mit Grundschule in D. versetzt werden.“

9

Am 23. Juli 2009 hat der Bezirkspersonalrat auf dem Beteiligungsschreiben (hier Blatt 90 f) die im Stile eines Formulars dort vorgesehenen Antwortmöglichkeiten des Bezirkspersonalrats „Ablehnung/Zustimmung“ durchgestrichen und darüber handschriftlich das Wort „Verfristung“ eingefügt. Das Schulamt hat darin eine abschließende Stellungnahme des Bezirkspersonalrats gesehen und hat daher mit Schreiben vom 24. Juli 2009 (Kopie hier Blatt 35), das dem Kläger zeitnah zuging, die Versetzung des Klägers an die KGS F. verfügt.

10

Mit seiner im September 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wehrt sich der Kläger gegen die Versetzung und verlangt die Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzungsverfügung.

11

Das Arbeitsgericht Neubrandenburg hat der Klage mit dem Urteil vom 6. April 2011 in vollem Umfang entsprochen und bei einer Wertfestsetzung in Höhe von knapp unter 3.000,00 Euro in der Hauptsache wie folgt tenoriert.

12

„Es wird festgestellt, dass die Versetzung des Klägers vom Greifen-Gymnasium in U. an die Kooperative Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe in F. vom 24.07.2009 unwirksam ist.“

13

Das Arbeitsgericht hat angenommen, der dienstliche Anlass für die Versetzungsmaßnahme sei nicht hinreichend dargelegt. Außerdem sei die Maßnahme unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Ihm sei als Grund für die Versetzung ein falscher Sachverhalt mitgeteilt worden. Außerdem habe die Dienststelle ohne Vorliegen einer tatsächlichen oder gesetzlich fingierten Zustimmung des Gremiums die Versetzung verfügt. – Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

14

Mit seiner Berufung verfolgt das beklagte Land unverändert das Ziel der vollständigen Abweisung der Klage.

15

Das beklagte Land geht nach wie vor davon aus, dass es einen ausreichenden dienstlichen Anlass für die Personalmaßnahme gibt. Dazu behauptet das beklagte Land, am Greifen-Gymnasium in U. habe man im Planungsvorlauf für das Schuljahr 2009/2010 tatsächlich von einem Überhang an Mathematiklehrern im Umfang von 54 Unterrichtswochenstunden ausgehen müssen. Dies könne durch den Schulleiter und den Schulrat bezeugt werden. Auch wenn man das Problem in D., das ursprünglich Anlass für die Personalmaßnahme gewesen sei, letztlich anders gelöst habe, sei die Versetzung sinnvoll geblieben, da durch die Beurlaubung der Kollegin Frau B. in A. dort eine Lücke entstanden sei, die man habe schließen müssen.

16

Der Schulrat habe die Versetzung auch schon mit dem Schreiben vom 24. September 2009 verfügen dürfen, da zu diesem Zeitpunkt das Verfahren zur Beteiligung des Bezirkspersonalrats bereits abgeschlossen gewesen sei. Der handschriftliche Vermerk des Bezirkspersonalrats auf dem Anschreiben zur Beteiligung sei so zu verstehen, dass dieser in der Sache keine weitere Stellungnahme mehr abgeben wolle. Das sei eine übliche und eingespielte Verfahrensweise. Daher sei es eine überflüssige Förmelei, wenn man das beklagte Land zwingen wolle, auch noch den Ablauf der gesetzlichen Frist für das Eintreten der Zustimmungsfiktion abzuwarten, bevor man die Personalmaßnahme aussprechen dürfe.

17

Der Schulrat habe den Bezirkspersonalrat auch ordnungsgemäß über die Gründe der geplanten Maßnahme unterrichtet. Es sei zwar einzuräumen, dass das Anhörungsschreiben insoweit einen veralteten Planungsstand wiedergebe, als dort noch von der Kettenversetzung von U. über mehrere Zwischenstationen bis nach D. die Rede sei. Das sei aber unschädlich, da der Vorsitzende des Bezirkspersonalrats Lehrer an der Schule in A. sei und er aus dieser Stellung heraus Kenntnis der Beurlaubung der Kollegin Frau B. gehabt habe.

18

Das beklagte Land beantragt,

19

die Klage unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils abzuweisen.

20

Der Kläger beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Nach wie vor bestreitet der Kläger, dass überhaupt ein dienstlicher Anlass bestanden habe, Mathematiklehrer vom Greifen-Gymnasium an andere Schulen zu versetzen. Außerdem seien ja bereits drei Kollegen und Kolleginnen abgeordnet oder versetzt worden und für eine vierte Personalmaßnahme lasse sich ein dienstlicher Anlass schon gleich gar nicht begründen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24

Die Berufung, die keinen formellen Bedenken begegnet, ist nicht begründet.

I.

25

Der Kläger hat sein Recht, sich gegen die Versetzung zu wehren, nicht durch sein Einverständnis mit der Versetzung, die er zum Schutz seiner Ehefrau abgegeben hat, verloren. Denn die Maßnahme des beklagten Landes ist nicht im Wege der einvernehmlichen Vertragsänderung erfolgt, sondern durch Ausübung des Direktionsrechts. Als einseitige Direktionsmaßnahme kann die Versetzung gerichtlich überprüft werden.

26

Aus dem Schreiben des Klägers, das er hier als Anlage K3 (Blatt 31) zur Akte gereicht hat (das dort ausgewiesene Datum „ 31. August 2009“ ist wohl dem nochmaligen Ausdruck der Datei an diesem Tag geschuldet, zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger seine Versetzungsbereitschaft schon im Juli 2009 angezeigt hatte), lässt sich nicht ein rechtsgeschäftlich verbindliches Einverständnis mit einer vertraglichen Abänderung des Arbeitsvertrages der Parteien ablesen. Der Kläger selbst redet von einer „Bereitschaftserklärung“, die daher allenfalls den Status einer invitatio-ad-offerendum haben kann. Da auch der vom Kläger in dem Anschreiben gemachte Vorbehalt nicht vor Ausspruch der Versetzungsverfügung abgearbeitet wurde, kann letztlich nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger und das beklagte Land sich einvernehmlich auf eine Versetzung nach F. geeinigt haben.

II.

27

Zutreffend hat das Arbeitsgericht auf dem Standpunkt beharrt, dass bereits der dienstliche Anlass für die streitige Versetzungsmaßnahme nicht substantiiert dargelegt sei.

28

Das hat sich im Rahmen der Berufung nicht geändert. Der Vortrag des beklagten Landes zum Ausmaß des Personalüberhangs für Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung im Fach Mathematik am Greifen-Gymnasium in U. ist nach wie vor unsubstantiiert. Denn der Vortrag geht nicht über die pauschale Behauptung hinaus, es habe ein Überhang im Umfang von 54 Unterrichtswochenstunden bestanden.

29

Bei Lichte betrachtet kann man darin noch nicht einmal eine Tatsachenbehauptung erkennen, denn es handelt sich um eine Folgerung, die das beklagte Land rechnerisch aus Tatsachen, die es dem Gericht allerdings nicht mitgeteilt hat, gezogen hat.

30

Aber selbst dann, wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass man eine solche Rechengröße als Tatsache ansehen könnte, bleibt der Vortrag gänzlich unzureichend. Denn der Kläger hat hier im Rechtsstreit von Anfang an die Planungsansätze seines Schulleiter bzw. des Schulamtes in Frage gestellt. Wird in einem Rechtsstreit eine zunächst sehr pauschal vorgetragene Tatsache vom Gegner bestritten, ist die beweispflichtige Partei – hier das beklagte Land – verpflichtet, die hinter der pauschalen Tatsachenbehauptung stehenden Einzelfakten in den Rechtsstreit einzuführen (vgl. nur BGH 13. August 1997 - VIII ZR 246/96 - NJW-RR 1998, 712).

31

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des beklagten Landes nicht. Obwohl die Angabe der konkreten Zahl von 54 Unterrichtswochenstunden als Ausmaß des Personalüberhangs wie eine konkrete Tatsachenbehauptung erscheint, ist es in Wirklichkeit nur ein pauschaler Hinweis auf viele Einzeltatsachen, die erst in der Zusammenschau diese Behauptung rechtfertigen und begründen. Diese Tatsachenbehauptung ist daher ähnlich pauschal wie die häufig anzutreffende pauschale Behauptung, der Betriebsrat oder der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Wird diese pauschale Behauptung bestritten, müssen die ihr zu Grunde liegenden Einzeltatsachen in den Rechtsstreit eingeführt werden. Das gilt für den pauschal behaupteten Personalüberhang im Fach Mathematik ebenso. Eine Erläuterung des Rechenmodells und der dabei verwendeten Ausgangsdaten ist hier trotz des Bestreitens des Klägers nicht erfolgt.

32

Die Vernehmung der nochmals im Berufungsrechtszug benannten Zeugen (Schulleiter und Schulrat) kommt nicht in Betracht, da das Gericht keinen Ausforschungsbeweis erheben darf. Denn bisher gibt es keine streitigen Tatsachen, sondern nur die streitige pauschale Sammelbezeichnung zu dem Problem an der Schule (54 Unterrichtswochenstunden zu viel), die in dieser Pauschalität einem Beweis nicht zugänglich ist. Darauf hatte das Arbeitsgericht ausdrücklich in seiner Urteilsbegründung abgestellt, ohne dass sich die Berufung damit auseinander gesetzt hat.

III.

33

Zutreffend ist das Arbeitsgericht im Weiteren davon ausgegangen, dass die streitige Personalmaßnahme auch wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung des beim Schulrat gebildeten Bezirkspersonalrats der Lehrer unwirksam ist.

1.

34

Nach § 68 Absatz 1 Ziffer 9 Landespersonalvertretungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (LPersVG MV) bestimmt der Personalrat bei Versetzungen mit. Nach § 62 Absatz 1 LPersVG MV verlangt die Mitbestimmung die Zustimmung des Personalrats zu der geplanten Maßnahme. Die Zustimmung kann ausdrücklich durch den Personalrat auf Basis eines Beschlusses erklärt werden, sie kann durch die Einigungsstelle ersetzt werden, oder sie kann per Gesetz durch Fristablauf eintreten (§ 62 Absatz 2 Satz 4 LPersVG MV).

35

Eine Zustimmung des Personalrats in der einen oder der anderen Weise liegt nicht vor. Der Bezirkspersonalrat hat das in dem Beteiligungsbogen vorgesehene Antwortmuster „Zustimmung“ sogar durchgestrichen und durch das Wort „Verfristung“ ersetzt. Daher kann in der Reaktion des Personalrats auch nicht eine konkludente Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme erblickt werden. Auf den Fristablauf kann sich das beklagte Land ebenfalls nicht berufen, da es die nach dem Gesetz geltende Frist von 10 Arbeitstagen aus § 62 Absatz 2 Satz 3 LPersVG MV nicht abgewartet hat. Der Beteiligungsbogen vom 20. Juli 2009 ist beim Bezirkspersonalrat ausweislich des abgezeichneten Stempelaufdrucks am 21. Juli 2009 eingegangen. Die Zustimmungsfiktion hätte also frühestens am 5. Oktober 2009 eintreten können. Zu diesem Zeitpunkt war die Versetzungsverfügung dem Kläger allerdings schon längere Zeit zugegangen. Da das beklagte Land auch das Stufenverfahren nicht eingeleitet hat, ist die fehlende Zustimmung auch nicht ersetzt worden.

36

Eine ohne Zustimmung des Personalrats ausgesprochene Versetzung ist unwirksam. Dies folgt aus dem Zweck des Beteiligungsrechts, mit dem in erster Linie der von der Personalmaßnahme betroffene Arbeitnehmer geschützt werden soll, in zweiter Linie aber auch die Interessen der Dienststellenangehörigen berücksichtigt werden sollen (BAG 15. Januar 1991 — 1 AZR 105/90 – BAGE 67, 35 = AP Nr. 4 zu § 4 BPersVG = PersR 1991, 307; BAG vom 2. Juni 1987 - 1 AZR 645/85). Da das Landespersonalvertretungsgesetz für die Versetzung die Mitbestimmung vorsieht, gilt diese Rechtsfolge ohne weiteres auch bei einer Maßnahme, für die zwar eine Beteiligung eingeleitet wurde, die Zustimmung des Personalrats jedoch nicht vorliegt. Das hat das Bundesarbeitsgericht bereits für die Maßnahme des Ausspruchs einer Kündigung so entschieden, wenn diese nach Landesrecht der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt (BAG 28. Januar 2010 – 2 AZR 50/09 – AP Nr. 162 zu § 102 BetrVG = PersR 2010, 305).

37

Dieser Rechtsgedanke ist auf die Personalmaßnahme der Versetzung, die nach dem Landesrecht in Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, übertragbar. Zwar kennt das Gesetz anders als bei der Kündigung in § 68 Absatz 7 LPersVG MV keine ausdrückliche Anordnung einer Rechtsfolge für den Fall der unterbliebenen oder der fehlerbehafteten Beteiligung. Gleichwohl geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch bei anderen belastenden Maßnahmen, die der Beteiligung unterliegen, von vergleichbaren Grundsätzen aus. Denn nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls dann zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, wenn diese den betroffenen Arbeitnehmer belasten. Das soll verhindern, dass der Arbeitgeber dem Einigungszwang mit dem Betriebsrat durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht. Dem Arbeitgeber darf aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtwidrigkeit auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kein Vorteil erwachsen (BAG 22. Juni 2010 – 1 AZR 853/08 – BAGE 135, 13 = NZA 2010, 1243 = AP Nr. 136 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Dieser für den Bereich der Privatwirtschaft und das Betriebsverfassungsrecht entwickelte Gedanke lässt sich ohne weiteres auf den Bereich des öffentlichen Dienstrechts und des Personalvertretungsrechts übertragen (so wohl auch BAG 9. November 2010 – 1 AZR 147/09 – PersR 2011, 176 = NZA-RR 2011, 278).

38

Die dargestellte Rechtsfolge lässt sich nicht mit dem Hinweis darauf vermeiden, dass der Personalrat doch mit der Rücksendung des Beteiligungsbogens eine endgültige Stellungnahme abgegeben habe. Die vom beklagten Land als Beleg zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 12. März 1987 – 2 AZR 176/86 – AP Nr. 47 zu § 102 BetrVG 1972 = DB 1988, 658 = NZA 1988, 137) lässt sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bezieht sich auf eine außerordentliche Kündigung und die Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG. Hier hebt das Gericht zu Recht darauf ab, dass es nicht erforderlich sei, den Ablauf der Frist für die Zustimmungsfiktion abzuwarten, wenn sich der Betriebsrat endgültig und abschließend zu der beabsichtigten Maßnahme positioniert habe. Eine solche Interpretation des Gesetzes ist aber nur möglich, weil § 102 BetrVG lediglich als Anhörungsrecht ausgestaltet ist. Es kommt also letztlich gar nicht darauf an, ob und wie der Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung Stellung nimmt. Das eröffnet die Möglichkeit, im Falle einer endgültigen Stellungnahme des Betriebsrats das Beteiligungsverfahren als abgeschlossen zu betrachten. Das ist bei der Versetzung, die nach Landesrecht der Mitbestimmung unterliegt, nicht möglich. Denn ein Mitbestimmungsverfahren kann immer nur mit der Zustimmung des Personalrats, mag sie freiwillig, erzwungen oder durch gesetzliche Fiktion erfolgen, enden (so auch BAG 28. Januar 2010 aaO zur mitbestimmten Kündigung nach niedersächsischen Personalvertretungsrecht).

2.

39

Die Beteiligung des Personalrats leidet allerdings auch noch unter einem weiteren Mangel. Denn der Personalrat ist über den Grund der Versetzung nur unzureichend unterrichtet worden und nach Lage der Dinge ist dies nicht aus Versehen passiert.

a)

40

Die Unterrichtung des Bezirkspersonalrats der Lehrer über den Grund für die Versetzung des Klägers ist falsch. Der Bezirkspersonalrat wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass die Versetzung wegen des Bedarfs nach einem Mathematiklehrer in D. erfolgt. Das mag der ursprüngliche Plan gewesen sein. Der war aber schon zum Zeitpunkt der Beteiligung des Bezirkspersonalrats nicht mehr aktuell, denn durch die Beurlaubung der Kollegin Frau B, die am 9. Juli 2009 verfügt wurde, war eine neue Situation entstanden.

41

Letztlich ist nunmehr die Versetzung des Klägers und des Kollegen H. von F. nach A. allein deshalb erfolgt, weil an der Schule in A. die Kollegin Frau B. auf ihren Wunsch beurlaubt wurde.

b)

42

Werden dem Personalrat im Rahmen der Unterrichtung versehentlich Umstände falsch mitgeteilt, berührt das die Wirksamkeit der Unterrichtung nicht. Anders ist dies aber bei einer absichtlichen Falschunterrichtung des Personalrats.

43

Nach Sinn und Zweck des Beteiligungsverfahrens ist eine bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Mitteilung der für die personelle Maßnahme des Arbeitgebers maßgebenden Gründe wie eine Nichtinformation des Betriebsrats zu behandeln (BAG 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – BAGE 78, 39 = AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972 = DB 1995, 477 zu dem insoweit vergleichbaren Fall der Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG an einer Kündigung; vgl. auch BAG Urteil vom 31. August 1989 - 2 AZR 453/88 - AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Schleswig-Holstein; vgl. zu einem Kündigungsfall auch LAG Mecklenburg-Vorpommern 3. Februar 2011 – 1 Sa 232/10 – NZA-RR 2011, 461). Sie führt zur Unwirksamkeit der Kündigung entsprechend § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Denn der Arbeitgeber setzt den Betriebsrat dadurch außerstande, sich ein zutreffendes Bild von den Gründen für die personelle Maßnahme zu machen. Damit ist es ihm nicht mehr möglich, seiner gesetzlichen Aufgabe, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen, nachzukommen.

44

Ein solcher Fall liegt hier – wie vom Arbeitsgericht richtig gesehen – vor. Die dem Personalrat mitgeteilten Gründe für die Versetzung hatten angesichts der Tatsache, dass man das Ziel, den Personalbedarf an der Schule in D. durch eine Versetzung zu beheben, schon aufgegeben hatte, mit der Realität nichts mehr zu tun.

c)

45

Nach Lage der Dinge muss das Gericht auch davon ausgehen, dass die Falschunterrichtung der Personalvertretung bewusst erfolgt ist. Das Bundesarbeitsgericht hat in der bereits zitierten Entscheidung vom 22. September 1994 zu dieser subjektiven Seite der Falschinformation ausgeführt, dass es in der Beweislast des Arbeitgebers liege nachzuweisen, dass eine objektiv falsche Unterrichtung ohne ein Willen zur Falschunterrichtung erfolgt sei (BAG 22. September 1994 aaO RNr. 31).

46

Die vom Land angeführten Gründe, weshalb es zu der objektiv unzutreffenden Unterrichtung gekommen sei, entlasten das beklagte Land nicht. Denn das beklagte Land stellt auf Seite 10 der Berufungsbegründung lediglich darauf ab, dass die Deckung des Personalengpasses in D. lediglich das Motiv für die Maßnahme gewesen sei, während diese sich schon objektiv allein aufgrund des Bedarfes in F., der durch die Versetzung des Kollegen Herrn H. nach A. entstanden war, rechtfertigen lasse. Das lässt sich mit dem Text des Beteiligungsschreibens nicht in Einklang bringen, wo es an der zentralen Stelle der Begründung heißt, die Versetzung erfolge wegen des Personalbedarfs an der Schule in D.. Außerdem stellt sich die Rechtfertigung für das Opfer, das das beklagte Land vom Kläger abverlangt, in Wirklichkeit ganz anders dar. Denn nachdem das beklagte Land das ursprüngliche Ziel der indirekten Deckung des Bedarfs in D. aufgegeben hatte, ließ sich das Festhalten an dem Plan der Versetzung des Klägers allein noch mit der Deckung des Bedarfs rechtfertigen, der durch die Beurlaubung der Kollegin Frau B. in A. entstanden war.

47

Das sind aber aus der Sicht des Personalrats Versetzungsgründe von völlig unterschiedlichem Gewicht. Denn im Falle der Deckung des Personalbedarfs in D. geht es um eine Reaktion auf ein vom beklagten Land nicht steuerbares Personalproblem, bei dem sich das Land durch eine komplizierte Kettenversetzung zudem intensiv darum bemüht hat, die damit verbundenen Opfer der Belegschaft feinfühlig auf mehrere Schultern zu gleichen Teilen zu verteilen. – Später als es nur noch um die Deckung der Lücke ging, die Frau B. in A. hinterlassen hatte, ging es um ein vom beklagten Land durch die Genehmigung von Sonderurlaub selbst heraufbeschworenes Problem, dass man wegen der Kostenvorteile durch die unbezahlte Beurlaubung durchaus auch durch eine Aufstockung der Teilzeitquoten der Kollegen vor Ort hätte beheben können. Wäre der Personalrat über diesen wahren Hintergrund der neu begründeten Maßnahme unterrichtet gewesen, hätte er aus seiner Rolle als Personalrat ganz andere Ansatzpunkte für eine Intervention gegen diese Pläne gehabt.

48

Der Sachverhalt stellt sich für den Personalrat auch nicht dadurch anders dar, dass dieser über die Person seines Vorsitzenden und dessen Tätigkeit als Lehrer an der KGS A. Kenntnis von der Beurlaubung von Frau B. hatte. Denn nicht die Kenntnis dieses Umstandes ist entscheidend, sondern entscheidend ist die Frage, zu welcher Neubewertung der geplanten Maßnahme das beklagte Land in Folge dieser Veränderung der objektiven Verhältnisse gekommen ist. Diesbezüglich wurde die Unterrichtung des Personalrats nicht aktualisiert, so dass der Personalrat keine Chance hatte zu erkennen, dass die neue Begründung für die Maßnahme ganz andere Ansätze für eine begründete Ablehnung durch den Personalrat bietet.

IV.

49

Die Kosten der Berufung hat das beklage Land zu tragen, da sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

50

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 97 ZPO sind nicht erfüllt.

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